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LAG Köln, Ur­teil vom 12.10.2011, 9 Sa 156/11

   
Schlagworte: Arbeitszeit, Überstunden
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 9 Sa 156/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.10.2011
   
Leitsätze: Fordert der Arbeitgeber von ihm abgerechnetes und gezahltes Überstundenentgelt wegen unrichtiger Arbeitszeitangaben des Arbeitnehmers zurück, so hat er für jeden einzelnen Arbeitstag die tatsächlichen Anfangs- und Endzeiten sowie auch die Pausenzeiten des Arbeitnehmers darzulegen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 25.11.2011, 7 Ca 2506/10
   

9 Sa 156/11

7 Ca 2506/10

Ar­beits­ge­richt Aa­chen

Verkündet am 12. Ok­to­ber 2011

E,

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT KÖLN

 

IM NA­MEN DES VOL­KES

 

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

 

- Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

g e g e n

- Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

hat die 9. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 12.10.2011
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt S als Vor­sit­zen­den so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter F und F

für R e c h t er­kannt:

1. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Aa­chen vom 25.11.2010 – 7 Ca 2506/10 – wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on ge­gen die­ses Ur­teil wird nicht zu­ge­las­sen.

T a t b e s t a n d

Die Par­tei­en strei­ten noch über die Wirk­sam­keit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung, über Vergütungs­ansprüche, über Rück­for­de­rungs­ansprüche und Ansprüche auf ei­ne Ver­trags­stra­fe.


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Der Kläger, ge­bo­ren am 1970, war bei der Be­klag­ten seit dem 1. Sep­tem­ber 2005 auf­grund ei­nes schrift­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges vom 31. Au­gust 2005 als Auf­zugs­mon­teur beschäftigt. Die Be­klag­te war­tet und re­pa­riert Aufzüge und er­rich­tet neue Auf­zugs­an­la­gen. Der Kläger war­te­te Aufzüge und be­sei­tig­te Störun­gen an von ihm be­treu­ten Auf­zugs­an­la­gen in A, M, W, Mo und H von zu­hau­se aus un­ter Be­nut­zung des ihm zur Verfügung ge­stell­ten Dienst­kraft­fahr­zeugs.

In dem Ar­beits­ver­trag ist u. a. be­stimmt, dass die durch­schnitt­li­che re­gelmäßige Ar­beits­zeit 40 St­un­den pro Wo­che beträgt und dass be­trieb­lich be­dingt Über- oder Mehr­ar­beits­stun­den er­for­der­lich wer­den können, die mit ei­nem Auf­schlag von 25 % pau­schal vergütet wer­den. Über- und Mehr­ar­beits­stun­den sind da­nach nur zu vergüten, wenn sie an­ge­ord­net oder ver­ein­bart wor­den wa­ren oder wenn sie aus drin­gen­den be­trieb­li­chen In­ter­es­sen er­for­der­lich sind. Be­ginn und En­de der tägli­chen Ar­beits­zeit und der Pau­sen sol­len sich nach ab­ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­run­gen oder den be­triebsübli­chen Ar­beits­zei­ten rich­ten.

Un­ter § 12 des Ar­beits­ver­tra­ges ist be­stimmt, dass al­le bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und sol­che, die mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung ste­hen, ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach der Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich er­ho­ben wer­den. Lehnt die Ge­gen­par­tei den An­spruch ab oder erklärt sie sich nicht in­ner­halb von zwei Wo­chen nach der Gel­tend­ma­chung des An­spruchs, so verfällt die­ser, wenn er nicht in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach der Ab­leh­nung oder dem Frist­ab­lauf ge­richt­lich gel­tend ge­macht wird.

Un­ter § 13 des Ar­beits­ver­tra­ges ist ei­ne Ver­trags­stra­fe in Höhe ei­nes Mo­nats­ver­diens­tes für den Fall ver­ein­bart, dass der Kläger das Ar­beits­verhält­nis rechts­wid­rig auflöst oder durch sein Ver­schul­den ei­nen Grund zur frist­lo­sen Ent­las­sung gibt. Die Gel­tend­ma­chung ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs soll da­von un­berührt blei­ben.


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Der Kläger er­stell­te über War­tungs­ar­bei­ten ei­nen for­mu­larmäßigen War­tungs­be­richt. So­weit er Aufzüge re­pa­rier­te oder Störun­gen be­sei­tig­te, er­stell­te er ei­nen for­mu­larmäßigen Ar­beits­be­richt. Die­se reich­te er bei der Be­klag­ten ein.

Er reich­te zu­dem bei der Be­klag­ten im Zeit­raum Ok­to­ber 2007 bis De­zem­ber 2009 für je­den Mo­nat Über­stun­den­auf­stel­lun­gen ein, die ge­leis­te­te Über­stun­den für ein­zel­ne Ta­ge aus­wei­sen.

Mit Schrei­ben vom 25. Ju­ni 2010 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich, hilfs­wei­se or­dent­lich zum 31. Ju­li 2010, mit der Be­gründung, der Kläger ha­be während des be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses Wett­be­werb be­trie­ben und Kun­den dar­auf an­ge­spro­chen und ver­an­lasst, War­tungs­verträge zu kündi­gen, um sie für ei­ne ei­ge­ne selbständi­ge Tätig­keit zu ge­win­nen. Zu­dem stimm­ten die von ihm ein­ge­reich­ten Über­stun­den nicht mit den vor­ge­leg­ten Ar­beits­nach­wei­sen/St­un­den­be­rich­ten übe­rein. Für ei­ne Viel­zahl von im Fahr­ten­buch ein­ge­tra­ge­nen Kun­den­be­su­chen lägen kei­ne St­un­den­be­rich­te vor. Zu­dem ha­be er Kun­den­be­su­che zu Wett­be­werbs­zwe­cken ge­nutzt.

Da­ge­gen wen­det sich der Kläger mit der am 2. Ju­li 2010 beim Ar­beits­ge­richt Aa­chen ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge. Zu­dem ver­langt er von der Be­klag­ten, ihm für die Mo­na­te Ju­ni 2010 und Ju­li 2010 je­weils ein Mo­nats­ent­gelt in Höhe von EUR 3.207,57 brut­to nebst Zin­sen zu zah­len.

Der Kläger hat erst­in­stanz­lich gel­tend ge­macht, die frist­lo­se Kündi­gung sei be­reits des­halb un­wirk­sam, weil die 2-Wo­chen-Erklärungs­frist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht ein­ge­hal­ten wor­den sei.
Zu­dem hat er be­strit­ten, un­be­rech­tigt Ar­beits­zeit ab­ge­rech­net zu ha­ben. Die Aus­wer­tung der Ar­beits­nach­wei­se/St­un­den­be­rich­te durch die Be­klag­te sei un­vollständig. Aus sei­nen vollständig bei der Be­klag­ten ein­ge­reich­ten Nach­wei­sen er­ge­be sich, dass er werktäglich 8 St­un­den und mehr ge­ar­bei­tet ha­be. Die über die 8 St­un­den hin­aus­ge­hen­de Ar­beits­zeit ha­be er mit den Über­stun­den­auf­stel­lun­gen ab­ge­rech­net.


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Die Be­klag­te hat die Kündi­gung da­mit be­gründet, sie ha­be dem Kläger ver­traut und sei­ne War­tungs-/Ar­beits­be­rich­te und Fahr­tenbücher nicht dar­auf über­prüft, ob er die ver­ein­bar­te Ar­beits­leis­tung er­bracht ha­be. Ver­ein­bart wor­den sei, dass der Kläger nach Maßga­be der tägli­chen Abläufe und Zweckmäßig­kei­ten die Ar­beits­zeit frei ein­tei­len könne, nach Möglich­keit ar­beitstäglich zwi­schen 7.30 Uhr bis 18.15 Uhr (bei ei­ner Frühstücks­pau­se von 15 Mi­nu­ten und ei­ner Mit­tags­pau­se von 30 Mi­nu­ten) ar­bei­ten sol­le, aber ggf. die War­tungs- und Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten auch außer­halb die­ser Ker­nar­beits­zeit durchführen müsse. Der Kläger ha­be bei der Ver­tei­lung der Ar­beits­zei­ten ei­nen wei­ten Er­mes­sens­spiel­raum ge­habt. So ha­be er bei­spiels­wei­se länge­re Mit­tags­pau­sen ma­chen und die Ar­beits­stun­den in frühe­re oder späte­re Ta­ges­zei­ten le­gen können. So­weit der Kläger in­ner­halb der Ker­nar­beits­zeit kei­ne Ar­beits­leis­tung ha­be er­brin­gen können, weil bei­spiels­wei­se Kun­den nicht er­reich­bar ge­we­sen sei­en oder kei­ne Ar­bei­ten an­ge­stan­den hätten, sei die­ser Ar­beits­aus­fall als Frei­zeit­aus­gleich mit et­wai­gen Ar­beits­zeit­gut­ha­ben zu ver­rech­nen oder bei feh­len­dem Gut­ha­ben als Mi­nus­stun­den vor­zu­tra­gen ge­we­sen. Über­stun­den hätten nach der Ver­ein­ba­rung nur dann ab­ge­rech­net wer­den dürfen, wenn der Kläger am En­de ei­nes Ka­len­der­mo­nats auch un­ter Berück­sich­ti­gung des ge­nann­ten Frei­zeit­aus­gleichs mehr als 40 Ar­beits­stun­den pro Wo­che ge­ar­bei­tet ha­be. Ent­ge­gen die­ser Ab­re­de ha­be der Kläger Über­stun­den ab­ge­rech­net, ob­wohl er nach den von ihm vor­ge­leg­ten Ar­beits­be­rich­ten er­heb­lich we­ni­ger Ar­beits­stun­den ge­leis­tet ha­be. Erst im Zu­sam­men­hang mit der Kündi­gung ha­be sie die An­ga­ben des Klägers über­prüft und da­bei ei­nen mas­si­ven Ar­beits­zeit­be­trug des Klägers fest­ge­stellt.

Ei­ne Aus­wer­tung der War­tungs-/Ar­beits­be­rich­te für den Zeit­raum ab dem 29. Ju­ni 2009 ha­be er­ge­ben, dass der Kläger al­len­falls während 50 % sei­ner Ar­beits­zeit aus­ge­las­tet ge­we­sen sei. Es sei al­lein da­durch ein Scha­den in Höhe von mehr als EUR 2.000,00 pro Mo­nat ent­stan­den. Sie ver­lan­ge im We­ge der Wi­der­kla­ge al­ler­dings pro Mo­nat nur 1.500,00 als Scha­dens­er­satz, und zwar für 12 Mo­na­te, al­so EUR 18.000,00.


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Die Aus­wer­tung ha­be zu­dem er­ge­ben, dass der Kläger mit sei­nen Über­stun­den­auf­stel­lun­gen Vergütung für 661 Über­stun­den nebst Zu­schlägen un­be­rech­tigt gel­tend ge­macht ha­be. Tatsächlich sei­en die Ar­bei­ten in­ner­halb des Zeit­rah­mens durch­geführt wor­den, der durch die re­gelmäßige Ar­beits­zeit vor­ge­ge­ben ge­we­sen sei (vgl. Auf­stel­lung: Bl. 102 – 112 d. A.). Es er­ge­be sich ein Rück­for­de­rungs­an­spruch in Höhe von EUR 11.369,20 (Grund­vergütung für Über­stun­den), in Höhe von wei­te­ren EUR 707,35 (25-%iger Zu­schlag für 164,5 Über­stun­den) und zu­dem in Höhe von EUR 361,20 (50-%iger Zu­schlag für 42 Über­stun­den), ins­ge­samt EUR 12.644,25, den sie eben­falls wi­der­kla­gend gel­tend ma­che.

Außer­dem hat die Be­klag­te be­haup­tet, der Kläger ha­be ein Dienst­fahr­zeug vorsätz­lich beschädigt, wes­halb er ihr Scha­dens­er­satz in Höhe von EUR 5.047,99 zu leis­ten ha­be. Sch­ließlich ha­be der Kläger ei­ne Ver­trags­stra­fe in Höhe ei­nes Brut­to­mo­nats­ge­halts zu zah­len, weil er durch sein Ver­schul­den Grund zur frist­lo­sen Ent­las­sung ge­ge­ben ha­be. Auch die­se bei­den Ansprüche ma­che sie wi­der­kla­gend ge­gen den Kläger gel­tend.

Das Ar­beits­ge­richt Aa­chen hat durch Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 der Kla­ge ge­gen die frist­lo­se Kündi­gung statt­ge­ge­ben und die Be­klag­te ver­ur­teilt, an den Kläger als Vergütung für die Mo­na­te Ju­ni 2010 und Ju­li 2010 je EUR 3.207,57 brut­to zu zah­len. Die Wi­der­kla­ge der Be­klag­ten auf Rück­zah­lung von un­be­rech­tigt ab­ge­rech­ne­ten Über­stun­den in Höhe von EUR 12.644,25, auf Scha­dens­er­satz we­gen Beschädi­gung des Dienst­wa­gens in Höhe von EUR 5.047,99, auf Scha­dens­er­satz in Höhe von EUR 18.000,00 we­gen vor­ge­spie­gel­ter Aus­las­tung während der Ar­beits­zeit und auf EUR 2.981,28 als Ver­trags­stra­fe we­gen ver­schul­de­ter frist­lo­ser Ent­las­sung hat das Ar­beits­ge­richt ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es aus­geführt, die frist­lo­se Kündi­gung sei we­gen Versäum­ung der 2-Wo­chen-Erklärungs­frist nach § 626 Abs. 2 BGB un­wirk­sam. Ab­zu­stel­len sei auf den Zeit­punkt, an dem in der Buch­hal­tung die Dis­kre­panz zwi­schen ein­ge­reich­ten Ar­beits­zet­teln und den Über­stun­den­auf­stel­lun­gen fest­ge­stellt wor­den sei. Zu­dem ha­be die Be­klag­te nicht schlüssig dar­ge­tan, dass der Kläger ei­nen Ar­beits­zeit- und Über­stun­den­be­trug zu ih­ren Las­ten be­gan­gen ha­be. Der Kläger ha­be das


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Recht ge­habt, die wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 40 St­un­den auf die Ar­beits­ta­ge selbst zu ver­tei­len. Das Ar­beits­verhält­nis ha­be da­her erst mit Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist am 31. Ju­li 2010 ge­en­det. Die Wi­der­kla­ge­ansprüche auf Rück­zah­lung von Über­stun­den­ent­gelt samt Zu­schlägen und auf Scha­dens­er­satz we­gen vor­ge­spie­gel­ter Aus­las­tung während der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit sei­en aus dem­sel­ben Grund nicht schlüssig dar­ge­tan wor­den. Eben­falls sei nicht schlüssig dar­ge­tan wor­den, dass der Kläger schuld­haft das Dienst­fahr­zeug beschädigt bzw. ei­ne Ver­pflich­tung zur un­verzügli­chen Mel­dung jeg­li­cher Beschädi­gung ver­letzt ha­be und des­halb Scha­dens­er­satz zu leis­ten ha­be. Sch­ließlich be­ste­he auch kein An­spruch auf Ver­trags­stra­fe, da der Kläger kei­nen Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung ge­ge­ben ha­be. Die Wirk­sam­keit der Klau­sel nach AGB-Recht könne da­her da­hin­ste­hen.

Das Ur­teil ist der Be­klag­ten am 11. Ja­nu­ar 2011 zu­ge­stellt wor­den. Sie hat hier­ge­gen am 11. Fe­bru­ar 2011 Be­ru­fung ein­le­gen und die­se – nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 11. April 2011 – am 8. April 2011 be­gründen las­sen.

Die Be­klag­te trägt wei­ter­hin vor, der Kläger ha­be sie bei der Ab­rech­nung der Ar­beits­zeit, ins­be­son­de­re auch der Über­stun­den, be­tro­gen. Sie wie­der­holt ihr Vor­brin­gen, Über­stun­den lägen nur dann vor, wenn an ei­nem Ar­beits­tag mehr als 8 St­un­den tatsächlich ge­ar­bei­tet wor­den sei­en und die­se Mehr­ar­beit nicht mit ei­ner un­ter 8 St­un­den ge­blie­be­nen Ar­beits­zeit an an­de­ren Ta­gen (Mi­nus­stun­den) aus­zu­glei­chen ge­we­sen sei. Sie ha­be durch ei­ne Aus­zu­bil­den­de sämt­li­che in ih­rer Buch­hal­tung vor­han­de­nen Ar­beits­be­rich­te des Klägers für die Jah­re 2007 bis 2009 zu­sam­men­ge­stellt, die sie als Ab­lich­tung in zwei Ord­nern dem Ge­richt und dem Kläger über­reicht ha­be. Ei­ne auf die ein­zel­nen Ar­beits­ta­ge be­zo­ge­ne Aus­wer­tung er­ge­be, dass der Kläger an min­des­tens der Hälf­te al­ler Ar­beits­ta­ge bei wei­tem nicht ein­mal die ver­trag­li­che Ar­beits­zeit von 8 St­un­den er­reicht ha­be. Die­se Mi­nus­stun­den stell­ten ei­nen Frei­zeit­aus­gleich für et­wai­ge Über­stun­den dar. Ein Großteil der an­geb­li­chen Über­stun­den ha­be in­ner­halb der 8-stündi­gen Ker­nar­beits­zeit ge­le­gen. Ins­ge­samt er­ge­be sich aus der Aus­wer­tung, dass der Kläger un­be­rech­tigt


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942,25 Über­stun­den ab­ge­rech­net ha­be, was aus­ge­hend von ei­nem St­un­den­lohn in Höhe von EUR 17,20 brut­to oh­ne Berück­sich­ti­gung der auch noch ge­leis­te­ten Über­stun­den­zu­schläge ei­nen Be­trag in Höhe von EUR 16.206,70 brut­to er­ge­be, den sie nun­mehr wi­der­kla­gend zurück­for­de­re.

Die frist­lo­se Kündi­gung sei auf­grund die­ses Ar­beits­zeit­be­trugs wirk­sam. Die 2-Wo­chen-Erklärungs­frist nach § 626 Abs. 2 BGB ha­be sie ge­wahrt. Erst nach Aus­spruch der Kündi­gung sei ihr Geschäftsführer von ei­ner Mit­ar­bei­te­rin aus der Buch­hal­tung, Frau B, dar­auf auf­merk­sam ge­macht wor­den, dass die von dem Kläger ab­ge­rech­ne­ten Über­stun­den nicht mit den War­tungs-/Ar­beits­be­rich­ten übe­rein­stimm­ten. Frau B sei von ihm be­auf­tragt ge­we­sen, die Buch­hal­tungs­un­ter­la­gen dar­auf zu über­prüfen, ob dem Kläger ir­gend­wel­che Un­re­gelmäßig­kei­ten zur Last ge­legt wer­den könn­ten, um sie im Nach­hin­ein zusätz­lich zu dem Wett­be­werbs­ver­s­toß zur Be­gründung der be­reits aus­ge­spro­che­nen frist­lo­sen Kündi­gung her­an­zu­zie­hen. Dar­auf­hin ha­be sich Frau B un­ter an­de­rem die Über­stun­den­ab­rech­nun­gen an­ge­se­hen und die feh­len­de Übe­rein­stim­mung mit den War­tungs-/Ar­beits­be­rich­ten fest­ge­stellt. Vor­her sei­en Frau B, die die Ar­beits­nach­wei­se und die Ab­rech­nun­gen ge­genüber den Kun­den be­ar­bei­te, die Wi­dersprüchlich­kei­ten zwi­schen den Ar­beits­nach­wei­sen des Klägers und sei­nen Über­stun­den­auf­stel­lun­gen nicht auf­ge­fal­len. Sie ha­be auch bei der Ab­rech­nung der Über­stun­den die An­ga­ben des Klägers oh­ne Kon­trol­le über­nom­men, weil sie den An­ga­ben der Mit­ar­bei­ter ver­traut ha­be und we­gen ei­ner ho­hen Ar­beits­be­las­tung kei­ne Zeit für ei­ne Kon­trol­le der Auf­stel­lun­gen ge­habt ha­be.

Sie ist der An­sicht, der Kläger müsse sub­stan­ti­iert zu ih­rer Aus­wer­tung Stel­lung neh­men und auch das von ihm geführ­te Fahr­ten­buch über sämt­li­che Dienst­fahr­ten vor­le­gen. Ein­tra­gun­gen des Klägers in die­sem Fahr­ten­buch und ei­nem von ihm geführ­ten Ta­ge­buch sei­en von ihm im Nach­hin­ein vor­ge­nom­men wor­den, um in die­sem Pro­zess und auch ge­genüber dem Fi­nanz­amt zu betrügen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,


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un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Aa­chen vom 25. No­vem­ber 2010 – 7 Ca 2506/10 –

1. die Kla­ge ab­zu­wei­sen,

2. im We­ge der Wi­der­kla­ge den Kläger zu ver­ur­tei­len,

a. an sie Scha­dens­er­satz we­gen Über­stun­den­be­trug/un­be­rech­tigt ab­ge­rech­ne­ter
Über­stun­den in Höhe von EUR 16.206,70 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len,

b. an sie ei­ne Ver­trags­stra­fe in Höhe ei­nes Brut­to­mo­nats­ver­diens­tes von EUR 2.981,28 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil. Er be­strei­tet wei­ter­hin, die Be­klag­te bei der Ab­rech­nung sei­ner Über­stun­den be­tro­gen zu ha­ben. Für ihn ha­be die be­trieb­li­che Ar­beits­zeit von 7.30 Uhr bis 16.15 Uhr un­ein­ge­schränkt ge­gol­ten. Ei­ne Ver­ein­ba­rung, wo­nach Über­stun­den mit Mi­nus­stun­den an an­de­ren Ta­gen zu ver­rech­nen sei­en, ha­be es nicht ge­ge­ben. Er ha­be re­gelmäßig sei­ne Ar­beits­be­rich­te bei der Be­klag­ten ein­ge­reicht und mo­nat­lich sei­ne Über­stun­den­auf­stel­lung ab­ge­ge­ben. Die Ar­beits­be­rich­te sei­en bei der Be­klag­ten kon­trol­liert wor­den und auf ih­rer Grund­la­ge sei­en die Kun­den­rech­nun­gen er­stellt wor­den. Auch die Über­stun­den­auf­stel­lung sei bei der Be­klag­ten kon­trol­liert wor­den. Die Über­stun­den­vergütung sei je­weils mit der nächs­ten Mo­nats­ab­rech­nung aus­ge­zahlt wor­den.

Er hat zu ein­zel­nen Ar­beits­ta­gen Stel­lung ge­nom­men, um punk­tu­ell die Rich­tig­keit des Vor­brin­gens der Be­klag­ten zu wi­der­le­gen, er ha­be ei­nen Ar­beits­zeit­be­trug be­gan­gen. Die Be­klag­te ha­be nicht vollständig sei­ne War­tungs-/Ar­beits­be­rich­te ein­ge­reicht. Es müss­ten auch die Fahrt­zei­ten in rich­ti­gem Um­fang berück­sich­tigt wer­den. Er ha­be so­gar in ei­nem Zeit­raum, in


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dem er ar­beits­unfähig er­krankt ge­we­sen sei, auf Druck der Be­klag­ten ge­ar­bei­tet. Die­se Ar­beits­zeit sei zusätz­lich zu der Ent­gelt­fort­zah­lung vergütet wor­den.

Er ha­be we­der in den Über­stun­den­auf­stel­lun­gen noch in sei­nem Fahr­ten­buch noch in sei­nem Ta­ge­buch un­rich­ti­ge An­ga­ben ge­macht.

Die 2-Wo­chen-Erklärungs­frist ha­be die Be­klag­te nicht ein­ge­hal­ten. Die War­tungs-/Ar­beits­be­rich­te und die Über­stun­den­auf­stel­lun­gen sei­en re­gelmäßig und nicht erst nach Aus­spruch der Kündi­gung bei der Be­klag­ten über­prüft wor­den.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den Ak­ten­in­halt ver­wie­sen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Die Be­ru­fung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b, c ArbGG statt­haft und in­ner­halb der Fris­ten nach § 66 Abs. 1 ArbGG ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

II. In der Sa­che hat die Be­ru­fung kei­nen Er­folg.

Das Ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend er­kannt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die frist­lo­se Kündi­gung vom 25. Ju­ni 2010 nicht be­en­det wor­den ist und dass die Be­klag­te dem Kläger aus An­nah­me­ver­zug Vergütung für die Mo­na­te Ju­ni 2010 und Ju­li 2010 zu zah­len hat. Zu­tref­fend hat es auch die mit der Wi­der­kla­ge von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­ten Ansprüche auf Rück­zah­lung von Über­stun­den­vergütung und auf Zah­lung ei­ner Ver­trags­stra­fe ab­ge­wie­sen. So­weit die Be­klag­te erst­in­stanz­lich mit der Wi­der­kla­ge zusätz­lich Scha­dens­er­satz we­gen vor­ge­spie­gel­ter Aus­las­tung während der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit und Scha­dens­er­satz we­gen Beschädi­gung ei­nes Dienst­wa­gens ver­langt hat, ist dies nicht Ge­gen­stand des Be­ru­fungs­ver­fah­rens.


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1. Die frist­lo­se Kündi­gung vom 25. Ju­ni 2010 ist we­gen Feh­lens ei­nes wich­ti­gen Grun­des im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB un­wirk­sam.

Die Be­klag­te hat nicht schlüssig dar­ge­tan, dass der Kläger sie mit der Über­stun­den­auf­stel­lung über den Um­fang sei­ner tatsächli­chen Ar­beits­zeit getäuscht hat, um un­be­rech­tigt Ar­beits­ent­gelt von ihr zu er­hal­ten.

Der im Außen­dienst täti­ge Kläger hat re­gelmäßig über sei­ne ge­leis­te­te Ar­beit War­tungs­be­rich­te und Ar­beits­be­rich­te bei der Be­klag­ten ein­ge­reicht. Zu­dem hat er mo­nat­lich Über­stun­den­auf­stel­lun­gen über­ge­ben, in de­nen je­weils nur die An­zahl der Über­stun­den für ein­zel­ne Ta­ge und der Kun­de auf­geführt wa­ren, bei dem die Über­stun­den­ar­beit je­weils ver­rich­tet wor­den war. An­ge­ge­ben war auch, um wel­che Ar­beit es sich ge­han­delt hat­te (War­tung, Re­pa­ra­tur, Störungs­be­sei­ti­gung, Be­spre­chung usw.). Die Be­klag­te hat re­gelmäßig dem Kläger des­sen Grund­lohn, der für ei­ne re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 40 St­un­den ge­schul­det wur­de, und auch Über­stun­den­vergütung auf der Grund­la­ge der vom Kläger ein­ge­reich­ten Über­stun­den­auf­stel­lun­gen ge­zahlt. Sie hat im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren mit Schrift­satz vom 27. Sep­tem­ber 2010 die vom Kläger für die Zeit ab Ok­to­ber 2007 bis De­zem­ber 2009 er­stell­ten mo­nat­li­chen Über­stun­den­auf­stel­lun­gen ein­ge­reicht mit zu­vor von ihr vor­ge­nom­me­nen Kor­rek­tu­ren. Nach die­sen Kor­rek­tu­ren sind Über­stun­den zwar an­ge­fal­len, aber in ge­rin­ge­rem Um­fang. Sie hat an­ge­ge­ben, es sei­en 661 Über­stun­den un­be­rech­tigt gel­tend ge­macht wor­den. Streit be­steht nicht nur über die durch­geführ­ten War­tungs- und Re­pa­ra­tur­aufträge, son­dern auch über die Fahr­zei­ten und ei­nen an­geb­lich ver­ein­bar­ten Frei­zeit­aus­gleich durch Ver­rech­nung mit Mi­nus­stun­den an an­de­ren Ar­beits­ta­gen. Im Be­ru­fungs­ver­fah­ren gibt die Be­klag­te un­ter Bei­be­hal­tung der grundsätz­li­chen Streit­punk­te die Zahl der im Zeit­raum Ok­to­ber 2007 bis De­zem­ber 2009 „betrüge­risch ab­ge­rech­ne­ten“ Über­stun­den so­gar mit 942,25 Ar­beits­stun­den an.

Das Vor­brin­gen der Be­klag­ten genügt nicht zur schlüssi­gen Dar­le­gung ei­nes An­spruchs auf Rück­zah­lung von ge­leis­te­tem Über­stun­den­ent­gelt.


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Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts hat der Ar­beit­neh­mer, der die Vergütung von Über­stun­den for­dert, im Ein­zel­nen dar­zu­le­gen, an wel­chen Ta­gen und zu wel­chen Ta­ges­zei­ten er über die übli­che Ar­beits­zeit hin­aus ge­ar­bei­tet hat. Der Ar­beit­neh­mer muss da­zu die An­fangs-und End­zei­ten und auch die Pau­sen­zei­ten für die ein­zel­nen Ar­beits­ta­ge dar­le­gen (vgl. BAG, Ur­teil vom 17. April 2002 – 5 AZR 644/00 - ). Ist strei­tig, ob Ar­beits­leis­tun­gen er­bracht wur­den, hat der Ar­beit­neh­mer dar­zu­le­gen, wel­che (ge­schul­de­te) Tätig­keit er aus­geführt hat (vgl. BAG, Ur­teil vom 25. Mai 2005 – 5 AZR 319/04 -).

Es müssen grundsätz­lich die glei­chen An­for­de­run­gen an den Vor­trag des Ar­beit­ge­bers ge­stellt wer­den, wenn er die Rück­zah­lung von ge­zahl­tem Über­stun­den­ent­gelt mit der Be­gründung for­dert, der Ar­beit­neh­mer ha­be kei­ne oder nur we­ni­ger Über­stun­den ge­leis­tet. Die­sen An­for­de­run­gen genügt das Vor­brin­gen der Be­klag­ten nicht.

Sie ver­weist auf in ih­rer Buch­hal­tung vor­lie­gen­de War­tungs­be­rich­te und Ar­beits­be­rich­te, die sie vollständig aus­ge­wer­tet ha­be. In den for­mu­larmäßigen War­tungs­be­rich­ten be­fin­det sich zwar ei­ne Ru­brik „Ar­beits­zeit“, die aber nicht aus­gefüllt ist. In den Ar­beits­be­rich­ten über durch­geführ­te Re­pa­ra­tu­ren und Störungs­be­sei­ti­gun­gen fin­den sich An­ga­ben über die Ar­beits­zeit bei dem Kun­den nach Uhr­zeit und Zahl der Ar­beits­stun­den. Ge­naue An­ga­ben zur We­ge­zeit feh­len, da nur die je­wei­li­ge Ent­fer­nungs­zo­ne an­ge­ge­ben ist.

Die­se spärli­chen An­ga­ben er­lau­ben es nicht, die Ar­beits­zei­ten des Klägers an ein­zel­nen Ta­gen nach­zu­voll­zie­hen, ab­ge­se­hen da­von, dass nach An­ga­ben des Klägers die Ar­beits­be­rich­te auch nicht vollständig sind. In die­sem Zu­sam­men­hang ist fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te in der Be­ru­fungs­be­gründung vorträgt, für die Mo­na­te Ok­to­ber 2007 und No­vem­ber 2007 fehl­ten gänz­lich Ar­beits­be­rich­te, „die Über­stun­den ergäben“. Sie hat für bei­de Mo­na­te über­haupt kei­ne Ar­beits­be­rich­te des Klägers vor­ge­legt. Auch für die fol­gen­den Mo­na­te trägt sie für ein­zel­ne Ta­ge, aber auch für länge­re Zeiträume (z. B. 5.12.2007 bis 19.12.2007), vor, es lägen über­haupt kei­ne


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Ar­beits­be­rich­te des Klägers vor. Ei­ne Auf­stel­lung, die der­art gra­vie­ren­de Lücken bei der er­for­der­li­chen Re­kon­struk­ti­on der tatsächli­chen Ar­beits­zei­ten des Klägers be­inhal­tet, kann kei­ne Grund­la­ge für ei­nen Rück­for­de­rungs­an­spruch sein.

Der Um­stand, dass die Ar­beits­zei­ten des Klägers mit Ar­beits­be­ginn und Ar­beits­en­de und Pau­sen­zei­ten nicht mehr im Ein­zel­nen er­mit­telt wer­den können, geht nicht nur des­halb zu Las­ten der Be­klag­ten, weil sie als An­spruch­stel­le­rin nach all­ge­mei­nen Be­weis­re­geln die Dar­le­gungs- und Be­weis­last hat. Viel­mehr ist zu be­ach­ten, dass es sich um ei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Fra­ge han­delt, wie die Be­klag­te si­cher­stellt, dass sie die er­for­der­li­chen In­for­ma­tio­nen über den Be­triebs­ab­lauf und da­mit auch die tatsächli­chen Ar­beits­zei­ten des Klägers erhält (vgl. BAG, Ur­teil vom 17. April 2002 – 5 AZR 644/00 -). Der Ob­lie­gen­heit, die­se Or­ga­ni­sa­ti­ons­fra­ge zu lösen, ist die Be­klag­te mit ih­rem Be­richts­we­sen nicht ge­recht ge­wor­den. Statt ei­nen je­wei­li­gen Ta­ges­be­richt mit Be­ginn und En­de der Ar­beits­zeit und Pau­sen­zei­ten (Ab­fahrts­zeit von zu­hau­se, An­kunft bei dem ers­ten Kun­den, Ar­beits­zeit bei dem ers­ten Kun­den, Ab­fahrt zu dem zwei­ten Kun­den und An­kunft, Ar­beits­zeit bei dem zwei­ten Kun­den, Pau­sen­zei­ten usw.) zu ver­lan­gen, hat sie sich mit An­ga­ben über die Ar­beits­zeit bei ein­zel­nen Kun­den und mit An­ga­ben über die We­ge­zeit nach Ent­fer­nungs­zo­nen be­gnügt, wo­bei nicht ein­mal die­se An­ga­ben bei den rei­nen War­tungs­aufträgen er­folg­ten. Der Nach­teil geht zu ih­ren Las­ten (vgl. zum Um­fang ei­ner an­zu­ord­nen­den Be­richts­pflicht und auch zur Kon­trol­le durch Nach­fra­ge bei Kun­den: LAG Nie­der­sa­chen, Ur­teil vom 22. Au­gust 2003 – 16 Sa 100/03 - ).

Zu würdi­gen ist auch, dass die Be­klag­te nicht nur die War­tungs-/Ar­beits­be­rich­te und Über­stun­den­auf­stel­lun­gen wi­der­spruchs­los ent­ge­gen­ge­nom­men hat, son­dern stets oh­ne Kürzung so­wohl den Grund­lohn als auch die vom Kläger gel­tend ge­mach­ten Über­stun­den be­zahlt und da­mit die Be­rich­te und Auf­stel­lun­gen ak­zep­tiert und in vol­lem Um­fang an­er­kannt hat (vgl. zum An­er­kennt­nis durch Lohn­ab­rech­nung: BAG, Ur­teil vom 25. Mai 2005 – 5 AZR 319/04 - ). Wenn dies oh­ne jeg­li­che Kon­trol­le der Rich­tig­keit der Über­stun­den­auf­stel­lung des Klägers er­folg­te, hat die Be­klag­te die dar­aus


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fol­gen­den Nach­tei­le bei der Dar­le­gung des Rück­for­de­rungs­an­spruchs zu tra­gen. Im Übri­gen muss­te sie durch die­se Pra­xis bei dem Kläger den Ein­druck er­we­cken, sie ver­zich­te auf ei­ne ge­naue Er­fas­sung der tägli­chen Ar­beits­zei­ten ein­sch­ließlich der We­ge­zei­ten, er sei da­her nicht zu wei­ter­ge­hen­den Er­fas­sun­gen ver­pflich­tet, auch nicht im ei­ge­nen In­ter­es­se zur Ab­wehr des Vor­wurfs ei­nes Ar­beits­zeit­be­trugs.

Da die Be­klag­te nicht schlüssig dar­ge­tan hat, dass der Kläger un­be­rech­tigt die zunächst von ihr an­er­kann­ten Über­stun­den ab­ge­rech­net hat, liegt auch der von ihr gel­tend ge­mach­te Kündi­gungs­grund, für den sie eben­falls dar­le­gungs­pflich­tig ist, nicht vor.

2. Der Kläger hat nach § 611 BGB in Ver­bin­dung mit § 615 BGB aus An­nah­me­ver­zug An­spruch auf Zah­lung von Ar­beits­ent­gelt für die Mo­na­te Ju­ni 2010 und Ju­li 2010 in Höhe von je­weils EUR 3.207,57 brut­to.

Da die frist­lo­se Kündi­gung un­wirk­sam ist und die erklärte or­dent­li­che Kündi­gung zum 31. Ju­li 2010 wirk­te, hat das Ar­beits­verhält­nis in die­sem Zeit­raum fort­be­stan­den.

Die Be­klag­te kam durch den Aus­spruch der frist­lo­sen Kündi­gung in An­nah­me­ver­zug, oh­ne dass es ei­nes An­ge­bots des Klägers be­durf­te (vgl. BAG, Ur­teil vom 11. Ja­nu­ar 2006 – 5 AZR 98/05 -). Mit der frist­lo­sen Kündi­gung hat­te sie zum Aus­druck ge­bracht, dass sie dem Kläger kei­ne Ar­beit mehr zu­wies und da­mit ei­ne zwin­gen­de Mit­wir­kungs­hand­lung un­ter­ließ.

Der An­spruch ist auch der Höhe nach ge­recht­fer­tigt.

Die Höhe des Vergütungs­an­spruchs rich­tet sich nach dem Lohn­aus­fall­prin­zip. Da­nach ist der Ar­beit­neh­mer so zu stel­len, als wenn er während des An­nah­me­ver­zugs wei­ter­ge­ar­bei­tet hätte. Aus­weis­lich der Lohn­ab­rech­nung für April 2010 (Bl. 36 d. A.) ist der vom Kläger gel­tend ge­mach­te Be­trag ge­recht­fer­tigt.


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3. Die Wi­der­kla­ge auf Rück­zah­lung von Über­stun­den­ent­gelt in Höhe von EUR 16.207,70 brut­to (942,25 Über­stun­den x EUR 17,20 brut­to) ist be­reits un­zulässig.

Die Kla­ge ist nicht hin­rei­chend be­stimmt im Sin­ne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar er­langt der Ar­beit­neh­mer bei rechts­grund­lo­ser Gewährung des Brut­to­ar­beits­lohns nicht nur die Aus­zah­lung des ent­spre­chen­den Net­to­lohns und im Um­fang der ab­geführ­ten Steu­ern ei­ne ent­spre­chen­de Be­frei­ung ei­ner ge­genüber dem Fis­kus be­ste­hen­den Steu­er­schuld, son­dern auch durch die Abführung der Ar­beit­neh­mer­an­tei­le an die So­zi­al­ver­si­che­rung ei­ne Leis­tung oh­ne Rechts­grund. Hin­sicht­lich des So­zi­al­ver­si­che­rungs­an­teils er­langt er ei­nen Er­stat­tungs­an­spruch nach § 26 Abs. 2 SGB IV, der ihm nach § 26 Abs. 3 SGB IV al­lei­ne zu­steht. Dem­ent­spre­chend hat der Ar­beit­ge­ber ge­gen den Ar­beit­neh­mer nur ei­nen An­spruch auf Ab­tre­tung die­ses ge­gen den So­zi­al­ver­si­che­rungs­träger be­ste­hen­den An­spruchs. Die­sen Be­trag hätte die Be­klag­te von dem ein­ge­klag­ten Rück­zah­lungs­be­trag in Ab­zug brin­gen müssen. Da dies nicht er­folgt ist, ist die Wi­der­kla­ge auf Rück­zah­lung von Über­stun­den­ent­gelt nicht hin­rei­chend be­stimmt (vgl. BAG, Ur­teil vom 9. April 2008 – 4 AZR 164/07 –).

Die Wi­der­kla­ge ist aber auch un­be­gründet, da die Be­klag­te nicht schlüssig dar­ge­tan hat, dass der Kläger un­be­rech­tigt Über­stun­den ab­ge­rech­net hat. Auf die vor­ste­hen­den Ausführun­gen zur feh­len­den Recht­fer­ti­gung der frist­lo­sen Kündi­gung wird ver­wie­sen. Für die Vor­aus­set­zun­gen des Rück­for­de­rungs­an­spruchs ist die Be­klag­te als An­spruch­stel­le­rin eben­falls dar­le­gungs­pflich­tig.

4. Die Wi­der­kla­ge auf Zah­lung ei­ner Ver­trags­stra­fe nach § 13 des Ar­beits­ver­tra­ges ist schon des­halb un­be­gründet, weil der Kläger der Be­klag­ten kei­nen Grund zur frist­lo­sen Ent­las­sung ge­ge­ben hat­te.

Nach al­le­dem war die Be­ru­fung mit der Kos­ten­fol­ge nach § 97 ZPO zurück­zu­wei­sen.


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Die Re­vi­si­on war nicht zu­zu­las­sen. Es han­delt sich um ei­ne Ein­zel­fall­ent­schei­dung, bei der sich kei­ne Rechts­fra­gen stell­ten, die in der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung noch nicht geklärt sind.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

We­gen der Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de wird auf § 72a ArbGG ver­wie­sen.

 

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