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BAG, Ur­teil vom 27.07.1961, 2 AZR 255/60

   
Schlagworte: Chefarzt, Chefarztvertrag, Arbeitnehmer, Weisungsrecht
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 255/60
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 27.07.1961
   
Leitsätze:

1. Daß der Chefarzt eines Krankenhauses oder einer Abteilung eines Krankenhauses bei seiner rein ärztlichen Tätigkeit, dh bei der Behandlung der Patienten, eigenverantwortlich und an Weisungen des Krankenhausträgers nicht gebunden ist, schließt nicht aus, daß sein Beschäftigungsverhältnis dennoch ein Arbeitsverhältnis sein kann. Ein Arbeitsverhältnis ist es dann, wenn der Chefarzt im übrigen im wesentlichen weisungsgebunden und damit vom Krankenhausträger persönlich abhängig ist.

2. Es ist kein unzulässiger Ausforschungsbeweis, wenn eine Partei eine Tatsache unter Beweis stellt, die sie zwar nicht unmittelbar weiß und auch gar nicht wissen kann, aber auf Grund anderer ihr bekannter Tatsachen vermuten darf.

Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 28.04.1960, Sa 809/59 III
   


2 AZR 255/60
Sa. 809/59 III Bay­ern
(München) 

Im Na­men des Vol­kes!


Verkündet
am 27. Ju­li 1961

gez. Damm,

Ur­teil

An­ge­stell­te
als Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen


hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 25. Mai 1961 durch die Bun­des­rich­ter Schil­gen, Dr. Mei­er-Scher­ling und Dr. Joa­chim so­wie die Bun­des­ar­beits­rich­ter lro Zim­mer­mann und Wörner für Recht er­kannt

Auf die Re­vi­si­on des Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Bay­ern in München, III. Kam­mer, vom 28. April 1960 - Sa 809/59 III auf­ge­ho­ben.

Die Sa­che wird zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung, auch über die Kos­ten der Re­vi­si,n, an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen

Von Rechts we­gen!

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Tat­be­stand


Der im Jah­re 1908 ge­bo­re­ne Kläger ist Fach­arzt für In­ne­re Krank­hei­ten, Er war vom 1. Ju­ni 1934 bis zum 22 No­vem­ber 1945 As­sis­tenz­arzt bei der Ers­ten Me­di­zi­ni­schen Kli­nik der Uni­ver­sität M Im Au­gust 1946 stell­te ihn der Be­klag­te als Lei­ter der da­mals neu eröff­ne­ten In­ne­ren Ab­tei­lung sei­nes Kreis­kran­ken­hau­ses an. Die­se Ab­tei­lung ,wur­de zunächst aus Platz­man­gel nicht in W son­dern bis De­zem­ber 1952 in D geführt. Durch Ver­trag vom 1, De­zem­ber 1947 wur­de der Kläger als Chef­crzt der In­ne­ren Ab­tei­lung in die Vergütungs­grup­pe II der TO­GA ein­ge­stuft mit dem Recht, al­len Pri­vat­pa­ti­en­ten sein Ho­no­rar zu li­qui­die­ren, sei­ne Pri­vat­pra­xis im Kran­ken­haus zu be­trei­ben und die Ein­rich­tun­gen des Kran­ken­hau­ses dafür zu be­nut­zen.

Vor der An­stel­lung des Klägers gab es im Kreis­kran­ken­haus nur die Chir­ur­gi­sche Ab­tei­lung. De­ren Chef­arzt war der 1945 von der Mi­litärre­gie­rung ein­ge­setz­te Dr., von Er war fünf Jah­re jünger als der Kläger, stamm­te aus S , war in I zum Arzt aus­ge­bil­det wor­den und im Jah­re 1940 nach D ge­kom­men. Zwi­schen den bei­den Chefärz­ten kam es, be­son­ders nach­dem die In­ne­re Ab­tei­lung des Klägers 1952 nach W ver­legt wor­den war und bei­de Ärz­te in dem­sel­ben Hau­se ar­bei­te­ten, zu ei­ner star­ken Span­nung, die zu meh­re­ren Er­mitt­lungs­ver­fah­ren der Staats­an­walt­schaft, zu Veröffent­li­chun­gen in der Pres­se und zu in­ne­rer Un­ru­he im Kran­ken­haus führ­te, und die bis zum To­de des Dr. von F im Ju­ni 1958 an­dau­er­te,

Auf Be­schluß des Kreis­ta­ges vom 28, Ju­ni 1958 kündig­te der Land­rat dem Kläger zum 31. De­zem­ber 1958, nach­dem sich der Kläger zu dem An­ge­bot des Krei­ses, ge­gen ei­ne Ab­fin­dung von 15.000 DM aus­zu­schei­den, nicht geäußert hat­te. Der Kläger blieb noch bis zum 28, Fe­bru­ar 1959 im Dienst; über die Fort­set­zung oder Er­neue­rung des Dienst­verhält­nis­ses über die­sen Zeit­punkt hin­aus kam kei­ne Ei­ni­gung zu­stan­de.
 


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Der Kläger hat nach dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz auf Fest­stel­lung ge­klagt, daß sein Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung nicht auf­gelöst wor­den sei, Der Be­klag­te hält das Kündi­gungs­schutz­ge­setz nicht für an­wend­bar, weil der Kläger als Chef­arzt nicht Ar­beit­neh­mer sei, Er stützt sei­ne Kündi­gung auf das Ver­hal­ten des Klägers im Streit mit Dr. von F, auf an­de­re Ver­let­zun­gen sei­ner Dienst­pflich­ten und auf drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se, Hilfs­wei­se hat er be­an­tragt, das Ver­trags­ver­hlt­nis nach §§ 7, 8 KScEG ge­gen Ab­fin­dung auf­zulösen. Der Kläger hat ge­be­ten, die­sen Hilfs­an­trag ab­zu­wei­sen, an­dern­falls die Ab­fin­dung auf 100.000 DM fest­zu­set­zen,

Das Ar­beits­ge­richt hat der Fest­stel­lungs­kla­ge statt­ge­ge­ben und den Auflösungs­an­trag des Be­klag­ten ab­ge­wie­sen, Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen, Es be­jaht die Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft des Klägers und führt aus, daß den Kläger bei sei­nem Streit mit Dr. von P kei­ne Schuld tref­fe, daß auch sonst kei­ne zur Kündi­gung aus­rei­chen­den Ver­feh­lun­gen des Kläger; fest­zu­stel­len sei­en und daß die Kündi­gung auch nicht durc2 drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se be­dingt.

Die­ses Ur­teil greift der ver­klag­te Land­kreis mit der Re­vi­si­on an.

Ent­schei­dungs­gründe

I. Die Re­vi­si­on des be­klag­ten Land­krei­ses ist zulässig. Der Be­klag­te hat zwar we­der in sei­ner Re­vi­si­ons­schrift noch in sei­ner Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift ei­nen aus­drück­li­cher Re­vi­si­ons­an­trag ge­stellt. Das hat er erst nach Ab­lauf der Re­vi­si­ons­be­gründungs­frist nach­ge­holt. Den­noch ist die Re­vi­si­on nicht un­zulässig, wie der Kläger meint, Denn ei­ne Re­vi­si­ons­be­gründung genügt auch oh­ne ei­nen aus­drück­li­chen Re­vi­si­ons­an­trag den An­for­de­run­gen des 554 Abs, ZPO, wenn sie nur un­zwei­fel­haft er­ken­nen läßt, in wel­chem Um­fan­ge das Be­ru­fungs­ur­teil an­ge­grif­fen wer­den soll (EAG 1, 36 J387). Das ist hier der Fall, Aus der Re­vi­si­ons­be­grün-
 


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dung geht ein­deu­tig her­vor, daß der Be­klag­te das Be­ru­fungs­ur­teil in vol­lem Um­fan­ge an­fech­ten will und die Kla­ge­ab­wei­sung er­strebt

II. Oh­ne Rechts­irr­tum nimmt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil an, daß ge­gen die sach­li­che Zuständig­keit der Ar­beits­ge­rich­te so­wie ge­gen die Rechtsgültig­keit der Kündi­gungs­erklärung des Lend­rats kei­ne Be­den­ken be­ste­hen und daß der Be­triebs­rat zu der Kündi­gung nicht gehört zu wer­den brauch­te. Der Kläger kann aber mit sei­ner auf 1 Abs. 2 KSchG gestütz­ten Kla­ge nur durch­drin­gen, wenn er in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zum be­klag­ten Land­kreis ge­stan­den hat; denn nur Ar­beits­verhält­nis­se ge­nießen den Schutz des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes (§ 1 Abs. KSchG)

Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil hat mit zu­tref­fen­den Gründen Lids zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Vor­trags­verhält­nis als ein Ar­beits­verhält­nis und da­mit den Kläger als Ar­beit­neh­mer an­ge­se­hen,

Ein Ar­beits­verhält­nis im Ge­gen­satz zu ei­nem frei­en Dienst­verhält­nis liegt nach all­ge­mei­ner An­sicht dann vor, wenn der Ver­pflich­te­te nicht nur wirt­schaft­lich, son­dern auch persönlich von dem Dienst­be­rech­tig­ten abhängig, d,h, bei sei­ner Ar­beit an des­sen Wei­sun­gen ge­bun­den ist (vgl. BAG in AP il­ro 7 zu § 5 ArbGG mit IZach­wei­sen). Die­se Auf­fas­sung hat in 84 Abs. 1 Satz 2 HGB für den Fall des Han­dels­ver­tre­ters
ih­ren Nie­der­schlag ge­fun­den. Für des­sen Selbständig­keit ist maßge­bend, daß er "im we­sent­li­chen frei sei­ne Tätig­keit ge­stal­ten und sei­ne Ar­beits­zeit be­stim­men kann".

Der An­sicht von Nin­ner­dey in sei­nem 1949 er­stat­te­ten Gut­ach­ten "Chef­arzt und Kran­ken­haus" (Son­der­druck aus "Der Kran­ken­haus­arzt" 1949 Heft 4, S, 4 /T7 - 217), daß der Chef­arzt ei­nes Kran­ken­hau­ses nie­mals Ar­beit­neh­mer sei, ist das an­ge­foch­te­ne Ur­teil mit Recht nicht ge­folgt, Es ist zwar zu-zu­ge­ben, daß der Chef­arzt bei sei­ner rein ärzt­li­chen Tätig­keit selbständig ist Denn in­screeit, al­so bei der Be­hand­lung sei­ner Pa­ti­en­ten, darf ihm aus Gründen der ärzt­li­chen. Sten­des­ethik der Träger der Kran­kenhäuser kei­ne Wei­sun­gen er­tei­len und kann es auch tatsächlich aus Man­gel an Sach­kennt­nis nicht. Der Chef­arzt ist in­so­weit in kei­ner we­sent-
 

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lich an­de­ren La­ge wie et­wa ein ver­trag­lich mit wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­auf­ga­ben be­auf­tra­ger Phy­si­ker oder Che­mi­ker ei­nes Be­trie­bes, der trotz­dem in al­ler Re­gel nach sei­nem Ver­trag als Ar­beit­neh­mer zu gel­ten hat. Es gab und gibt darüber hin­aus auch Ar­beits­verhält­nis­se, bei de­nen de Ar­beit­ge­ber ei­ne Ein­flußnah­me auf die sach­li­che Ausübung der Tätig­keit des Ar­beit­neh­mers recht­lich ver­sagt ist So wa­ren in ei­ni­gen deut­schen Ländern nach dem Zu­sam­men­bruch des Reichs im Jahr 1945 die Rich­ter An­ge­stell­te und da­mit Ar­beit­neh­mer des Staa­tes, ob­wohl sie in ih­rer recht­spre­chen­den Tätig­keit an Wei­sun­gen ih­rer Dienst­her­ren nicht ge­bun­den wa­ren. Ähn­li­ches gilt für den Schiffs­ka­pitän, der - oh­ne daß sich der Ree­der ein­mi­schen darf - die al­lei­ni­ge nau­ti­sche Ver­ant­wor­tung trägt, der aber trotz­dem Ar­beit­neh­mer ist, wie auch 22 Abs. 4 KSchG zeigt (vgl. hier­zu Me­li­tor, Rechts­gut­ach­ten "Kran­ken­haus und Ch arzt" Schrif­ten der deut­schen Kran­ken­haus­ge­sell­schaft Nr. 1 Köln 1953, S, 14)

Die not­wen­di­ge Wei­sungs­frei­heit des Chef­arz­tes bei Ausübung sei­ner ärzt­li­chen Tätig­keit steht so­mit der An­nah­me ei­nes abhängi­gen An­ge­stell­ten­verhält­nis­ses nicht ent­ge­gen. Das ist auch in der ar­beits­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung bis­her stets an­er­kannt wor­den (RAG ARS 15, 528 ff; 15, 550 ff; LAG Düssel­dorf, Außen­kam­mern Köln, Be­tri­el. 1951 S, 272; LAG München, AP 50 Nr. 20; LAG Mönchen RdA 51, 480; OAG Rhein­land-Pfalz, JZ 1952 S. 232; Ober­len­des­ar­beits­ge­richt Tübin­gen, RdA 1952 S, 359; LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Außen­kam­mern Mann­heim, Be­trieb 1960 S, 1159 - PB 1960 S. 939 u,a.), Der er­ken­nen­de Se­nat ist in sei­nem Ur­teil vom 10 No­vem­ber 1955 (BAG 2, 221 AP Nr, 2 zu § 611 BGB Beschäfti­gungs­pflicht) eben­falls von der Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft der Chefärz­tin ei­ner Rönt­gen­ab­tei­lung aus­ge­gan­gen

Die Fra­ge, ob ein Chef­arzt in ei­nem abhängi­gen Ar­beits­verhält­nis oder in ei­nem selbständi­gen Dienst­verhält­nis zum Kran­ken­haus­träger steht, läßt sich nicht all­ge­mein, son­dern nur auf Grund der be­son­de­ren Umstände des je­wei­li­gen Ein­zel­fel­les be­ent­wor­ten. Ent­schei­dend ist dar­auf ab­zu­stel­len, ob der Chef­arzt, wenn er auch in der Ausübung
 


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sei­nes ärzt­li­chen Be­rufs ei­gen­ver­antv;ort­lich ist, im übri­gen bei sei­ner lätig­keit im we­sent­li­chen vom Kran­ken­haus­träger persönlich abhängig und an des­sen Wei­sun­gen ge­bun­den ist Im vor­lie­gen­den Fal­le recht­fer­ti­gen die recht­li­che Aus­ge­stal­tung so­wie die tatsächli­che Hand­ha­bung des Dienst­verhält­nis­ses des Klägers die An­nah­me ei­ner sol­chen Abhängig­keit.

Der Kläger war zur haupt­be­ruf­li­chen Beschäfti­gung auf un­be­stimm­te Zeit an­ge­stellt Das Dienst­verhält­nis be­an­spruch­te fast sei­ne gan­ze Ar­beits­kraft Er mußte Dienst­stun­den ein­hal­ten, die Bau­er sei­nes Er­ho­lungs­ur­laubs war fest be­stimmt, er durf­te jähr­lich nur bis zu 14 Ta­gen an ärzt­li­chen Fort­bil­dungs­kur­sen teil­neh­men. Zwar wur­de ihm das Recht zur Ausübung ei­ner Pri­vat­pra­xis zu­ge­stan­den; die­se mußte sich aber nach § 5 Abs. 1 des Dienst­ver­tra­ges vom 1. No­vem­ber 1946; der durch die anläßlich der Er­nen­nung des Klägers zum Chef­arzt der in­ne­ren Ab­tei­lung am 1 De­zem­ber 1947 neu ver­ein­bar­ten An­stel­lungs­be­din­gun­gen nicht auf­ge­ho­ben, son­dern nur ergänzt wer­de, auf die Sprech­stun­de im Kran­ken­haus be­schränken, Er war auf Grund sei­nes An­stel­lungs­ver­tra­ges zur Be­hand­lung sämt­li­cher Kran­ken­haus­pa­ti­en­ten al­ler Ver-pfle­gungs­klas­sen oh­ne Rück­sicht auf sein Li­qui­da­ti­ons­recht ver­pflich­tet- Hilfs­bedürf­ti­ge und Fürsor­ge­pa­ti­en­ten mußte er un­ent­gelt­lich be­han­deln. Er un­ter­stand zu­letzt so­gar mit der ven ihm ge­lei­te­ten Kran­ken­haus­ab­tei­lung in or­ga­ni­se­to­ri­scher Hin­sicht ei­nem durch Be­schluß des Kreis­ta­ges des Be­klag­ten vom 14. Fe­bru­ar 1953 be­stell­ten ärzt­li­chen Di­rek­ter des Kran­ken­hau­ses, der die Ge­samt­lei­tung in­ne hat­te und das Kran­ken­haus in ärzt­lich-hy­gie­ni­schen Fra­gen, die die Chir­ur­gi­sche und die In­ter­ne Ab­tei­lung ge­mein­sam berühr­ten, nach in­nen und außen ver­trat. Der ärzt­li­che Di­rek­tor hat­te für die rei­bungs­lo­se Zu­sam­men­ar­beit der Kran­ken­haus­ab­tei­lun­gen zu sor­gen und über die Ein­hal­tung der vom Kreis­aus­schuß des Be­klag­ten er­las­se­nen Dienst­ord­nung zu wa­chen. Er re­gel­te und be­auf­sich­tig­te den Auf­nah­me­di­enst so­wie die Ver­tei­lung des Pfle­ge- und Schwes­tern­per­so­nals und hat­te bei Ilei­nungs­ver­schie­den­hei­ten des Ent­schei­dungs­recht.

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Fer­ner ist von Be­deu­tung, daß sich das Dienst­verhält­nis des Klägers nach den ein­schlägi­gen Ta­rif­wer­ken des öffent­li­chen Diens­tes rich­te­te und in dem Dienst­ver­trag vom 1. De­zem­ber 1947 auch aus­drück­lich als Ar­beits­verhält­nis be­zeich­net ist. Die Par­tei­en sind al­so selbst vorn Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses aus­ge­gan­gen. Der Kläger hat­te auch ei­nen Dis­zi­pli­nar­vor­ge­setz­ten in der Per­son des Land­rats des be­klag­ten Land­krei­ses. Sei­nen Krank­heits- und Ur­laub­ver­tre­ter be­stell­te er nicht selbst, dafür sorg­te viel­mehr der be­klag­te Land­kreis, der auch die Kos­ten hierfür zu tra­gen hat­te. Über­haupt war die Aus­wahl und Be­stel­lung sämt­li­cher Hilfs­kräfte aus­sch­ließlich An­ge­le­gen­heit des Be­klag­ten, wenn dies auch im Ein­ver­neh­men mit dem Kläger ge­sche­hen soll­te.

Für das Vor­lie­gen ei­nes un­selbständi­gen Dienst­ver­tra­ges spricht schließlich noch, daß der be­klag­te Land­kreis nach den An­stel­lungs­be­din­gun­gen ver­pflich­tet war, den der ge­gen die ge­setz­li­che Haft­pflicht aus sei­ner Tätig­keit als Chef­arzt zu ver­si­chern. Der Kläger selbst trug al­so kein Un­ter­neh­mer­ri­si­ko.

Das dem Kläger ein­geräum­te Recht zur ei­ge­nen Li­qui­da­ti­on ge­genüber den Pri­vat­pa­ti­en­ten des Kran­ken­hau­ses deu­tet nicht auf ein selbständi­ges Dienst­verhält­nis hin PAG ARS 15, 550 715':527). Es han­delt sich hier­bei nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts nur um ei­ne an­de­re Form der Ge­halts­zah­lung, die den be­son­de­ren Umständen Rech­nung trägt Die Ei­gen­li­qui­da­ti­on ist Teil des Ent­gelts für die vom Chef­arzt auf Grund sei­nes Dienst­ver­tra­ges zu er­brin­gen­de Ge­samt­leis­tung (BGHZ 7, 1 /12 ffj; Mo­li­tor, "Chef­arzt und Kran­ken­haus" S. 74 ff.), Das er­gibt sich für den vor­fe­gen­den Fall ein­deu­tig aus 5 des Dienst­ver­tra­ges von. No­vem­ber 1946 und Ziff, II der An­stel­lungs­be­din­gun­gen vom 1. De­zem­ber 1947. Dort wird aus­drück­lich zwi­schen der Pri­vat­pra­xis des Klägers und der Be­hand­lung der Pri­vat­pa­ti­en­ten des Kran­ken­hau­ses, ge­genüber de­nen dem Kläger das Ei­gen­lieui­da­ti­ens­recht zu­steht, un­ter­schie­den.

So­weit die Re­vi­si­on aus der Höhe des Ein­kom­mens des Klägers das Vor­lie­gen ei­nes selbständi­gen Dienst­ver­tra­ges

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her­lei­ten will, kann ihr nicht ge­folgt wer­den, Die Höhe des Ein­kom­mens bil­det kein kenn­zeich­nen­des Merk­mal des Ar­beit­neh­mers (RAG ARS 15, 550), Das Lan­des­ar­beits­ge­richt brauch­te des­halb die Steu­er­ak­ten des Klägers zur Fest­stel­lung der Höhe sei­nes Ein­kom­mens nicht bei­zu­zie­hen, Die da­hin­ge­hen­de rüge der Re­vi­si­on ist un­be­gründet.


III. Zu­tref­fend hat das Be­ru­fungs­ge­richt wei­ter an­ge­nom­men; daß dem Kläger kei­ne selbständi­ge Ein­stel­lungs- oder Ent­las­sungs­be­fug­nis im Sin­ne des § 12 Buch­sta­be c KSchG ein­geräumt war und die­se Vor­schrift des­halb die An­wen­dung des Küni­gungs­schutz­ge­set­zes nicht aus­sch­ließt, Die da­ge­gen ge­rich­te­ten in­grif­fe der Re­vi­si­on ge­hen fehl.

Daß der be­klag­te Land­kreis nach den An­stel­lungs­be­din­gun­gen des Klägers die Hilfs­kräfte für das Kr.eis­kran­ken-haus im Ein­ver­neh­men mit dem Kläger auswählen und be­stel­len soll­te, be­gründet für die­sen kei­ne selbständi­ge Ein­s­tel¬lungs­be­fug­nis; denn die letz­te Ent­schei­dung hierüber lag beim Be­klag­ten. Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts hat der Kläger Ein­stell­un­a­n­oder Ent­las­sun­gen im Kran­ken­haus auch tatsächlich nicht vor­ge­nom­men. Die in die­sem Zusamn.en­hang er­ho­be­ne Re­vi­si­onsrüge, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be un­ter Ver­let­zung des § 139 ZPO den Land­rat L des Be­klag­ten nicht über die tatsächli­che Hand­ha­bung der Ein­stel­lun­gen und Ent­las­sun­gen in dem Kreis­kran­ken­haus ver­nom­men, ist un­be­acht­lich, weil sie nicht hin­rei­chend mit Tat­sa­chen be­legt ist und da­her den An­for­de­run­gen des 554 Abs, 3 Satz 2 ZPO nicht genügt Es feh­len vor al­lem Ausführun­gen darüber, was der Land­rat im ein­zel­nen zu der tatsächli­chen Hand­ha­bung der
Ein­stel­lun­gen und Ent­las­sun­gen erklärt ha­ben würde Auch die wei­te­re Rüge der Re­vi­si­on aus § 286 Z20, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be den durch Be­nen­nung des As­sis­tenz­arz­tes Dr, U an­ge­bo­te­nen Be­weis nicht er­ho­ben, geht fehl. Die­ser Zeu­ge soll­te le­dig­lich be­kun­den, der Kläger ha­be aus ei­ge­nem Ent­schluß sei­ne Ent­las­sung ver­langt und schließlich beim Be­klag­ten auch durch­ge­setzt, Das aber spricht ge­ra­de dafür, daß nicht der Kläger, son­dern die Or­ga­ne des be­klag­ten Land­krei­ses über die Ent­las­sung zu
 

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ent­schei­den hat­ten und die­ses Recht auch selbst ausübten.

Die dem Klüger ver­trag­lich zu­ge­stan­de­ne Be­rech­ti­gung ei­nen Me­di­zi­nal­prak­ti­kan­ten nach ei­ge­ner Wahl zu beschäfti­gen, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt mit Recht als un­er­heb­lich an­ge­se­hen. Der Me­di­zi­nal­prak­ti­kant ist ein nur zu sei­ner ei­ge­nen Aus­bil­dung im Kran­ken­haus zu­ge­las­se­ner Arz­t­anwärter, Das Recht des Chef­arz­tes, le­dig­lich über die Beschäfti­gung ei­nes sol­chen Arz­t­anwärters al­lein zu ent­schei­den, kann ihm den Kündi­gungs­schutz nicht neh­men- Bei der Ein­stel­lungs- oder Ent­las­sungs­be­fug­nis im Sin­ne des v 12 Buch­sta­be c KSchG muß es sich um ei­ne der lei­ten­den Stel­lung des An­ge­stell­ten ent­spre­chen­de Be­rech­ti­gung han­deln.. Die Ein­stel­lungs­be­fug­nis muß al­so Aus­druck der lei­ten­den Punk­ti­on des An­ge­stell­ten im Be­trie­be sein.. Das ist sie aber je­den­falls dann nicht, wenn der lei­ten­de An­ge­stell­te nur' ei­nen ein­zel­nen für den Be­trieb nicht we­sent­li­chen und ent­behr­li­chen Pos­ten be­set­zen darf,

IV. Nach­dem das Lan­des­ar­beits­ge­richt oh­ne Rechts­irr­tum die An­wend­bar­keit des KSchG auf den Kläger be­jaht hat­te, mußte es prüfen, ob die vom Be­klag­ten an­geführ­ten Gründe die vom Kreis­tag be­schlos­se­ne und vom Land­rat erklärte Kündi­gung so­zi­al recht­fer­ti­gen.

Die An­sicht der Re­vi­si­on, ei­ne sol­che rich­ter­li­che 24achDrüfung schränke den Er­mes­sens- und Be­ur­tei­lungs­spiel­raum des Kreis­ta­ges als ei­nes de­mo­kra­tisch gewähl­ten öffent­lich-recht­li­chen Gre­mi­ums ein und ver­let­ze da­mit des­sen Ent­fal­tungs- und Ge­wis­sens­frei­heit so­wie das Sub­si­da­ritätsprin­zip und gefähr­de die frei­heit­li­che de­mo­kra­ti­sche Grund­ord­nung, ist ganz un­zu­tref­fend: Die Re­vi­si­on ver­kennt, daß der be­klag­te Land­kreis sich hier zur Erfüllung sei­ner öffent­li­chen Auf­ga­ben aus frei­em Ent­schluß bürger­lich-recht­li­cher Mit­tel be­dient hat und mit dem Kläffer ein pri­vat­recht­li­ches Ar­beits­verhält­nis ein­ge­gan­gen ist. Hat er sich aber frei­wil­lig auf den Bo­den des Pri­vat­rechts ge­stellt, dann muß er sich wie je­der Bürger be­han­deln und es sich ge­fal­len las­sen daß sei­ne bürger­lich-recht­li­chen Maßnah­men von den Ge­rich­te: un­be­schränkt auf ih­re Rechtmäßig­keit ge­prüft wer­den.. Woll­te man hier dem Kreis­ta­ge des Be­klag­ten ei­nen der rich­ter­li­chen Prüfung ver­schlos­se­nen
 


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Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu­ge­ste­hen, dann würde der Be­klag­te in­so­weit Rich­ter in ei­ge­ner Sa­che sein, und dem Kläger würde in die­sem Um­fan­ge der Rechts­schutz ent­zo­gen, Das aber wi­der­spricht rechts­staat­li­chen Grundsätzen, Das Kündi­gungs­schutz­ge­setz ist des­halb auch auf Ar­beits­verhält­nis­se des öffent­li­chen Diens­tes in glei­cher Wei­se wie auf sol­che der pri­va­ten Wirt­schaft an­zu­wen­den (vgl. BAG 3, 245 /2477Großer Se­nat; ständi­ge Recht­spre­chung des BAG).

V. Bei der Prüfung, ob die vom Be­klag­ten aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung so­zi­al ge­recht­fer­tigt ist, ist das Lan­des­ar­beits­ge­richt von recht­li­chen Erwägun­gen aus­ge­gan­gen, de­nen im Er­geb­nis zu­zu­stim­men ist.

Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist ei­ne Kündi­gung dann so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Per­son oder in dem Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers lie­gen oder durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se, die ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers in die­sem Be­trie­be ent­ge­gen­ste­hen, be­dingt ist.

1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat vor­nehm­lich ge­prüft, ob die vom Be­klag­ten an­geführ­ten Umstände die Kündi­gung als ver­hal­tens­be­dingt so­zi­al recht­fer­ti­gen, Es ist der An­sicht, daß die Span­nun­gen zwi­schen den bei­den Chefärz­ten, die dem An­se­hen des Kreis­kran­ken­hau­ses in der Öffent­lich­keit zwei­fels­los ge­scha­det ha­ben, die Kündi­gung nur recht­fer­ti­gen könn­ten, wenn der Kläger die­se Span­nun­gen ver­schul­det und durch sein Ver­hal­ten da­zu bei­ge­tra­gen hätte, daß be­gründe­te Zwei­fel an sei­nen Qua­litäten als Arzt und Mensch in der Bevölke­rung des be­klag­ten Land­krei­ses ent­ste­hen konn­ten, de­ren Be­he­bung auch bei ehr­li­chem Bemühen der dafür zuständi­gen Or­ga­ne mit großer Wahr­schein­lich­keit auf länge­re Sicht nicht möglich ge­we­sen wäre,

Da­ge­gen wen­det sich die Re­vi­si­on mit der Be­gründung, das vom Lan­des­ar­beits­ge­richt auf­ge­stell­te Ver­schul­den­s­prin­zip bei der Würdi­gung der Kündi­gungs­gründe sei rechts­ir­rig und wi­der­spre­che an­er­kann­ter Recht­spre­chung und -leh­re.

Der Re­vi­si­on ist zu­zu­ge­ben, daß ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung zu ih­rer so­zia­len Recht­fer­ti­gung nicht in je­dem -Al­le not­wen­dig ein Ver­schul­den des Ar­beit­neh­mers vor­aus­setzt, son­dern auch ein schuld­lo­ses Ver­hal­ten des Ar-
 

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beit­neh­mers un­ter be­son­de­ren Umständen den Ar­beit­ge­ber zur Kündi­gung zu be­rech­ti­gen ver­mag (vgl, EAG AP Nr 39 zu s 1 KSchG). Hier aber ist zu be­den­ken, daß der Pfle­ger im Zeit­punkt der Kündi­gung schon 23 1/2 Jah­re lang im öffent­li­chen Dienst stand. Hätte er be­reits 25 Jah­re im öffent­li­chen Dienst ge­stan­den, so hätte ihm nach §16 Abs 4 TO-A nur noch mit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung aus wich­ti­gem Grun­de gekündigt wer­den können, Da­nach ist es nicht ver­fehlt, daß hier das Lan­des­ar­beits­ge­richt für das Durch­grei­fen ei­ner ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung ein schuld­haf­tes Ver­hal­ten des Klägers ge­for­dert hat. Denn so kurz vor dem Ein­tritt der Unkünd­bar­keit müssen an ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gungs­gründe stren­ge An­for­de­run­gen stellt wer­den. Ein schuld­lo­ses Ver­hal­ten kann des­halb im vor­lie­gen­den Fall nicht mehr genügen, Da­von ab­ge­se­hen ist zu be­den­ken, daß das Ver­hal­ten des Klägers, wenn es im gan­zen kor­rekt und mit sei­nen Dienst­pflich­ten ver­ein­bar war, auch das Ver­trau­en des Be­klag­ten zum Kläger nicht zu be­ein­träch­ti­gen und dem­gemäß auch nicht ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen ver­moch­te. Es ist al­so mit dem Lan­des­ar­beits­ge­richt da­von aus­zu­ge­hen, daß die Span­nun­gen mit den bei­den Chefärz­ten und ih­re Aus­wir­kun­gen nur dann ei­nen im Ver­hal­ten des Klägers lie­gen­den Kündi­gungs­grund ab­ge­ben können, wenn der Kläger die Schuld an die­sem Streit trägt oder durch sein Ver­hal­ten doch we­sent­lich zur Verschärfung der Span­nun­gen bei­ge­tra­gen hat.

Da­bei kommt es ent­schei­dend auf den Zeit­punkt der Kündi­gung, an. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat al­ler­dings auch Vorgänge be­leuch­tet, die sich nach dem Aus­spruch der Kündi­gung er­eig­net ha­ben, aber nur, um dar­zu­tun, daß an den vor­an­ge­gan­ge­nen Er­eig­nis­sen der Kläger nicht schuld sei, so ge­se­hen ist die Be­trach­tung späte­rer Er­eig­nis­se bei der Prüfung, ob der Kläger an den Span­nun­gen in dem Kran­ken­haus schuld war, nicht zu be­an­stan­den (vgl, BAG 2, 245 (252)).

2 Ob hier in der Per­son des Klägers Gründe vor­la­gen, die die Kündi­gung recht­fer­ti­gen, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht erörtert, Das ist nicht zu be­an­stan­den. Denn
 


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nach ei­ner fast 25jähri­gen Tätig­keit im öffent­li­chen Dienst vermögen Ei­gen­schaf­ten und Cha­rak­terzüge, die in ei­nem nicht vor­werf­ba­ren Ver­hal­ten zum Aus­druck ge­lan­gen, die Kündi­gung nicht zu recht­fer­ti­gen. über­dies ist es ab­we­gig, wenn die Re­vi­si­on so weit geht, aus dem Hilfs­an­trag des Klägers, ei­ne et­wai­ge Ab­fin­dung auf die ho­he Sum­me von 100.000 DM fest­zu­set­zen, cha­rak­ter­li­che Mängel, nämlich rück­sichts- und ge­wis­sen­lo­se Ei­gen­sucht und hem­mungs­lo­se Geld­gier zu fol­gern.


3. Bei der Prüfung, ob be­triebs­be­ding­te Gründe die Kündi­gung recht­fer­ti­gen, -hat es das Lan­des­ar­beits­ge­richt wie­der­um auf die Ver­schul­dens­fra­ge ab­ge­stellt. Es hat ge­meint, die Span­nun­gen in und mit der Schwes­tern­schaft könn­ten des­halb ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung nicht recht­fer­ti­gen, weil der Kläger an die­sen Span­nun­gen nicht schuld ge­we­sen sei. Da­bei hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­kannt, daß ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung kein Ver­schul­den des Ar­beit­neh­mers vor­aus­setzt, Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat fer­ner aus der Aus­sa­ge der Zeu­gin Obe­rin P ent­nom­men, daß die­se den Ab­zug der Schwes­tern­schaft aus dem Kran­ken­haus des Be­klag­ten nur für den Fall an­ge­droht ha­be, daß der Streit der bei­den Ärz­te fort­ge­setzt wer­de, was aber nach Dr. von F Tod nicht mehr der Fall sei. Da­bei hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt über­se­hen, daß die Zeu­gin die­se An­dro­hung erst im Ok­to­ber 1958, al­so nach Dr. von F Tod, aus­ge­spro­chen hat,.

Auf die­sen Mängeln be­ruht das an­ge­foch­te­ne Ur­teil aber nicht, Denn die be­triebs­be­ding­te Kündi­gung kommt, wie § 1 Abs, 3 KSchG er­gibt, vor­nehm­lich nur dann zum Zu­ge, wenn wegQ2Rationalisierungs- und Spar­maßnah­men, we­gen Auf­trags­man­gels oder aus ähn­li­chen aus dem Be­trie­be her­aus ent­stan­de­nen Gründen ein Ar­beits­platz überflüssig wird und es sich fragt, wel­cher von meh­re­ren Ar­beit­neh­mern wei­chen soll. Soll aber der Ar­beits­platz er­hal­ten und nur mit ei­nem an­de­ren Ar­beit­neh­mer als dem bis­he­ri­gen be­setzt wer­den, so ist für ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung we­nig Raum, Ein schuld­lo­ses Ver­hal­ten ei­nes Ar­beit­neh­mers kommt für ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung un­mit­tel­bar über­haupt nicht und mit­tel­bar
 


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höchs­tens dann in Be­tracht, wenn da­durch ein stören­der Dau­er­zu­stand ge­schaf­fen wor­den ist, dem nur durch ei­ne Kündi­gung ab­ge­hol­fen wer­den kann. Das kann al­ler­dings auch dann der Fall sein, wenn zwi­schen zwei Ar­beit­neh­mern ei­ne so hef­ti­ge Feind­schaft be­steht, daß der Be­triebs­frie­den nach­hal­tig gestört ist. Der Ar­beit­ge­ber kann sich dann u.U., genötigt se­hen, ei­nem von bei­den oder auch bei­den zu kündi­gen, Nach­dem je­doch Dr. von P ge­stor­ben war konn­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt oh­ne Rechts­ver­s­toß an­neh­men, daß ein der­ar­ti­ger nur aus­nahms­wei­se mögli­cher An­laß für ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung nicht mehr ge­ge­ben war VI. Hat so­mit das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu Recht bei der Fra­ge, ob das Ver­hal­ten des Klägers die Kündi­gung des Be­klag­ten so­zi­al recht­fer­tigt, dar­auf ab­ge­stellt, ob der Kläger schuld­haft sei­ne Dienst­pflich­ten ver­letzt hat, so ist nun­mehr zu prüfen, ob das Lan­des­ar­beits­ge­richt recht­lich zu­tref­fend ein Ver­schul­den des Klägers ver­neint hat und ob die pro­zes­sua­len Rügen des Be­klag­ten ge­gen die tatsächli­chen die­ser Schuld­ver­nei­nung zu­grun­de lie­gen­den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts durch­grei­fen.

Die­se Prüfung hat, wenn gleich dem Lan­des­ar­beits­ge­richt im we­sent­li­chen recht­lich zu­zu­stim­men ist und die meis­ten pro­zes­sua­len Rügen nicht durch­grei­fen, doch im Er­geb­nis zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Lan­des­ar­beits­ge­richt geführt.

1. So­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt hat, die Span­nun­gen zwi­schen dem Chef­chir­ur­gen und dem Kläger sei­en nicht vom Kläger her­vor­ge­ru­fen wor­den, greift die hier­zu er­ho­be­ne Rüge der Re­vi­si­on, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be sich nicht auf die im stast­san­walt­schaft­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­ren zu rich­ter­li­chem Pro­to­koll ge­ge­be­ne Aus­sa­ge des Dr. L stützen dürfen, nicht durch. Die­se Aus­sa­ge ist im Ter­min vom 11. Fe­bru­ar 1960 aus den zu Be­weis­zwe­cken bei­ge­zo­ge­nen Ak­ten vor­ge­le­sen wor­den; dem hat der Be­klag­te nicht wi­der­spro­chen. Ih­re Ver­wer­tung war da­her nicht un­zulässig (vgl, RGZ 105, 221; RG DR 39, 183; Baum­bach-Lau­ter­bach, ZPO, 25. Aufl., Anm. 4 B zu § 286)
 


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Mit Recht hat es das Lan­des­ar­beits­ge­richt dem Kläger nicht zur Last ge­legt, daß er im Jah­re 1951 die Mit­tei­lung der M Uni­ver­sitätskli­nik, bei ei­nem vom Kläger ein­ge­wie­se­nen früher von Dr. von P ope­rier­ten jüdi­schen In­sas­sen ei­nes DP-La­gers sei im Bauch ein Ope­ra­ti­ons­tuch ge­fun­den wor­den, an den Land­rat des be­klag­ten Land­krei­ses wei­ter­ge­ge­ben hat­te. Denn ei­ne sol­che Mit­tei­lung des Klägers lag schon we­gen der mögli­cher­wei­se dem Be­klag­ten dro­hen­den Scha­den­er­satz­ansprüche des Be­trof­fe­nen im wohl­ver­stan­de­nen In­ter­es­se des Be­klag­ten. Eben­so­we­nig ist es recht­lich zu be­an­stan­den, daß das Lan­des­ar­beits­ge­richt dem Kläger ei­ne auch zum An­griff über­ge­hen­de Ver­tei­di­gung ge­gen die im Straf­ver­fah­ren von Dr. von P er­ho­be­nen Vorwürfe zu­ge­bil­ligt hat.

Auch durf­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt da­von ab­se­hen, den Be­haup­tun­gen und Be­weis­anträgen des Be­klag­ten über an­geb­li­che Fehl­dia­gno­sen des Klägers nach­zu­ge­hen, Fehl­leis­tun­gen gibt es in je­dem Be­ruf, Ein­zel­ne Fälle von Fehl­dia­gno­sen im Lau­fe ei­nes lan­gen Arzt­le­bens be­sa­gen da­her nichts, Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den Vor­sit­zen­den der zuständi­gen ärzt­li­chen Kreis­ver­ei­ni­gung, Dr, P gehört und aus sei­ner Aus­sa­ge ent­nom­men, daß der Kläger das vol­le ärzt­li­che und men­sch­li­che Ver­trau­en sei­ner Kol­le­gen ge­nießt, Wenn es hier­an die Schlußfol­ge­rung knüpft, die­ser Ver­trau­ens­be­weis der Kol­le­gen wie­ge er­heb­lich schwe­rer als nicht nach­prüfba­re Be­haup­tun­gen von Pa­ti­en­ten, die aus ir­gend­wel­chen Grin­den mit der Be­hand­lung des Klägers nicht zu­frie­den ge­we­sen sei­en, hält das recht­li­cher Nach­prüfung stand

So­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt ei­ne Rei­he von Be­haup­tun­gen und Be­weis­an­trit­ten des Be­klag­ten nach §§ 529 ZPO, 67 ArbGG als ver­spätet zurück­ge­wie­sen hat, greift die hier­zu er­ho­be­ne Rüge der Re­vi­si­on nicht durch. Denn daß das Be­ru­fungs­ge­richt die Vor­aus­set­zun­gen die­ser Be­stim­mun­gen ver­kannt ha­be, ist nicht er­sicht­lich.

2. Da­ge­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt bei der Prüfung, ob der Kläger die Span­nun­gen, die oh­ne sein Ver­schul­den
 


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im Kran­ken­haus ent­stan­den wa­ren, in der Fol­ge­zeit schuld­haft verstärkt ha­be, we­sent­li­che Be­weis­anträge des Be­klag­ten über­g­an­gen.

Ei­ner der Haupt­vorwürfe, den der be­klag­te Land­kreis ge­gen den Kläger er­hebt, ist der Vor­wurf, er ha­be ei­nen Ar­ti­kel in der S Z , der am 29 Mai 1958 während der schwe­ren Er­kran­kung von Dr. von F er­schien und ge­gen die­sen Par­tei nahm, ver­an­laßt.

Der Kläger hat in sei­nem Schrift­satz vom 14. April1958 auf Sei­te 31 be­strit­ten, auf den Ar­ti­kel in der S Z mit­tel­bar oder un­mit­tel­bar ir­gend­ei­nen Ein­fluß aus­geübt zu ha­ben. Es sei auch kei­ne In­for­ma­ti­on von ihm ein­ge­holt wor­den. Er ha­be von dem Ar­ti­kel erst nach sei­ner Veröffent­li­chung er­fah­ren, Er sei le­dig­lich mit dem Aus­lands­re­por­ter der S K , gut be­kannt und ha­be mit die­sem im Frühjahr 1958 ein­mal über die Vorgänge im Kran­ken­haus ge­spro­chen. Zwi­schen die­sem Gespräch. und dem Ar­ti­kel in der S Z vom 29 Mai 1958 be­ste­he aber, wie der Kläger in das Zeug­nis des Re­por­ters K ge­stellt hat, kein Zu­sam­men­hang.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist die­ser vom Kläger be­strit­te­nen Be­haup­tung nach­ge­gan­gen und hat Be­weis darüber er­ho­ben, ob der Kläger den am 29. Mai 1958 in der S Z veröffent­lich­ten Ar­ti­kel ver­an­laßt hat. Daß das Lan­des­ar­beits­ge­richt dies ge­tan hat, war recht­lich nicht ver­fehlt, Zwar war die­ser Ar­ti­kel nicht die ers­te Zei­tungs­veröffent­li­chung über den Ärz­te­streit im Kran­ken­haus des Be­klag­ten, aber vor­an ging ihr nach dem Vor­brin­gen. der Par­tei­en an­schei­nend nur ei­ne schon über ein Jahr zuück­lie­gen­de Veröffent­li­chung im ört­li­chen Kreis­blatt.
dem , vom 29 Sep­tem­ber 1957, die nur ein Be­richt über ei­ne Kreis­tags­sit­zung war. Jetzt er­schien nun in der weit­ver­brei­te­ten S Z ein ,
Ar­ti­kel, der die Vorgänge im Lich­te des Klägers brach­te. und zwar zu ei­nem Zeit­punkt in dem we­gen der Krank­heit des Chef­chir­ur­gen der Streit nicht akut war und in dem ge­ra­de we­gen der Krank­heit ein An­griff oder auch nur ei­ne ag­gres­si­ve Ver­tei­di­gung ge­gen Dr. von P we­der ge­bo­ten noch


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an­ge­bracht war Wenn nun der Kläger, was er be­strei­tet, tat-sächlich den Ar­ti­kel vom 29. Mai 1958 in der S Z ver­an­laßt ha­ben soll­te, so hätte er da­mit in der Tat schuld­haft die be­reits be­ste­hen­den Span­nun­gen verstärkt und ver­tieft und das Lan­des­ar­beits­ge­richt hätte dann durch­aus in Be­tracht zie­hen können, oh ein sol­ches Ver­hal­ten des Klägers sei­ne Kündi­gung so­zi­al recht­fer­ti­gen würde, wo­bei das Lan­des­ar­beits­ge­richt dann al­ler­dings noch ei­ne die langjähri­ge Tätig­keit des Klägers für den Be­klag­ten. mit­um­fas­sen­de Ge­samtwürdi­gung hätte vor­neh­men müssen.


Des Lan­des­ar­beits­ge­richt hat nun zu die­ser mit Recht von ihm für aufklärungs­bedürf­tig er­ach­te­ten Be­haup­tung des Be­klag­ten die Zeu­gen M gehört, hat es aber ab­ge­lehnt, noch wei­te­re in die­sem Zu­sam­men­hang be­nann­te Zeu­gen zu hören. Der Be­klag­te hat­te in sei­ner Be­ru­fungs­be­gründung vom 29. Sep­tem­ber 1959 vor­ge­tra­gen, we­ni­ge Ta­ge vor dem Er­schei­nen des Zei­tungs­ar­ti­kels in der S Z ha­be bei der Ehe­frau des Land­rats R ein Zu­sam­men­tref­fen zwi­schen dem Kläger Frau R , dem Re­dak­teur S der SZ so­wie Herrn Sch statt­ge­fun­den.
Bei die­ser Zu­sam­men­kunft sei ganz of­fen­sicht­lich der Ar­ti­kel be­spro­chen und ab­ge­spro­chen wor­den, Der Kläger hat ein der­ar­ti­ges Zu­sam­men­tref­fen be­strit­ten und vor­ge­tra­gen, er sei in der Zeit vor dem Er­schei­nen des Ar­ti­kels über­haupt nicht mehr im R Hau­se ge­we­se­ne. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die von der Be­klag­ten be­nann­ten Zeu­gen; Frau R , S und Sch nicht ver­nom­men, Es hat viel­mehr in die­sem Be­weis­an­tritt ei­nen un­zulässi­gen Aus­for­schungs­be­weis ge­se­hen.

Die hier­ge­gen er­ho­be­ne Rüge greift durch, Der Be­klag­te hat mit sei­nem Wor­te "of­fen­sicht­lich" zwar zu er­ken­nen ge­ge­ben, daß er sei­ne Be­haup­tung auf Grund ei­ner die ihm be­kann­ten Tat­sa­chen kom­bi­nie­ren­den Ver­mu­tung auf­stellt. Das macht aber sei­nen Be­weis­an­trag noch nicht zu ei­nem Aus­for­schungs­be­weis Ein sol­cher liegt nur vor, wenn der Be­weis aufs Ge­ra­te­wohl und auf bloße Ver­mu­tun­gen an­ge­tre­ten ist, oh­ne daß der Be­weisführung für sei­ne Be­haup­tun­gen tat-
 


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sächli­chen An­halt hat und die von ihm er­streb­te Be­weis­auf­nah­me erst die Grund­la­ge zu neu­en er­heb­li­chen Be­haup­tun­gen ab­ge­ben soll (vgl, Ro­sen­berg, Lehr­buch des Zi­vil­pro­zeßrechts, 8- Aufl. S. 562; RGZ 169, 224 und 283; RAG 17, 295; Duntz in NJW 56, 769). Hier hat der Be­klag­te sei­ne Ver­mu­tung stützen­den Tat­sa­chen - Zu­sam­men­tref­fen R Hau­se we­ni­ge Ta­ge vor dem Er­schei­nen des Ar­ti­kels - vor­ge­tra­gen; er hat so­dann durch sein Wort "of­fen­sicht­lich" zum Aus­druck ge­bracht, daß er auf Grund die­ser von ihm be­haup­te­ten Tat­sa­chen die wei­te­re Be­haup­tung auf­stel­len darf und auf­stellt, es sei bei/die­ser Zu­sam­men­kunft der Ar­ti­kel ab­ge­spro­chen wor­den, Das ist ei­ne Tat­sa­chen­be­haup­tung, die nur da­durch ein be­son­de­res Ge­präge er­hal­ten hat, daß der Be­klag­te - da­mit sei­ner Wahr­heits­pflicht aus § 138 ZPO Rech­nung tra­gend - noch an­ge­ge­ben hat, wie er - ob­wohl bei die­ser Zu­sam­men­kunft nicht an­we­send - zur Auf­stel­lung sei­ner Be­haup­tung ge­kom­men ist Da­bei ist zu be­den­ken, daß die :Par­tei sich im Zi­vil­pro­zeß auf ei­nem schma­len Grat zwi­schen Wahr­heits­pflicht ei­ner­seits und dem Zwan­ge zu strik­ten Be­weis­an­trit­ten an­de­re­seits be­fin­det und des­halb bei Vorgängen, an de­nen sie nicht be­tei­ligt war, oft genötigt ist, mehr zu be­haup­ten als sie weiß (vgl.. Duntz aa0). Das darf aber nicht da­zu führen, ih­re Be­weis­anträge ab­zu­schnei­den (vgl. RAG 17, 29 Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hätte da­her die­sen Be­weis­an­trag des be­klag­ten Krei­ses ent­spre­chen müssen und wird dies nun­mehr nach­zu­ho­len ha­ben.

Bestätigt die Be­weis­auf­nah­me die Be­haup­tung des klag­ten, daß der Kläger den Zei­tungs­ar­ti­kel in­spi­riert hat, so könn­ten auch wei­te­re Be­haup­tun­gen des Be­klag­ten an Be­deu­tung ge­win­nen, nämlich die un­ter Be­weis ge­stell­te Be­haup­tung des Be­klag­ten, der Kläger ha­be die in der Zei­tung als Le­ser­brie­fe veröffent­lich­ten Zu­schrif­ten sei­ner Haus­an­ge­stell­ten und sei­ner Arzt­hel­fe­rin ver­an­laßt und ha­be sich zu kei­ner ge­mein­sa­men Me­di­ka­men­ten­be­stel­lung und kei­ner ge­mein­sa­men Nacht­dienst­ord­nung mit der Chir­ur­gi­schen Ab­tei­lung be­we­gen las­sen, Das Lan­des­ar­beits­ge­richt



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hat die hier­zu an­ge­tre­te­nen Be­wei­se nicht er­ho­ben. Für sich al­lein würde das be­haup­te­te Ver­hal­ten des Klägers al­ler­dings kaum ei­nen trif­ti­gen Kündi­gungs­grund dar­stel­len Es könn­te aber doch sein, daß die­se vom Kläger be­strit­te­nen Vorgänge, falls sie er­wie­sen wären, das Bild ab­run­den Durch die Le­ser­zu­schrif­ten konn­te in der Öffent­lich­keit der Ein­druck er­weckt wer­den, daß die Bevölke­rung hin­ter dem Kläger ste­he, denn es sich da­bei aber um ge­lenk­te Zu­schrif­ten han­del­te, hätte der Kläger mit be­denk­li­chen Mit­teln ei­nen fal­schen Ein­druck er­we­cken wol­len.


Bei der an­geb­li­chen Wei­ge­rung des Klägers, sich an ge­mein­sa­mer Me­di­ka­men­ten­be­stel­lung und der Re­ge­lung des Nacht- und Sonn­tags­diens­tes zu be­tei­li­gen, ist zu be­den­ken, daß auch bei persönli­chen Dif­fe­ren­zen der Arzt im In­ter­es­se der Pa­ti­en­ten und des Kran­ken­hau­ses sich der sach­li­chen be­trieb­si­en­li­chen Zu­sam­men­ar­beit nicht ver­sa­gen darf, was ja der Kläger auch durch­aus als sei­ne Pflicht an­er­kennt. Wenn das Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­meint hat, es sei Auf­ga­be des Be­klag­ten ge­we­sen, den hierfür be­nann­ten Zeu­gen Dr D als die­ser gemäß Be­weis­be­schluß vom 16. Fe­bru­ar 1960 zu ei­nem an­de­ren Be­weisthe­ma gehört wur­de, hier­nach zu be­fra­gen, so kann dem nicht zu­ge­stimmt wer­den, Die Par­tei hat nur das Recht, Fra­gen im Rah­men des vom Ge­richt im Be­weis­be­schluß vor­ge­se­he­nen Be­weisthe­mas zu stel­len, aber nicht an­de­re Be­weisthe­men in die Be­weis­auf­nah­me hin­ein­zu­zie­hen,

VII. Die Gründe, aus de­nen das Lan­des­ar­beits­ge­richt den Hilfs­an­trag des Be­klag­ten aus § 7 Abs, 1 Satz 2 KSchG auf Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­gen Ab­fin­dung ab­ge­lehnt hat, sind eben­falls nicht frei von Rechts­irr­tum.. Nach der ge­nann­ten Vor­schrift hat das Ge­richt das Ar­beits­verhält­nis auf­zulösen, wenn der Ar­beit­ge­ber dies aus Gründen ver­langt- die ei­ne den Be­triebs­zwe­cken dien­li­che wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber nicht er­war­ten las­sen. Der An­trag des Ar­beit­ge­bers ist je­doch ab­zu­leh­nen, wenn der Ar­beit­neh­mer die Un­rich­tig­keit die­ser Gründe in we­sent­li­chen Punk­ten be­weist oder wenn die Kündi­gung of­fen­sicht­lich willkürlich oder aus nich­ti­gen Grün-
 


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den un­ter Mißbrauch der Macht­stel­lung des Ar­beit­ge­bers im Be­trieb er­folgt ist,

Als Auflösungs­grund hat der Be­klag­te gel­tend ge­macht, daß durch den Streit der Ärz­te und sei­ne Fol­ge­er­schei­nun­gen die Stel­lung des Klägers im Kran­ken­haus erschüttert und die für sei­ne wei­te­re Tätig­keit als Chef­arzt not­wen­di­ge Ver­trau­ens­grund­la­ge zerstört sei. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­kennt nicht, daß die­sel­ben Gründe, die nach sei­ner An­sicht die Kündi­gung nicht so­zi­al recht­fer­ti­gen, gleich­wohl als Auflösungs­gründe aus­rei­chen können (BAG in AP Nr. 2 und Nr. 7 zu § 7 KSchG). Es meint aber, die­se Gründe sei­en nicht stich­hal­tig, und ih­re Un­rich­tig­keit sei auch in we­sent­li­chen Punk­ten be­wie­sen. Denn der Be­klag­te selbst sei noch im Fe­bru­ar 1959 be­reit ge­we­sen, den Ver­trag mit dem Kläger zu er­neu­ern, und auch die Aus­sa­gen der Zeu­gen H , P und Dr. K sprächen nicht da­ge­gen, daß ei­ne Wei­ter­ar­beit des Klägers möglich ge­we­sen sei.

So­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt die noch im Fe­bru­ar 1959 vor­han­de­ne Be­reit­schaft des Be­klag­ten zur Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers fest­stellt und als aus­schlag­ge­bend an­sieht, hat es ver­kannt, daß es bei § 7 KSchG an­ders als bei § 1 nicht auf den Zeit­punkt der Kündi­gung - auch nicht auf den des Ab­laufs der Kündi­gungs­frist oder der Kla­ge­er­he­bung -, son­dern auf den Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt an­kommt. Auch wenn erst in die­sem Zeit­punkt bei dem Be­klag­ten die be­gründe­te Be­sorg­nis auf­kom­men konn­te, daß die wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit mit dem Kläger gefähr­det sei, und ge­ra­de dann, war der Auflösungs­an­trag be­rech­tigt (BAG in AP Nr. 56 zu § 1 KSchG). Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hätte da­her ins­be­son­de­re noch erörtern müssen, ob nicht der mit Härte geführ­te Pro­zeß die Par­tei­en wei­ter aus­ein­an­der­ge­bracht hat. Al­ler­dings kann sich der Be­klag­te in­so­weit nicht auf ei­ne sol­che Verschärfung be­ru­fen, die er selbst be­wußt her­bei­geführt hat, oh­ne da­zu durch den Pro­zeßver­lauf genötigt ge­we­sen zu sein. Denn das wäre Rechts­mißbrauch.
 


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Außer­dem ist min­des­tens zwei­fel­haft, ob das Lan­des­ar­beits­ge­richt sich be­wußt war, daß der Be­klag­te die ernst­li­che Gefähr­dung ei­ner wei­te­ren Zu­sam­men­ar­beit mit dem Kläger nur schlüssig zu be­haup­ten braucht, aber nicht be­wei­sen muß (BAG in AP Nr. 2 zu § 7 und Nr. 56 zu § 1 KSchG). Es scheint die­se Ver­tei­lung der Be­haup­tungs- und Be­weis­last zu ver­ken­nen, wenn es meint, die vom Be­klag­ten gel­tend ge­mach­ten Auflösungs­gründe sei­en nicht "stich­hal­tig", und wenn es an­nimmt, die Aus­sa­gen der Zeu­gen H P und Dr. K , die nach ih­rem In­halt ge­gen den Kläger spre­chen sei­en nicht ge­eig­net, die Möglich­keit ei­ner künf­ti­gen ge­deih­li­chen Zu­sam­men­ar­beit aus­zu­sch­ließen,

Die­se Hin­wei­se sind von Be­deu­tung für den Fall, daß das Lan­des­ar­beits­ge­richt nach sei­ner neu­en Ver­hand­lung wie­der zu dem Er­geb­nis kommt, daß die Kündi­gung so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt war.

gez. Schil­gen 

Dr. Mei­er-Scher­ling 

Dr, Joa­chim

Dr Zim­mer­mann 

A. Wörner

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