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LAG Hamm, Urteil vom 01.12.2011, 8 Sa 1245/11
Schlagworte: | Betriebliche Übung, AGB, Freiwilligkeitsvorbehalt | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamm | |
Aktenzeichen: | 8 Sa 1245/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 01.12.2011 | |
Leitsätze: | 1. Entgegen im Schrifttum erhobener Bedenken kann die Entstehung einer betrieblichen Übung durch einen salvatorischen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag verhindert werden. Einer jeweiligen Erneuerung des Vorbehalts anlässlich der Zahlung bedarf es nicht. 2. Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach welcher die Zahlung eines Weihnachtsgeldes "von z. Zt. 55% der Monatsvergütung" unter Ausschluss von Rechtsansprüchen für die Zukunft erfolgt, ist trotz Erwähnung von Berechnungsgrundlagen und Kürzungsregeln bei Fehlzeiten ausreichend transparent, da letztere erkennbar allein für den Fall zur Geltung kommen, dass sich der Arbeitgeber zur Leistung entschließt und so allein eine Selbstbindung hinsichtlich der Gleichbehandlung der Beschäftigten begründet. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Iserlohn, Urteil vom 7.06.2011, 2 Ca 174/11 | |
8 Sa 1245/11
2 Ca 174/11
ArbG Iserlohn
Verkündet am 01.12.2011
Grewatsch Regierungsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 01.12.2011
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dudenbostel
sowie die ehrenamtlichen Richter Stüber und Mantwill
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 07.06.2011 – 2 Ca 174/11 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
Mit seiner Klage macht der Kläger, welcher seit dem Jahre 1997 im Betrieb der Beklagten beschäftigt ist, einen Anspruch auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 geltend.
Diesen Anspruch stützt der Kläger auf die Grundsätze der betrieblichen Übung, welche sich daraus ergebe, dass die Beklagte unstreitig jedenfalls seit dem Jahre 2004 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % und ein Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubsentgelts zur Auszahlung gebracht hat. Soweit die Beklagte dem Zahlungsbegehren entgegenhält, der Arbeitsvertrag vom 01.01.2006 (Bl. 59 ff. der Akte) nebst Zusatzvereinbarung vom 01.10.2006 (Bl. 69 der Akte) schließe einen Rechtsanspruch auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld aus, hält der Kläger die entsprechende Vertragsklausel für unwirksam und führt aus, durch einen pauschalen Vorbehalt könne die Entstehung einer betrieblichen Übung als konkludente Vertragsänderung nicht vorab verhindert werden.
Die in § 4 des Arbeitsvertrages enthaltene Regelung lautet wie folgt:
§ 4 Vergütung
Die Arbeitsvergütung beträgt 12,84 € brutto.
Überstundenzuschläge werden wie folgt vergütet: ...
Die Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes von zurzeit 55 % der Monatsvergütung erfolgt freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft. Die Weihnachtsgeldzahlung mindert sich im Verhältnis zu den Fehltagen im Kalenderjahr, sie entfällt bei weniger als 20 Arbeitstagen.
Das Weihnachtsgeld beträgt:
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bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 6 Monaten 25 %
bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 1 Jahr 35 %
...
bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 3 Jahr 55 %
des jeweiligen Durchschnittsverdienstes
Die Zusatzvereinbarung vom 01.10.2006 enthält folgende Regelung:
Der § 4 Vergütung wird wie folgt geändert:
1. Die Vereinbarung zur Grundvergütung bleibt unverändert.
2. Sämtliche Überstundenzuschläge zum Grundlohn entfallen.
...
3. Die Vereinbarung zur Zahlung von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld bleibt unverändert.
4. Diese Vereinbarung wird gültig ab der Abrechnung für den
Monat Oktober 2006...
5. Ergänzungen oder Veränderungen dieser Zusatzvereinbarung bedürfen der Schriftform ....
Durch Urteil vom 07.06.2011 (Bl. 32 ff. der Akte), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Fassung der Klageanträge Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Ansprüche auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, weder nach dem Arbeitsvertrag noch nach den Regeln der betrieblichen Übung stehe dem Kläger der verfolgte Anspruch zu. Wie der Arbeitsvertrag klar und unmissverständlich erkennen lasse, handele es sich bei der Weihnachts- und Urlaubsgeldzahlung um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft. Unter diesen Umständen habe der Kläger nicht darauf vertrauen können, dass die Beklagte sich durch die jeweilige jährliche Leistung auch zu zukünftigen Leistungen verpflichten wolle. In dem vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt liege auch keine unangemessene Benachteiligung. Zweifelsfrei könne der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der jeweiligen Zahlung Rechtsansprüche für die Zukunft ausschließen. Dann müsse dies erst recht auch vorab im Arbeitsvertrag möglich sein.
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Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung tritt der Kläger dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils entgegen, trotz der erfolgten Zahlungen in den Jahren 2004 bis 2008 sei aufgrund des arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalts eine betriebliche Übung nicht entstanden.
Zum einen sei der in § 4 des Arbeitsvertrages enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt nicht so eindeutig formuliert, dass hieraus ein Ausschluss des Rechtsanspruchs folge. Einerseits seinen zwar die Sonderzahlungen als freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft gekennzeichnet, andererseits enthalte die Regelung Angaben zur Höhe der Leistung und weiteren Leistungsmodalitäten. Im Ergebnis führe dies zu einer unklaren und unverständlichen Regelung. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass in der Zusatzvereinbarung vom 01.10.2006 allein die Regelung enthalten sei, die Vereinbarung zur Zahlung von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld bleibe unverändert. Da ein erneuter Freiwilligkeitsvorbehalt trotz der zwischenzeitlich wiederholten Leistungsgewährung nicht aufgenommen worden sei, müsse darauf geschlossen werden, dass die Parteien am ursprünglichen Freiwilligkeitsvorbehalt nicht weiter hätten festhalten wollen.
Zum anderen könne das Entstehen einer betrieblichen Übung – abweichend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - nicht schon vorab durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden, allein ein diesbezüglicher Vorbehalt im Zusammenhang mit der tatsächlichen Leistungserbringung könne – wie Preis (ErfK § 305 BGB Rn. 68) überzeugend begründet habe - das Entstehen einer Betriebsübung verhindern. Eine Vertragsklausel, welche vorab spätere Vertragsänderungen – auch durch betriebliche Übung - ausschließe, könne nicht als wirksam angesehen werden.
Schließlich zeige auch der Umstand, dass die Beklagte den Versuch unternommen habe, die Arbeitnehmer im Jahre 2009 zu einem Verzicht zu veranlassen, dass die Beklagte selbst von einer bestehenden Zahlungsverpflichtung ausgegangen sei. Von einer klaren und eindeutigen Vertragsregelung könne unter diesen Umständen nicht ausgegangen werden.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 07.06.2011 – 2 Ca 174/11 – wird abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.200,06 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB bezüglich eines Betrages von 3.320,53 € brutto seit Rechtshängigkeit der Klageschrift vom 28.01.2011 sowie bezüglich eines weiteren Betrages von 2.879,53 € brutto seit Rechtshängigkeit des Schriftsatzes vom 28.02.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.
I. In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil steht dem Kläger der verfolgte Zahlungsanspruch nicht zu.
1. Der Arbeitsvertrag vom 01.01.2006 sieht einen Anspruch auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht vor. Nach § 4 des Arbeitsvertrages erfolgt die Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die genannte Passage des Vertrages Angaben zur Höhe der genannten Leistung (,‚zur Zeit 55 % der Monatsvergütung") enthält und ferner eine Formel zur Staffelung der Anspruchshöhe nach Betriebszugehörigkeit sowie eine Regelung über die Minderung des Weihnachtsgeldes wegen Fehlzeiten vorsieht. Anders als nach einer Vertragsformulierung, nach welcher der Arbeitgeber die Zahlung eines Weihnachtsgeldes verspricht bzw. erklärt, dass ein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gezahlt oder gewährt wird, jedoch gleichwohl die auf diesem Wege versprochene Leistung unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt mit Ausschluss von Rechtsansprüchen für die Zukunft gestellt wird, was insgesamt zur Intransparenz der Regelung führt (BAG, 30.07.2008, 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173), enthält § 4 des Arbeitsvertrages von vornherein kein Leistungsversprechen. Die in § 4 genannten Angabe zur Höhe der Leistung (,‚zur Zeit 55 %") sowie die weiteren Leistungsmodalitäten sollen vielmehr allein für den Fall zur Geltung kommen, dass sich der Arbeitgeber zur Zahlung entschließt. Die Bedeutung einer solchen Regelung zeigt sich, wenn der Arbeitgeber tatsächlich eine entsprechende Leistung gewährt, einzelne Arbeitnehmer jedoch von der Zahlung ausnehmen oder nach anderen Maßstäben behandeln will. Die im Vertrag enthaltene Regelung über die Modalitäten der Leistungsgewährung führt nämlich zu einer Bindung nach den Regeln des Gleichbehandlungsgrundsatzes, ohne jedoch einen strikten Anspruch auf Leistungsgewährung zu begründen (BAG, 10.12.2008, 10 AZR 35/08, NZA 2009, 258).
2. Auch die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag begründet weder einen eigenständigen Anspruch auf Gratifikationsleistungen, noch enthält er eine Regelung zum Wegfall des arbeitsvertraglich vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalts. Die verwendete Formulierung, nach welcher die Vereinbarungen zur Zahlung von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld unverändert bleiben, ist gerade nicht auf Änderung der Rechtslage gerichtet.
3. Der Kläger kann die verfolgten Zahlungsansprüche auch nicht auf die Grundsätze der betrieblichen Übung stützen. Dem Entstehen einer solchen Betriebsübung steht der dargestellte Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen.
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a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht zweifelhaft, dass sich der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht allein auf das Weihnachtsgeld, sondern auch auf das Urlaubsgeld bezieht. Zwar bezieht sich die Regelung über den maßgeblichen Prozentsatz und die Modalitäten der Zahlung allein auf das Weihnachtsgeld. Der Freiwilligkeitsvorbehalt betrifft indessen ausdrücklich gleichermaßen das Urlaubs-und Weihnachtsgeld.
b) Im Gegensatz zu einem Freiwilligkeitsvorbehalt, welcher sich an ein im Arbeitsvertrag selbst enthaltenes Leistungsversprechen anschließt und deshalb wegen Intransparenz keine Geltung beanspruchen kann (BAG 30.07.2008, a.a.O.), handelt es sich vorliegend um einen vorsorglichen, „salvatorischen" Freiwilligkeitsvorbehalt, welcher zum Ausdruck bringen soll, dass auch im Falle wiederholter Zahlung eine entsprechende Rechtspflicht nach den Regeln der Betriebsübung nicht entstehen soll.
c) Gegen die Wirksamkeit eines solchen Freiwilligkeitsvorbehalts bestehen keine Bedenken. Der Arbeitnehmer, der wiederholt eine entsprechende Zahlung erhält, kann auf der Grundlage der Vertragsklausel ohne weiteres erkennen, dass der Arbeitgeber mit der Zahlung keinen weitergehenden Verpflichtungswillen verbindet. Soweit der Kläger hiergegen einwendet, häufig sei dem Arbeitnehmer bei Empfang der Leistung der im Arbeitsvertrag enthaltene Vorbehalt nicht bewusst, insbesondere wenn der Vertragsschluss lange zurückliege oder der schriftliche Arbeitsvertrag nicht mehr zur Hand sei, überzeugt dies nicht. Allein die verblasste Erinnerung des Arbeitnehmers an den Inhalt des Arbeitsvertrages lässt weder die Wirksamkeit der Vertragsklausel entfallen, noch kann der Arbeitnehmer damit gehört werden, er habe die wiederholte Zahlung im Sinne eines rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillens auffassen dürfen, weil ihm der Inhalt des schriftlichen Arbeitsvertrages nicht mehr präsent gewesen sei und der Arbeitgeber hiermit habe rechnen müssen.
d) Auch in inhaltlicher Hinsicht begegnet der Freiwilligkeitsvorbehalt keine Bedenken. Der Vorbehalt ist auf die Gewährung von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld beschränkt und erfasst damit nicht laufend gezahltes und als Gegenleistung für die Arbeit bestimmte Vergütungsbestandteile (BAG 30.07.2008, a.a.O.).
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e) Ebenso wenig lässt sich gegen die Wirksamkeit eines „salvatorischen" Freiwilligkeitsvorbehalts einwenden, dieser ziele nicht anders als die die doppelte Schriftformklausel darauf, die Wirksamkeit nachfolgender Vertragsänderungen zu verhindern (so Preis, Der Arbeitsvertrag, 4. Aufl., II V 70 Rn 70 ff.; ders. In ErfK, § 305-307 BGB Rn 68). Richtig ist zwar, dass sich die Vertragsparteien nach den Regeln der Privatautonomie ihrer Rechtsmacht zum Vertragsschluss nicht entledigen können, wie das Beispiel der nicht wirksam zu vereinbarenden „verdrängenden Vollmacht" zeigt. Auf derselben Ebene liegt die doppelte Schriftformklausel, mit welcher im Vorhinein die Rechtswirksamkeit einer Vereinbarung über die formlose Aufhebung eines vereinbarten Schriftformerfordernisses ausgeschlossen und damit die Rechtsmacht der Vertragsparteien zur Gestaltung ihrer Verhältnisse eingeschränkt werden soll. Abweichend hiervon ist Gegenstand des salvatorischen Freiwilligkeitsvorbehalts ist nicht das Verbot bzw. die Unwirksamkeit nachfolgender Vertragsregelungen, vielmehr kommt dem Vorbehalt lediglich klarstellende Bedeutung in tatsächlicher Hinsicht zu, indem schon bei Abschluss des Arbeitsvertrages zum Ausdruck gebracht wird, dass eine tatsächliche Leistungsgewährung nach dem erkennbaren Willen des Erklärenden nicht als konkludentes Leistungsversprechen aufgefasst werden soll. Eine Abweichung vom Vorbild der gesetzlichen Regelung ist hiermit nicht verbunden, ebenso wenig wird nicht einem bestimmten Verhalten (z.B. Schweigen) ein rechtsgeschäftlicher Bedeutungsgehalt (Zustimmung) unterlegt, vielmehr steht es mit allgemeinen Auslegungsregeln in Einklang, dass für das Verständnis ausdrücklicher und konkludenter Erklärungen sämtliche dem Empfänger erkennbaren Umstände maßgeblich sind. Hierzu gehört zweifellos auch ein schriftlich erklärter Vorbehalt, die Gewährung einer vertraglich nicht versprochenen Leistung möge nicht als Vertragsangebot zur Begründung einer Rechtspflicht aufgefasst werden. Dem Standpunkt von Preis (a.a.O. Rn 72), arbeitsvertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte seien ebenso wenig wie Schriftformklauseln geeignet, das Entstehen einer Betriebsübung zu verhindern, kann danach nicht gefolgt werden.
4. Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch der Umstand, dass die Beklagte - wie der Kläger vorträgt erfolglos – den Versuch unternommen hat, die Beschäftigten auf einer Betriebsversammlung zum Verzicht auf Zahlung von Urlaubs-
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und Weihnachtsgeld zu veranlassen, die Wirkungen des im Arbeitsvertrag vorgesehenen Freiwilligkeitsvorbehalts nicht in Frage stellen. Aus dem Verzichtsverlangen der Beklagten mag zwar folgen, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt unsicher oder gar subjektiv davon überzeugt war, dass infolge der wiederholten Zahlung oder anderen Umständen ein Rechtsanspruch der Beschäftigten auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld entstanden sei. Die subjektive Einschätzung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Vertragsklausel ist für deren Auslegung jedoch ohne Belang. Der Kläger trägt auch nicht vor, bei Abschluss des Arbeitsvertrages seien die Parteien übereinstimmend von einem bestimmten Verständnis der vertraglichen Regelung ausgegangen, weswegen dieses gemeinsame Verständnis Vorrang vor der nach allgemeinem Verständnis begründeten Vertragsauslegung im vorstehend ausgeführten Sinne beanspruchen könne. Schließlich liegt im Angebot einer Verzichtsvereinbarung auch nicht ein rechtsgeschäftliches Angebot, eine in Wahrheit nicht bestehende Verpflichtung zu begründen, von welcher nur aus aktuellem Anlass einmal abgewichen werden solle. Der Versuch der Beklagten, mit den Beschäftigten Einvernehmen darüber zu erzielen, dass wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage für das Jahr 2009 kein Weihnachts- und Urlaubsgeld ausgezahlt wird, ist damit für die Auslegung des Arbeitsvertrages und die Rechtsansprüche des Klägers ohne Belang.
5. Auch der Hinweis des Klägers auf die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 19.02.2009 (20 Sa 2078/08) ist nicht geeignet, den Standpunkt des Klägers zu stützen. Die genannte Entscheidung bezieht sich auf einen Freiwilligkeitsvorbehalt, mit welcher sämtliche über das monatliche Bruttogehalt hinausgehende Leistungen und Vergütungen erfasst werden sollen. Damit sind auch laufende, im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Arbeitsentgelte erfasst, was in der Tat zur Unwirksamkeit der Klausel führt (so auch LAG Hamm, 2010.2011, 8 Sa 463/11). Wie die Ausführungen in der vom Kläger zitierten Entscheidung unter Rn. 33 belegen, stellt auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht in Frage, dass in Bezug auf Sonderzahlungen ein Freiwilligkeitsvorbehalt möglich ist.
6. Schließlich kann auch dem Standpunkt des Klägers nicht gefolgt werden, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit und Beschränkung
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von Freiwilligkeitsvorbehalten seien für den juristisch nicht vorgebildeten Bürger vollkommen unklar, unverständlich und praxisfremd; allein die vollständige Unzulässigkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten entspreche dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit. Nach Auffassung der Kammer bringt die Formulierung, die Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes erfolge freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft, auch für den Laien verständlich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber sich zu einer Zahlung nicht verpflichten will und dementsprechend auch wiederholte Zahlungen die Bedeutung der arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsklausel nicht entfallen lassen. Angaben zu den Leistungsmodalitäten sind danach erkennbar nur für den Fall von Belang, dass sich der Arbeitgeber zur Leistung entschließt und begründen allein für diesen Fall eine Selbstbindung des Arbeitgebers an die genannten Maßstäbe, ohne dass damit Unklarheiten und der Eindruck entstehen kann, es liege ein unbedingtes Leistungsversprechen vor. Die Tatsache, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum Anlass genommen hat, bislang akzeptierte Klauseln zu Freiwillig- und Widerruflichkeit von Sonderzahlungen einer verschärften Kontrolle zu unterwerfen, bedeutet nicht, dass jedweder Freiwilligkeitsvorbehalt von vornherein als undurchschaubar und intransparent anzusehen und damit als unwirksam zu verwerfen ist.
II. Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Kläger zu tragen.
III. Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 ArbGG zugelassen.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
REVISION
eingelegt werden.
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Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Fax: 0361 2636 2000
eingelegt werden.
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie
Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
Dr. Dudenbostel
Stüber
Mantwill
/Gr.
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