Um das Angebot dieser Webseite optimal zu präsentieren und zu verbessern, verwendet diese Webseite Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Näheres dazu erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Okay

HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

GmS-OGB, Be­schluss vom 27.09.2010, GmS-OGB 1/09

   
Schlagworte: Insolvenzanfechtung, Insolvenzanfechtung: Rechtsweg
   
Gericht: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes
Aktenzeichen: GmS-OGB 1/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 27.09.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Bundesgerichtshof
Beschluss vom 02.04.2009, IX ZB 182/08
   

GE­MEINSA­MER SE­NAT
DER OBERS­TEN GERICH­TSHÖFE
DES BUN­DES


BESCHLUSS

GmS-OGB 1/09


vom
27. Sep­tem­ber 2010

in dem Rechts­streit

Nach­schla­ge­werk: ja
BGHZ: ja
BA­GE: ja


GVG § 13; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a; In­sO §§ 129 ff.


Für die Kla­ge des In­sol­venz­ver­wal­ters ge­gen ei­nen Ar­beit­neh­mer des Schuld­ners auf Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Vergütung nach § 143 Abs. 1 In­sO ist der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben.


GmS-OGB, Be­schluss vom 27. Sep­tem­ber 2010 - GmS-OGB 1/09 - Bun­des­ge­richts­hof Be­schluss vom 2. April 2009 - IX ZB 182/08

- 2 -

Der Ge­mein­sa­me Se­nat der obers­ten Ge­richtshöfe des Bun­des hat am 27. Sep­tem­ber 2010 oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung un­ter Mit­wir­kung des Präsi­den­ten des Bun­des­fi­nanz­hofs Dr. h.c. Spind­ler - als Vor­sit­zen­den -,
des Präsi­den­ten des Bun­des­ge­richts­hofs Prof. Dr. Tolks­dorf,
der Präsi­den­tin des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts Eckertz-Höfer,
des Präsi­den­ten des Bun­des­so­zi­al­ge­richts Ma­such,
der Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt,
des Vor­sit­zen­den Rich­ters am Bun­des­ge­richts­hof Dr. Gan­ter,
des Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dr. Müller-Glöge,
des Rich­ters am Bun­des­ge­richts­hof Prof. Dr. Kay­ser und
des Rich­ters am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Biebl

be­schlos­sen:

Für die Kla­ge des In­sol­venz­ver­wal­ters ge­gen ei­nen Ar­beit­neh­mer des Schuld­ners auf Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Vergü¬tung nach § 143 Abs. 1 In­sO ist der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben.

Gründe:

I. Der Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens ist In­sol­venz­ver­wal­ter in dem am 10. Sep­tem­ber 2007 eröff­ne­ten In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen des Bau­un­ter­neh­mers B. N. (im Fol­gen­den: Schuld­ner). Der Be­klag­te war bis zu sei­ner frist­lo­sen Ei­genkündi­gung am 25. Mai 2007 Ar­beit­neh­mer des


- 3 -

Schuld­ners. Sei­nen Lohn für De­zem­ber 2006 er­hielt er am 8. März 2007. Den Lohn für Ja­nu­ar 2007 zahl­te der Schuld­ner in drei Teil­beträgen am 13. und 26. April 2007 (je­weils 500,00 Eu­ro) so­wie 464,31 Eu­ro am 11. Mai 2007. Sei­nen Lohn für Fe­bru­ar 2007 in Höhe von 1.237,06 Eu­ro er­hielt der Be­klag­te am 25. Ju­ni 2007. Mit Schrei­ben vom 1. Ok­to­ber 2007 hat der Kläger die Lohn­zah­lun­gen des Schuld­ners für Ja­nu­ar und Fe­bru­ar 2007 "gem. § 130 In­sO" an­ge­foch­ten und mit sei­ner am 7. Fe­bru­ar 2008 zum Amts­ge­richt K. er­ho­be­nen Kla­ge die Rück­gewähr der Vergütung für die Mo­na­te Ja­nu­ar und Fe­bru­ar 2007 in Höhe von ins­ge­samt 2.701,37 Eu­ro nach § 143 Abs. 1 In­sO gel­tend ge­macht.

Das Amts­ge­richt K. hat mit Be­schluss vom 29. Mai 2008 den Rechts­weg zu den Zi­vil­ge­rich­ten für un­zulässig erklärt und den Rechts­streit an
das Ar­beits­ge­richt B. ver­wie­sen. Das Land­ge­richt B. hat die so­for­ti­ge Be­schwer­de des Klägers zurück­ge­wie­sen und die Rechts­be­schwer­de zu-ge­las­sen. Der IX. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat der Rechts­be­schwer­de statt­ge­ben wol­len. Er hat sich an ei­ner sol­chen Ent­schei­dung ge­hin­dert ge­se­hen, weil er da­mit von der Recht­spre­chung des Fünf­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts (Be­schluss vom 27. Fe­bru­ar 2008 - 5 AZB 43/07, BA­GE 126, 117 und vom 31. März 2009 - 5 AZB 98/08, ZIP 2009, 831) ab­ge­wi­chen wäre. Da­nach ist der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen eröff­net, wenn der In­sol­venz­ver­wal­ter vom Ar­beit­neh­mer Rück­zah­lung der vom Schuld­ner vor In­sol­ven­zeröff­nung ge­leis­te­ten Vergütung we­gen An­fecht­bar­keit der Erfüllungs­hand­lung (§§ 129 ff. In­sO) for­dert. Der IX. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat da­her mit Be­schluss vom 2. April 2009 (IX ZB 182/08, ZIP 2009, 825 = NZA 2009, 571) dem Ge­mein­sa­men Se­nat der obers­ten Ge­richtshöfe des Bun­des die Fra­ge vor­ge­legt:
 


- 4 -

"Ist für die Kla­ge des In­sol­venz­ver­wal­ters ge­gen ei­nen Ar­beit­neh­mer des Schuld­ners aus In­sol­venz­an­fech­tung der or­dent­li­che Rechts­weg auch dann ge­ge­ben, wenn die An­fech­tung ei­ne vom Schuld­ner ge­leis­te­te Vergütung be­trifft?"

II. Die Vor­la­ge ist zulässig, § 2 Abs. 1 des Ge­set­zes zur Wah­rung der Ein­heit­lich­keit der Recht­spre­chung der obers­ten Ge­richtshöfe des Bun­des - RsprEinhG - vom 19. Ju­ni 1968 (BGBl. I S. 661).


Die Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs über den Rechts­weg im Aus­gangs­ver­fah­ren hängt von der Fra­ge ab, ob für die Kla­ge des In­sol­venz­ver­wal­ters auf Rück­gewähr der von dem Schuld­ner an ei­nen Ar­beit­neh­mer vor In­sol­ven­zeröff­nung ge­leis­te­ten Vergütung nach § 143 Abs. 1 In­sO der Rechts-weg zu den or­dent­li­chen Ge­rich­ten oder der zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben ist. Während der IX. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs den Rechts­weg zu den or­dent­li­chen Ge­rich­ten be­ja­hen und der Rechts­be­schwer­de statt­ge­ben will, wäre die Rechts­be­schwer­de nach der Recht­spre­chung des Fünf­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts zurück­zu­wei­sen. Die­ser hat sich der Rechts­auf­fas­sung des vor­le­gen­den Se­nats auch nicht an­ge­schlos­sen, § 14 RsprEinhG (vgl. BAG, Be­schluss vom 15. Ju­li 2009 - GmS-OGB 1/09, ZIP 2009, 1687 = DB 2009, 1828). Da­mit be­steht zwi­schen den be­tei­lig­ten Se­na­ten ei­ne Di­ver­genz in ei­ner für das Aus­gangs­ver­fah­ren ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fra­ge.


III. Der Ge­mein­sa­me Se­nat be­ant­wor­tet die vor­ge­leg­te Rechts­fra­ge da­hin, dass für die Kla­ge des In­sol­venz­ver­wal­ters ge­gen ei­nen Ar­beit­neh­mer des Schuld­ners auf Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Vergütung nach § 143 Abs. 1 In­sO der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben ist. Es

- 5 -

han­delt sich um ei­ne bürger­li­che Rechts­strei­tig­keit zwi­schen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber aus dem Ar­beits­verhält­nis, § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG.

1. Strei­tig­kei­ten der in der Vor­la­ge­fra­ge be­zeich­ne­ten Art sind bürger­li­che Rechts­strei­tig­kei­ten im Sin­ne des § 2 ArbGG und des § 13 GVG. Das steht zwi­schen den be­tei­lig­ten Se­na­ten außer Streit und ent­spricht der ständi­gen Recht­spre­chung des Ge­mein­sa­men Se­nats zur Ab­gren­zung öffent­lich- und bürger­lich-recht­li­cher Strei­tig­kei­ten (vgl. Ge­mein­sa­mer Se­nat, Be­schluss vom 29. Ok­to­ber 1987 - GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280; Be­schluss vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 , BGHZ 97, 312, je­weils mwN).

2. Ob für ei­ne bürger­li­che Rechts­strei­tig­keit der Rechts­weg zu den or­dent­li­chen Ge­rich­ten oder der zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben ist, be­stimmt sich nach dem pro­zes­sua­len Streit­ge­gen­stand. Erfüllt die­ser ei­nen der Tat­bestände der §§ 2 ff. ArbGG, ist der - ei­ne aus­sch­ließli­che Zuständig­keit be­gründen­de - Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen eröff­net.

a) Nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Se­nats ist rechts­weg­be­stim­mend der an­fech­tungs­recht­li­che Rück­gewähran­spruch. Bei ihm han­de­le es sich um ei­nen ori­ginären ge­setz­li­chen An­spruch des In­sol­venz­ver­wal­ters, der mit des­sen Amt un­trenn­bar ver­bun­den sei und mit Be­en­di­gung des In­sol­venz­ver­fah­rens erlösche. Die Rück­gewähr­pflicht des Ar­beit­neh­mers ha­be ih­re Grund­la­ge nicht im Ar­beits­recht, für das die Tat­bestände der §§ 2 ff. ArbGG ein­schlägig sei­en, son­dern al­lein im In­sol­venz­recht. Dem Ver­trags­ar­beit­ge­ber ste­he der An­fech­tungs­an­spruch gleichgültig, ob außer­halb der In­sol­venz nach dem An­fech­tungs­ge­setz oder in­ner­halb des In­sol­venz­ver­fah­rens nach der In­sol­venz­ord­nung, nie­mals zu. Die §§ 129 ff. In­sO be­gründe­ten ein ge­setz­li­ches Schuld­verhält­nis oh­ne Rück­sicht auf ein in der In­sol­venz fort­be­ste­hen­des oder ein frü-
 


- 6 -

he­res Ar­beits­verhält­nis zum In­sol­venz­schuld­ner. Nor­madres­sa­ten die­ses Schuld­verhält­nis­ses sei­en we­der der In­sol­venz­ver­wal­ter ge­ra­de auch in sei­ner Ar­beit­ge­ber­funk­ti­on noch der Gläubi­ger ge­ra­de auch als Ar­beit­neh­mer. Der Ar­beits­ver­trag bil­de nur den tat­be­stand­li­chen An­knüpfungs­punkt für den erst mit Ver­fah­ren­seröff­nung ent­ste­hen­den Rück­gewähran­spruch aus § 143 In­sO. Ei­ne Rück­ab­wick­lung der ar­beits­recht­li­chen Leis­tungs­be­zie­hung lie­ge nicht vor, weil die­se nur zwi­schen den Par­tei­en des ursprüng­li­chen Leis­tungs­verhält­nis­ses er­fol­gen könne. Dar­an feh­le es bei der In­sol­venz­an­fech­tung.

b) Dem folgt der Ge­mein­sa­me Se­nat nicht. Streit­ge­gen­stand im Aus­gangs­ver­fah­ren und in Strei­tig­kei­ten der in der Vor­la­ge­fra­ge be­zeich­ne­ten Art ist der An­spruch des In­sol­venz­ver­wal­ters auf Rück­gewähr der vom Schuld­ner ge­leis­te­ten Vergütung nach § 143 Abs. 1 In­sO, nicht die in­sol­venz­recht­li­che An­fech­tung als sol­che. Für die vor­ge­leg­te Rechts­fra­ge ist des­halb die Rechts­na­tur des An­fech­tungs­rechts nach den §§ 129 ff. In­sO oh­ne Be­lang.


3. Der Streit über die Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Ar­beits­vergütung nach § 143 Abs. 1 In­sO ist ei­ne Rechts­strei­tig­keit aus dem Ar­beits­verhält­nis.


a) Rechts­strei­tig­kei­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis sind nach ganz herr­schen­der Mei­nung sol­che, die ei­nem Ar­beits­verhält­nis ent­sprin­gen, das zur Zeit der Kla­ge be­steht, zu­vor be­stan­den hat oder be­gründet wer­den soll­te (vgl. nur GMP/Mat­thes/Schlewing, ArbGG, 7. Aufl., § 2 Rn. 53; ErfK/Koch, 10. Aufl., ArbGG, § 2 Rn. 17). Da­bei ist es oh­ne Be­deu­tung, auf wel­che ma­te­ri­ell-recht­li­che An­spruchs­grund­la­ge der Kla­ge­an­spruch gestützt wird. Ent­schei­dend ist die en­ge Ver­knüpfung ei­nes Le­bens­vor­gangs mit dem Ar­beits­verhält­nis
 


- 7 -

(BAG, Ur­teil vom 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 Rn. 25, ZIn­sO 2009, 1312; Ur-teil vom 21. Ja­nu­ar 2010 - 6 AZR 556/07 Rn. 19, DB 2010, 675, je­weils mwN).


Die Rück­gewähr ver­dien­ten Ar­beits­ent­gelts nach § 143 Abs. 1 In­sO, das der Be­klag­te als in der Re­gel vor­leis­tungs­pflich­ti­ger Ar­beit­neh­mer (§ 614 BGB) auf­grund sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses und in Erfüllung der sich dar­aus er­ge­ben­den bei­der­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten er­hal­ten hat, ist auf die Rück­ab­wick­lung ei­ner ar­beits­recht­li­chen Leis­tungs­be­zie­hung ge­rich­tet: Der Mas­se soll im In­ter­es­se der Gläubi­ger wie­der zu­geführt wer­den, was ihr im Rah­men der ar­beits­recht­li­chen Aus­tausch­be­zie­hung zwi­schen späte­rem Schuld­ner und Ar­beit­neh­mer in - aus der Sicht des In­sol­venz­ver­wal­ters - an­fecht­ba­rer Wei­se ent­zo­gen wur­de. Die wirk­sa­me An­fech­tung ermöglicht dem In­sol­venz­ver­wal­ter, in die ar­beits­recht­li­che Leis­tungs­be­zie­hung kor­ri­gie­rend ein­zu­grei­fen. Der Ar­beit­neh­mer muss zu­guns­ten der Mas­se das ver­dien­te Ar­beits­ent­gelt zurück­gewähren. Im Ge­gen­zug lebt nach § 144 Abs. 1 In­sO sein Vergütungs­an­spruch wie­der auf. Der Ar­beit­neh­mer muss nun­mehr sei­ne For­de­rung nach § 174 In­sO zur Ta­bel­le an­mel­den und kann bei Be­strei­ten Fest­stel­lungs­kla­ge nach § 180 In­sO er­he­ben, für die der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen eröff­net ist, § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG in Ver­bin­dung mit § 185 In­sO.

b) Ein sol­ches Verständ­nis der Vor­aus­set­zung ei­ner Rechts­strei­tig­keit "aus dem Ar­beits­verhält­nis" ge­bie­tet auch der Zweck der Zu­wei­sung des Rechts­wegs an die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen. Die Ar­beits­ge­richts­bar­keit zeich­net sich ne­ben der schnel­le­ren und kostengüns­ti­ge­ren Ab­wick­lung ar­beits­recht­li­cher Strei­tig­kei­ten und der Nut­zung der be­son­de­ren Kennt­nis­se von im Ar­beits­le­ben er­fah­re­nen Per­so­nen als eh­ren­amt­li­chen Rich­tern in al­len In­stan­zen vor al­lem durch ei­nen vom Ge­setz­ge­ber ge­woll­ten spe­zi­fi­schen Ar­beit­neh­mer­schutz aus. Vor den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen kann mit ei­nem we­sent­lich
 


- 8 -

re­du­zier­ten Kos­ten­ri­si­ko staat­li­cher Rechts­schutz in An­spruch ge­nom­men wer­den (vgl. § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 42 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 2. Halbs. GKG). Die Par­tei­en sind be­rech­tigt, den Rechts­streit erst­in­stanz­lich un­abhängig vom Streit­wert selbst zu führen bzw. sich - kos­ten­los - von volljähri­gen Fa­mi­li­en­an­gehöri­gen oder Ge­werk­schaf­ten (von letz­te­ren in al­len In­stan­zen, vgl. zu den Ein­zel­hei­ten § 11 ArbGG) ver­tre­ten zu las­sen. Ge­nießen sie kei­nen ge­werk­schaft­li­chen Rechts­schutz ha­ben Ar­beit­neh­mer als Be­klag­te, so­fern die Ge­gen­sei­te durch ei­nen Rechts­an­walt ver­tre­ten ist, An­spruch auf Bei­ord­nung ei­nes Rechts­an­walts oh­ne Rück­sicht auf die Er­folgs­aus­sicht ih­rer Rechts­ver­tei­di­gung, § 11a ArbGG. Es ist kein über­zeu­gen­der Grund er­sicht­lich, dem Ar­beit­neh­mer bei der Ver­tei­di­gung ver­dien­ter Vergütung ge­gen ei­ne Rück­gewähr nach § 143 Abs. 1 In­sO die­sen ver­fah­rens­recht­li­chen Schutz zu neh­men. Der Rück­gewähran­spruch nach § 143 Abs. 1 In­sO ist ge­ra­de dar­auf ge­rich­tet, das we­gen der er­brach­ten Ar­beits­leis­tung mit Recht als Ge­gen­leis­tung aus dem Ar­beits­verhält­nis er­hal­te­ne (ver­dien­te) Ent­gelt zurück­zah­len zu müssen.

4. Der Streit über die Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Ar­beits­vergütung ist ei­ne Rechts­strei­tig­keit zwi­schen Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern im Sin­ne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.


a) Nach der vor­ge­leg­ten Rechts­fra­ge ist der Be­klag­te Ar­beit­neh­mer. Ob das Ar­beits­verhält­nis zum Zeit­punkt der Kla­ge noch be­stan­den hat, ist für die Zulässig­keit des Rechts­wegs zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen un­er­heb­lich.

b) Der In­sol­venz­ver­wal­ter ist für Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis für die Dau­er des In­sol­venz­ver­fah­rens Ar­beit­ge­ber im Sin­ne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.


- 9 -

Das Ar­beits­ge­richts­ge­setz enthält kei­ne De­fi­ni­ti­on des Ar­beit­ge­ber­be­griffs. Nach all­ge­mei­ner An­sicht ist Ar­beit­ge­ber der­je­ni­ge, der zu­min­dest ei­nen Ar­beit­neh­mer oder ei­ne ar­beit­neh­merähn­li­che Per­son im Sin­ne des § 5 Abs. 1 ArbGG beschäftigt (statt vie­ler: BAG, Ur­teil vom 9. Sep­tem­ber 1982 - 2 AZR 253/80, BA­GE 40, 145; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 183; GMP/Mat­thes/Schlewing, ArbGG, 7. Aufl., § 2 Rn. 51). Da­bei reicht es aus, wenn zwi­schen "Ar­beit­ge­ber" und "Ar­beit­neh­mer" ein nur fak­ti­sches Ar­beits­verhält­nis be­steht (BAG, Ur­teil vom 25. April 1963 - 5 AZR 398/62, BA­GE 14, 180).


Ver­trags­ar­beit­ge­ber bleibt auch in der In­sol­venz der Schuld­ner, der In­sol­venz­ver­wal­ter wird aber für die Dau­er des In­sol­venz­ver­fah­rens fak­tisch Ar­beit­ge­ber. Gemäß § 80 Abs. 1 In­sO geht das Recht des Schuld­ners, das zur In­sol­venz­mas­se gehören­de Vermögen zu ver­wal­ten und über die­ses zu verfü-gen, auf den In­sol­venz­ver­wal­ter über. § 108 Abs. 1 In­sO stellt klar, dass Dau­er­schuld­verhält­nis­se, zu de­nen auch aus­drück­lich Dienst­verhält­nis­se gezählt wer­den, mit Wir­kung für die In­sol­venz­mas­se fort­be­ste­hen. Da­mit kann der Ver­trags­ar­beit­ge­ber die aus der Ar­beit­ge­ber­stel­lung fließen­den Rech­te und Pflich­ten nicht mehr ausüben; sie fal­len dem In­sol­venz­ver­wal­ter zu. Die­ser tritt in die Ar­beit­ge­ber­stel­lung des Schuld­ners ein und übt für die Dau­er des In­sol­venz­ver­fah­rens statt des Ver­trags­ar­beit­ge­bers die Funk­ti­on des Ar­beit­ge­bers aus (ganz herr­schen­de Mei­nung, vgl. nur HK-In­sO/Linck, 5. Aufl., § 113 Rn. 32; Münch-Komm.In­sO/Ott/Vuia, 2. Aufl., § 80 Rn. 121 f.; Uh­len­bruck/Uh­len­bruck, In­sO, 13. Aufl. § 80 Rn. 12; Schaub/Vo­gel­sang, Ar­beits­rechts-Hand­buch, 13. Aufl., § 17 Rn. 5, je­weils mwN; s. auch BAG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 1974 - 1 AZR 16/74, BA­GE 26, 257; Ur­teil vom 5. Fe­bru­ar 2009 - 6 AZR 110/08 Rn. 15, NZA 2009, 1215; BSG, Ur­teil vom 23. No­vem­ber 1981 - 10 RAr 13/81, ZIP 1982, 587). Die ma­te­ri­ell-recht­li­che Funk­ti­on des In­sol­venz­ver­wal­ters als Ar­beit­ge­ber be­dingt pro­zes­su­al sei­ne Stel­lung als Ar­beit­ge­ber im Sin­ne des § 2
 


- 10 -

Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Für Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis ist der In­sol­venz­ver­wal­ter für die Dau­er des In­sol­venz­ver­fah­rens Ar­beit­ge­ber kraft Am­tes. Da­bei ist es un­er­heb­lich, ob der In­sol­venz­ver­wal­ter auf­grund des nach § 80 Abs. 1 In­sO auf ihn über­ge­gan­ge­nen Ver­wal­tungs- und Verfügungs­recht tätig bzw. in An­spruch ge­nom­men wird oder er auf­grund ei­nes ihm von der In­sol­venz­ord­nung an­der­wei­tig ein­geräum­ten Rechts - wie dem be­son­de­ren Kündi­gungs­recht nach § 113 In­sO oder dem An­fech­tungs­recht nach den §§ 129 ff. In­sO - auf das Ar­beits­verhält­nis ein­wirkt.

Spind­ler 

Tolks­dorf 

Eckertz-Höfer

Ma­such 

Schmidt 

Gan­ter

Müller-Glöge 

Kay­ser 

Biebl

Vor­in­stanz:
Bun­des­ge­richts­hof, Ent­schei­dung vom 02.04.2009 - IX ZB 182/08 -

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht GmS-OGB 1/09