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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 03.05.2014, 6 Sa 354/13

   
Schlagworte: Wiederholungskündigung, Kündigung: Wiederholungskündigung, Anhörung des Betriebsrats
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 6 Sa 354/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 03.05.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 6 Sa 354/13
3 Ca 479/13ArbG Flens­burg
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

Verkündet am 05.03.2014

gez. …
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

In dem Rechts­streit

pp.

hat die 6. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 05.03.2014 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt … als Vor­sit­zen­den und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter … als Bei­sit­zer und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter … als Bei­sit­zer
für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Flens­burg vom 22.08.2013 - 3 Ca 479/13 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist das Rechts­mit­tel der Re­vi­si­on nicht ge­ge­ben; im Übri­gen wird auf § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten, so­weit in der Be­ru­fung noch von In­ter­es­se, über die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen und hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung vom 08.04.2013.

Die Be­klag­te be­treibt in W. auf S. ei­ne Spiel­bank. Geschäftsführer der Be­klag­ten sind die Her­ren H. und K. . Die Be­klag­te wird durch die Geschäftsführer ge­mein­schaft­lich oder durch ei­nen Geschäftsführer ge­mein­sam mit ei­nem Pro­ku­ris­ten ver­tre­ten.

Der Kläger war bei der Be­klag­ten und de­ren Rechts­vorgänge­rin seit 1987 als Crou­pier tätig. Bei der Be­klag­ten ist ein einköpfi­ger Be­triebs­rat ge­bil­det. Der Kläger ist (zwei­tes) Er­satz­mit­glied des Be­triebs­rats. Am 27.03.2013 führ­te der Kläger mit dem Be­triebs­lei­ter der Be­klag­ten, Herrn St., ein Gespräch, des­sen In­halt zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist. Im An­schluss an die­ses Gespräch wur­de der Kläger von der Ar­beit frei­ge­stellt.

Mit Schrei­ben vom 27.03.2013 (An­la­ge B 2 = Bl. 46 – 48 d. A.) hörte die Be­klag­te den Be­triebs­rat zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen und hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung des Klägers an. Der Be­triebs­rat stimm­te mit Schrei­ben vom 02.04.2013 (An­la­ge B 3 = Bl. 49 d. A.) der or­dent­li­chen Kündi­gung zu, der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung hin­ge­gen nicht. Mit Schrei­ben vom 03.04.2013 (Bl. 19 d. A.) kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis des Klägers frist­los und hilfs­wei­se frist­ge­recht zum nächstmögli­chen Zeit­punkt. Auf dem Schrei­ben war die Un­ter­schrift des

 

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Geschäftsführers K. ein­ge­scannt. Ob das Schrei­ben die Ori­gi­nal­un­ter­schrift des Geschäftsführers H. trägt (so die Be­klag­te) oder nicht (so der Kläger), ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Das Kündi­gungs­schrei­ben vom 03.04.2013 ging dem Kläger am 04.04.2013 zu.

Oh­ne den Be­triebs­rat noch­mals an­zuhören, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis des Klägers mit Schrei­ben vom 08.04.2013 (Bl. 20 d. A.) er­neut frist­los und hilfs­wei­se frist­gemäß zum nächstmögli­chen Zeit­punkt. Das Schrei­ben wur­de dem Kläger am sel­ben Ta­ge persönlich über­ge­ben.

Mit sei­ner am 18.04.2013 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kündi­gungs­schutz­kla­ge hat sich der Kläger ge­gen die Kündi­gun­gen vom 03.04.2013 und 08.04.2013 ge­wandt. Die Be­klag­te hat im Lau­fe des Ver­fah­rens (Schrift­satz vom 30.05.2013) erklärt, aus dem Schrei­ben vom 03.04.2013 kei­ner­lei Rech­te her­zu­lei­ten. Nach­dem die Be­klag­te dies im Kam­mer­ter­min vom 22.08.2013 wie­der­holt hat­te, hat der Kläger die ge­gen die Kündi­gung vom 03.04.2013 ge­rich­te­te Kündi­gungs­schutz­kla­ge in der Haupt­sa­che für er­le­digt erklärt. Die Be­klag­te hat sich die­ser Tei­ler­le­di­gungs­erklärung an­ge­schlos­sen.

Im Lau­fe die­ses Ver­fah­rens kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis des Klägers mit Schrei­ben vom 14.06.2013 vor­sorg­lich frist­gemäß zum 31.01.2014. Die hier­ge­gen er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist Ge­gen­stand des Ver­fah­rens vor dem Ar­beits­ge­richt Flens­burg mit dem Ak­ten­zei­chen - 3 Ca 780/13 -.

Der Kläger hat ge­meint, auch die Kündi­gung vom 08.04.2013 ha­be das Ar­beits­verhält­nis nicht be­en­det. Es feh­le so­wohl an ei­nem wich­ti­gen Grund im Sin­ne von § 626 Abs. 1 BGB als auch an ei­nem ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gungs­grund im Sin­ne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. Er ha­be zu kei­nem Zeit­punkt mit Gästen zu­sam­men­ge­spielt oder Ab­spra­chen mit ih­nen ge­trof­fen. Falls er Bank­kar­ten ein­seh­bar ge­hal­ten ha­be, sei dies nicht vorsätz­lich ge­sche­hen. Die Be­klag­te ha­be ihn zu den von ihr er­ho­be­nen Vorwürfen nicht ord­nungs­gemäß an­gehört. Auch ha­be die Be­klag­te nicht be­ach­tet, dass er als Er­satz­mit­glied des Be­triebs­rats Son­derkündi­gungs­schutz ge­nieße. Er ha­be in der Ver­gan­gen­heit bei Ab­we­sen­heit des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und des­sen Stell­ver­tre­ter Be­triebs­rats­auf­ga­ben wahr­ge­nom­men. Sch­ließlich ha­be es die Be-

 

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klag­te versäumt, den Be­triebs­rat vor Aus­spruch der Kündi­gung vom 08.04.2013 er­neut an­zuhören.

Der Kläger hat be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis nicht durch die wei­te­re frist­lo­se Kündi­gung vom 08.04.2013, zu­ge­gan­gen am 08.04.2013, noch durch die hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­ne or­dent­li­che Kündi­gung be­en­det wor­den ist bzw. wird,

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, den Kläger zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen bis zur rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag längs­tens je­doch bis zum 31.01.2014 als Crou­pier wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das Ar­beits­verhält­nis sei durch die Kündi­gung vom 08.04.2013 be­en­det wor­den. Ihr Schrei­ben vom 03.04.2013 sei schon aus for­ma­len Gründen nicht als Kündi­gung an-zu­se­hen. Man­gels ord­nungs­gemäßer Ver­tre­tung könne sie hier­aus kei­ne Rech­te her­lei­ten. Des­halb ha­be es ei­ner er­neu­ten Anhörung des Be­triebs­rats vor Aus­spruch der Kündi­gung vom 08.04.2013 nicht be­durft. Im Übri­gen lie­ge der Kündi­gung vom 08.04.2013 der­sel­be Le­bens­sach­ver­halt zu­grun­de; die Kündi­gung sei in en­gem zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit der ers­ten Kündi­gung aus­ge­spro­chen wor­den. Der Be­triebs­rat ha­be der hilfs­wei­sen or­dent­li­chen Kündi­gung im Hin­blick auf das zerstörte Ver­trau­ens­verhält­nis vor­be­halt­los zu­ge­stimmt.

Die Be­klag­te hat be­haup­tet, der Kläger ha­be ei­ne schwer­wie­gen­de Ar­beits­pflicht­ver­let­zung be­gan­gen. Am 25./26.03.2013 in der Zeit von 23.45 Uhr bis 0.30 Uhr ha­be er am UTH-Po­ker­tisch beim Aus­tei­len der Spiel­kar­ten ent­ge­gen sei­ner sons­ti­gen Ar­beits­wei­se die Bank­kar­ten auffällig senk­recht vor sich ab­ge­legt, so dass sie für den Gast auf Platz 1 ein­seh­bar ge­we­sen sei­en. Am 27.03.2013 zwi­schen 0.05 Uhr und

 

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0.15 Uhr sei der glei­che Ab­lauf be­ob­ach­tet wor­den. Während die­ser Zeit ha­be der­sel­be Gast auf Platz 1 am Tisch ge­ses­sen. Als Crou­pier müsse der Kläger die Kar­ten ver­deckt auf­le­gen. Es be­ste­he je­den­falls der Ver­dacht ei­ner be­wuss­ten Ar­beits­pflicht­ver­let­zung.

Der Kläger ge­nieße kei­nen Son­derkündi­gungs­schutz nach § 15 KSchG. Die letz­te Be­triebs­ratstätig­keit des Klägers lie­ge länger als 12 Mo­na­te zurück.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Kündi­gung vom 08.04.2013 sei schon des­halb un­wirk­sam, weil der bei der Be­klag­ten ge­bil­de­te Be­triebs­rat vor­ab nicht noch ein­mal an­gehört wor­den sei. Es ha­be aber ei­ner er­neu­ten Anhörung be­durft. Bei dem Schrei­ben vom 03.04.2013 han­de­le es sich um ei­ne Kündi­gung. Die Be­klag­te ha­be ih­ren Kündi­gungs­wil­len mit der Kündi­gungs­erklärung vom 03.04.2013 ver­wirk­licht. Sie ha­be das Kündi­gungs­schrei­ben zur Post auf­ge­ge­ben und es sei dem Kläger am 04.04.2013 zu­ge­gan­gen.

Ge­gen das der Be­klag­ten am 20.09.2013 zu­ge­stell­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts hat die Be­klag­te am 08.10.2013 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 20.11.2013 be­gründet.

Die Be­klag­te meint, ei­ne er­neu­te Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats sei ent­behr­lich ge­we­sen, da der Be­triebs­rat mit Schrei­ben vom 27.03.2013 an­gehört wor­den sei und mit Schrei­ben vom 02.04.2013 der or­dent­li­chen Kündi­gung zu­ge­stimmt ha­be. We­gen der feh­len­den Un­ter­schrift des wei­te­ren Geschäftsführers auf dem Schrei­ben vom 03.04.2013 lie­ge noch kei­ne Kündi­gungs­erklärung der Be­klag­ten vor. Der Kündi­gungs­ent­schluss sei da­her noch nicht ver­wirk­licht. Die vom Ar­beits­ge­richt her­an­ge­zo­ge­nen Ent­schei­dun­gen sei­en auf den Streit­fall nicht an­wend­bar.

Die Be­klag­te be­an­tragt

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Flens­burg, Kam­mer 3, vom 22.08.2013 - Ak­ten­zei­chen 3 Ca 479/13 - zu­ge­stellt am 22.09.2013, ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

 

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Der Kläger be­an­tragt

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger ver­tei­digt die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts. Das Schrei­ben vom 03.04.2013 sei oh­ne wei­te­res ei­ne Kündi­gung, die dem Kläger auch zu­ge­gan­gen sei. Da­mit ha­be die Be­klag­te ih­ren Kündi­gungs­ent­schluss ver­wirk­licht. Vor ei­ner neu­er­li­chen Kündi­gung ha­be es ei­ner er­neu­ten Be­triebs­rats­anhörung be­durft.

We­gen des wei­te­ren Vor­trags der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe:

I. Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung der Be­klag­ten ist zulässig. Sie ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO.

II. Die Be­ru­fung hat in der Sa­che kei­nen Er­folg. Die außer­or­dent­li­che und hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gung vom 08.04.2013 ist schon nach § 102 Abs. 2 Satz 3 Be­trVG un­wirk­sam, weil der Be­triebs­rat zu ih­rem Aus­spruch nicht ord­nungs­gemäß an­gehört wor­den ist. Ei­ne Anhörung des Be­triebs­rats hat vor Aus­spruch der Kündi­gung nicht statt­ge­fun­den. Die zu­vor er­folg­te Anhörung des Be­triebs­rats zur außer­or­dent­li­chen und hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung vom 03.04.2013 mach­te ei­ne er­neu­te Anhörung nicht ent­behr­lich.

1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 3 Be­trVG ist ei­ne oh­ne Anhörung des Be­triebs­rats aus-ge­spro­che­ne Kündi­gung un­wirk­sam. Nach Satz 1 der Vor­schrift ist der Be­triebs­rat vor je­der Kündi­gung zu hören. Das Anhörungs­ver­fah­ren nach § 102 Be­trVG ent­fal­tet nur für die Kündi­gung Wirk­sam­keit, für die es ein­ge­lei­tet wor­den ist (BAG 10.11.2005 – 2 AZR 623/04 -, zi­tiert nach Ju­ris). Der Ar­beit­ge­ber hat dem­nach grundsätz­lich für

 

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je­de Kündi­gung ein Anhörungs­ver­fah­ren nach § 102 Be­trVG durch­zuführen (BAG, aaO.).

Ei­ner - er­neu­ten - Anhörung des Be­triebs­rats be­darf es schon im­mer dann, wenn der Ar­beit­ge­ber be­reits nach Anhörung des Be­triebs­rats ei­ne Kündi­gung erklärt hat, d. h. wenn die ers­te Kündi­gung dem Ar­beit­neh­mer zu­ge­gan­gen ist und der Ar­beit­ge­ber da­mit sei­nen Kündi­gungs­wil­len ver­wirk­licht hat und nun­mehr ei­ne neue (wei­te­re) Kündi­gung aus­spre­chen will. Das gilt auch dann, wenn der Ar­beit­ge­ber die Kündi­gung auf den glei­chen Sach­ver­halt stützt. Das Ge­stal­tungs­recht und die da­mit im Zu­sam­men­hang ste­hen­de Be­triebs­rats­anhörung ist mit dem Zu­gang der Kündi­gungs­erklärung ver­braucht (BAG, aaO.; 16.09.1993 – 2 AZR 267/93 -; 05.09.2002 – 2 AZR 523/01 -; 03.04.2008 – 2 AZR 965/06 - je­weils zi­tiert nach Ju­ris). Das gilt ins­be­son­de­re auch in den Fällen, in de­nen der Ar­beit­ge­ber we­gen Be­den­ken ge­gen die Wirk­sam­keit der or­dent­li­chen Kündi­gung vor­sorg­lich er­neut kündigt (BAG, aaO.). Et­was an­de­res kommt nur in den Aus­nah­mefällen in Be­tracht, in de­nen der Ar­beit­ge­ber sei­nen Kündi­gungs­ent­schluss noch nicht ver­wirk­licht hat. Nur dann kann ei­ne er­neu­te Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats ent­behr­lich sein, wenn das frühe­re Anhörungs­ver­fah­ren ord­nungs­gemäß war, der Be­triebs­rat der Kündi­gung vor­be­halt­los zu­ge­stimmt hat und ei­ne Wie­der­ho­lungskündi­gung in an­ge­mes­se­nem zeit­li­chem Zu­sam­men­hang aus­ge­spro­chen und auf den­sel­ben Sach­ver­halt gestützt wird (BAG 10.11.2005 – 2 AZR 623/04 -; 16.09.1993 – 2 AZR 267/93 -, zi­tiert nach Ju­ris).

2. Ei­ne aus­drück­li­che Anhörung des Be­triebs­rats zur außer­or­dent­li­chen und hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung vom 08.04.2013 ist nach Zu­gang des Schrei­bens vom 03.04.2013 nicht er­folgt. An­ders als die Be­klag­te meint, hätte es aber ei­ner er­neu­ten Anhörung des Be­triebs­rats be­durft.

3. Durch den Aus­spruch der außer­or­dent­li­chen und hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung vom 03.04.2013, aus der die Be­klag­te im Ein­ver­neh­men mit dem Kläger kei­ne Rech­te mehr her­lei­tet, hat­te die Be­klag­te ih­ren Kündi­gungs­wil­len be­reits ver­wirk­licht. Da­mit war die Be­triebs­rats­anhörung vom 27.03.2013 „ver­braucht“.

4. Die Anhörung des Be­triebs­rats vom 27.03.2013 mach­te ei­ne er­neu­te Anhörung des Be­triebs­rats zur Kündi­gung vom 08.04.2013 nicht ent­behr­lich. Es liegt kein Aus-

 

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nah­me­fall ei­ner „Wie­der­ho­lungskündi­gung“ vor, in dem es kei­ner er­neu­ten Be­triebs­rats­anhörung be­durft hätte. Ein Aus­nah­me­fall, in dem ei­ne er­neu­te Be­triebs­rats­be­tei­li­gung nicht er­for­der­lich ist, kommt nur dann in Be­tracht, wenn der Ar­beit­ge­ber sei­nen Kündi­gungs­ent­schluss noch nicht ver­wirk­licht hat. Nur dann kommt es dar­auf an, ob das frühe­re Anhörungs­ver­fah­ren ord­nungs­gemäß war, der Be­triebs­rat der Kündi­gung vor­be­halt­los zu­ge­stimmt hat und die wei­te­re Kündi­gung in an­ge­mes­se­nem zeit­li­chen Zu­sam­men­hang aus­ge­spro­chen und auf den­sel­ben Sach­ver­halt gestützt wird.

Die Be­klag­te hat ih­ren Kündi­gungs­ent­schluss mit Zu­gang ih­res Schrei­bens vom 03.04.2013 beim Kläger ver­wirk­licht. Das Ar­beits­ge­richt hat das Schrei­ben zu Recht als Kündi­gung an­ge­se­hen. Die Kündi­gung ist ei­ne pri­vat­recht­li­che, ein­sei­ti­ge, emp­fangs­bedürf­ti­ge, rechts­ge­stal­ten­de Wil­lens­erklärung, durch die das Ar­beits­verhält­nis für die Zu­kunft auf­gelöst wer­den soll (KR Grie­be­ling, § 1 KSchG Rn. 151). Maßgeb­lich ist, wie der Erklärungs­empfänger nach der all­ge­mei­nen Ver­kehrs­sit­te und un­ter Berück­sich­ti­gung von Treu und Glau­ben die ihm zu­ge­gan­ge­ne Erklärung auf­fas­sen muss­te (KR aaO). Dass es sich hier aus Sicht des Klägers um ei­ne Kündi­gung in die­sem Sin­ne han­delt, er­gibt sich be­reits aus dem Be­treff. Außer­dem heißt es in dem Schrei­ben aus­drück­lich, dass „hier­mit“ das be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis gekündigt wer­de. Das Schrei­ben vom 03.04.2013 ist auch nicht als Ent­wurf ge­kenn­zeich­net. Viel­mehr ist es - nach dem Vor­trag der Be­klag­ten - von ei­nem der Geschäftsführer un­ter­zeich­net wor­den, was die Kündi­gungs­ab­sicht be­legt.

Un­er­heb­lich ist, dass die Kündi­gung vom 03.04.2013 nicht auch die Ori­gi­nal­un­ter­schrift des Geschäftsführers K. trägt. Sei­ne ein­ge­scann­te Un­ter­schrift auf dem Kündi­gungs­schrei­ben ist kei­ne Un­ter­schrift i.S.v. § 126 Abs. 1 BGB. Da­mit ha­ben zwar nicht, wie nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Gmb­HG er­for­der­lich, zwei ver­tre­tungs­be­rech­tig­te Per­so­nen un­ter­schrie­ben. Die Be­klag­te war al­so bei Aus­spruch der Kündi­gung nicht wirk­sam ver­tre­ten, da der Geschäftsführer H. nicht al­lein han­deln durf­te. An dem Cha­rak­ter des Schrei­bens als Kündi­gung ändert das aber eben­so we­nig wie ei­ne et­wai­ge Nich­tig­keit der Kündi­gung gemäß §§ 623, 125 Satz 1 BGB. Auch die oh­ne die nöti­ge Ver­tre­tungs­macht aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung ist ei­ne Kündi­gung, wenn auch ei­ne gemäß § 174 BGB mögli­cher­wei­se un­wirk­sa­me. Da­von geht der Ge­setz­ge­ber aus, denn an­de­ren­falls wäre ei­ne Kündi­gung nicht gemäß §§ 177 Abs. 1, 180

 

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Satz 2 BGB ge­neh­mi­gungsfähig (vgl. zur Ge­neh­mi­gung BAG 11.12.1997 - 8 AZR 699/96 -).

Die Be­klag­te hat ih­ren Kündi­gungs­wil­len mit Zu­gang der Kündi­gungs­erklärung vom 03.04.2013 ver­wirk­licht. Das Kündi­gungs­schrei­ben ist zur Post auf­ge­ge­ben wor­den und dem Kläger am 04.04.2013 auch zu­ge­gan­gen. Da­mit ist die Kündi­gungs­erklärung in den Rechts­ver­kehr ge­langt.

Darüber hin­aus hat der Be­triebs­rat der Kündi­gung nicht vor­be­halt­los zu­ge­stimmt, viel­mehr hat er der frist­lo­sen Kündi­gung wi­der­spro­chen. Dem­nach fehlt es an ei­ner wei­te­ren Vor­aus­set­zung dafür, dass es vor der „Wie­der­ho­lungskündi­gung“ kei­ner er­neu­ten Anhörung des Be­triebs­rats be­durf­te.

III. Die Be­klag­te hat die Kos­ten ih­rer er­folg­lo­sen Be­ru­fung zu tra­gen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Grund zur Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­steht nicht, da die Vor­aus­set­zun­gen gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor­lie­gen.

gez. …

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