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Bitte keine Ironie im Arbeitszeugnis!
03.04.2017. Gemäß § 362 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erlischt eine zivilrechtliche Leistungspflicht, "wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird". Wer einem anderen z.B. 100,00 EUR schuldet und deshalb 110,00 EUR zahlt, hat seine Schuld getilgt, denn die geschuldeten 100,00 EUR sind in dem gezahlten höheren Betrag enthalten.
Aber gilt das auch für den Fall, dass ein Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis entsprechend einem vom Arbeitnehmer erstellten Entwurf erteilen muss und bei der Erfüllung dieser Pflicht von den Bewertungen im Arbeitnehmer-Entwurf nach oben hin abweicht?
Mit dieser Frage befasst sich eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm: LAG Hamm, Beschluss vom 14.11.2016, 12 Ta 475/16.
- Darf der Arbeitgeber von einem Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers "nach oben hin" abweichen?
- Der Streitfall: Angestellter entwirft ein Zeugnis, das sein Arbeitgeber mit Übertreibungen übernimmt
- LAG Hamm: Ein übertrieben "gutes" Zeugnis ist nicht korrekt, wenn die Lobhudelei ironisch wirkt
Darf der Arbeitgeber von einem Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers "nach oben hin" abweichen?
Gemäß § 109 Abs.1 Satz 3 Gewerbeordnung (GewO) hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Da ein solches Zeugnis "Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis" beschreiben und bewerten muss, gibt es darüber oft Streit. Um diesen von vornherein gar nicht erst entstehen zu lassen, ist es sinnvoll, beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder eines gerichtlichen Vergleichs ein Vorschlagsrecht des Arbeitnehmers zu vereinbaren.
Eine solche Zeugnisklausel lautet z.B., dass der Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet ist und der Arbeitnehmer das Recht hat, einen Formulierungsvorschlag zu erstellen. Um die Bindung des Arbeitgebers an den Vorschlag des Arbeitnehmers sicherzustellen und um gleichzeitig offenkundige Falschaussagen zu verhindern, heißt es in solchen Klauseln meistens weiterhin, dass der Arbeitgeber von dem Formulierungsvorschlag des Arbeitnehmers "nur aus wichtigem Grunde abweichen" darf (sog. "Frankfurter Formel").
Fraglich ist, ob der Arbeitgeber auf der Grundlage einer Zeugnisverpflichtung entsprechend der "Frankfurter Formel" die im Textvorschlag des Arbeitnehmers enthaltenen Bewertungen "nach oben hin" ändern darf, d.h. ob er die positiven Bewertungen des Arbeitnehmers noch weiter steigern darf.
Der Streitfall: Angestellter entwirft ein Zeugnis, das sein Arbeitgeber mit Übertreibungen übernimmt
Im Streitfall hatten sich ein Angestellter und sein Arbeitgeber vor Gericht per Vergleich darauf geeinigt, dass der Arbeitgeber (Beklagter) ein Zeugnis erteilt und der Arbeitnehmer (Kläger) dazu einen Formulierungsvorschlag einreicht. Die Klausel im Vergleich hatte folgenden Wortlaut:
"Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dem Kläger bleibt nachgelassen, der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorzulegen. Diese darf hiervon nur aus wichtigem Grund abweichen"
Kurz darauf reichte der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber einen Entwurf ein, den dieser auch zu einem Zeugnis verarbeitete, allerdings mit insgesamt 13 positiven Übertreibungen. Diese lauteten u.a.:
- Statt "seiner sehr guten Auffassungsgabe" (Entwurf) hieß es im Zeugnis "seiner extrem guten Auffassungsgabe",
- anstelle von "war Herr F immer" (Entwurf) lautete das Zeugnis "war Herr F selbstverständlich immer",
- und statt "Aufgaben mit beispielhaftem Engagement" (Entwurf) schrieb der Arbeitgeber "Aufgaben mit äußerst beispielhaftem Engagement" usw.
Besonders penetrant war die Lobhudelei bei der zusammenfassenden Leistungsbewertung. Hier lautete der Entwurf nüchtern "Wir bewerten ihn mit >sehr gut<.", während es in der Endfassung des Arbeitgebers hieß: "Wenn es eine bessere Note als >sehr gut< geben würde, würden wir ihn damit beurteilen."
Insgesamt hatten diese übertriebenen Lobpreisungen einen ironischen Charakter. Das wurde auch dadurch bestätigt, dass der Arbeitgeber in einem (entscheidenden) Punkt den Entwurf des Arbeitnehmers verschlechterte. Die abschließende Dankens- und Bedauernsformel lautete nämlich im Entwurf
- „Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.07.2015 auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern.“,
während es im Zeugnis des Arbeitgebers an dieser Stelle hieß:
- „Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.07.2015 auf eigenen Wunsch, was wir zur Kenntnis nehmen."
Ein gutes halbes Jahr später beantragte der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht Hamm die Festsetzung eines Zwangsgeldes, da der Arbeitgeber seine Pflicht zur Zeugniserteilung gemäß dem arbeitsgerichtlichen Vergleich aus Sicht des Arbeitnehmers nicht erfüllt hatte. Das Arbeitsgericht setzte ein Zwangsgeld von 1.000,00 EUR gegen den Arbeitgeber fest, da es das erteilte Zeugnis nicht als ordnungsgemäße Erfüllung der im Vergleich titulierten Zeugnisverpflichtung gelten ließ. Da das Arbeitsgericht Hamm der sofortigen Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Zwangsgeldbeschluss nicht abhelfen wollte, landete der Fall beim LAG.
LAG Hamm: Ein übertrieben "gutes" Zeugnis ist nicht korrekt, wenn die Lobhudelei ironisch wirkt
Auch das LAG Hamm gab dem Arbeitnehmer recht und wies den Antrag des Arbeitgebers auf Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses zurück. Wie bereits das Arbeitsgericht, so wollte auch das LAG das streitige Zeugnis nicht als korrekte Erfüllung der im Vergleich festgeschriebenen Zeugnispflicht gelten lassen. Zur Begründung heißt es:
Infolge der Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer einen Zeugnisentwurf erstellt und der Arbeitgeber davon nur aus wichtigem Grunde abweichen darf, hatten die Parteien "die Formulierungshoheit" auf den Arbeitnehmer übertragen. Demzufolge hätte der Arbeitgeber einen "wichtigen Grund" für seine Abweichungen von dem Entwurf vorbringen müssen. Statt die Abweichungen sachlich zu begründen, verteidigte sich der Arbeitgeber im Wesentlichen damit, seine umstrittenen Formulierungen hätten doch denselben Sinngehalt wie der Textvorschlag des Arbeitnehmers. Dann aber, so das LAG, hätte der Arbeitgeber doch einfach den Text des Arbeitnehmers übernehmen können.
Abgesehen davon bewertete das LAG die umstrittenen Lobhudelei als Ironie, was eine gemäß § 109 Abs.2 Satz 2 GewO unzulässige versteckte Botschaft darstellt. Der Eindruck der Ironie ergab sich aus der Häufigkeit der übersteigerten Bewertungen, aus der außergewöhnlich formulierten Leistungsbewertung und schließlich daraus, dass ausgerechnet die Dankens- und Bedauernsformel einen negativen Hinweis enthielt. Denn wäre der Arbeitnehmer wirklich ein so hervorragender Mitarbeiter gewesen, wäre sein Ausscheiden für den Arbeitgeber ein bedauerlicher Verlust gewesen, den man nicht einfach nur "zur Kenntnis nehmen" würde, so das LAG Hamm.
Fazit: Die Entscheidung des LAG Hamm ist korrekt, vor allem weil es dem Argument des Arbeitgebers nicht gefolgt ist, dass der Arbeitnehmer ein erneutes Klageverfahren hätte durchführen müssen, statt auf der Grundlage des schon vorhandenen Vergleichs per Zwangsvollstreckung vorgehen zu können. Insofern belegt die Entscheidung des LAG, dass die Frankfurter Formel eine sinnvolle Vereinbarung ist.
Im Übrigen versteht es sich von selbst, dass ein Zeugnis nicht dafür missbraucht werden sollte, sich über den ehemaligen Mitarbeiter lustig zu machen. Für den Arbeitgeber hieß es daher vor dem LAG Hamm zurecht "Schluss mit lustig".
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 14.11.2016, 12 Ta 475/16
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Zeugnis
- Tipps und Tricks: Zeugnis - Checkliste
- Arbeitsrecht aktuell: 20/052 Anspruch auf eine verkehrsübliche Schlussformel im qualifizierten Arbeitszeugnis
- Arbeitsrecht aktuell: 17/072 Arbeitszeugnis vollstrecken, aber wie?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/383 Zeugnisnote „zur vollen Zufriedenheit“ bleibt Durchschnitt
- Arbeitsrecht aktuell: 12/380 Kein Anspruch auf Zeugnis mit Dankesformel
- Arbeitsrecht aktuell: 10/227 Anspruch des Arbeitnehmers auf Formulierung seines Zeugnisses durch Prozessvergleich
- Arbeitsrecht aktuell: 09/213 Pflicht zu falscher Formulierung im Zeugnis
- Arbeitsrecht aktuell: 09/037 Pflicht zur Zeugniserteilung entsprechend einem Formulierungsvorschlag des Arbeitnehmer
Letzte Überarbeitung: 28. Juni 2020
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