HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 08.09.2011, 2 AZR 388/10

   
Schlagworte: Betriebsratsmitglied, Ersatzmitglied, Kündigungsschutz
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 388/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 08.09.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Wuppertal, Urteil vom 24.11.2009, 7 Ca 1658/09,
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2010, 16 Sa 59/10
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

2 AZR 388/10
16 Sa 59/10
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Düssel­dorf

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
8. Sep­tem­ber 2011

UR­TEIL

Frei­tag, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 8. Sep­tem­ber 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Kreft, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Schmitz-Scho­le­mann, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Ber­ger so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Grim­berg und Dr. Nie­b­ler für Recht er­kannt:


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Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 26. April 2010 - 16 Sa 59/10 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

 

Tat­be­stand

 

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen Kündi­gung. 

1
Die Be­klag­te be­treibt in W die Ver­wal­tung, den Neu­bau, die Sa­nie­rung und den Ver­kauf von Im­mo­bi­li­en. Sie beschäftigt et­wa 100 Ar­beit­neh­mer. Der 1958 ge­bo­re­ne Kläger war bei ihr seit dem 1. Ju­li 1997 als sog. Klein­in­stand­hal­ter und Außen­dienst­tech­ni­ker tätig. 2
Bei der Be­klag­ten ist ein fünfköpfi­ger Be­triebs­rat gewählt. Der Kläger war zu­letzt ers­tes Er­satz­mit­glied. Am 10. März 2009 wur­de er zu ei­ner Be­triebs­rats­sit­zung her­an­ge­zo­gen. 3
Zu den Ar­beits­auf­ga­ben des Klägers gehörte es, Im­mo­bi­li­en im Stadt­ge­biet auf­zu­su­chen, um dort ggf. Ab­nah­men durch­zuführen, Gespräche mit Hand­wer­kern zu führen und sons­ti­ge Ar­bei­ten zu er­le­di­gen. Die er­for­der­li­chen Fahr­ten führ­te er mit sei­nem pri­va­ten Pkw durch. Zum Nach­weis hat­te er ein Fahr­ten­buch zu führen. Die Be­klag­te er­stat­te­te ihm für je­den dienst­lich ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter 0,30 Eu­ro. 4
Die be­trieb­li­che Ar­beits­zeit­re­ge­lung sieht ei­ne Ker­nar­beits­zeit von 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr vor. Ab 6:00 Uhr können Ar­beits­zei­ten er­fasst wer­den. 5

Am 3. Fe­bru­ar 2009 be­auf­trag­te die Be­klag­te we­gen - aus ih­rer Sicht - auf­fal­lend ho­her Ki­lo­me­ter­ab­rech­nun­gen ei­ne De­tek­tei mit der Be­ob­ach­tung der Außen­diensttätig­keit des Klägers. Die De­tek­tei nahm an vier Ta­gen En­de Fe­bru­ar 2009 und in der Zeit vom 15. bis 20. März 2009 Ob­ser­va­tio­nen vor. Hier­für stell­te sie der Be­klag­ten ei­nen Be­trag von rund 26.000,00 Eu­ro in Rech-


 

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nung. Das Fahr­ten­buch für März 2009 leg­te der Kläger am 3. April 2009 vor. Am 6. April 2009 glich der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten die dor­ti­gen Ein­tra­gun­gen mit den Fest­stel­lun­gen der De­tek­tei ab. Dar­aus ging her­vor, dass der Kläger für zwei Ta­ge im Fe­bru­ar und drei Ta­ge im März 2009 Fahrt­zie­le ein­ge­tra­gen hat­te, die er nicht an­ge­fah­ren hat­te. Außer­dem er­gab sich, dass er an man­chen Ta­gen während der Ar­beits­zeit pri­va­te An­ge­le­gen­hei­ten ver­rich­tet hat­te, im Ein­zel­fall bis zu 20 Mi­nu­ten.

6
Am 7. April 2009 wur­de die Be­klag­te in Per­son ih­res Geschäftsführers über das Er­geb­nis der Be­ob­ach­tung und des Ab­gleichs un­ter­rich­tet. Mit Schrei­ben vom sel­ben Tag hörte sie den Be­triebs­rat zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten frist­lo­sen Kündi­gung des Klägers an. Am 14. April 2009 be­schloss der Be­triebs­rat durch sei­ne or­dent­li­chen Mit­glie­der, „die Zu­stim­mung“ zur Kündi­gung zu ver­wei­gern. Er war - an­ders als die Be­klag­te - der Auf­fas­sung, dem Kläger ste­he auf­grund frühe­ren Nachrückens in das Gre­mi­um der Son­derkündi­gungs­schutz nach § 103 Be­trVG zu. 7
Eben­falls am 7. April 2009 hörte die Be­klag­te den Kläger zum Er­geb­nis ih­rer Er­mitt­lun­gen an. Zu­gleich stell­te sie ihn von der Ar­beits­leis­tung frei und er­teil­te ihm Haus­ver­bot. Mit Schrei­ben vom 14. April 2009 räum­te der Kläger ein, an zwei Ta­gen kurz­zei­tig während der Ar­beits­zeit pri­va­te Din­ge er­le­digt zu ha­ben. Ei­nen vorsätz­li­chen Spe­sen­be­trug be­stritt er. 8
Am 14. April 2009 be­wil­lig­te die Be­klag­te ei­nem or­dent­li­chen Be­triebs­rats­mit­glied Er­ho­lungs­ur­laub für den 15. und den 20. April 2009. 9
Mit Schrei­ben vom 15. April 2009, das dem Kläger um 10:00 Uhr des­sel­ben Tags durch Bo­ten zu­ge­stellt wur­de, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner Tatkündi­gung außeror­dent­lich frist­los. Um 16:00 Uhr des Tags nahm das be­ur­laub­te Be­triebs­rats­mit­glied - nach te­le­fo­ni­scher Ab­stim­mung mit der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den - trotz Ur­laubs an ei­nem Be­ra­tungs­gespräch in ei­ner Rechts­an­walts­kanz­lei teil. Das Gespräch dien­te der Ab­stim­mung des wei­te­ren Vor­ge­hens im Fall des Klägers. 10

Mit Schrei­ben vom 21. und 22. April 2009 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis er­neut je­weils frist­los, dies­mal un­ter dem Ge­sichts­punkt des Ver-


 

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dachts. Da­ne­ben be­an­trag­te sie vor­sorg­lich beim Ar­beits­ge­richt die Er­set­zung der Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zu ei­ner noch aus­zu­spre­chen­den frist­lo­sen Kündi­gung. Hierüber wer­den ge­trenn­te Ver­fah­ren geführt, die der­zeit aus­ge­setzt sind.

11

Der Kläger hat ge­gen die Kündi­gung vom 15. April 2009 recht­zei­tig die vor­lie­gen­de Kla­ge er­ho­ben. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, er ha­be sei­ne Ar­beits­pflich­ten je­den­falls nicht schwer­wie­gend ver­letzt. Im Übri­gen sei die Kün­di­gung schon des­halb un­wirk­sam, weil sie oh­ne die nach § 103 Abs. 1 Be­trVG er­for­der­li­che Zu­stim­mung des Be­triebs­rats er­folgt sei. Ihm ha­be bei Zu­gang der Kündi­gung Kündi­gungs­schutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG zu­ge­stan­den. Er sei am Mor­gen des 15. April 2009 für das ur­laubs­be­dingt ver­hin­der­te or­dent­li­che Mit­glied in den Be­triebs­rat nach­gerückt. Der An­nah­me ei­nes Ver­hin­de­rungs­falls ste­he nicht ent­ge­gen, dass die­ses Mit­glied am Nach­mit­tag des Ta­ges ei­nen auswärti­gen Be­ra­tungs­ter­min wahr­ge­nom­men ha­be. Für ei­ne Ver­hin­de­rung des or­dent­li­chen Mit­glieds je­den­falls bis zum Be­ginn des Be­ra­tungs­ter­mins spre­che auch die - un­strei­ti­ge - Hin­zu­zie­hung ei­nes an­de­ren Er­satz­mit­glieds zu ei­ner um die Mit­tags­zeit des 15. April 2009 durch­geführ­ten Be­triebs­rats­sit­zung, an der teil­zu­neh­men er selbst we­gen ei­ge­ner Be­trof­fen­heit ver­hin­dert ge­we­sen sei.

12

Der Kläger hat be­an­tragt

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die außer­or­dent­li­che, frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten vom 15. April 2009 nicht auf­gelöst wor­den ist.

13
Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen, wi­der­kla­gend,

den Kläger zu ver­ur­tei­len, an sie 26.032,38 Eu­ro nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 5. Mai 2009 zu zah­len.

14

Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ein wich­ti­ger Grund iSv. § 626 BGB lie­ge vor. Der Kläger ha­be ei­nen vorsätz­li­chen Ar­beits­zeit- und Spe­sen­be­trug be­gan­gen. Da­mit sei die Kündi­gung auch un­ter Berück­sich­ti­gung ei­nes ihm auf­grund der Be­triebs­ratstätig­keit vom 10. März 2009 zu­ste­hen­den


 

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nach­wir­ken­den Kündi­gungs­schut­zes gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG wirk­sam. Be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG könne der Kläger da­ge­gen nicht be­an­spru­chen. Im Kündi­gungs­zeit­punkt ha­be man­gels Ver­hin­de­rung des or­dent­li­chen Be­triebs­rats­mit­glieds kein Fall der Stell­vert­re­tung vor­ge­le­gen. Das or­dent­li­che Be­triebs­rats­mit­glied ha­be sich während sei­nes Ur­laubs am Ort des Be­triebs­sit­zes auf­ge­hal­ten. Das in­di­zie­re die Be­reit­schaft, Be­triebs­rats­auf­ga­ben wahr­zu­neh­men. Zu­dem ha­be das Mit­glied der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den am Vor­tag zu­ge­sagt, trotz sei­nes Ur­laubs für Be­triebs­ratstätig­kei­ten zur Verfügung zu ste­hen. Un­abhängig da­von ha­be ein Kündi­gungs­schutz für den Kläger frühes­tens mit Be­ginn der Ker­nar­beits­zeit ein­ge­setzt; das Kündi­gungs­schrei­ben ha­be aber be­reits um 8:30 Uhr ih­ren Macht­be­reich ver­las­sen. Der Kläger ha­be über­dies Be­triebs­rats­auf­ga­ben nicht wahr­ge­nom­men. Auch sei er durch die Frei­stel­lung und das Haus­ver­bot selbst an der Ausübung des Be­triebs­rats­amts ver­hin­dert ge­we­sen. Im Übri­gen sei es ihm nach Treu und Glau­ben ver­wehrt, sich auf den Son­derkündi­gungs­schutz zu be­ru­fen. Er ha­be sich die­sen im kol­lu­si­ven Zu­sam­men­wir­ken mit dem or­dent­li­chen Be­triebs­rats­mit­glied ver­schafft. Was die mit der Wi­der­kla­ge gel­tend ge­mach­ten De­tek­tiv­kos­ten an­ge­he, so sei die Be­auf­tra­gung ei­ner De­tek­tei zur Aufklärung des Ver­dachts auf er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zun­gen sei­tens des Klägers er­for­der­lich ge­we­sen.

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Der Kläger hat be­an­tragt, die Wi­der­kla­ge ab­zu­wei­sen. 16
Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge nach Be­weis­auf­nah­me durch Teil­ur­teil statt­ge­ge­ben. Über die Wi­der­kla­ge hat es nicht ent­schie­den. Das Lan­de­sar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ihr Be­geh­ren wei­ter, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. 17

 

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist un­be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist durch die Kündi­gung vom 15. April 2009 nicht auf­gelöst wor­den. Die


 

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Kündi­gung ist, wie die Vor­in­stan­zen zu­tref­fend er­kannt ha­ben, nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 Abs. 1 Be­trVG un­wirk­sam, da sie oh­ne die er­for­der­li­che Zu­stim­mung des Be­triebs­rats erklärt wor­den ist.

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I. Das Zu­stim­mungs­er­for­der­nis er­gibt sich nicht schon aus der Be­triebs­ratstätig­keit des Klägers vom 10. März 2009. Der Ver­hin­de­rungs­fall, der die­ser Tätig­keit zu­grun­de lag, be­stand im Kündi­gungs­zeit­punkt un­strei­tig nicht mehr. Der Kläger konn­te sich we­gen sei­ner frühe­ren Be­triebs­ratstätig­keit dem­zu­fol­ge nur auf den nach­wir­ken­den Kündi­gungs­schutz aus § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG be­ru­fen, oh­ne dass es zu­dem ei­ner Zu­stim­mung des Be­triebs­rats be­durft hätte (vgl. BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 22 mwN, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5; 12. Fe­bru­ar 2004 - 2 AZR 163/03 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 15 Er­satz­mit­glied Nr. 1 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 56). 19
II. Die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zur Kündi­gung war des­halb not­wen­dig, weil der Kläger am 15. April 2009 mit Be­ginn die­ses Ar­beits­tags für das ur­laubs­be­dingt ver­hin­der­te Be­triebs­rats­mit­glied er­neut in den Be­triebs­rat nach­gerückt war. Ihm stand da­mit im Kündi­gungs­zeit­punkt der be­son­de­re Kündi­gungs­schutz aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG zu. 20
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündi­gung ei­nes Mit­glieds­des Be­triebs­rats un­zulässig, es sei denn, dass Tat­sa­chen vor­lie­gen, die den Ar­beit­ge­ber zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung aus wich­ti­gem Grund oh­ne Einhal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist be­rech­ti­gen, und dass die nach § 103 Be­trVG er­for­der­li­che Zu­stim­mung des Be­triebs­rats vor­liegt oder durch ge­richt­li­che Ent­schei­dung er­setzt ist. 21
2. Die­ser be­son­de­re Kündi­gungs­schutz gilt auch für Er­satz­mit­glie­der, so­weit und so­lan­ge sie ein ver­hin­der­tes or­dent­li­ches Er­satz­mit­glied im Be­triebs­rat ver­tre­ten. 22
a) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG rückt ein Er­satz­mit­glied in den Be­triebs­rat nach, so­fern ein or­dent­li­ches Mit­glied aus die­sem aus­schei­det. Das gilt

 

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nach § 25 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG ent­spre­chend für die Dau­er der Stell­ver­tre­tung ei­nes zeit­wei­lig ver­hin­der­ten or­dent­li­chen Mit­glieds.

23
b) Ei­ne zeit­wei­li­ge Ver­hin­de­rung in die­sem Sin­ne liegt vor, wenn ein Be­triebs­rats­mit­glied aus recht­li­chen oder tatsächli­chen Gründen nicht in der La­ge ist, sein Amt aus­zuüben (BAG 23. Au­gust 1984 - 2 AZR 391/83 - zu B II 1 a der Gründe, BA­GE 46, 258). Die­se Vor­aus­set­zung ist während des Er­ho­lungs­ur­laubs ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds je­den­falls dann erfüllt, wenn es nicht zu­vor sei­ne Be­reit­schaft an­ge­zeigt hat, trotz des Ur­laubs für Be­triebs­ratstätig­kei­ten zur Verfügung zu ste­hen. 24
aa) Die Fra­ge, ob die Gewährung von Er­ho­lungs­ur­laub stets zu ei­ner Ver­hin­de­rung iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG führt, wird un­ter­schied­lich be­ant­wor­tet. 25
(1) Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat sich mit der Pro­ble­ma­tik vor­nehm­lich aus der Sicht des be­ur­laub­ten Be­triebs­rats­mit­glieds be­fasst. Zur ur­laubs­recht­li­chen Be­hand­lung frei­ge­stell­ter Be­triebs­rats­mit­glie­der hat es aus­geführt, die Gewäh­rung von Er­ho­lungs­ur­laub be­wir­ke, dass das Be­triebs­rats­mit­glied von sei­ner be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Amtstätig­keit sus­pen­diert wer­de. Dar­aus fol­ge, dass Ur­laub ein Ver­hin­de­rungs­grund für die Teil­nah­me an Be­triebs­rats­sit­zun­gen iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG sei (BAG 20. Au­gust 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 1 der Gründe, BA­GE 102, 251). In ei­ner älte­ren Ent­schei­dung (BAG 24. Ju­ni 1969 - 1 ABR 6/69 - zu D der Gründe, AP Be­trVG § 39 Nr. 8 = EzA Be­trVG § 39 Nr. 3) ging es um die Fra­ge, ob ei­nem or­dent­li­chen Be­triebs­rats­mit­glied An­spruch auf Er­stat­tung von Fahrt­kos­ten für die An­rei­se zu ei­ner Be­triebs­rats­sit­zung zu­stand, an der es während sei­nes Ur­laubs teil­ge­nom­men hat­te. In die­sem Zu­sam­men­hang hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­schie­den, das Be­triebs­rats­mit­glied sei zwar we­gen sei­ner ur­laubs­be­ding­ten Ver­hin­de­rung nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, an der Be­triebs­rats­sit­zung teil­zu­neh­men, sei da­zu aber be­rech­tigt ge­we­sen. 26

(2) Im Schrift­tum wird teil­wei­se die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Gewährung von Er­ho­lungs­ur­laub be­gründe nicht in je­dem Fall ei­ne Ver­hin­de­rung iSv. § 25


 

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Abs. 1 Satz 2 Be­trVG (DKK/Busch­mann Be­trVG 12. Aufl. § 25 Rn. 17; Fit­ting Be­trVG 25. Aufl. § 25 Rn. 21; Ste­ge/Wein­s­pach/Schie­fer Be­trVG 9. Aufl. § 25 Rn. 4; WPK/Wlotz­ke Be­trVG 4. Aufl. § 25 Rn. 10; Brill BlStSozArbR 1983, 177, 179; Uh­mann NZA 2000, 576, 579). Ins­be­son­de­re dann, wenn sich das Be­triebs­rats­mit­glied während des Ur­laubs in der Nähe des Be­triebs­sit­zes auf­hal­te, müsse im Rah­men ei­ner Ein­zel­fall­be­wer­tung geklärt wer­den, ob die mit der Ur­laubs­gewährung ver­bun­de­ne Frei­stel­lung von der Ar­beits­pflicht ei­ne zeit­wei­li­ge Ver­hin­de­rung be­wir­ke. Von ei­ner tatsächli­chen Ver­hin­de­rung sei aus­zu­ge­hen, wenn die Amts­ausübung dem Be­triebs­rats­mit­glied persönlich un­zu­mut­bar sei (AnwK/Klop­pen­burg 2. Aufl. § 25 Be­trVG Rn. 8; Fit­ting Be­trVG 25. Aufl. § 25 Rn. 21; ähn­lich wohl Ey­lert in: Schwar­ze/Ey­lert/Schra­der KSchG § 15 Rn. 27).

27
(3) Ein an­de­rer Teil der Leh­re (GK-Be­trVG/Oet­ker 9. Aufl. § 25 Rn. 17) und mit ihm ei­ni­ge In­stanz­ge­rich­te (LAG Rhein­land-Pfalz 9. April 2001 - 7 Sa 54/01 -; ArbG Em­den 13. De­zem­ber 1978 - 1 Ca 420/78 - ARST 1979, 132; für das Per­so­nal­ver­tre­tungs­recht: VG Müns­ter 28. Au­gust 1986 - 2 PVB 3/86 - ZBR 87, 55) ge­hen da­von aus, Er­ho­lungs­ur­laub be­gründe stets ei­ne ob­jek­ti­ve recht­li­che Ver­hin­de­rung an der Wahr­neh­mung der Be­triebs­ratstätig­keit. Dem ist das Lan­des­ar­beits­ge­richt im an­ge­foch­te­nen Be­ru­fungs­ur­teil mit der Ein­schrän­kung ge­folgt, ei­ne Ver­hin­de­rung be­ste­he je­den­falls so lan­ge, bis das be­ur­laub­te Be­triebs­rats­mit­glied sei­ne Be­reit­schaft zur Wahr­neh­mung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben po­si­tiv an­zei­ge. 28

bb) Der Se­nat schließt sich im Er­geb­nis den Ausführun­gen des Lan­de­sar­beits­ge­richts an. Wird ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied Er­ho­lungs­ur­laub be­wil­ligt, führt dies nicht nur zum Ru­hen sei­ner Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung, son­dern zu­gleich zur Su­s­pen­die­rung sei­ner Amts­pflich­ten. Dem Be­triebs­rats­mit­glied wird zwar auf­grund des Er­ho­lungs­ur­laubs die Ver­rich­tung sei­ner Amts­pflich­ten nicht oh­ne Wei­te­res ob­jek­tiv unmöglich, grundsätz­lich aber un­zu­mut­bar. Das be­ur­laub­te Be­triebs­rats­mit­glied gilt zu­min­dest so lan­ge als zeit­wei­lig ver­hin­dert, bis es sei­ne Be­reit­schaft, gleich­wohl Be­triebs­ratstätig­kei­ten zu ver­rich­ten, po­si­tiv an­zeigt.


 

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(1) Zwar han­delt es sich bei der Erfüllung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben um die Wahr­neh­mung ei­nes Eh­ren­amts (§ 37 Abs. 1 Be­trVG) und nicht um ei­ne dem Ur­laubs­zweck ent­ge­gen­ste­hen­de Er­werbstätig­keit iSv. § 8 BUrlG. Es wi­der­spräche aber dem auf Er­ho­lung aus­ge­rich­te­ten Sinn der Be­frei­ung von der Ar­beits­pflicht, nicht zu­gleich von der Be­triebs­ratstätig­keit be­freit zu sein. Die Wahr­neh­mung des Be­triebs­rats­amts während des Ur­laubs ist dem Be­triebs­rats­mit­glied des­halb, auch wenn sie ob­jek­tiv möglich sein soll­te, ty­pi­scher­wei­se un­zu­mut­bar. Die Rechts­la­ge ist der bei der El­tern­zeit, für die das Bun­de­sar­beits­ge­richt an­ge­nom­men hat, sie führe nicht zwin­gend zu ei­ner Ver­hin­de­rung iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 7 ABR 45/04 - Rn. 17, AP Be­trVG 1972 § 24 Nr. 13 = EzA Be­trVG 2001 § 40 Nr. 9), schon des­halb nicht ver­gleich­bar, weil der Ar­beit­neh­mer während der El­tern­zeit so­gar die Möglich­keit hat, ei­ner ge­werb­li­chen Tätig­keit - in Teil­zeit - nach­zu­ge­hen. 30
Auch bei der Ar­beits­unfähig­keit we­gen Krank­heit kann es Fälle ge­ben, in de­nen die Er­kran­kung den Ar­beit­neh­mer zwar außer­stan­de setzt, sei­ne Ar­beits­pflich­ten zu erfüllen, nicht aber sein Be­triebs­rats­amt wahr­zu­neh­men (BAG 15. No­vem­ber 1984 - 2 AZR 341/83 - zu B IV 1 der Gründe, BA­GE 47, 201). 31

(2) Zu­dem spre­chen Gründe der Prak­ti­ka­bi­lität und Rechts­si­cher­heit dafür, dass mit der Ur­laubs­gewährung re­gelmäßig ei­ne Su­s­pen­die­rung der Pflicht zur Wahr­neh­mung des Be­triebs­rats­amts ein­her­geht. Hin­ge die Be­ur­tei­lung, ob ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied während des Ur­laubs ei­ne Be­triebs­ratstätig­keit persönlich zu­mut­bar ist oder nicht, von den Umständen des Ein­zel­falls ab, würde dies die Fest­stel­lung ei­ner Ver­hin­de­rung er­heb­lich er­schwe­ren. Dies wie­der­um würde zum ei­nen die Funk­ti­onsfähig­keit des Be­triebs­rats be­ein­träch­ti­gen. Zum an­de­ren wären Be­triebs­rats­be­schlüsse, die in Ab­we­sen­heit ei­nes be­ur­laub­ten Be­triebs­rats­mit­glieds ge­fasst wer­den, mit ei­nem nicht un­er­heb­li­chen Ri­si­ko der Un­wirk­sam­keit be­haf­tet. Ei­ne Ein­zel­fall­be­trach­tung lie­fe zu­dem dar­auf hin­aus, Umstände zu er­for­schen, die der pri­va­ten Ur­laubs­ge­stal­tung und da­mit dem engs­ten persönli­chen Le­bens­be­reich des Be­triebs­rats­mit­glieds zu­zu­ord­nen sind (vgl. Ha­Ko-Be­trVG/Düwell 3. Aufl. § 25 Rn. 9; Ri­char­di/Thüsing Be­trVG 12. Aufl. § 25 Rn. 15; WPK/Wlotz­ke Be­trVG 4. Aufl. § 25 Rn. 10). Es


 

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be­darf des­halb ein­fa­cher, kla­rer Kri­te­ri­en für die Fest­stel­lung ei­ner zeit­wei­li­gen Ver­hin­de­rung. Die­sem Ver­lan­gen der Rechts­si­cher­heit ist am ehes­ten Genüge ge­tan, wenn die Ur­laubs­gewährung grundsätz­lich zur Ver­hin­de­rung des Be­triebs­rats­mit­glieds führt, es sei denn, die­ses hätte sei­ne Be­reit­schaft zur Be­triebs­ratstätig­keit po­si­tiv, ggf. kon­klu­dent an­ge­zeigt. So­lan­ge ei­ne sol­che - po­si­ti­ve - An­zei­ge nicht vor­liegt, ist das be­ur­laub­te Be­triebs­rats­mit­glied iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG als ver­hin­dert an­zu­se­hen (im Er­geb­nis eben­so Ha­Ko-Be­trVG/Düwell 3. Aufl. § 25 Rn. 9).

32
c) Das Er­satz­mit­glied er­wirbt den Son­derkündi­gungs­schutz­schutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für die Dau­er der Ver­hin­de­rung des Be­triebs­rats­mit­glieds. Der Schutz hängt nicht da­von ab, dass das Er­satz­mit­glied während der Ver­tre­tungs­zeit tatsächlich Be­triebs­rats­auf­ga­ben er­le­digt. Er setzt im Ur­laubs­fall re­gelmäßig mit dem übli­chen Ar­beits­be­ginn am ers­ten Ur­laubs­tag des ver­hin­der­ten Be­triebs­rats­mit­glieds ein. 33
aa) Er­satz­mit­glie­der ver­tre­ten or­dent­li­che Mit­glie­der des Be­triebs­rats nicht nur in ein­zel­nen Amts­geschäften, wie et­wa in der Teil­nah­me an Be­triebs­rats­sit­zun­gen. Sie rücken viel­mehr gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG für die Dau­er der Ver­hin­de­rung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds in den Be­triebs­rat nach (vgl. BAG 5. Sep­tem­ber 1986 - 7 AZR 175/85 - zu I der Gründe, BA­GE 53, 23; 17. Ja­nu­ar 1979 - 5 AZR 891/77 - zu 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 5 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 21). Der Ein­tritt des Er­satz­mit­glieds voll­zieht sich au­to­ma­tisch mit Be­ginn des Ver­hin­de­rungs­falls. Er hängt nicht da­von ab, dass die Ver­hin­de­rung des or­dent­li­chen Mit­glieds dem Er­satz­mit­glied be­kannt ist (BAG 5. Sep­tem­ber 1986 - 7 AZR 175/85 - aaO). 34

(1) Die zeit­wei­li­ge Ver­hin­de­rung des or­dent­li­chen Mit­glieds er­fasst die Wahr­neh­mung des Be­triebs­rats­amts als sol­ches. Der während die­ser Zeit ge­währ­leis­te­te - vol­le - Son­derkündi­gungs­schutz des Er­satz­mit­glieds ist de­ment­spre­chend nicht auf Zei­ten be­schränkt, in de­nen es kon­kre­te Be­triebs­ratstätig­keit ent­fal­tet. Der be­son­de­re Schutz steht ihm selbst dann zu, wenn während der Ver­tre­tungs­zeit kei­ne Be­triebs­ratstätig­keit anfällt (BAG 5. Sep­tem­ber 1986 - 7 AZR 175/85 - zu I der Gründe, BA­GE 53, 23; 17. Ja­nu­ar 1979 - 5 AZR

 

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891/77 - zu 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 5 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 21). Es genügt die Möglich­keit, dass dem Er­satz­mit­glied Be­triebs­rats­auf­ga­ben zu­fal­len könn­ten (so auch ErfK/Koch 11. Aufl. § 25 Be­trVG Rn. 8; Fit­ting Be­trVG 25. Aufl. § 25 Rn. 9; Ha­Ko-KSchR/Fie­big 3. Aufl. § 15 Rn. 38; KR/Et­zel 9. Aufl. § 103 Be­trVG Rn. 48; Münch­KommBGB/Her­genröder 5. Aufl. § 15 KSchG Rn. 32; WPK/Wlotz­ke Be­trVG 4. Aufl. § 25 Rn. 23; Uh­mann NZA 2000, 576, 578).

35
(2) Die ge­gen­tei­li­ge Auf­fas­sung, die den be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz für Er­satz­mit­glie­der auch während ei­ner Ver­tre­tung da­von abhängig macht, dass das Er­satz­mit­glied in ir­gend­ei­ner Form Be­triebs­rats­auf­ga­ben wahr­ge­nom­men hat (so Ba­der/Bram/Dörner § 15 KSchG Rn. 20; Ey­lert in Schwar­ze/Ey­lert/ Schra­der KSchG § 15 Rn. 28; Löwisch/Spin­ner KSchG 9. Aufl. § 15 Rn. 31; ver­mit­telnd Schul­in Anm. EzA KSchG § 15 nF Nr. 36: kein Kündi­gungs­schutz bei Ver­tre­tungs­zei­ten oh­ne Amtstätig­keit bis zu drei Ta­gen), wird dem Zweck der Ver­tre­tungs­re­ge­lung und dem durch sie ver­mit­tel­ten be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz nicht hin­rei­chend ge­recht. 36
(a) Das Nachrücken des Er­satz­mit­glieds während der zeit­wei­li­gen Ver­hin­de­rung ei­nes or­dent­li­chen Be­triebs­rats­mit­glieds soll im In­ter­es­se ei­ner mög­lichst wirk­sa­men Wahr­neh­mung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Be­fug­nis­se ei­ne stets vollzähli­ge und dem Wähl­er­wil­len ent­spre­chen­de Be­set­zung des Be­triebs­rats si­cher­stel­len. Es soll nicht nur die Möglich­keit ei­ner wirk­sa­men Be­schluss­fas­sung nach § 33 Abs. 2 Be­trVG gewähr­leis­ten. Viel­mehr sol­len selbst kur­ze Un­ter­be­set­zun­gen ver­mie­den wer­den (BAG 6. Sep­tem­ber 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 e der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 23; ErfK/Koch 11. Aufl. § 25 Be­trVG Rn. 4). 37
(b) Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung ei­nes Er­satz­mit­glieds während ei­nes an­dau­ern­den Ver­tre­tungs­falls berührt da­mit kol­lek­ti­ve In­ter­es­sen des Be­triebs­rats und der Be­leg­schaft. Ih­nen trägt das Zu­stim­mungs­er­for­der­nis in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 Abs. 1 Be­trVG Rech­nung. Sie ver­lan­gen nach ei­nem naht­lo­sen Ein­tritt des Son­derkündi­gungs­schut­zes für das zeit­wei­se nach­gerück­te Er­satz­mit­glied. Setz­te der vol­le Son­derkündi­gungs­schutz erst bei Ver-

 

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rich­tung kon­kre­ter Be­triebs­ratstätig­keit ein, bestünde die Ge­fahr, dass die Funk­ti­onsfähig­keit des Be­triebs­rats be­ein­träch­tigt wird. Dies gilt ins­be­son­de­re dann, wenn außer dem nach­gerück­ten kein wei­te­res Er­satz­mit­glied zur Verfü­gung steht (ähn­lich BAG 9. No­vem­ber 1977 - 5 AZR 175/76 - zu 1 b der Grün­de, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 13).

38
(c) Der Ge­fahr ei­nes Rechts­miss­brauchs auf Sei­ten des Er­satz­mit­glieds kann mit Hil­fe von § 242 BGB sach­ge­recht be­geg­net wer­den. Da­nach kann die Be­ru­fung auf den be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz im Ein­zel­fall aus­ge­schlos­sen sein. Da­von ist et­wa aus­zu­ge­hen, wenn ein Ver­hin­de­rungs­fall kol­lu­siv zu dem Zweck her­bei­geführt wur­de, dem Er­satz­mit­glied den be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz zu ver­schaf­fen (vgl. BAG 12. Fe­bru­ar 2004 - 2 AZR 163/03 - zu B I 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Er­satz­mit­glied Nr. 1 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 56). 39

bb) Dem Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 12. Fe­bru­ar 2004 (- 2 AZR 163/03 - AP KSchG 1969 § 15 Er­satz­mit­glied Nr. 1 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 56) ist nichts Ge­gen­tei­li­ges zu ent­neh­men. Die Ent­schei­dung be­trifft den nach­wir­ken­den Kündi­gungs­schutz ei­nes Er­satz­mit­glieds, dh. den Be­stands­schutz nach Be­en­di­gung des kon­kre­ten Ver­hin­de­rungs­falls. Die Auf­fas­sung des Se­nats, der Kündi­gungs­schutz aus § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG ste­he dem Er­satz­mit­glied nur zu, wenn es während der Zeit der Stell­ver­tre­tung tatsächlich Be­triebs­ratstätig­keit ent­fal­tet hat, be­ruht auf dem an­de­ren Schutz­zweck die­ser Re­ge­lung. Ihr Zweck be­steht dar­in, ei­ne „Abkühlungs­pha­se“ in der Be­zie­hung von ehe­ma­li­gem Be­triebs­rats­mit­glied und Ar­beit­ge­ber zu gewähr­leis­ten und erst da­nach die Möglich­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung wie­der zu eröff­nen. Hat das Er­satz­mit­glied während der Zeit, in der es in den Be­triebs­rat nach­ge­rückt war, kei­ne kon­kre­ten Be­triebs­rats­auf­ga­ben wahr­ge­nom­men, fehlt es an ei­ner Si­tua­ti­on, in der Kon­flik­te mit dem Ar­beit­ge­ber hätten ent­ste­hen können; ei­ner durch den nach­wir­ken­den Kündi­gungs­schutz her­bei­zuführen­den „Abküh­lung“ be­darf es dann nicht (vgl. auch BAG 6. Sep­tem­ber 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 e der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 23; ErfK/Kiel 11. Aufl. § 15 Rn. 13; Ri­char­di/Thüsing Be­trVG 12. Aufl. § 25 Rn. 31).

 

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d) Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen lie­gen im Streit­fall die Vor­aus­set­zun­gen des be­son­de­ren Kündi­gungs­schut­zes aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für den Kläger vor. Die­ser war bei Zu­gang der Kündi­gung Mit­glied des Be­triebs­rats iSv. § 15 Abs. 1 KSchG, § 103 Abs. 1 Be­trVG, § 25 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG. 41
aa) Der Kläger war für den 15. April 2009 nach § 25 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG in den Be­triebs­rat nach­gerückt. Die Be­klag­te hat­te ei­nem or­dent­li­chen Be­triebs­rats­mit­glied am 14. April 2009 für den 15. und den 20. April 2009 Er­ho­lungs­ur­laub be­wil­ligt. Da­mit war das or­dent­li­che Mit­glied an der Wahr­neh­mung sei­nes Be­triebs­rats­amts am 15. April 2009 ver­hin­dert. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat fest­ge­stellt, das Mit­glied ha­be der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den am 14. April 2009 nicht et­wa ei­ne Zu­sa­ge ge­ge­ben, am nächs­ten Tag für Be­triebs­ratstätig­kei­ten zur Verfügung zu ste­hen. Es ha­be auch nicht erklärt, sich für te­le­fo­ni­sche Rück­fra­gen in Be­triebs­rats­an­ge­le­gen­hei­ten be­reit zu hal­ten. Mit dem Ziel der Ab­stim­mung ei­nes An­walts­ter­mins ha­be so­dann der Be­triebs­rat am 15. April 2009 frühes­tens um 10:55 Uhr Kon­takt mit dem be­ur­laub­ten Mit­glied auf­ge­nom­men. An die­se Fest­stel­lun­gen, die von der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fen wer­den, ist der Se­nat ge­bun­den (§ 559 Abs. 2 ZPO). 42

bb) Der Son­derkündi­gungs­schutz des Klägers be­gann am Mor­gen des 15. April 2009 spätes­tens um 6:00 Uhr. Dies ist der Zeit­punkt, zu dem das ver­hin­der­te Be­triebs­rats­mit­glied nach den im Be­trieb gel­ten­den Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen sei­ne Ar­beit auf­neh­men konn­te (für die Maßgeb­lich­keit die­ses Zeit­punkts vgl. BAG 5. Sep­tem­ber 1986 - 7 AZR 175/85 - zu I der Gründe, BA­GE 53, 23; 6. Sep­tem­ber 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 e der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 23). Bei Zu­gang der Kündi­gung ge­gen 10:00 Uhr hat dem­nach der Son­derkündi­gungs­schutz für den Kläger schon be­stan­den. Selbst wenn man mit der Be­klag­ten den Be­ginn der Ker­nar­beits­zeit um 9:00 Uhr für maßge­bend hiel­te, führ­te dies zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Für die Be­ur­tei­lung, ob dem Er­satz­mit­glied be­son­de­rer Kündi­gungs­schutz zu­steht, kommt es auf die Verhält­nis­se bei Zu­gang und nicht bei Ab­ga­be der Kündi­gungs­erklärung an (statt vie­ler: Ey­lert in Schwar­ze/Ey­lert/Schra­der KSchG § 15 Rn. 34).


 

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cc) Dem Kündi­gungs­schutz steht nicht ent­ge­gen, dass sich das be­ur­laub­te Be­triebs­rats­mit­glied noch am 15. April 2009 be­reit erklärt hat, ei­nen Ter­min bei dem den Be­triebs­rat be­ra­ten­den Rechts­an­walt wahr­zu­neh­men. Es ist schon frag­lich, ob da­mit sei­ne Ver­hin­de­rung ent­fiel. Selbst wenn dies an­zu­neh­men sein soll­te, wäre da­mit für den Kläger nicht der nachträgli­che Weg­fall des zu­vor er­wor­be­nen Kündi­gungs­schut­zes ver­bun­den ge­we­sen. Der be­son­de­re Schutz aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG steht dem Er­satz­mit­glied un­abhängig von der Dau­er des Ver­hin­de­rungs­falls und da­mit auch bei nur kurz­zei­ti­ger Ver­hin­de­rung zu. Dass sich die Kündi­gungs­be­schränkung in sol­chen Fällen, zu­mal wenn es nicht zur Wahr­neh­mung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben durch das Er­satz­mit­glied ge­kom­men ist, sel­ten aus­wir­ken mag, steht dem nicht ent­ge­gen (BAG 9. No­vem­ber 1977 - 5 AZR 175/76 - zu 1 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 13; Brill BlStSozArbR 1983, 177, 178; Uh­mann NZA 2000, 576, 578). Ob frei­lich über­haupt ei­ne Ver­hin­de­rung vor­liegt, wenn der Aus­fall ei­nes or­dent­li­chen Be­triebs­rats­mit­glieds von vorn­her­ein al­len­falls für we­ni­ge St­un­den zu er­war­ten steht - et­wa we­gen ei­nes kurz­zei­ti­gen Arzt­be­suchs - und der Be­triebs­rat sich dar­auf ein­stel­len kann, braucht nicht ent­schie­den zu wer­den. Im Fall des - und sei es wie hier nur eintägi­gen - Er­ho­lungs­ur­laubs ist ei­ne Ver­hin­de­rung ge­ge­ben, so­weit sich das or­dent­li­che Be­triebs­rats­mit­glied nicht von vorn­her­ein zur Er­le­di­gung von Be­triebs­ratstätig­keit be­reit erklärt hat. 44
e) Der Son­derkündi­gungs­schutz schei­tert nicht dar­an, dass der Kläger we­gen sei­ner Frei­stel­lung und der Er­tei­lung ei­nes Haus­ver­bots im maßge­ben­den Zeit­punkt selbst iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG an ei­ner Mit­wir­kung im Be­triebs­rat ge­hin­dert ge­we­sen wäre. 45

aa) Bei der Frei­stel­lung des Klägers han­del­te es sich um ei­ne ein­sei­ti­ge Maßnah­me der Be­klag­ten, die die be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Po­si­ti­on des Klägers un­berührt ließ. An­ders als beim Er­ho­lungs­ur­laub, der auf ei­nen Freis­tel­lungs­wunsch des Ar­beit­neh­mers zurück­geht, ist bei ein­sei­ti­ger Su­s­pen­die­rung der Ar­beits­pflicht durch den Ar­beit­ge­ber nicht zu­gleich von persönli­cher Un­zu­mut­bar­keit der Wahr­neh­mung des Be­triebs­rats­amts aus­zu­ge­hen. Der Um­stand,


 

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dass im Streit­fall der Kläger ge­gen die Frei­stel­lung kei­ne recht­li­chen Schrit­te un­ter­nom­men hat, ändert hier­an nichts.

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bb) Ein vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­nes Haus­ver­bot lässt die Be­fug­nis des Ar­beit­neh­mers, das Be­triebs­ratsbüro zum Zwe­cke der Be­triebs­ratstätig­keit auf­zu­su­chen, im Re­gel­fall un­berührt. Da der Ar­beit­ge­ber Per­so­nen, die ei­ne Funk­ti­on in der Be­triebs­ver­fas­sung wahr­neh­men, zu de­nen auch Er­satz­mit­g­lie­der zählen, nach § 78 Satz 1 Be­trVG bei ih­rer Amts­ausübung nicht be­hin­dern darf (vgl. Fit­ting Be­trVG 25. Aufl. § 78 Rn. 2; Ri­char­di/Thüsing Be­trVG 12. Aufl. § 78 Rn. 7), wäre das Ver­bot an­dern­falls grundsätz­lich un­wirk­sam. Im Ein­zel­fall sind zwar Aus­nah­men denk­bar. Hier hat die Be­klag­te je­doch kein be­son­de­res schutzwürdi­ges In­ter­es­se dar­an dar­ge­tan, dem Kläger den Zu­tritt zum Be­trieb selbst zur Wahr­neh­mung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Auf­ga­ben ver­wei­gern zu können. 47
cc) Der Son­derkündi­gungs­schutz wird nicht da­durch in Fra­ge ge­stellt, dass am 15. April 2009 im Be­triebs­rat Be­schlüsse ge­fasst oder Gespräche in Be­zug auf ei­nen Ge­gen­stand geführt wur­den, von dem der Kläger mögli­cher­wei­se selbst be­trof­fen war. Dies er­folg­te in je­dem Fall nach Zu­gang der Kündi­gung. Zwar steht ei­nem Er­satz­mit­glied bei ei­ner ei­ge­nen zeit­wei­li­gen Ver­hin­de­rung der be­son­de­re Kündi­gungs­schutz nur zu, wenn die Dau­er die­ser Ver­hin­de­rung im Ver­gleich zur Ge­samt­dau­er der Ver­tre­tungs­zeit verhält­nismäßig ge­ring ist (BAG 6. Sep­tem­ber 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 b bb der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 23). Dies gilt aber nicht für die Ver­hin­de­rung ei­nes Er­satz­mit­glieds, die auf ei­ge­ner Be­trof­fen­heit be­ruht. In die­sem Fall ver­bleibt stets die Möglich­keit, dass wei­te­re Be­triebs­rats­auf­ga­ben an­fal­len, an de­ren Er­le­di­gung das Er­satz­mit­glied nicht ge­hin­dert wäre. 48
III. Die Be­klag­te hat die er­for­der­li­che Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zur Kündi­gung des Klägers nicht ein­ge­holt. Dies führt zur Un­wirk­sam­keit der Kün­di­gung. Dem Kläger ist es nicht nach Treu und Glau­ben ver­wehrt, sich auf den Son­derkündi­gungs­schutz zu be­ru­fen. Die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, es feh­le an hin­rei­chen­den An­halts­punk­ten für ei­nen Rechts­miss­brauch, ist re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

 

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1. Das in § 242 BGB ver­an­ker­te Prin­zip von Treu und Glau­ben bil­det ei­ne al­len Rech­ten im­ma­nen­te In­halts­be­gren­zung. Wel­che Ein­schränkun­gen sich dar­aus für die Ausübung ei­ner er­wor­be­nen Rechts­po­si­ti­on er­ge­ben, hängt von ei­ner um­fas­sen­den Be­wer­tung der ge­sam­ten Fal­l­umstände ab. Die­se Be­wer­tung vor­zu­neh­men ist zunächst Sa­che des Tatrich­ters und in der Re­vi­si­ons­in­stanz nur auf mögli­che Rechts­feh­ler hin zu über­prüfen (BGH 8. Mai 2003 - VII ZR 216/02 - zu III 2 der Gründe, NJW 2003, 2448). 50
2. Sol­che Rechts­feh­ler zeigt die Re­vi­si­on nicht auf. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat ge­prüft, ob das or­dent­li­che Be­triebs­rats­mit­glied den Ur­laub für den 15. und 20. April 2009 zu dem Zweck be­an­tragt ha­ben könn­te, dem Kläger den be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz zu ver­schaf­fen. Es hat dies auf der Grund­la­ge des Er­geb­nis­ses der vom Ar­beits­ge­richt durch­geführ­ten Be­weis­auf­nah­me ver­neint. Da­bei hat es durch­aus die Kurz­fris­tig­keit des erst am 14. April 2009 förm­lich ge­stell­ten Ur­laubs­an­trags in den Blick ge­nom­men. Es hat die­ser des­halb kein ent­schei­den­des Ge­wicht bei­ge­mes­sen, weil das or­dent­li­che Mit­glied sei­nen Ur­laubs­wunsch für die bei­den Ta­ge, an de­ren Vor­aben­den Fußballländer­spie­le über­tra­gen wur­den, schon länge­re Zeit zu­vor münd­lich an­ge­bracht ha­be. Die Re­vi­si­on macht nicht gel­tend, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be sons­ti­ge Ge­sichts­punk­te, die für ei­ne kol­lu­si­ve Her­beiführung des Kündi­gungs­schut­zes spre­chen könn­ten, über­se­hen. 51
IV. Die Re­vi­si­on ist nicht des­halb be­gründet, weil das Ar­beits­ge­richt über die Wirk­sam­keit der Kündi­gung nicht durch Teil­ur­teil nach § 301 Abs. 1 ZPO hätte ent­schei­den dürfen. 52
1. So­weit die Vor­in­stan­zen aus tatsächli­chen Erwägun­gen von ei­ner man­geln­den Ent­schei­dungs­rei­fe des Streits über die Wi­der­kla­ge­for­de­rung aus­ge­gan­gen sind, ist dies re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu über­prüfen. 53

2. § 301 Abs. 1 ZPO setzt ne­ben der Teil­bar­keit des Streit­ge­gen­stands vor­aus, dass die Ge­fahr ein­an­der wi­der­spre­chen­der Ent­schei­dun­gen aus­ge­schlos­sen ist; das Schlus­s­ur­teil darf dem Teil­ur­teil in kei­nem Fall wi­der­spre­chen können (BAG 23. März 2005 - 4 AZR 243/04 - zu I der Gründe mwN,

 

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BA­GE 114, 194). Wi­dersprüchlich­keit bestünde nicht erst im Fall ei­nes Rechts-kraft­kon­flikts, son­dern schon bei un­ter­schied­li­cher Be­ur­tei­lung von Ur­teil­se­le­men­ten, auch wenn die­se we­der in Rechts­kraft er­wach­sen noch das Ge­richt nach § 318 ZPO für das wei­te­re Ver­fah­ren bin­den (vgl. BAG 23. März 2005 - 4 AZR 243/04 - aaO; BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - Rn. 13, NJW 2011, 2736; 19. No­vem­ber 2008 - VIII ZR 47/07 - Rn. 15, NJW-RR 2009, 494; 5. De­zem­ber 2000 - VI ZR 275/99 - zu II der Gründe, NJW 2001, 760; 27. Mai 1992 - IV ZR 42/91 - zu I 2 der Gründe mwN, NJW-RR 1992, 1053; Mu­sielak ZPO 8. Aufl. § 301 Rn. 11). Ein Teil­ur­teil kommt schon dann nicht in Be­tracht, wenn es ei­ne Vor­fra­ge ent­schei­det, die sich dem Ge­richt im wei­te­ren Ver­fah­ren noch ein­mal stellt. Das gilt grundsätz­lich auch im Verhält­nis von Kla­ge und Wi­derk­la­ge (vgl. BGH 26. Sep­tem­ber 1996 - X ZR 48/95 - NJW 1997, 453; 12. Ja­nu­ar 1994 - XII ZR 167/92 - zu 4 der Gründe, NJW-RR 1994, 379).

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3. Nach der Be­gründung, auf die das Ar­beits­ge­richt sei­ne Ent­schei­dung im Teil­ur­teil gestützt und der sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt im Er­geb­nis an­ge­schlos­sen hat, ist die Ge­fahr ei­ner Wi­dersprüchlich­keit nicht zu er­ken­nen. Bei­de Vor­in­stan­zen ha­ben die Kündi­gung vom 15. April 2009 be­reits aus den for­mel­len Gründen des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für un­wirk­sam er­ach­tet. Aus ih­rer Sicht kam es auf das Vor­brin­gen der Be­klag­ten zur ma­te­ri­ell-recht­li­chen Recht­fer­ti­gung der Kündi­gung, das teil­wei­se zu­gleich ih­re Wi­der­kla­ge­for­de­rung stützt, nicht an (zur mögli­chen Wi­dersprüchlich­keit in ei­nem sol­chen Fall vgl. Reichold in Tho­mas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 301 Rn. 3). Zwar kann sich die Ge­fahr ei­ner Wi­dersprüchlich­keit auch aus der bloßen Möglich­keit ab­wei­chen­der Be­ur­tei­lung im Rechts­mit­tel­ver­fah­ren er­ge­ben (BAG 23. März 2005 - 4 AZR 243/04 - zu I der Gründe, BA­GE 114, 194; BGH 4. No­vem­ber 2002 - II ZR 287/01 - BGH­Re-port 2003, 284; aA wohl Baum­bach/Lau­ter­bach/Al­bers/Hart­mann ZPO 69. Aufl. § 301 Rn. 6). Ob im Streit­fall von ei­ner sol­chen Ge­fahr aus­zu­ge­hen war, kann of­fen­blei­ben. Wie auf­ge­zeigt, sind die Ausführun­gen der Vor­in­stan­zen zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung vom 15. April 2009 re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Das schließt die Ge­fahr ei­ner ab­wei­chen­den Be­ur­tei­lung für die Zu­kunft aus. Ein et­wai­ger Man­gel des Teil­ur­teils wäre da­mit je­den­falls ge­heilt.

 

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V. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. 56 56

 

Kreft

Schmitz-Scho­le­mann

Ber­ger

Grim­berg

Nie­b­ler


 

 

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