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ArbG We­sel, Be­schluss vom 29.09.2010, 4 BV 34/10

   
Schlagworte: Betriebsratswahl
   
Gericht: Arbeitsgericht Wesel
Aktenzeichen: 4 BV 34/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 29.09.2010
   
Leitsätze:

1. Nicht jeder Fehler bei der Einrichtung des Wahlvorstandes hat automatisch die Nichtigkeit der Bestellung zur Folge.

2. Wurde der fehlerhaft bestellte Wahlvorstand von einer Stelle eingerichtet wurde, die hierzu entsprechend den Normen des BetrVG befugt ist, führt dies nur zur Nichtigkeit, wenn dabei gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt.

Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt We­sel, 4 BV 34/10

 

Te­nor:

Un­ter Zurück­wei­sung des wei­ter­ge­hen­den An­trags wird die am 29.05.2010 statt­ge­fun­de­ne Be­triebs­rats­wahl für un­wirk­sam erklärt.

 

Gründe: 

I. 

Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob die Wahl des An­trags­geg­ners nich­tig oder hilfs­wei­se je­den­falls un­wirk­sam ist.

Die An­trag­stel­le­rin ist ein Un­ter­neh­men der Post­zu­stell­bran­che und bie­tet Dienst­leis­tun­gen für den Post- und Ex­press­ver­sand an. Die An­trag­stel­le­rin ist or­ga­ni­sa­to­risch in der Wei­se auf­ge­stellt, als dass sie so­wohl De­pots als auch so­ge­nann­te Nie­der­las­sun­gen un­terhält. Da­bei ist ei­ne ge­wis­se An­zahl De­pots, die le­dig­lich als Aus­gangs- und Sam­mel­punkt für die zu­zu­stel­len­de Post die­nen, ei­ner Nie­der­las­sung zu­ge­ord­net. In der je­wei­li­gen Nie­der­las­sung wer­den die we­sent­li­chen per­so­nel­len und lo­gis­ti­schen An­ge­le­gen­hei­ten ge­re­gelt. In der Nie­der­las­sung N. mit den da­zu gehöri­gen De­pots sind et­wa 260 Ar­beit­neh­mer beschäftigt.

Der An­trags­geg­ner ist der aus der Be­triebs­rats­wahl vom 29.05.2010 in der Nie­der­las­sung N. her­vor­ge­gan­ge­ne Be­triebs­rat.

Die An­trag­stel­le­rin struk­tu­riert ih­re De­pots re­gelmäßig um. Im Jahr 2009 führ­te ei­ne sol­che Um­struk­tu­rie­rung da­zu, dass der im ehe­ma­li­gen De­pot L. Straße N. ge­bil­de­te Be­triebs­rat auf­grund der Sch­ließung die­ses De­pots An­fang Ju­ni 2009 sein Amt ver­lor. Die An­trags­stel­le­rin rich­te­te zu­vor und in der Fol­ge drei neue De­pots im Stadt­ge­biet L. ein (I. Str. 702, am 07.02.2009, F. Str. 77 am 02.06.2009 und V. Str. 27 am 09.06.2009).

Mit Schrei­ben vom 25.11.2009 wur­de das Mit­glied des ehe­ma­li­gen Be­triebs­ra­tes L. N., L.-Str., 7 von dem Vor­sit­zen­den des ein­zi­gen wei­te­ren bei der An­trag­stel­le­rin in I. ein­ge­rich­te­ten Be­triebs­ra­tes zur kon­sti­tu­ie­ren­den Sit­zung ei­nes Ge­samt­be­triebs­ra­tes ein­ge­la­den. Mit Schrei­ben

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vom 01.12.2009 wur­de die An­trags­stel­le­rin in­for­miert, dass sich am 30.11.2009 ein Ge­samt­be­triebs­rat kon­sti­tu­iert hat­te so­wie das u.a. ein Wahl­vor­stand für die Nie­der­las­sung N. ge­bil­det wor­den war.

Der so be­stell­te Wahl­vor­stand der Nie­der­las­sung N. be­gehr­te in dem Ver­fah­ren 4 BV­Ga 7/10 vor dem Ar­beits­ge­richt We­sel - Ge­richts­tag N. - die Her­aus­ga­be von Ar­beit­neh­mer­lis­ten zur Durchführung ei­ner Be­triebs­rats­wahl bei der An­trag­stel­le­rin. Der An­trag wur­de zurück­ge­wie­sen, weil nicht fest­ge­stellt wer­den konn­te, dass ein ord­nungs­gemäßer Be­schluss des dor­ti­gen Wahl­vor­stan­des zur Ein­lei­tung des Ver­fah­rens ge­fasst wor­den war. Ge­gen die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts wur­de Be­schwer­de zu dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf ein­ge­legt (4 TaBV­Ga 11/10). Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat das Ver­fah­ren ein­ge­stellt.

Un­ter dem 16.04.2010 er­stell­te der Wahl­vor­stand der Nie­der­las­sung N. ein Wahl­aus­schrei­ben (Bl. 68 d. A.). Die Ar­beit­neh­mer der An­trag­stel­le­rin wur­den in der Wei­se von der Wahl am 29.05.2010 un­ter­rich­tet, dass Mit­ar­bei­ter der Ge­werk­schaft ver.di sich En­de April 2010 vor ein­zel­nen De­pots auf­stell­ten und die sich dort ein­fin­den­den Mit­ar­bei­ter auf­for­der­ten, sich in die Wähler­lis­te ein­tra­gen zu las­sen. Da­bei ha­ben ca. 90 bis 100 Ar­beit­neh­mer nach An­ga­be des Be­triebs­ra­tes ih­re Adres­se an­ge­ge­ben. Zu­gleich ver­folg­te der ehe­ma­li­ge Wahl­vor­stand der Nie­der­las­sung N. das Ver­fah­ren zu dem Ak­ten­zei­chen 4 BV­Ga 7/10 vor dem Ar­beits­ge­richt We­sel wei­ter. Am 07.05.2010 reich­te die Ge­werk­schaft ver.di ei­ne Wahl­vor­schlags­lis­te ein (Bl. 136 d. A.).
Die Wahl des Be­triebs­ra­tes fand schließlich am 29.05.2010 vor dem De­pot der An­trag­stel­le­rin in der F.-Straße in L. statt. Aus­weis­lich der Wahl­nie­der­schrift vom 29.05.2010 (Bl. 69 f. d. A.) wa­ren da­bei 22 Wahl­um­schläge ab­ge­ge­ben wor­den.

Mit dem am 10.06.2010 bei dem Ar­beits­ge­richt We­sel ein­ge­gan­ge­nen An­trag be­gehrt die An­trag­stel­le­rin, die Be­triebs­rats­wahl vom 29.05.2010 für nich­tig, hilfs­wei­se für un­wirk­sam zu erklären.

Die An­trag­stel­le­rin be­haup­tet, das Wahl­aus­schrei­ben vom 16.04.2010 sei per Post an ei­ni­ge, je­doch nicht an al­le Mit­ar­bei­ter der An­trag­stel­le­rin ver­sandt wor­den. Ins­be­son­de­re ha­be es sich um Ar­beit­neh­mer der De­pots L. N. und des De­pots S.-Str. ge­han­delt. Die An­trag­stel­le­rin ist der An­sicht, die Wahl des Be­triebs­ra­tes sei nich­tig, weil be­reits die Wahl des Wahl­vor­stan­des nich­tig sei. Die­se sei un­ter Miss­ach­tung von Form­vor­schrif­ten er­folgt. So be­strei­tet sie, dass mit dem Schrei­ben vom 25.11.2009 auch ei­ne Ta­ges­ord­nung über­mit­telt wor­den sei, dass es ei­nen ord­nungs­gemäßen Ein­la­dungs­be­schluss des Be­triebs­ra­tes I. gibt, dass der Ge­samt­be­triebs­rat ord­nungs­gemäß gewählt wor­den sei, dass ei­ne ord­nungs­gemäße Sit­zung ent­spre­chend der Ta­ges­ord­nung statt­ge­fun­den ha­be, dass ei­ne ord­nungs­gemäße Ent­sen­dung von Mit­glie­dern in den Ge­samt­be­triebs­rat aus I. vor­lie­ge so­wie das ord­nungs­gemäße Be­schlüsse ge­fasst wor­den sei­en. Zu­dem sei der ehe­ma­li­ge Be­triebs­rat des De­pots L. N. im Rah­men ei­nes Über­g­angs­man­da­tes für die Bil­dung des Wahl­vor­stan­des zuständig ge­we­sen. Die Nich­tig­keit der Wahl vom 29.05.2010 er­ge­be sich auch dar­aus, dass der ehe­ma­li­ge Wahl­vor­stand der Nie­der­las­sung N. in dem Ver­fah­ren 4 BV­Ga 7/10 be­haup­tet ha­be, ein Wahl­aus­schrei­ben sei von der An­trag­stel­le­rin ent­fernt wor­den. Die An­trag­stel­le­rin be­strei­tet zwar die­sen Vor­trag, doch geht sie da­von aus, dass sich hier­aus die Nich­tig­keit der Wahl vom 29.05.2010 er­ge­be, weil doch der An­trags­geg­ner da­von aus­ge­he, dass die­ser Sach­ver­halt so er­folgt sei, mit­hin das Wahl­aus­schrei­ben nach sei­nem Vor­trag nicht aus­ge­han­gen ha­be. Die Wahl vom 29.05.2010 sei auch des­halb nich­tig, weil es kei­nen ord­nungs­gemäßen Aus­hang ei­nes Wahl­aus­schrei­bens mit gleich­zei­ti­gem Aus­hang der Wähler­lis­te in den De­pots der Nie­der­las­sung der An­trag­stel­le­rin ge­ge­ben ha­be. Das Wahl­aus­schrei­ben vom 16.04.2010 be­inhal­te auch kei­ne An­ga­ben zu den not­wen­di­gen Stütz­un­ter­schrif­ten. Der Wahl­vor­stand ha­be kei­ne ord­nungs­gemäßen Wähler­lis­ten auf­ge­stellt, so dass es den Beschäftig­ten nicht möglich ge­we­sen sei, in­ner­halb der Frist des § 4 WO Ein­spruch ge­gen die­se zu er­he­ben.

Die An­trag­stel­le­rin be­an­tragt, 

1.fest­zu­stel­len, dass die am 29.05.2010 statt­ge­fun­de­ne Be­triebs­rats­wahl nich­tig ist, 

2.hilfs­wei­se, die am 29.05.2010 statt­ge­fun­de­ne Be­triebs­rats­wahl für un­wirk­sam zu 

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erklären.

Der An­trags­geg­ner be­an­tragt, 

die Anträge zurück­zu­wei­sen. 

Der An­trags­geg­ner be­haup­tet, al­le Ar­beit­neh­mer sei­en durch den Wahl­vor­stand bzw. durch die Mit­glie­der der Ge­werk­schaft ver.di vor den De­pots an­ge­spro­chen wor­den, die­sen das Wahl­aus­schrei­ben aus­gehändigt und um die Teil­nah­me des Ar­beit­neh­mers an der Wahl und auch um des­sen et­wai­ge Kan­di­da­tur ge­wor­ben wor­den. In­so­weit ha­be die An­trag­stel­le­rin den Mit­glie­dern des Wahl­vor­stan­des Haus­ver­bot er­teilt. Das Wahl­aus­schrei­ben vom 16.04.2010 sei auch ord­nungs­gemäß in der Nie­der­las­sung N. aus­ge­han­gen wor­den. Es sei aber so­fort wie­der ab­ge­ris­sen wor­den. Der An­trags­geg­ner be­haup­tet wei­ter, die An­trag­stel­le­rin ha­be die Wahl durch Einschüchte­rung der Ar­beit­neh­mer, Er­tei­lung ei­nes Haus­ver­bo­tes für den Wahl­vor­stand und die Ge­werk­schafts­mit­ar­bei­ter so­wie wei­te­rer Maßnah­men, wie ei­ner Ab­mahn­wel­le, be­hin­dert. Die ge­rin­ge Wahl­be­tei­li­gung re­sul­tie­re aus der Nicht­verlänge­rung von be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen bei gleich­zei­ti­gen Neu­ein­stel­lun­gen, mit­hin dem Ab­schie­ben un­lieb­sa­mer Ar­beit­neh­mer. Aus die­sem Grund ha­be die An­trag­stel­le­rin auch kein An­fech­tungs­recht. Ein Aushängen der Wähler­lis­te hätte nach An­sicht des An­trags­geg­ners da­zu geführt, dass die dort ein­ge­tra­ge­nen Mit­ar­bei­ter Re­pres­sio­nen durch die An­trag­stel­le­rin aus­ge­setzt wor­den wären.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze der Be­tei­lig­ten nebst An­la­gen so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten Be­zug ge­nom­men.

II. 

Der An­trag auf Fest­stel­lung der Nich­tig­keit der Wahl vom 29.05.2010 ist zulässig aber un­be­gründet, der An­trag die Wahl vom 29.05.2010 für un­wirk­sam zu erklären ist zulässig und be­gründet.

1. Der An­trag auf Fest­stel­lung der Nich­tig­keit der Be­triebs­rats­wahl vom 29.05.2010 war zurück­zu­wei­sen.

a.Der An­trag war zulässig. Ins­be­son­de­re ist die Ein­hal­tung ei­ner Frist zur Er­he­bung des An­trags nicht ge­bo­ten (BAG vom 27.04.1976 - 1 AZR 485/75, AP Nr. 4 zu § 19 Be­trVG; ErfK-Ei­se­mann, 10. A., 2010, § 19 Be­trVG, Rn. 16).

b.Die Be­triebs­rats­wahl vom 29.05.2010 ist nicht nich­tig. 

aa.Die Nich­tig­keit ei­ner Be­triebs­rats­wahl ist le­dig­lich in ganz be­son­de­ren Aus­nah­mefällen an­zu­neh­men, in de­nen ge­gen all­ge­mei­ne Grundsätze je­der ord­nungs­gemäßen Wahl in so ho­hem Maße ver­s­toßen wor­den ist, dass auch der An­schein ei­ner dem Ge­setz ent­spre­chen­den Wahl nicht mehr vor­liegt (st. Rspr. vgl. al­lein BAG vom 19.11.2003 - 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 Be­trVG; BAG vom 15.11.2000 - 7 ABR 23/99, ju­ris; BAG vom 28.11.1977 - 1 ABR 36/76, AP Nr. 6 zu § 19 Be­trVG 1972). Es muss so­wohl ein of­fen­sicht­li­cher als auch ein be­son­ders gro­ber Ver­s­toß ge­gen Wahl­vor­schrif­ten vor­lie­gen (BAG vom 19.11.2003 - 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 Be­trVG). Bild­lich ge­spro­chen muss die Wahl „den Stem­pel der Nich­tig­keit auf der Stirn tra­gen“ (BAG vom 19.11.2003 - 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 Be­trVG 1972; BAG vom 17.01.1978 - 1 ABR 71/76, AP Nr. 1 zu § 1 Be­trVG 1972). Die Ein­ord­nung ei­nes Wahl­feh­lers als Nich­tig­keits­grund ist al­so re­strik­tiv vor­zu­neh­men, da aus Gründen der Rechts­si­cher­heit und der Funk­ti­onsfähig­keit ei­nes gewähl­ten Be­triebs­ra­tes klar er­sicht­lich sein soll, ob ein Be­triebs­rat be­steht oder nicht (vgl. BAG vom 19.11.2003 - 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 Be­trVG; Ri­char­di, Be­trVG, 12. A., 2008, § 19, Rn. 72; GK-Kreutz, Be­trVG, 9. A., § 19, Rn. 132). Ab­zu­stel­len ist auf ei­nen mit den be­trieb­li­chen Verhält­nis­sen ver­trau­ten Drit­ten (GK-Kreutz, a.a.O., m.w.N.).

Dem­ge­genüber ist ei­ne Be­triebs­rats­wahl gem. § 19 Abs. 1 Be­trVG le­dig­lich an­fecht­bar, wenn ge­gen we­sent­li­che Vor­schrif­ten über das Wahl­recht oder das Wahl­ver­fah­ren ver­s­toßen wor­den und ei­ne Be­rich­ti­gung nicht er­folgt ist, es sei denn, dass sich durch den Ver­s­toß das

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Wahl­er­geb­nis nicht geändert hat oder die­ses nicht be­ein­flusst wer­den konn­te. Selbst of­fen­sicht­li­che Verstöße ge­gen zwin­gen­de ein­zel­ne Ord­nungs- und Ver­fah­rens­vor­schrif­ten der WO genügen al­lein zur An­nah­me der Nich­tig­keit ei­ner Wahl nicht (BAG vom 13.09.1984 - 6 ABR 43/83, AP Nr. 3 zu § 1 Be­trVG 1972; GK-Kreutz, a.a.O., Rn. 135)

bb.Vor die­sem Hin­ter­grund wa­ren die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne nich­ti­ge Wahl nach An­sicht der Kam­mer vor­lie­gend nicht ge­ge­ben.

(1)Die Wahl vom 29.05.2010 ist nicht des­halb nich­tig, weil be­reits der Wahl­vor­stand in ge­set­zes­wid­ri­ger Wei­se be­stellt wor­den wäre.

Es kommt nach An­sicht der Kam­mer nicht dar­auf an, ob der Wahl­vor­stand durch den Ge­samt­be­triebs­rat in un­wirk­sa­mer Wei­se be­stellt wur­de bzw. ob der Ge­samt­be­triebs­rat über­haupt in zulässi­ger Wei­se ge­bil­det wur­de. Die feh­ler­haf­te Bil­dung ei­nes Wahl­vor­stan­des führt grds. nicht zur Nich­tig­keit ei­ner Be­triebs­rats­wahl (vgl. BAG vom 02.03.1955 - 1 ABR 19/54, AP Nr. 1 zu § 18 Be­trVG 1952; LAG Ber­lin vom 14.05.1954 - 3 LA Bb 196/54, BB 1955, 130; LAG Nürn­berg vom 29.07.1998 - 4 TaBV 12/97, ju­ris; LAG Ber­lin vom 08.04.2003 - 5 TaBV 1990/02, LA­GE § 19 Be­trVG 2001 Nr. 1; LAG Hamm vom 25.06.2004 - 10 TaBV 61/04, ju­ris; Fit­ting, Be­trVG, 24. Auf­la­ge, § 19, Rn. 5; Rieb­le/Tris­ka­tis, NZA 2006, 233, 238; of­fen ge­las­sen von BAG vom 19.11.2003 - 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 Be­trVG).

(a) Nach An­sicht der Kam­mer ist für die Fra­ge der Nich­tig­keit ei­ner Be­triebs­rats­wahl auf­grund der feh­ler­haf­ten Ein­rich­tung des Wahl­vor­stan­des zu dif­fe­ren­zie­ren. Nicht je­der Feh­ler bei der Ein­rich­tung des Wahl­vor­stan­des hat au­to­ma­tisch die Nich­tig­keit der Be­stel­lung zur Fol­ge (vgl. ausführ­lich zur Dif­fe­ren­zie­rung im Ein­zel­fall: Nießen, Feh­ler­haf­te Be­triebs­rats­wah­len, 2009, S. 85 ff.). Le­dig­lich die nich­ti­ge Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des führt kon­se­quen­ter­wei­se zur Nich­tig­keit der von die­sem „Wahl­vor­stand“ durch­geführ­ten Wahl (LAG Köln vom 10.03.2000 - 13 TaBV 9/00, LA­GE Be­trVG § 3 Nr. 6; LAG Düssel­dorf vom 07.09.2010 - 16 TaBV 57/10, n.v.; Nießen, a.a.O., S. 141 ff.; a. A. LAG Nürn­berg vom 29.07.1998 - 4 TaBV 12/97, ju­ris; LAG Ber­lin vom 08.04.2003 - 5 TaBV 1990/02, LA­GE § 19 Be­trVG 2001 Nr. 1).

(b) Aus­ge­hend von der ein­gangs dar­ge­stell­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­rich­tes, wo­nach nur in ganz be­son­de­ren Aus­nah­mefällen, in de­nen ge­gen all­ge­mei­ne Grundsätze je­der ord­nungs­gemäßen Wahl in so ho­hem Maße ver­s­toßen wor­den ist, dass auch der An­schein ei­ner dem Ge­setz ent­spre­chen­den Wahl nicht mehr vor­liegt, von der Nich­tig­keit ei­ner Be­triebs­rats­wahl aus­zu­ge­hen ist, ist die Nich­tig­keit dann nicht an­zu­neh­men, wenn der Wahl­vor­stand von ei­ner Stel­le ein­ge­rich­tet wur­de, die hier­zu ent­spre­chend den Nor­men des Be­trVG be­fugt ist, wo­bei die­ser Feh­ler aber an­sons­ten recht­lich be­acht­lich ist (vgl. LAG Hamm vom 01.03.1994 - 3 TaBV 20/94, ju­ris, le­dig­lich Leit­satz 1 veröffent­licht; LAG Ber­lin vom 08.04.2003 - 5 TaBV 1990/02, NZA-RR 2003, 587, 588; LAG Hamm vom 25.06.2004 - 10 TaBV 61/04 - ju­ris; Fit­ting, a.a.O., § 16, Rn. 87; Nießen, a.a.O., S. 88, Fn. 254 m.w.N.).

Da der Ge­samt­be­triebs­rat ei­ne für die Be­stel­lung ei­nes Wahl­vor­stan­des zuständi­ge Stel­le ist, § 16 Abs. 3 Be­trVG, ist Wahl vom 29.05.2010 nicht nich­tig.

In­so­weit kommt es von vor­ne­her­ein nicht auf die An­sicht der An­trag­stel­le­rin an, der Ge­samt­be­triebs­rat sei we­gen ei­nes Über­g­angs­man­dats des ehe­ma­li­gen Be­triebs­ra­tes des De­pots L. N. für die Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des der Nie­der­las­sung N. nicht zuständig ge­we­sen. Oh­ne­hin war der Ge­samt­be­triebs­rat ei­ne für die Be­stel­lung ei­nes Wahl­vor­stan­des zuständi­ge Stel­le. Der Wahl­vor­stand wur­de durch den Ge­samt­be­triebs­rat am 30.11.2009 be­stellt. Nach dem ei­ge­nen Vor­trag der An­trag­stel­le­rin en­de­te das Über­g­angs­man­dat des ehe­ma­li­gen Be­triebs­ra­tes L. N. für das De­pot L. I. Str. 702 am 07.08.2009, für das De­pot L. F.Str. 77 am 03.12.2009 und für das De­pot L. V. Str. 27 am 10.12.2009. Der ehe­ma­li­ge Be­triebs­rat L. N. hat­te die Frist des § 16 Abs. 3 Be­trVG zur Er­rich­tung ei­nes Wahl­vor­stan­des da­mit nutz­los ver­strei­chen las­sen, so­dass der Ge­samt­be­triebs­rat am 30.11.2009 gem. § 16 Abs. 3 Be­trVG tätig wer­den durf­te, er al­so ei­ne für die Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des zuständi­ge Stel­le war.

Die An­sicht der Kam­mer kor­re­spon­diert mit der Ent­schei­dung des LAG Köln vom 10.03.2000 (13 TaBV 9/00, LA­GE Be­trVG § 3 Nr. 6). Das LAG Köln führt in dem ge­nann­ten Be­schluss aus, dass

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ein Wahl­vor­stand, der oh­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge be­stellt wird, nich­tig und folg­lich auch die von die­sem Wahl­vor­stand durch­geführ­te Wahl nich­tig sei. Dem ist zu­zu­stim­men: Der Ent­schei­dung lag ei­ne Kon­stel­la­ti­on zu­grun­de, in dem ei­ne von dem Be­trVG nicht vor­ge­se­he­ne Stel­le ei­nen Wahl­vor­stand zur Wahl ei­nes Be­triebs­ra­tes ein­ge­rich­tet hat. Dies ist tatsächlich ein Feh­ler der auch den An­schein ei­ner dem Ge­setz ent­spre­chen­den Wahl nicht mehr in sich birgt.

(c)Auch ei­ne et­wai­ge feh­ler­haf­te Be­schluss­fas­sung des Ge­samt­be­triebs­ra­tes oder sons­ti­ge Formmängel bei der Ein­rich­tung des Wahl­vor­stan­des der Nie­der­las­sung N. führen nach An­sicht der Kam­mer nicht zur Nich­tig­keit der Wahl vom 29.05.2010.

Zwar sind Be­schlüsse des Be­triebs­ra­tes grds. nich­tig, die ent­we­der ei­nen ge­setz­wid­ri­gen In­halt ha­ben oder de­nen kei­ne ord­nungs­gemäße Be­schluss­fas­sung zu Grun­de liegt (BAG vom 23.08.1984 - 2 AZR 391/83, AP Nr. 17 zu § 103 Be­trVG 1972; Fit­ting, a.a.O., § 33, Rn. 52 ff.; ErfK-Ei­se­mann, a.a.O., § 33 Be­trVG, Rn. 4) und die un­ter Miss­ach­tung von Vor­schrif­ten und Grundsätzen zu Stan­de ge­kom­men sind, de­ren Be­ach­tung un­erläss­li­che Vor­aus­set­zung ei­ner Be­schluss­fas­sung ist (BAG vom 23.08.1984 - 2 AZR 391/83, AP Nr. 17 zu § 103 Be­trVG 1972; Fit­ting, a.a.O., Rn. 57; ErfK-Ei­se­mann, a.a.O.). Hier­in liegt für den Fall ei­nes Be­schluss­man­gels bei der Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des aber ein Wer­tungs­wi­der­spruch zur Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des durch ei­ne un­zuständi­ge aber vom Ge­setz­ge­ber vor­ge­se­he­ne Stel­le vor, was nach h.M. nicht zur Nich­tig­keit der Wahl führt (zu­tref­fend Nießen, a.a.O., S. 92 f.). Rich­ti­ger­wei­se ist ein Be­schluss­man­gel bei der Be­stel­lung ei­nes Wahl­vor­stan­des durch ei­ne un­zuständi­ge aber vom Ge­setz­ge­ber vor­ge­se­he­ne Stel­le da­her feh­ler­haft, führt aber nicht ge­ne­rell zur Nich­tig­keit des Be­schlus­ses (stren­ger Nießen, a.a.O.). Die Nich­tig­keit ei­nes sol­chen Be­schlus­ses und in der Fol­ge die Nich­tig­keit der Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des ist ent­spre­chend der dar­ge­stell­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­rich­tes nur in Aus­nah­mefällen an­zu­neh­men, in de­nen ge­gen all­ge­mei­ne Grundsätze je­der ord­nungs­gemäßen Wahl in so ho­hem Maße ver­s­toßen wor­den ist, dass auch der An­schein ei­ner dem Ge­setz ent­spre­chen­den Wahl nicht mehr vor­liegt.

Dies er­gibt sich ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund des Sinns und Zwecks Be­trVG: Die feh­ler­haf­te Be­triebs­rats­wahl ist we­gen des In­ter­es­ses an der Rechts­si­cher­heit grundsätz­lich nicht nich­tig, son­dern un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 19 Abs. 1 Be­trVG le­dig­lich an­fecht­bar (GK-Kreutz, a.a.O., § 19, Rn. 15; DKK-Schnei­der, Be­trVG, 10. A., § 19, Rn. 1; Ri­char­di-Thüsing, a.a.O., § 19, Rn. 2). Das Be­trVG hat den Schutz der Ar­beit­neh­mer als Ziel (GK-Wie­se, a.a.O., Ein­lei­tung, Rn. 77) und will hier­zu die Ein­rich­tung ei­ner Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung ermögli­chen und er­leich­tern, wes­halb für die Wahl des hier­zu be­stimm­ten Or­gans zwar Form­vor­schrif­ten ein­zu­hal­ten sind, an die Ein­hal­tung die­ser Form­vor­schrif­ten aber auch kei­ne über­zo­ge­nen An­for­de­run­gen ge­stellt wer­den dürfen (vgl. GK-Kreutz, a.a.O., § 19, Rn. 16). Die­se Wer­tung kommt et­wa auch in § 17 Abs. 2 Be­trVG zum Aus­druck. Die Norm ver­deut­licht, dass die Wahl­vor­stands­be­stel­lung un­ter er­leich­ter­ten Be­din­gun­gen möglich sein soll, in­dem an die Förm­lich­keit der Wahl auf ei­ner Be­triebs­ver­samm­lung kei­ne be­son­de­ren An­for­de­run­gen ge­stellt wer­den.

Mit der dar­ge­stell­ten An­sicht der Kam­mer kor­re­spon­diert, dass ei­ne oh­ne Wahl­vor­stand durch­geführ­te Wahl in der Tat nich­tig ist (statt vie­ler GK-Kreutz, a.a.O., § 16, Rn. 5 m.w.N.). Hier­in liegt tatsächlich ein der­art gro­ber Ver­s­toß, der ge­gen all­ge­mei­ne Grundsätze je­der ord­nungs­gemäßen Wahl in so ho­hem Maße verstößt, dass auch der An­schein ei­ner dem Ge­setz ent­spre­chen­den Wahl nicht mehr vor­liegt. Dies er­gibt sich dar­aus, dass das Or­gan, das zur Durchführung der Wahl be­stimmt ist, über­haupt nicht in­stal­liert wur­de. Die Exis­tenz die­ses Or­gans wird zur Durchführung ei­ner Wahl aber zwin­gend vor­ge­se­hen. Der vor­lie­gend zu be­ur­tei­len­de Fall liegt an­ders: Das zur Durchführung der Wahl vom Ge­setz be­stimm­te Or­gan exis­tier­te. Für ei­nen mit den be­trieb­li­chen Verhält­nis­sen ver­trau­ten Drit­ten muss­te sich die Wahl durch den hie­si­gen Wahl­vor­stand da­her als ord­nungs­gemäß dar­stel­len.

Die Ent­schei­dung des LAG Düssel­dorf vom 07.09.2010 (16 TaBV 57/10, n.v.) kor­re­spon­diert mit der dar­ge­stell­ten An­sicht der Kam­mer. In­so­weit hat das LAG Düssel­dorf ent­schie­den, dass es ei­nem von ei­ner Min­der­heit der Be­triebs­rats­mit­glie­der gewähl­ten Wahl­vor­stand an der grund­le­gen­den de­mo­kra­ti­schen Le­gi­ti­ma­ti­on fehlt. Hier­in lie­ge ein der­art schwer­wie­gen­der Man­gel, dass nicht nur der Wahl­vor­stand of­fen­kun­dig nich­tig sei, son­dern auch die von ihm durch­geführ­te Wahl. Der Fall stellt in­so­fern ei­ne Be­son­der­heit dar, als dass dort die

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Min­der­heits­frak­ti­on der Be­triebs­rats­mit­glie­der vor der Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des zunächst zwei an­de­re Be­triebs­rats­mit­glie­der der Mehr­heits­frak­ti­on oh­ne An­ga­be von Gründen von der Sit­zung aus­ge­schlos­sen und so­dann auch den Be­ra­tungs­ort ge­wech­selt hat­ten. Er­satz­mit­glie­der wa­ren nicht hin­zu­ge­zo­gen wor­den. Mit der nun­mehr er­ziel­ten Mehr­heit im Gre­mi­um be­stimm­te die ei­gent­li­che Min­der­heits­frak­ti­on ei­nen Wahl­vor­stand aus der ei­ge­nen Mit­te. Hier­in liegt ei­ne of­fen­kun­di­ge und vom Ge­setz - auch wenn man der An­sicht fol­gen woll­te, dass der Vor­sit­zen­de des Be­triebs­ra­tes Be­triebs­rats­mit­glie­der von der Sit­zung aus­sch­ließen kann (GK-Kreutz, a.a.O., § 29, Rn. 61; Ri­char­di-Thüsing, a.a.O., § 29, Rn. 44; a.A. DKK-Wed­de, a.a.O., § 29, Rn. 5; Fit­ting, a.a.O., § 29, Rn. 50; MünchArbR-Joost, 3. A., § 219, Rn. 36; ErfK-Koch, a.a.O., § 29 Be­trVG, Rn. 2) - nicht vor­ge­se­he­ne Hand­lungs­wei­se: Der Aus­schluss ein­zel­ner Mit­glie­der, um neue, nicht le­gi­ti­mier­te, Mehr­heits­verhält­nis­se zu er­hal­ten. Ein sol­cher Be­schluss ist of­fen­sicht­lich ge­setz­wid­rig und nich­tig, die hier­durch ermöglich­te Ein­set­zung ei­nes Wahl­vor­stan­des ist es kon­se­quen­ter­wei­se eben­falls.

Die von der An­trag­stel­le­rin im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren be­haup­te­ten Mängel sind nicht der­art gra­vie­ren­der Art: So trägt die An­trag­stel­le­rin vor, der Wahl­vor­stand sei un­ter Miss­ach­tung von Form­vor­schrif­ten be­stellt wor­den. Sie be­strei­tet, dass mit dem Schrei­ben vom 25.11.2009 auch ei­ne Ta­ges­ord­nung über­mit­telt wor­den ist, dass es ei­nen ord­nungs­gemäßen Ein­la­dungs­be­schluss des Be­triebs­ra­tes I. gibt, dass der Ge­samt­be­triebs­rat ord­nungs­gemäß gewählt wor­den ist, dass ei­ne ord­nungs­gemäße Sit­zung ent­spre­chend der Ta­ges­ord­nung statt­ge­fun­den hat, dass ei­ne ord­nungs­gemäße Ent­sen­dung von Mit­glie­dern in den Ge­samt­be­triebs­rat aus I. vor­liegt so­wie dass ord­nungs­gemäße Be­schlüsse ge­fasst wor­den sind. Hier­in lie­gen Form­feh­ler, je­doch kei­ne of­fen­kun­di­gen Ge­set­zes­beu­gun­gen und Ver­let­zun­gen von Rech­ten an­de­rer.

(2)Die An­trag­stel­le­rin kann sich zur Be­gründung der Nich­tig­keit der Wahl vom 29.05.2010 nicht dar­auf be­ru­fen, dass das Wahl­aus­schrei­ben vom 16.04.2010 nicht aus­gehängt wor­den ist. Hier­in liegt nach ganz h.M. ein Feh­ler der ei­ne An­fech­tung der Wahl be­gründet, weil ein Ver­s­toß ge­gen ei­ne we­sent­li­che Ver­fah­rens­vor­schrift, hier § 2 Abs. 4 S. 1 WO, vor­liegt (vgl. BAG vom 05.05.2004 - 7 ABR 44/03, AP Nr. 1 zu § 3 WahlO Be­trVG 1972; LAG Hamm vom 03.05.2007 - 10 TaBV 112/06, ju­ris). Die Nich­tig­keit der Wahl, die nur in gro­ben und kras­sen Aus­nah­mefällen an­zu­neh­men ist, be­gründet der Ver­s­toß nicht.

(3) Auch die Nicht­veröffent­li­chung der Vor­schlags­lis­te führt al­lein zur An­fecht­bar­keit nicht je­doch 42 zur Nich­tig­keit der Wahl (LAG Rhein­land-Pfalz vom 30.05.1996 - 7 (9) TaBV 52/95, NZA 1997, 674).

(4) Die Wahl ist auch nicht auf­grund der Tat­sa­che nich­tig, dass nicht al­le Ar­beit­neh­mer des Be­triebs N. an ihr teil­ge­nom­men ha­ben, weil sie et­wa nicht ord­nungs­gemäß zu ihr ein­ge­la­den wor­den sind. In­so­weit steht zur Über­zeu­gung der Kam­mer zwar fest, dass nicht sämt­li­che Ar­beit­neh­mer der An­trag­stel­le­rin in ih­rem Be­trieb in N. sei­tens des Wahl­vor­stan­des ord­nungs­gemäß von der Wahl un­ter­rich­tet wor­den sind. Die Ver­ken­nung der An­zahl der wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mer nach § 7 Be­trVG führt je­doch nicht zur Nich­tig­keit, son­dern al­len­falls zur An­fecht­bar­keit ei­ner Be­triebs­rats­wahl. Dies ent­spricht ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG vom 14.01.1972 - 1 ABR 6/71, AP Nr. 2 zu § 20 Be­trVG Ju­gend­ver­tre­ter; BAG vom 12.10.1976 - 1 ABR 14/76, AP Nr. 5 zu § 19 Be­trVG 1972; BAG vom 29.05.1991 - 7 ABR 67/90, AP Be­trVG § 9 Nr. 2; LAG Köln vom 17.04.1998 - 5 TaBV 20/98, LA­GE § 19 Be­trVG 1972 Nr. 16; LAG Hamm vom 25.06.2004 - 10 TaBV 61/04 - ju­ris; Fit­ting, a.a.O., § 19 Rn. 12; DKK-Schnei­der, a.a.O, § 19, Rn. 5), der sich die Kam­mer an­sch­ließt.

(5)So­weit die An­trag­stel­le­rin im Übri­gen Form­verstöße in dem Wahl­aus­schrei­ben vom 16.04.2010 vorträgt, so et­wa dass es kei­nen ord­nungs­gemäßen Aus­hang ei­nes Wahl­aus­schrei­bens mit gleich­zei­ti­gem Aus­hang der Wähler­lis­te in den De­pots der Nie­der­las­sung der An­trag­stel­le­rin ge­ge­ben ha­be (vgl. BAG vom 05.05.2004 - 7 ABR 44/03, AP Nr. 1 zu § 3 WahlO Be­trVG 1972; LAG Hamm vom 03.05.2007 - 10 TaBV 112/06, ju­ris), so­wie dass kei­ne ord­nungs­gemäßen Wähler­lis­ten auf­ge­stellt wor­den sei­en (vgl. LAG Köln vom 16.01.1991 - 2 TaBV 37/90, LA­GE § 19 Be­trVG 1972 Nr. 11; LAG Hamm vom 17.08.2007 - 10 TaBV 37/07, EzAÜG Be­trVG Nr. 100), han­delt es sich hier­bei um Feh­ler, die zur An­fecht­bar­keit ei­ner Be­triebs­rats­wahl führen können, je­doch nicht zu de­ren Nich­tig­keit. Hier­in lie­gen kei­ne Verstöße, den von der An­trag­stel­le­rin

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vor­ge­tra­ge­nen Sach­ver­halt ein­mal als un­strei­tig un­ter­stellt, die ge­gen all­ge­mei­ne Grundsätze je­der ord­nungs­gemäßen Wahl in so ho­hem Maße, dass auch der An­schein ei­ner dem Ge­setz ent­spre­chen­den Wahl nicht mehr vor­liegt.

(6) Letzt­lich ist die Wahl vom 29.05.2010 auch nicht nich­tig, weil die Ge­samt­heit der vor­ge­tra­ge­nen Verstöße zur Nich­tig­keit der Wahl geführt hätte. Ei­ne Ge­samtwürdi­gung ein­zel­ner Verstöße ist nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, der sich die Kam­mer an­sch­ließt, nicht vor­zu­neh­men (vgl. BAG vom 19.11.2003 - 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 Be­trVG; LAG Hamm vom 25.06.2004 - 10 TaBV 61/04, ju­ris; LAG Schles­wig-Hol­stein vom 12.04.2005 - 2 TaBV 8/05, ju­ris). Dies be­gründet sich dar­aus, dass nur in ganz be­son­de­ren Aus­nah­mefällen die vom Ge­setz selbst nicht vor­ge­se­he­ne Nich­tig­keit ei­ner Be­triebs­rats­wahl an­ge­nom­men wer­den kann. Dem wi­der­spricht aber die Nich­tig­keit durch ei­ne Ge­samt­schau meh­re­rer Wahl­verstöße, da hier nicht für je­den von vor­ne­her­ein evi­dent ist, ob die an­ge­grif­fe­ne Be­triebs­rats­wahl nich­tig ist (BAG vom 19.11.2003 - 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 Be­trVG).

2. Die Wahl vom 29.05.2010 ist je­doch an­fecht­bar und da­mit un­wirk­sam. 

a.Die An­trag­stel­le­rin ist als Ar­beit­ge­ber gem. § 19 Abs. 2 S. 1 Be­trVG an­fech­tungs­be­rech­tigt. Die Wahl­an­fech­tung ist auch in­ner­halb der Frist des § 19 Abs. 2 S. 2 Be­trVG erklärt wor­den. Die Wahl fand am 29.05.2010 statt. Die Be­kannt­ma­chung des Wahl­er­geb­nis­ses hat frühes­tens an die­sem Tag statt­ge­fun­den. Der An­trag auf Erklärung der Un­wirk­sam­keit der Wahl ist bei dem Ar­beits­ge­richt We­sel am 10.06.2010 ein­ge­gan­gen.

b.Die Wahl vom 29.05.2010 ist un­ter Miss­ach­tung we­sent­li­cher Wahl­vor­schrif­ten von Stat­ten ge­gan­gen. Hier­durch konn­te auch das Wahl­er­geb­nis geändert oder be­ein­flusst wer­den (vgl. BAG vom 19.09.1985 - 6 ABR 4/85, AP Nr. 12 zu § 19 Be­trVG 1972; BAG vom 25.05.2005 - 7 ABR 39/04, AP Nr. 2 zu § 14 Be­trVG 1972; GK-Kreutz, a.a.O., Rn. 41 ff.)

aa.Tatsächlich ist we­der zum Zeit­punkt des Aus­hangs des Wahl­aus­schrei­bens vom 16.04.2010 noch zum Zeit­punkt der Wahl die von dem Be­triebs­rat be­haup­te­te Wähler­lis­te ord­nungs­gemäß aus­gehängt wor­den. Die Wähler­lis­te ist je­doch gem. § 2 Abs. 4 S. 1 WO be­kannt zu ma­chen.

bb.§ 2 Abs. 4 S. 1 WO ist ei­ne we­sent­li­che Vor­schrift über das Wahl­ver­fah­ren i.S.d. § 19 Abs. 1 Be­trVG (vgl. LAG Köln vom 16.01.1991 - 2 TaBV 37/90, LA­GE § 19 Be­trVG 1972 Nr. 11; LAG Hamm vom 17.08.2007 - 10 TaBV 37/07, EzAÜG Be­trVG Nr. 100; GK-Kreutz, a.a.O., § 2 WO, Rn. 15; Fit­ting, a.a.O., § 2 WO, Rn. 9; Ri­char­di-Thüsing, a.a.O., § 2 WO; Rn. 20; DKK-Schnei­der, a.a.O., § 2 WO, Rn. 20).

cc.Durch die­sen Ver­s­toß konn­te das Wahl­er­geb­nis auch be­ein­flusst wer­den (vgl. LAG Köln vom 16.01.1991 - 2 TaBV 37/90, LA­GE § 19 Be­trVG 1972 Nr. 11). Es ist nicht aus­zu­sch­ließen, dass bei ei­nem ent­spre­chen­den Aus­hang der Wähler­lis­te Ar­beit­neh­mer die­ser Wähler­lis­te wi­der­spro­chen hätten und die Wähler­lis­te kor­ri­giert wor­den wäre.

Nach der An­ga­be des Be­triebs­ra­tes ha­ben sich le­dig­lich 90 bis 100 Ar­beit­neh­mer auf der Wähler­lis­te ein­tra­gen las­sen. Nach den un­be­strit­te­nen An­ga­ben der An­trags­stel­le­rin beschäftigt die­se in der Nie­der­las­sung N. je­doch et­wa 260 Ar­beit­neh­mer. Die Wähler­lis­te war da­her er­kenn­bar falsch. Ein Wi­der­spruch ge­gen die Wähler­lis­te war da­her nicht aus­zu­sch­ließen und da­mit auch ein mögli­cher­wei­se an­de­res Er­geb­nis der Wahl vom 29.05.2010.

c. Die An­trag­stel­le­rin hat ihr Recht zur An­fech­tung der Be­triebs­rats­wahl vom 29.05.2010 nicht ver­wirkt. Selbst wenn der Vor­trag des Be­triebs­ra­tes zur an­geb­li­chen Wahl­be­hin­de­rung zu­tref­fend wäre, ins­be­son­de­re aber zunächst sub­stan­ti­iert und ein­las­sungsfähig vor­ge­tra­gen würde, würde der An­trag­stel­le­rin noch ein Recht zur An­fech­tung der Be­triebs­rats­wahl zu­ste­hen. Aus der ver­meint­li­chen Wahl­be­hin­de­rung folgt die ggf. be­ste­hen­de straf­recht­li­che Ver­ant­wort­lich­keit des Störers gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG, sei­ner Ver­pflich­tung zum Scha­den­er­satz bzw. ein An­spruch des Wahl­vor­stan­des auf Un­ter­las­sung der Wahl­be­hin­de­rung durch den Be­nach­tei­lig­ten (vgl. GK-Kreutz, a.a.O., § 20, Rn. 41 ff., § 2 WO, Rn. 10), nicht je­doch der ge­ne­rel­le Ver­lust des Rech­tes, Wahl­feh­ler im Rah­men des § 19 Abs. 1 Be­trVG gel­tend zu ma­chen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung 

Ge­gen die­sen Be­schluss kann von bei­den Be­tei­lig­ten 

Be­schwer­de 

ein­ge­legt wer­den. 

Die Be­schwer­de muss 

in­ner­halb ei­ner N o t f r i s t* von ei­nem Mo­nat 

beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf, Lud­wig-Er­hard-Al­lee 21, 40227 Düssel­dorf, Fax: 02117770 2199 ein­ge­gan­gen sein.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung der Ent­schei­dung, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach Verkündung des Be­schlus­ses.

Die Be­schwer­de­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1.Rechts­anwälte,

2.Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,

3.Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Nr. 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung der Mit­glie­der die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on oder ei­nes an­de­ren Ver­ban­des oder Zu­sam­men­schlus­ses mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten. 

* Ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den. 

Dr. S. 

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