HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/193

Be­triebs­rat - Kün­di­gung: Frist­lo­se Kün­di­gung ei­nes Be­triebs­rats we­gen Ab­hö­rens ei­ner Aus­schuss­sit­zung

Lausch­an­griff auf ei­ne Sit­zung des Be­triebs­aus­schus­ses recht­fer­tigt nicht un­be­dingt die frist­lo­se Kün­di­gung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 09.09.2011, 17 Sa 16/11
Rechte Hand mit roter Karte Kün­di­gung we­gen Lausch­an­griffs auf Gre­mi­en­sit­zung?

05.10.2011. Soll ein Be­triebs­rat bzw. Be­triebs­rats­mit­glied die frist­lo­se Kün­di­gung aus ver­hal­tens­be­ding­ten Grün­den er­hal­ten, wird über die Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Kün­di­gung prak­tisch im­mer vor­ab ge­richt­lich ge­strit­ten.

Denn meist ver­wei­gert der Be­triebs­rat, d.h. das Gre­mi­um, die nach dem Ge­setz er­for­der­li­che Zu­stim­mung zu ei­ner sol­chen Kün­di­gung ei­nes sei­ner Mit­glie­der, und dann muss der Ar­beit­ge­ber die ge­richt­li­che Er­set­zung der Zu­stim­mung er­strei­ten.

Auch bei Be­triebs­rä­ten kann der Ver­dacht ei­ner Straf­tat ein Grund für ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung sein. Al­ler­dings recht­fer­tigt ein rechts­wid­ri­ger Lausch­an­griff auf Be­triebs­rats­kol­le­gen nicht oh­ne wei­te­res die au­ßer­or­dent­li­chen Kün­di­gung ei­nes Be­triebs­rats: Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 09.09.2011, 17 Sa 16/11.

Kündi­gung ei­nes Be­triebs­rats - nur im Aus­nah­me­fall möglich

Be­triebs­rats­mit­glie­der ha­ben ei­nen stärke­ren Kündi­gungs­schutz als nor­ma­le Ar­beit­neh­mer: Ei­ne or­dent­li­che be­triebs­be­ding­te Kündi­gung ist nur aus­nahms­wei­se möglich, nämlich bei ei­ner Be­triebs­sch­ließung oder Ab­tei­lungs­sch­ließung (§ 15 Abs.4 und Abs.5 Kündi­gungs­schutz­ge­setz - KSchG).

Für al­le an­de­ren Kündi­gun­gen braucht der Ar­beit­ge­ber ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne von § 626 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB), d.h. er kann nur außer­or­dent­lich kündi­gen, und er braucht für ei­ne sol­che (außer­or­dent­li­che) Kündi­gung die vor­he­ri­ge Zu­stim­mung des Be­triebs­rats als Gre­mi­um (§§ 15 Abs.1 KSchG, 103 Abs.1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz - Be­trVG).

Wird ein Be­triebs­rat bzw. Be­triebs­rats­mit­glied frist­los gekündigt, be­ruft sich der Ar­beit­ge­ber meist auf Pflicht­verstöße, d.h. er spricht ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung aus. Dann muss der Pflicht­ver­s­toß wie bei ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ei­nes „nor­ma­len“ Ar­beit­neh­mers so schwer wie­gen, dass der Ar­beit­ge­ber "auf ei­nen Schlag" das Ver­trau­en in den gekündig­ten Be­triebs­rat ver­lo­ren hat.

Ein vom Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg ent­schie­de­ner Streit zeigt, dass auch ein rechts­wid­ri­ger Lausch­an­griff auf an­de­re Be­triebs­rats­mit­glie­der nicht im­mer die frist­lo­se Kündi­gung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds recht­fer­tigt (Ur­teil vom 09.09.2011, 17 Sa 16/11).

Heim­li­ches Mithören­las­sen ei­ner Be­triebs­aus­schuss-Sit­zung recht­fer­tigt nicht im­mer die frist­lo­se Kündi­gung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds

Beim Kauf­haus Bre­u­nin­ger in Stutt­gart hat­te der Be­triebs­rat ei­nen Be­triebs­aus­schuss ge­bil­det. Während ei­ner Sit­zung des Be­triebs­auss­schus­ses soll ei­ne Be­triebsrätin es außen­ste­hen­den Per­so­nen per Han­dy ermöglicht ha­ben, die Gespräche in der Be­triebs­aus­schuss-Sit­zung heim­lich mit­an­zuhören. Da­mit hätte sie nicht nur das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht der An­we­sen­den ver­letzt, son­dern sich so­gar straf­bar ge­macht (§ 201 Straf­ge­setz­buch - StGB, § 119 Abs.1 Nr.2 Be­trVG).

We­gen die­ses an­geb­li­chen Lausch­an­griffs (bzw. des ent­spre­chen­den Ver­dachts) kündig­te das Kauf­haus - mit Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes - das zwan­zig Jah­re be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich frist­los. Da­ge­gen er­hob die Be­triebsrätin Kündi­gungs­schutz­kla­ge und hat­te da­mit vor dem Ar­beits­ge­richt Stutt­gart (Ur­teil vom 26.01.2011, 28 Ca 7333/10) und in der Be­ru­fung vor dem LAG Ba­den-Würt­tem­berg Er­folg (LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 09.09.2011, 17 Sa 16/11). Denn hier hätte an­stel­le ei­ner Kündi­gung auch ei­ne Ab­mah­nung als Re­ak­ti­on aus­ge­reicht, um künf­ti­ges Fehl­ver­hal­ten zu ver­hin­dern.

Da­bei ließen die Ge­rich­te of­fen, ob die Vorwürfe be­wie­sen wer­den konn­ten oder ob nur ein ent­spre­chen­der Ver­dacht vor­lag. Denn letzt­lich war die (an­geb­li­che) Abhörak­ti­on bzw. der (an­geb­li­che) Lausch­an­griff Fol­ge in­ter­ner Strei­tig­kei­ten im Be­triebs­rat. Des­halb muss­te der Ar­beit­ge­ber selbst dann, wenn die Vorwürfe zu­tref­fen soll­ten, im Ar­beits­verhält­nis selbst nicht mit ähn­li­chen Pflicht­ver­let­zun­gen rech­nen. Denn im­mer­hin war das Ar­beits­verhält­nis bis­her oh­ne Be­an­stan­dun­gen ver­lau­fen.

Fa­zit: Ein Be­triebs­rat bzw. ein Be­triebs­rats­mit­glied kann sich wie an­de­re Ar­beit­neh­mer auch auf die ak­tu­el­le Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) zu frist­lo­sen Kündi­gun­gen be­ru­fen (BAG, Ur­teil vom Ur­teil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09). Da­nach gilt:

Hat man sich durch jah­re­lan­ge be­an­stan­dungs­freie Ar­beit ein ent­spre­chen­des Ver­trau­en er­ar­bei­tet, wird die­ses Ver­trau­en nicht durch ei­nen ein­ma­li­gen und un­ty­pi­schen Aus­rut­scher völlig zerstört. Be­trifft das Fehl­ver­hal­ten darüber hin­aus so­gar in ers­ter Li­nie die Be­triebs­ratstätig­keit, ist ei­ne frist­lo­se Kündi­gung meist un­verhält­nismäßig.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 11. April 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de