HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 20.04.2007, 6 Sa 162/07

   
Schlagworte: Annahmeverzugslohn, Freistellung: Zwischenverdienst
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 6 Sa 162/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.04.2007
   
Leitsätze: Wird in einem Prozessvergleich die widerrufliche Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung seiner Bezüge bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses vereinbart, braucht sich der Arbeitnehmer mangels einer dahingehenden Regelung anderweitig erzielten Verdienst nicht anrechnen zu lassen, muss allerdings auf eine unter Beachtung von Treu und Glauben erfolgte Aufforderung des Arbeitgebers seine Tätigkeit bei diesem wieder aufnehmen. (Rn.26)
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt (Oder), Urteil vom 23.11.2006, 8 Ca 1384/06
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 18.12.2009

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

6 Sa 1239/09

5 Ca 2535/08
Ar­beits­ge­richt Pots­dam

St., VA
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

 

In dem Rechts­streit

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Kam­mer 6,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 13. No­vem­ber 2009
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt C. als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter B. und Dr. D.

für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom 12.05.2009 - 5 Ca 2535/08 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.
2. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

C. B. Dr. D.

 

- 3 -

Tat­be­stand

Die am …… 1957 ge­bo­re­ne Kläge­rin trat am 21. Au­gust 1991 in die Diens­te der Be­klag­ten. Sie wur­de zu­letzt in der Post­stel­le ge­gen ei­ne Vergütung von mo­nat­lich 2.357,68 € brut­to ein­ge­setzt. Auf ihr Ar­beits­verhält­nis fan­den kraft ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me der BAT-O und die in ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträge An­wen­dung.

We­gen häufi­ger Fehl­zei­ten wur­de die Kläge­rin mit Schrei­ben vom 29. März 2006 (Ab­lich­tung Bl. 35 d. A.) auf­ge­for­dert, künf­tig ei­ne ärzt­li­che Be­schei­ni­gung vor­zu­le­gen. Da sie dies für den 23. April 2007 un­ter­ließ, sprach ihr die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 2. Mai 2007 (Ab­lich­tung Bl. 34 d. A.) ei­ne Ver­war­nung aus.

Am Mon­tag, dem 3. Sep­tem­ber 2007, teil­te die Kläge­rin ge­gen 08:00 Uhr te­le­fo­nisch mit, dass sie zum Arzt ge­hen müsse. Auf te­le­fo­ni­sche Er­kun­di­gung gab sie am frühen Nach­mit­tag an, für die­sen und den nächs­ten Tag krank­ge­schrie­ben zu sein, ob­wohl ihr in­zwi­schen ei­ne Krank­schrei­bung für die gan­ze Wo­che vor­lag. Hier­von mach­te sie der Be­klag­ten erst am späten Nach­mit­tag des fol­gen­den Ta­ges Mit­tei­lung. Nach Anhörung der Kläge­rin über­sand­te die Be­klag­te ihr per Bo­ten ein Schrei­ben vom 17. Sep­tem­ber 2007, des­sen Zu­gang die Kläge­rin eben­so wie den Zu­gang der vor­an­ge­gan­ge­nen Er­mah­nung be­strei­tet. In dem Schrei­ben heißt es:

Ab­mah­nung

Sehr ge­ehr­te Frau S. K.,

Sie ha­ben am Mon­tag, dem 03.09.2007 ge­genüber dem Per­so­nal­amt – Frau B. te­le­fo­nisch auf An­fra­ge an­ge­ge­ben nur für den 03.09.2007 und 04.09.2007 krank zu sein. Ih­nen lag aber zu die­sem Zeit­punkt be­reits ei­ne Krank­schrei­bung für die gan­ze Wo­che bis ein­sch­ließlich zum 07.09.2009 vor. Durch An­ruf vom 04.09.2007 ha­ben Sie mit­ge­teilt, dass Sie ge­ra­de vom Arzt kämen und ei­ne Krank­schrei­bung bis zum 07.09.2007 vor­liegt.

Die zum Sach­ver­halt ge­mach­ten An­ga­ben in Ih­rem Schrei­ben vom 07.09.2007 und die vor­her te­le­fo­nisch ge­mach­ten An­ga­ben stim­men nicht übe­rein. Dies ha­ben Sie auch mit dem vor­ge­nann­ten Schrei­ben ein­geräumt.

Sie ha­ben Frau B., die im Auf­trag des Ar­beit­ge­bers ent­spre­chen­de Auskünf­te ein­ho­len soll­te, be­lo­gen. Das Ver­trau­ens­verhält­nis wur­de er­heb­lich gestört.

(kron­kre­te Be­schrei­bung des Sach­ver­halts, der ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Haupt-/Ne­ben­pflicht ver­letzt)

Da­mit ha­ben Sie Ih­re ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­letzt.

Wir sind nicht be­reit, der­ar­ti­ge Pflicht­ver­let­zun­gen in Zu­kunft hin­zu­neh­men und wei­sen Sie aus­drück­lich dar­auf hin, dass wir von Ih­nen er­war­ten, dass Sie den Ih­nen ob­lie­gen­den ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ord­nungs­gemäß nach­kom­men.

 

- 4 -

Soll­ten Sie er­neut in der gerügten Art und Wei­se Ih­re ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­let­zen, se­hen wir uns zu un­se­rem Be­dau­ern ver­an­lasst, Ihr Ar­beits­verhält­nis zu kündi­gen.

Wir be­ab­sich­ti­gen, die­se Ab­mah­nung zu Ih­rer Per­so­nal­ak­te zu neh­men.“

Am Mon­tag, dem 8. De­zem­ber 2008, er­schien die Kläge­rin wie­der nicht zum Dienst, son­dern rief erst kurz nach 09:00 Uhr an. Strei­tig ist, ob sie mit­teil­te, dass sie zum Arzt ge­he, um sich Me­di­ka­men­te ver­schrei­ben zu las­sen, da sie krank sei, oder ob sie an­gab, dass dies be­reits ge­sche­hen sei. Je­den­falls be­gab sich die Kläge­rin am nächs­ten Tag um die Mit­tags­zeit zu ih­rer Ar­beits­stel­le, um ih­re an die­sem Tag rück­wir­kend aus­ge­stell­te Krank­schrei­bung zu über­brin­gen und der für Per­so­nal­fra­gen zuständi­gen Mit­ar­bei­te­rin te­le­fo­nisch mit­zu­tei­len, bis En­de der Wo­che krank ge­schrie­ben zu sein. Dar­auf­hin be­an­trag­te die Be­klag­te noch am sel­ben Tag beim Per­so­nal­rat die Zu­stim­mung zur or­dent­li­chen Kündi­gung mit fol­gen­der Be­gründung:

„Grund: wie­der­hol­ter Ver­s­toß ge­gen § 5 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz­tes (EFZG)

Frau S. K. ist am 08.12.2008 nicht um 07:00 Uhr (re­gelmäßiger Be­ginn) zur Ar­beit er­schie­nen. Erst ge­gen 09:30 Uhr rief sie an und teil­te mit, dass sie beim Arzt war und sich Me­di­ka­men­te ver­schrei­ben lies. Nach dem An­ruf war da­von aus­zu­ge­hen, dass sie am Fol­ge­tag, Diens­tag, 09.12.2008 die Ar­beit wie­der auf­neh­men wird.

Frau K. ist je­doch nicht er­schie­nen und hat sich auch nicht ge­mel­det.

Gemäß § 5 Abs. 1 EFZG ist der Ar­beits­neh­mer ver­pflich­tet, dem Ar­beit­ge­ber die Ar­beits­unfähig­keit und de­ren vor­aus­sicht­li­che Dau­er un­verzüglich mit­zu­tei­len.

Frau K. wur­de be­reits we­gen ge­nau die­sen Ver­s­toßes ab­ge­mahnt (17.09.2007) und ein ent­spre­chen­des Ver­hal­ten aus­ge­wer­tet.“

Frau K. war be­kannt, dass be­reits durch den Aus­fall von Frau F. (Krank­heit) die Ar­beits­si­tua­ti­on im­mens an­ge­spannt war. Die Be­set­zung der Post­stel­le/Zen­tra­le ist we­gen der Be­lie­fe­rung der Zu­stell­diens­te und Ab­si­che­rung Post­ein­gang/Post¬aus­gang zwin­gend not­wen­dig.

Ge­ra­de hier wäre es wich­tig ge­we­sen, mor­gens Be­scheid zu sa­gen, da­mit die Or­ga­ni­sa­ti­on ei­ner Not­be­set­zung er­fol­gen kann.

Der Ver­s­toß ge­gen § 5 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz­tes (EFZG) ist wei­ter­hin ein Ver­s­toß ge­gen die ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten im Sin­ne des § 41 TVöD-BT-V.

Das Ver­hal­ten der Ar­beit­neh­me­rin ist nicht länger hin­zu­neh­men, des­halb soll das Ar­beits­verhält­nis un­ter Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist or­dent­lich zum 30.06.2009 gekündigt wer­den.“

Nach Er­tei­lung der Zu­stim­mung des Per­so­nal­rats kündig­te die Be­klag­te der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 16. De­zem­ber 2008 un­ter Ein­hal­tung der ta­rif­ver­trag­li­chen Kündi­gungs­frist zum 30. Ju­ni 2009.

Das Ar­beits­ge­richt Pots­dam hat, so­weit in der Be­ru­fungs­in­stanz noch von In­ter­es­se, auf die frist­ge­recht er­ho­be­ne Kla­ge fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en

 

- 5 -

durch die­se Kündi­gung nicht am 30. Ju­ni 2009 sein En­de fin­den wer­de, und die Be­klag­te ver­ur­teilt, die Kläge­rin in der Post­stel­le ih­res Am­tes wei­ter zu beschäfti­gen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, es feh­le an ei­ner ein­schlägi­gen Ab­mah­nung als Vor­aus­set­zung für ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung. Mit ih­rem Schrei­ben vom 17. Sep­tem­ber 2007 ha­be die Be­klag­te aus­sch­ließlich das Lügen der Kläge­rin ab­ge­mahnt und auf ei­ne Störung des Ver­trau­ens­verhält­nis­ses hin­ge­wie­sen, nicht je­doch ei­ne Ver­let­zung der ge­setz­li­chen Pflicht, die Ar­beits­unfähig­keit und de­ren vor­aus­sicht­li­che Dau­er un­verzüglich mit­zu­tei­len. Aus die­sem Grund stel­le sich auch die Anhörung des Per­so­nal­rats als feh­ler­haft dar.

Ge­gen die­ses hier am 4. Ju­ni 2009 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die am 22. Ju­ni 2009 ein­ge­leg­te und am 24. Au­gust 2009 nach Verlänge­rung der Be­gründungs­frist bis zum 4. Sep­tem­ber 2009 be­gründe­te Be­ru­fung der Be­klag­ten. Sie meint, mit ih­rem Schrei­ben vom 17. Sep­tem­ber 2007 auch den Um­stand ab­ge­mahnt zu ha­ben, dass die Kläge­rin ei­ne feh­ler­haf­te Mit­tei­lung über die Dau­er ih­rer Er­kran­kung ge­macht ha­be. Bei ih­rem An­ruf am 8. De­zem­ber 2008 ha­be die Kläge­rin von ei­ner Krank­schrei­bung und der Fort­dau­er ih­rer Er­kran­kung für die Fol­ge­ta­ge nicht erwähnt. In ei­ner Per­so­nal­ratsit­zung vom 12. De­zem­ber 2008 sei dem Per­so­nal­rat mit­ge­teilt wor­den, dass die Kündi­gung auch we­gen wie­der­hol­ter Un­wahr­hei­ten der Kläge­rin be­zo­gen auf die Dau­er ih­rer Er­kran­kung und die tatsächlich er­folg­ten Arzt­be­su­che aus­ge­spro­chen wer­den sol­le.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge un­ter Ände­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil ge­gen die An­grif­fe der Be­ru­fung.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und die in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze Be­zug ge­nom­men.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Die in­ner­halb der verlänger­ten Be­gründungs­frist ord­nungs­gemäß be­gründe­te Be­ru­fung der Be­klag­ten ist in der Sa­che un­be­gründet.

 

- 6 -

1.1 Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin ist durch die or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 16. De­zem­ber 2008 nicht auf­gelöst wor­den.

1.1.1 Die Kündi­gung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG un­wirk­sam, weil sie nicht durch Gründe im Ver­hal­ten der Kläge­rin i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG be­dingt und des­halb nicht so­zi­al ge­recht­fer­tigt ist.

1.1.1.1 So­weit die Be­klag­te der Kläge­rin vor­ge­wor­fen hat, am 8. De­zem­ber 2008 wie schon am 3. Sep­tem­ber 2007 fal­sche An­ga­ben über die Dau­er ih­rer Ar­beits­unfähig­keit ge­macht zu ha­ben, traf dies be­reits nicht zu. Zwar soll die Kläge­rin nicht bloß ih­ren Arzt­be­such an­gekündigt, son­dern erklärt ha­ben, dass sie beim Arzt ge­we­sen sei und sich Me­di­ka­men­te ha­be ver­schrei­ben las­sen. Dass die Kläge­rin da­bei kei­ne An­ga­be über die wei­te­re Dau­er ih­rer Er­kran­kung ge­macht hat, stell­te je­doch kei­ne Ver­let­zung ih­rer Mit­tei­lungs­pflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG dar, weil sie erst am fol­gen­den Tag rück­wir­kend bis zum En­de der Wo­che krank­ge­schrie­ben wor­den ist. Dass die Kläge­rin be­reits am 8. De­zem­ber 2008 wuss­te, krank­heits­be­dingt auch am nächs­ten Tag ih­re Ar­beit nicht wie­der auf­neh­men zu können, und in­so­weit die Be­klag­te bei ih­rem An­ruf er­neut be­log, hat die­se selbst nicht be­haup­tet. Viel­mehr stell­te es ei­ne bloße Schluss­fol­ge­rung dar, dass die Kläge­rin am nächs­ten Tag wie­der zur Ar­beit kom­men wer­de, wenn sich ihr Arzt auf das Ver­schrei­ben von Me­di­ka­men­ten be­schränkt hat­te.

1.1.1.2 Im Wie­der­ho­lungs­fall ver­letzt hat die Kläge­rin al­ler­dings ih­re Pflicht zur un­verzügli­chen Krank­mel­dung aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Da sie, wie im Ver­hand­lungs­ter­min zu­letzt wie­der un­strei­tig ge­wor­den, ih­ren Dienst um 07:00 Uhr an­zu­tre­ten hat­te, war die te­le­fo­ni­sche Krank­mel­dung vom 8. De­zem­ber 2008 um kurz nach 09:00 Uhr zu spät, oh­ne dass die Kläge­rin dafür et­was zu ih­rer Ent­schul­di­gung vor­ge­bracht hat. Die­se Pflicht hat­te die Kläge­rin auch be­reits in glei­cher Wei­se am 3. Sep­tem­ber 2007 ver­letzt, als sie sich erst ge­gen 08:00 Uhr krank ge­mel­det hat­te.

Ob­wohl nun die Be­klag­te der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 17. Sep­tem­ber 2007 ei­ne Ab­mah­nung aus­ge­spro­chen und an­ge­sichts der do­ku­men­tier­ten Über­brin­gung durch ei­nen Bo­ten gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch von de­ren Zu­gang bei der Kläge­rin aus­zu­ge­hen war, genügte dies nicht, um ei­ne ne­ga­ti­ve Pro­gno­se als Vor­aus­set­zung für die so­zia­le Recht­fer­ti­gung ei­ner ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung stel­len zu können (zu die­ser Funk­ti­on ei­ner Ab­mah­nung BAG, Ur­teil vom 12.01.2006 – 2 AZR 179/05 – AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 54 R 56). Da­bei war der Be­klag­ten durch­aus zu­zu­ge­ben, dass sich ih­re Ab­mah­nung nicht dar­auf be­schränkt hat­te, die Lüge der Kläge­rin und ei­ne da­durch ver­ur­sach­te er­heb­li­che Störung des Ver­trau­ens­verhält­nis­ses zu

 

- 7 -

be­an­stan­den. Viel­mehr hat­te die Be­klag­te ge­ra­de auch den Ge­gen­stand die­ser Lüge, nämlich die Pflicht der Kläge­rin zur Mit­tei­lung der ihr be­reits be­kann­ten Ge­samt­dau­er ih­rer Krank­schrei­bung, er­kenn­bar the­ma­ti­siert und im Plu­ral von der Ver­let­zung ar­beits­ver­trag­li­cher Pflich­ten und da­von ge­spro­chen, der­ar­ti­ge Pflicht­ver­let­zun­gen nicht mehr hin­zu­neh­men.

Selbst wenn nun ei­ne späte­re Ver­let­zung der Pflicht zur un­verzügli­chen Krank­mel­dung als gleich­ar­ti­ger Wie­der­ho­lungs­fall an­zu­se­hen ge­we­sen wäre, was für ei­ne ein­schlägi­ge Ab­mah­nung aus­rei­chend ist (da­zu BAG, Ur­teil vom 27.02.1985 – 7 AZR 525/83 – RzK I 1 Nr. 5 zu 3 c bb der Gründe), hätte dies im vor­lie­gen­den Fall doch nicht genügt. Die­ser weist nämlich die Be­son­der­heit auf, dass sich die Kläge­rin auch schon am 3. Sep­tem­ber 2007 ver­spätet krank ge­mel­det hat­te. Wenn sich die Be­klag­te dann dar­auf be­schränk­te, Kon­se­quen­zen für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses der Kläge­rin nur für den Fall ei­ner er­neu­ten un­zu­rei­chen­den Mit­tei­lung über die Dau­er der Krank­schrei­bung oder ei­ner Lüge im Zu­sam­men­hang mit Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis an­zu­dro­hen, durf­te die Kläge­rin da­von aus­ge­hen, dass ih­re erst deut­lich nach Dienst­be­ginn er­folg­te Krank­mel­dung kei­ne ent­spre­chend er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung dar­stell­te.

1.1.2 Die Kündi­gung vom 16. De­zem­ber 2008 ist auch we­gen nicht ord­nungs­gemäßer Un­ter­rich­tung des Per­so­nal­rats un­wirk­sam.

1.1.2.1 Gemäß § 108 Abs. 2 BPers­VG ist ei­ne durch den Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nes Beschäftig­ten un­wirk­sam, wenn die Per­so­nal­ver­tre­tung nicht be­tei­ligt wor­den ist. Dies gilt ent­spre­chend, wenn die Be­tei­li­gung nicht ord­nungs­gemäß durch­geführt wor­den ist (BAG, Ur­teil vom 16.09.1993 – 2 AZR 267/93 – BA­GE 47,185 = AP Be­trVG 1972 § 102 Nr. 62 zu B II 2 b cc (1) der Gründe), wo­zu für die Be­klag­te gemäß §§ 61 Abs. 3 Satz 1 und 1, 63 Abs. 1 Nr. 17 LPVG Bran­den­burg gehörte, dem Per­so­nal­rat die Gründe für die be­ab­sich­tig­te Kündi­gung mit­zu­tei­len und den Kündi­gungs­sach­ver­halt nicht zu verfälschen (vgl. BAG, Ur­teil vom 22.09.1994 – 2 AZR 31/94 – BA­GE 78,39 = AP Be­trVG 1972 § 102 Nr. 68 zu II 3 b der Gründe).

1.1.2.2 Ei­ne Verfälschung des Kündi­gungs­sach­ver­halts war zunächst dar­in zu se­hen, dass die Be­klag­te im Anhörungs­schrei­ben an­ge­ge­ben hat, die Kläge­rin sei am Diens­tag, dem 9. De­zem­ber 2008, nicht er­schie­nen und ha­be sich auch nicht ge­mel­det. Selbst wenn für die Per­so­nal­lei­te­rin der Be­klag­ten nicht er­kenn­bar ge­we­sen sein soll­te, dass die Kläge­rin ih­ren An­ruf um die Mit­tags­zeit aus der Post­stel­le führ­te, hat­te sich die Kläge­rin doch da­mit je­den­falls, wenn auch er­neut ver­spätet, für den Rest der Wo­che wei­ter­hin krank ge­mel­det. Eben­falls traf nicht zu, dass die Kläge­rin mit dem Schrei­ben vom 17. Sep­tem­ber 2007

 

- 8 -

ge­nau we­gen ei­nes Ver­s­toßes ge­gen die Pflicht zur un­verzügli­chen Mit­tei­lung der Ar­beits­unfähig­keit und de­ren vor­aus­sicht­li­che Dau­er ab­ge­mahnt wor­den war, son­dern be­schränk­te sich die­se Ab­mah­nung ge­ra­de auf die An­ga­be der Kläge­rin über die Dau­er der er­folg­ten Krank­schrei­bung.

1.2 Ge­gen ih­re Ver­ur­tei­lung zur Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin hat die Be­klag­te nichts vor­ge­bracht. Die­se ist ent­spre­chend der schriftsätz­li­chen Be­gründung der Kläge­rin und der Be­zug­nah­me im an­ge­foch­te­nen Ur­teil auf die Ent­schei­dung des Großen Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 27.02.1985 (GS 1/84 – BA­GE 84, 122 = AP BGB § 611 Beschäfti­gungs­pflicht Nr. 14) auf die Zeit bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits be­schränkt.

2. Die Be­klag­te hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten ih­rer er­folg­lo­sen Be­ru­fung zu tra­gen.

Die Vor­aus­set­zun­gen des § 72 Abs. 2 ArbGG für ei­ne Zu­las­sung der Re­vi­si­on wa­ren nicht erfüllt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­ses Ur­teil ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

 

C.

B.

Dr. D.


 

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 6 Sa 162/07