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BAG, Vor­la­ge­be­schluss (EuGH) vom 18.10.2018, 6 AZR 232/17 (A)

   
Schlagworte: Arbeitnehmerfreizügigkeit, Stufenzuordnung, Tarifvertrag: Stufenzuordnung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 232/17 (A)
Typ: Vorlagebeschluss (EuGH)
Entscheidungsdatum: 18.10.2018
   
Leitsätze: Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um die Beantwortung der folgenden Frage ersucht: Sind Art. 45 Abs. 2 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union dahingehend auszulegen, dass sie einer Regelung wie der in § 16 Abs. 2 TV-L getroffenen entgegenstehen, wonach die bei dem bisherigen Arbeitgeber erworbene einschlägige Berufserfahrung bei der Zuordnung zu den Stufen eines tariflichen Entgeltsystems nach der Wiedereinstellung privilegiert wird, indem diese Berufserfahrung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L uneingeschränkt anerkannt wird, während die bei anderen Arbeitgebern erworbene einschlägige Berufserfahrung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L nur mit höchstens drei Jahren berücksichtigt wird, wenn diese Privilegierung durch Paragraph 4 Nr. 4 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, unionsrechtlich geboten ist?
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Lüneburg Urteil vom 03.12.2015, 4 Ca 150/15 E,
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 09.03.2017, 4 Sa 86/16 E
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

 

6 AZR 232/17 (A)
4 Sa 86/16 E
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nie­der­sach­sen

 

Verkündet am
18. Ok­to­ber 2018

 

BESCHLUSS

Schu­chardt, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

 

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

 

pp.

 

be­klag­tes, be­ru­fungs­kla­gen­des und re­vi­si­ons­be­klag­tes Land,

 

hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 21. Ju­ni 2018 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­de­sar­beits­ge­richt Spel­ge, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Krum­bie­gel und Dr. Hein­kel so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Wol­lensak und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Lo­renz be­schlos­sen:


 

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  1. Der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on wird gemäß Art. 267 des Ver­trags über die Ar­beits­wei­se der Eu­ro­päischen Uni­on (AEUV) um die Be­ant­wor­tung der fol­gen­den Fra­ge er­sucht:

    Sind Art. 45 Abs. 2 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Ver­ord­nung (EU) Nr. 492/2011 des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 5. April 2011 über die Freizügig­keit der Ar­beit­neh­mer in­ner­halb der Uni­on da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass sie ei­ner Re­ge­lung wie der in § 16 Abs. 2 TV-L ge­trof­fe­nen ent­ge­gen­ste­hen, wo­nach die bei dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber er­wor­be­ne ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung bei der Zu­ord­nung zu den Stu­fen ei­nes ta­rif­li­chen Ent­gelt­sys­tems nach der Wie­der­ein­stel­lung pri­vi­le­giert wird, in­dem die­se Be­rufs­er­fah­rung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L un­ein­ge­schränkt an­er­kannt wird, wäh­rend die bei an­de­ren Ar­beit­ge­bern er­wor­be­ne ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L nur mit höchs­tens drei Jah­ren berück­sich­tigt wird, wenn die­se Pri­vi­le­gie­rung durch Pa­ra­graph 4 Nr. 4 der am 18. März 1999 ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge, die im An­hang der Richt­li­nie 1999/70/EG des Ra­tes vom 28. Ju­ni 1999 zu der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge en­t­hal­ten ist, uni­ons­recht­lich ge­bo­ten ist?

     
  2. Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren wird bis zur Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on über das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen aus­ge­setzt.

 

Gründe

 

Die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens strei­ten über die Berück­sich­ti­gung von Zei­ten ein­schlägi­ger Be­rufs­er­fah­rung aus ei­nem vor­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat der Eu­ropäischen Uni­on bei der Stu­fen­zu­ord­nung im Ent­gelt­sys­tem des Ta­rif­ver­trags für den öffent­li­chen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Ok­to­ber 2006. Die­ser Ta­rif­ver­trag re­gelt die Ar­beits­be­din­gun­gen der bei ei­nem deut­schen Bun­des­land beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer.

 

- 3 -

 

1

A. Recht­li­cher Rah­men

2

I. Das maßgeb­li­che Ta­rif­recht

3

Die bei der Ein­stel­lung der Kläge­rin vor­zu­neh­men­de Stu­fen­zu­ord­nung rich­tet sich nach dem TV-L in der zum Zeit­punkt der Ein­stel­lung am 8. Sep­tem­ber 2014 gel­ten­den Fas­sung des Ände­rungs­ta­rif­ver­trags Nr. 7 vom 9. März 2013. Die maßgeb­li­chen Re­ge­lun­gen lau­ten aus­zugs­wei­se wie folgt (Her­vor­he­bun­gen durch den vor­le­gen­den Se­nat):

„§ 12 Ein­grup­pie­rung

(1) ... 2Die/Der Beschäftig­te erhält Ent­gelt nach der Ent-gelt­grup­pe, in der sie/er ein­grup­piert ist. ...

§ 16 Stu­fen der Ent­gelt­ta­bel­le

(1) 1Die Ent­gelt­grup­pen 9 bis 15 um­fas­sen fünf Stu­fen ...

(2) 1Bei der Ein­stel­lung wer­den die Beschäftig­ten der Stu­fe 1 zu­ge­ord­net, so­fern kei­ne ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung vor­liegt. 2Verfügen Beschäftig­te über ei­ne ein­schlä­gi­ge Be­rufs­er­fah­rung von min­des­tens ei­nem Jahr aus ei­nem vor­he­ri­gen be­fris­te­ten oder un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­hält­nis zum sel­ben Ar­beit­ge­ber, er­folgt die Stu­fen­zu­ord­nung un­ter An­rech­nung der Zei­ten der ein­schlägi­gen Be­rufs­er­fah­rung aus die­sem vor­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis. 3Ist die ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung von min­des­tens ei­nem Jahr in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zu ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber er­wor­ben wor­den, er­folgt die Ein­stel­lung in die Stu­fe 2, be­zie­hungs­wei­se - bei Ein­stel­lung nach dem 31. Ja­nu­ar 2010 und Vor­lie­gen ei­ner ein­schlägi­gen Be­rufs­er­fah­rung von min­des­tens drei Jah­ren - in Stu­fe 3. 4Un­abhängig da­von kann der Ar­beit­ge­ber bei Neu­ein­s­tel­lun­gen zur De­ckung des Per­so­nal­be­darfs Zei­ten ei­ner vor­he­ri­gen be­ruf­li­chen Tätig­keit ganz oder teil­wei­se für die Stu­fen­zu­ord­nung berück­sich­ti­gen, wenn die­se Tätig­keit für die vor­ge­se­he­ne Tätig­keit förder­lich ist.

Pro­to­kollerklärun­gen zu § 16 Ab­satz 2:

1.  Ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung ist ei­ne be­ruf­li­che Er­fah­rung in der über­tra­ge­nen oder ei­ner auf die Auf­ga­be be­zo­gen ent­spre­chen­den Tätig­keit. 
2. 

 

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3.  Ein vor­he­ri­ges Ar­beits­verhält­nis im Sin­ne des Sat­zes 2 be­steht, wenn zwi­schen dem En­de des vorhe­ri­gen und dem Be­ginn des neu­en Ar­beits­verhält­nis­ses ein Zeit­raum von längs­tens sechs Mo­na­ten liegt; ...

(2a) ...

(3) 1Die Beschäftig­ten er­rei­chen die je­weils nächs­te Stu­fe - von Stu­fe 3 an in Abhängig­keit von ih­rer Leis­tung gemäß § 17 Ab­satz 2 - nach fol­gen­den Zei­ten ei­ner un­un­ter­bro­che­nen Tätig­keit in­ner­halb der­sel­ben Ent­gelt­grup­pe bei ih­rem Ar­beit­ge­ber (Stu­fen­lauf­zeit):

  • Stu­fe 2 nach ei­nem Jahr in Stu­fe 1,
  • Stu­fe 3 nach zwei Jah­ren in Stu­fe 2,
  • Stu­fe 4 nach drei Jah­ren in Stu­fe 3,
  • Stu­fe 5 nach vier Jah­ren in Stu­fe 4 ...

§ 17 All­ge­mei­ne Re­ge­lun­gen zu den Stu­fen

(1) ...

(2) 1Bei Leis­tun­gen der Beschäftig­ten, die er­heb­lich über dem Durch­schnitt lie­gen, kann die er­for­der­li­che Zeit für das Er­rei­chen der Stu­fen 4 bis 6 je­weils verkürzt wer­den. 2Bei Leis­tun­gen, die er­heb­lich un­ter dem Durch­schnitt lie­gen, kann die er­for­der­li­che Zeit für das Er­rei­chen der Stu­fen 4 bis 6 je­weils verlängert wer­den. ...

§ 44 Son­der­re­ge­lun­gen für Beschäftig­te als Lehr­kräfte ...

Nr. 2a. Zu § 16 - Stu­fen der Ent­gelt­ta­bel­le -

1. Bei An­wen­dung des § 16 Ab­satz 2 Satz 2 gilt:

1Für ab 1. April 2011 neu zu be­gründen­de Ar­beits­verhält­nis­se von Lehr­kräften wer­den im Rah­men des § 16 Ab­satz 2 Satz 2 Zei­ten ein­schlägi­ger Be­rufs­er­fah­rung aus meh­re­ren Ar­beits­verhält­nis­sen zum sel­ben Ar­beit­ge­ber, zuzüglich ei­ner ein­ma­li­gen Berück­sich­ti­gung der nach Zif­fer 2 an­ge­rech­ne­ten Zeit des Re­fe­ren­da­ri­ats oder Vor­be­rei­tungs­diens­tes, zu­sam­men­ge­rech­net. 2Die Nr. 3 der Pro­to­kollerklärun­gen zu § 16 Ab­satz 2 bleibt un­berührt.

2. Bei An­wen­dung des § 16 Ab­satz 3 Satz 1 gilt:

Für ab 1. März 2009 neu zu be­gründen­de Ar­beits­verhält­nis­se von Lehr­kräften wird die zur Vor­be­rei­tung auf den

 

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Leh­rer­be­ruf ab­ge­leis­te­te Zeit des Re­fe­ren­da­ri­ats oder des Vor­be­rei­tungs­diens­tes im Um­fang von sechs Mo­na­ten auf die Stu­fen­lauf­zeit der Stu­fe 1 an­ge­rech­net.

Nie­der­schrifts­erklärung zu § 44 Nr. 2a Zif­fern 1 und 2:

Zur Erläute­rung von § 44 Nr. 2a Zif­fern 1 und 2 sind sich die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über fol­gen­de Bei­spie­le ei­nig:

Bei­spiel 1:

Ei­ne Lehr­kraft war im An­schluss an den fest­ge­setz­ten Vor­be­rei­tungs­dienst in fol­gen­den be­fris­te­ten Ar­beits­ver­hält­nis­sen beim sel­ben Ar­beit­ge­ber beschäftigt:

...

Bei­spiel 2:

Ei­ne Lehr­kraft war im An­schluss an den fest­ge­setz­ten Vor­be­rei­tungs­dienst in fol­gen­den be­fris­te­ten Ar­beits­ver­hält­nis­sen beim sel­ben Ar­beit­ge­ber beschäftigt:

...“

 

4

II. Das Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz

5

Das Ge­setz über Teil­zeit­ar­beit und be­fris­te­te Ar­beits­verträge (Teil­zeit-und Be­fris­tungs­ge­setz - Tz­B­fG) vom 21. De­zem­ber 2000 (Bun­des­ge­setz­blatt Teil I Sei­te 1966), zu­letzt geändert durch Ge­setz vom 20. De­zem­ber 2011 (Bun­des­ge­setz­blatt Teil I Sei­te 2854), dient der Um­set­zung der am 18. März 1999 ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge (Rah­men­ver­ein­ba­rung), die im An­hang der Richt­li­nie 1999/70/EG des Ra­tes vom 28. Ju­ni 1999 zu der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge ent­hal­ten ist. Das Ge­setz lau­tet aus­zugs­wei­se:

„§ 4 Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung

(1) ...

(2) 1Ein be­fris­tet beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer darf we­gen der Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges nicht schlech­ter be­han­delt wer­den als ein ver­gleich­ba­rer un­be­fris­tet beschäf­tig­ter Ar­beit­neh­mer, es sei denn, dass sach­li­che Gründe ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung recht­fer­ti­gen. ... 3Sind be­stimm­te Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen von der Dau­er des Be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses in dem­sel­ben Be­trieb oder Un­ter­neh­men abhängig, so sind für be­fris­tet beschäftig­te Ar­beit­neh­mer die­sel­ben Zei­ten zu berück-

 

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sich­ti­gen wie für un­be­fris­tet beschäftig­te Ar­beit­neh­mer, es sei denn, dass ei­ne un­ter­schied­li­che Berück­sich­ti­gung aus sach­li­chen Gründen ge­recht­fer­tigt ist.“

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B. Sach­ver­halt des Aus­gangs­ver­fah­rens 7

Die Kläge­rin war von 1997 bis 2014 un­un­ter­bro­chen in Frank­reich an ver­schie­de­nen Collèges-Lycée in den Klas­sen sechs bis zwölf als Leh­re­rin tä­tig. We­ni­ger als sechs Mo­na­te nach dem En­de die­ser Tätig­keit trat die Kläge­rin zum 8. Sep­tem­ber 2014 als Leh­re­rin in den Schul­dienst des be­klag­ten Lan­des ein. Im Ar­beits­ver­trag ist ver­ein­bart, dass auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en der TV-L in sei­ner je­weils ak­tu­el­len Fas­sung an­zu­wen­den ist. Das be­klag­te Land er­kann­te die in Frank­reich er­wor­be­ne Be­rufs­er­fah­rung als ein­schlägig an. Die Kläge­rin er­hielt dar­um ab dem Tag ih­rer Ein­stel­lung Ent­gelt nach der Stu­fe 3 der Ent­gelt­grup­pe 11 TV-L und stieg im Sep­tem­ber 2017 re­gulär in die Stu­fe 4 die­ser Ent­gelt­grup­pe auf. Mit Schrei­ben vom 20. Ok­to­ber 2014 bat sie um Über­prüfung ih­rer Stu­fen­zu­ord­nung und be­an­spruch­te Ent­gelt nach der Stu­fe 5 der Ent­gelt­ta­bel­le be­reits ab dem Tag ih­rer Ein­stel­lung. Dies lehn­te das be­klag­te Land ab.

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Die Kläge­rin hat im Aus­gangs­ver­fah­ren gel­tend ge­macht, die Pri­vi­le­gie­rung der beim sel­ben Ar­beit­ge­ber er­wor­be­nen ein­schlägi­gen Be­rufs­er­fah­rung bei der Stu­fen­zu­ord­nung in § 16 Abs. 2 TV-L ver­s­toße ge­gen den Gleich­heits­satz des Art. 3 des Grund­ge­set­zes und die un­mit­tel­bar wir­ken­den uni­ons­recht­li­chen Ar­beit­neh­mer­freizügig­keits­be­stim­mun­gen in Art. 45 AEUV so­wie Art. 7 der Ver­ord­nung (EU) Nr. 492/2011 des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 5. April 2011 über die Freizügig­keit der Ar­beit­neh­mer in­ner­halb der Uni­on (im Fol­gen­den VO (EU) Nr. 492/2011). Da­her will die Kläge­rin die Ver­pflich­tung des be­klag­ten Lan­des fest­ge­stellt wis­sen, ihr rück­wir­kend ab dem Tag ih­rer Ein­stel­lung Ent­gelt nach Stu­fe 5 der Ent­gelt­grup­pe 11 TV-L nebst Zin­sen zu gewähren.

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Das be­klag­te Land hat die An­sicht ver­tre­ten, die in § 16 Abs. 2 TV-L ent­hal­te­ne, auf der Staats­an­gehörig­keit be­ru­hen­de mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung

 

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sei ge­recht­fer­tigt. Die Re­ge­lung be­zwe­cke in zulässi­ger Wei­se, den Be­sitz­stand ins­be­son­de­re zu­vor beim sel­ben Ar­beit­ge­ber be­fris­tet Beschäftig­ter zu wah­ren.

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Das Ar­beits­ge­richt hat dem Fest­stel­lungs­an­trag statt­ge­ge­ben. Auf die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des be­klag­ten Lan­des hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil ab­geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit ih­rer vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt die Kläge­rin die Wie­der­her­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils.

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C. Prin­zi­pi­en der Stu­fen­zu­ord­nung nach dem TV-L 12

I. Nach den Be­stim­mun­gen des TV-L er­hal­ten die Beschäftig­ten mo­nat­lich ein Ta­bel­len­ent­gelt. Des­sen Höhe be­stimmt sich nach der Ent­gelt­grup­pe, in die sie ein­grup­piert sind, und nach der für sie gel­ten­den Stu­fe ih­rer Ent­gelt­grup­pe (§ 12 Abs. 1 Satz 2, § 16 Abs. 1 TV-L). Nach den in § 16 Abs. 3 Satz 1 TV-L auf­geführ­ten Zei­ten stei­gen die Beschäftig­ten re­gulär in die nächs­te Stu­fe auf. Da­mit soll die ge­won­ne­ne Be­rufs­er­fah­rung ho­no­riert wer­den. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sind im Ein­klang mit der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (EuGH 3. Ok­to­ber 2006 - C-17/05 - [Cad­man] Rn. 34 f.) da­von aus­ge­gan­gen, dass die Beschäftig­ten durch die Ausübung der ih­nen über­tra­ge­nen Tätig­keit lau­fend Kennt­nis­se und Er­fah­run­gen sam­meln, die die Ar­beits­qua­lität und -quan­tität ver­bes­sern (BAG 27. Ja­nu­ar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 35, BA­GE 137, 80). Dem­ent­spre­chend wird nach dem in § 16 Abs. 3 Satz 1 TV-L fest­ge­leg­ten Grund­ge­dan­ken nur die Zeit der un­un­ter­bro­che­nen Tätig­keit in ein und der­sel­ben Ent­gelt­grup­pe bei ein und dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber - aus­ge­hend von der Stu­fe 1 - berück­sich­tigt.

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II. Son­der­re­ge­lun­gen für die Stu­fen­zu­ord­nung bei der Ein­stel­lung trifft § 16 Abs. 2 TV-L. Ent­spre­chend dem Grund­ge­dan­ken der Stu­fen­zu­ord­nung wer­den neu ein­ge­stell­te Beschäftig­te, zu de­nen auch Ar­beit­neh­mer gehören, die nach dem En­de ih­rer Tätig­keit für ein Bun­des­land von die­sem wie­der ein­ge­stellt wer­den, gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-L in der Re­gel der Stu­fe 1 zu­ge­ord­net. Die­ser Grund­ge­dan­ke wird durch­bro­chen, wenn Beschäftig­te bei ih­rer Ein­stel­lung be­reits ei­ne für die neue Tätig­keit ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung be­sit­zen. Das

 

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ist nach der Pro­to­kollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L der Fall, wenn sie ei­ne be­ruf­li­che Er­fah­rung in der über­tra­ge­nen Tätig­keit oder in ei­ner der neu­en Auf­ga­be ent­spre­chen­den Tätig­keit be­sit­zen. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­hen da­von aus, dass sich sol­che Beschäftig­ten schnel­ler ein­ar­bei­ten und ein höhe­res Leis­tungs­vermögen auf­wei­sen. Das ho­no­rie­ren sie mit ei­ner Zu­ord­nung zu ei­ner höhe­ren Stu­fe als der Stu­fe 1 (ver­glei­che BAG 27. März 2014 - 6 AZR 571/12 - Rn. 24, BA­GE 148, 1).

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III. In­ner­halb der Grup­pe der neu ein­ge­stell­ten Beschäftig­ten dif­fe­ren­zie­ren die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zwi­schen sol­chen Beschäftig­ten, die schon zu­vor bei dem­sel­ben Bun­des­land beschäftigt wa­ren, und Beschäftig­ten, die von ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber zu ei­nem Bun­des­land wech­seln. Da­bei wer­den die schon vor­her bei dem­sel­ben Land Beschäftig­ten bei ei­ner Wie­der­ein­stel­lung pri­vi­le­giert. Zu die­ser Dif­fe­ren­zie­rung sind die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nach dem im na­ti­ona­len Recht gel­ten­den Grund­satz der Ta­rif­au­to­no­mie, der durch Art. 9 Abs. 3 des Grund­ge­set­zes als der na­tio­na­len Ver­fas­sung ga­ran­tiert ist, be­fugt (hier­zu nach­fol­gend Rn. 25).

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1. § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L sieht ei­ne Stu­fen­zu­ord­nung un­ter vollständi­ger An­rech­nung der Zei­ten ein­schlägi­ger Be­rufs­er­fah­rung aus ei­nem vor­he­ri­gen be­fris­te­ten oder un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis zum sel­ben Ar­beit­ge­ber, dh. zum sel­ben Bun­des­land, vor. Ist die­se aus­rei­chend lan­ge, kann dar­um so­fort bei der Ein­stel­lung ei­ne Zu­ord­nung zu den Stu­fen 4 oder 5 er­fol­gen. Ein vorhe­ri­ges Ar­beits­verhält­nis im Sin­ne des § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L be­steht al­ler­dings nur, wenn zwi­schen des­sen En­de und dem Be­ginn des neu­en Ar­beits­verhält­nis­ses ein Zeit­raum von nicht mehr als sechs Mo­na­ten liegt (Pro­to­kollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L). Bei ei­ner länge­ren Un­ter­bre­chung ge­hen die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en von ei­ner „schädli­chen Un­ter­bre­chung“ aus. Der Beschäftig­te wird dann un­ge­ach­tet der er­wor­be­nen Be­rufs­er­fah­rung der Stu­fe 1 sei­ner Ent-gelt­grup­pe zu­ge­ord­net. Das steht im Ein­klang mit in­ner­staat­li­chem Recht (ver­glei­che BAG 27. April 2017 - 6 AZR 459/16 - Rn. 30). Bei Lehr­kräften an all­ge­mein bil­den­den Schu­len und Be­rufs­schu­len wer­den für ab 1. April 2011 neu zu be­gründen­de Ar­beits­verhält­nis­se Zei­ten ein­schlägi­ger Be­rufs­er­fah­rung aus

 

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meh­re­ren Ar­beits­verhält­nis­sen zum sel­ben Ar­beit­ge­ber zuzüglich der Zei­ten des Re­fe­ren­da­ri­ats oder Vor­be­rei­tungs­diens­tes zu­sam­men­ge­rech­net, wo­bei die Pro­to­kollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L un­berührt bleibt (§ 44 Nr. 2a TV-L). Die­se Vor­schrift hat für das Aus­gangs­ver­fah­ren kei­ne Be­deu­tung. Die Par­tei­en strei­ten nicht über die Berück­sich­ti­gung der Zei­ten ei­nes Re­fe­ren­da­ri­ats.

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2. Ist die ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung von min­des­tens ei­nem Jahr in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zu ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber er­wor­ben wor­den, er­folgt die Ein­stel­lung in Stu­fe 2, be­zie­hungs­wei­se - bei Ein­stel­lung nach dem 31. Ja­nu­ar 2010 und Vor­lie­gen ein­schlägi­ger Be­rufs­er­fah­rung von min­des­tens drei Jah­ren - in Stu­fe 3 (§ 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L). Ei­ne Zu­ord­nung zu ei­ner hö­he­ren Stu­fe ist auch dann nicht möglich, wenn ei­ne Ar­beit­neh­me­rin wie die Klä­ge­rin deut­lich mehr als drei Jah­re ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung auf­weist. Satz 3 fin­det nach der Recht­spre­chung des vor­le­gen­den Se­nats da­bei nur An­wen­dung, wenn bis zur Ein­stel­lung nur Un­ter­bre­chun­gen von je­weils nicht mehr als sechs Mo­na­ten ein­ge­tre­ten sind. Der ta­rif­lich un­ge­re­gel­te Fall ei­ner schädli­chen Un­ter­bre­chung im Rah­men des § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L ver­langt nach Maßga­be des Gleich­heits­sat­zes und zur Ver­mei­dung von Wer­tungs­wi­dersprüchen nach der glei­chen Rechts­fol­ge wie der in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L ta­rif­lich ge­re­gel­te Fall. Dar­um ist die Pro­to­kollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L auch auf Ein­stel­lun­gen nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L an­zu­wen­den (BAG 23. Fe­bru­ar 2017 - 6 AZR 244/16 - Rn. 24; 3. Ju­li 2014 - 6 AZR 1088/12 - Rn. 24).

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Auch bei Beschäftig­ten, die von ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber zu ei­nem Bun­des­land wech­seln, eröff­net § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L dem Land ei­ne ta­rif­kon­for­me Möglich­keit, bei der Ein­stel­lung ei­ne Stu­fen­zu­ord­nung zu ei­ner höhe­ren Stu­fe als der Stu­fe 3 vor­zu­neh­men, wenn die Ein­stel­lung zur Per­so­nal­de­ckung er­folgt und die vor­han­de­ne Er­fah­rung zu­min­dest förder­lich für die neue Tätig­keit ist. In­so­weit kommt dem Ar­beit­ge­ber ein Er­mes­sen zu. Von die­ser Möglich­keit hat das be­klag­te Land im Fall der Kläge­rin kei­nen Ge­brauch ge­macht.

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D. Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit und Erläute­rung der Vor­la­ge­fra­ge

 

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I. In An­wen­dung der dar­ge­stell­ten ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen war die Kläge­rin mit Be­ginn ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses zum be­klag­ten Land am 8. Sep­tem­ber 2014 der Stu­fe 3 der Ent­gelt­ta­bel­le zu­zu­ord­nen. Das hat das be­klag­te Land ge­tan.

20

1. Die Stu­fen­zu­ord­nung der Kläge­rin zum Zeit­punkt ih­rer Ein­stel­lung er­folgt nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 2, § 44 Nr. 2a Zif­fer 1 TV-L in die Ent­gelt­stu­fe 5.

21

a) Zwar hat die Kläge­rin Be­rufs­er­fah­rung im Um­fang von mehr als zehn
Jah­ren auf­grund ih­rer Tätig­keit in Ar­beits­verhält­nis­sen als Leh­re­rin an ver­schie­de­nen Collèges-Lycée in Frank­reich von 1997 bis 2014 er­wor­ben. Da­bei han­delt es sich um ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung im Sin­ne der Pro­to­kollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L. Dies ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig und so vom Lan­des­ar­beits­ge­richt für den Se­nat bin­dend fest­ge­stellt (§ 559 der Zi­vil­pro­zess­ord­nung).

22

b) Die Kläge­rin hat die Zei­ten ein­schlägi­ger Be­rufs­er­fah­rung je­doch nicht 23
in ei­nem oder meh­re­ren vor­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis­sen zum be­klag­ten Land als dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber er­wor­ben. Sie ist am 8. Sep­tem­ber 2014 erst­mals in des­sen Diens­te ge­tre­ten.

23

2. Die Stu­fen­zu­ord­nung der Kläge­rin zum 8. Sep­tem­ber 2014 er­folgt da­rum nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L un­ter nur ein­ge­schränk­ter Berück­sich­ti­gung ih­rer bei ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber er­wor­be­nen ein­schlägi­gen Be­rufs­er­fah­rung. Da­nach ist die Kläge­rin der Stu­fe 3 der Ent­gelt­ta­bel­le zu­zu­ord­nen. Sie hat ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung (hier­zu vor­ste­hend Rn. 22) von min­des­tens drei Jah­ren aus ei­nem Ar­beits­verhält­nis zu ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber vor­zu­wei­sen. Die Vor­aus­set­zun­gen der auch bei 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L an­zu­wen­den­den Pro­to­kollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L sind erfüllt. Die Kläge­rin war von 1997 bis 2014 un­un­ter­bro­chen in Frank­reich als Leh­re­rin tätig. Nach ei­ner Un­ter­bre­chung von nicht mehr als sechs Mo­na­ten trat sie am 8. Sep­tem­ber 2014 in die Diens­te des be­klag­ten Lan­des ein.

 

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II. § 16 Abs. 2 TV-L verstößt nach der Recht­spre­chung des vor­le­gen­den
Se­nats nicht ge­gen in­ner­staat­li­ches Recht. Die Dif­fe­ren­zie­rung in den Sätzen 2 und 3 die­ser Ta­rif­norm zwi­schen Ar­beit­neh­mern, die ein neu­es Ar­beits­verhält­nis zum sel­ben Ar­beit­ge­ber nach ei­ner gemäß der Pro­to­kollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L unschädli­chen Un­ter­bre­chung be­gründen, und den Ar­beit­neh­mern, die wie die Kläge­rin oh­ne schädli­che Un­ter­bre­chung von ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber in ein Ar­beits­verhält­nis zum be­klag­ten Land ge­wech­selt sind, ist nach der Recht­spre­chung des Se­nats mit dem Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 des Grund­ge­set­zes ver­ein­bar, un­ter an­de­rem des­halb, weil so dem Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung be­fris­tet Beschäftig­ter Rech­nung ge­tra­gen wird (ver­glei­che BAG 25. Ja­nu­ar 2018 - 6 AZR 791/16 - Rn. 25 ff.; 23. Sep­tem­ber 2010 - 6 AZR 180/09 - Rn. 13 ff., BA­GE 135, 313).

25

III. Die Kläge­rin könn­te nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Se­nats gleich­
wohl ei­nen An­spruch auf Zu­ord­nung zur Stu­fe 5 der Ent­gelt­ta­bel­le ab 8. Sep­tem­ber 2014 gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L ha­ben, wenn die da­durch be­schränk­te An­rech­nung ein­schlägi­ger Be­rufs­er­fah­rungs­zei­ten Uni­ons­recht ver­letz­te. Das wäre der Fall, wenn die dar­ge­stell­te Dif­fe­ren­zie­rung in § 16 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 TV-L ge­gen Art. 45 Abs. 2 AEUV und Art. 7 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 ver­stieße, weil sie die Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit der Kläge­rin un­ge­recht­fer­tigt be­schränk­te. Ein sol­cher Ver­s­toß hätte nach der Rechtsp­re­chung des Ge­richts­hofs zur Fol­ge, dass die in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat er­worbe­nen ein­schlägi­gen Be­rufs­er­fah­rungs­zei­ten aus vor­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis­sen in glei­chem Maße wie ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rungs­zei­ten aus vor­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis­sen beim sel­ben Ar­beit­ge­ber nach § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L und da­mit un­ein­ge­schränkt zu berück­sich­ti­gen wären (EuGH 15. Ja­nu­ar 1998 - C-15/96 - [Schöning-Kouge­be­to­pou­lou] Rn. 31 ff.; eben­so im Fall ei­ner Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung EuGH 28. Ja­nu­ar 2015 - C-417/13 - [Star­ja­kob] Rn. 46 f.).

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1. Die Re­ge­lun­gen über die Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit sind auf die Kläge­rin persönlich an­wend­bar.

 

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27

a) Sie ist Ar­beit­neh­me­rin im Sin­ne des au­to­nom zu be­stim­men­den und nicht eng aus­zu­le­gen­den Ar­beit­neh­mer­be­griffs in Art. 45 AEUV. Als an­ge­stell­te Leh­re­rin er­bringt sie während ei­ner be­stimm­ten Zeit für ei­nen an­de­ren nach des­sen Wei­sung Leis­tun­gen, für die sie als Ge­gen­leis­tung ei­ne Vergütung er­hält (ver­glei­che zum Bei­spiel EuGH 10. Sep­tem­ber 2014 - C-270/13 - [Ha­r­al­am­bi­dis] Rn. 27 f.; 28. Fe­bru­ar 2013 - C-544/11 - [Pe­ter­sen] Rn. 30; BAG 15. De­zem­ber 2016 - 6 AZR 430/15 - Rn. 54).

28

b) Die Kläge­rin ist nicht in der öffent­li­chen Ver­wal­tung im Sin­ne der eng
aus­zu­le­gen­den Aus­nah­me­re­ge­lung des Art. 45 Abs. 4 AEUV beschäftigt. Die­se Re­ge­lung er­fasst nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Art. 45 Abs. 4 AEUV be­zie­hungs­wei­se sei­ner Vorgänger­re­ge­lun­gen in Art. 48 Abs. 4 und Art. 39 Abs. 4 des Ver­trags zur Gründung der Eu­ropäischen Ge­mein­schaft (EG-Ver­trag) Lehr­kräfte nicht (ver­glei­che EuGH 27. No­vem­ber 1991 - C-4/91 - [Bleis] Rn. 7; 30. No­vem­ber 2000 - C-195/98 - [Öster­rei­chi­scher Ge­werk­schafts­bund] Rn. 36; 10. März 2005 - C-178/04 - [Mar­hold] Rn. 22). Oh­ne­hin kann Art. 45 Abs. 4 AEUV nicht mehr her­an­ge­zo­gen wer­den, um ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung bei der Ent­loh­nung zu recht­fer­ti­gen, wenn ein Mit­glied­staat wie im Fall der Kläge­rin Ar­beit­neh­mer, die sich auf das Ge­bot der Freizü­gig­keit be­ru­fen können, für sei­ne öffent­li­che Ver­wal­tung ein­ge­stellt hat (ver­glei­che EuGH 30. No­vem­ber 2000 - C-195/98 - [Öster­rei­chi­scher Ge­werk­schafts­bund] Rn. 37). Dem steht die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 12. Ju­ni 2018 (- 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15 -) nicht ent­ge­gen. Die­se be­trifft nur die Ein­ord­nung be­am­te­ter Leh­re­rin­nen und Leh­rer als An­gehöri­ge der Staats­ver­wal­tung im Sin­ne des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Kon­ven­ti­on zum Schutz der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten (BVerfG 12. Ju­ni 2018 - 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15 - Rn. 184 ff.).

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2. Der sach­li­che An­wen­dungs­be­reich des Art. 45 Abs. 2 AEUV und des ihn aus­for­men­den Art. 7 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 ist eröff­net.

 

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a) Die Zu­ord­nung des Beschäftig­ten zu ei­ner Stu­fe der Ent­gelt­ta­bel­le un­ter Berück­sich­ti­gung ein­schlägi­ger Be­rufs­er­fah­rung, die in vor­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis­sen zu ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber er­wor­ben wor­den ist, fällt als ein das Ar­beits­ent­gelt des Beschäftig­ten berühren­der Um­stand in den sach­li­chen Gel­tungs­be­reich die­ser Nor­men. Der An­wen­dung von Art. 45 AEUV steht nicht ent­ge­gen, dass es sich bei § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L um ei­ne Ta­rif­norm han­delt. Art. 45 AEUV er­streckt sich nicht nur auf behörd­li­che Maßnah­men, son­dern auch auf Vor­schrif­ten an­de­rer Art, die da­zu die­nen, un­selbstständi­ge Ar­beit kol­lek­tiv zu re­geln (ver­glei­che EuGH 10. März 2011 - C-379/09 - [Cas­teels] Rn. 19; 16. März 2010 - C-325/08 - [Olym­pi­que Ly­on­nais] Rn. 30).

31

b) Der er­for­der­li­che Uni­ons­be­zug ist ge­ge­ben (ver­glei­che hier­zu EuGH 18. Ju­li 2017 - C-566/15 - [Erz­ber­ger] Rn. 28; 22. Ju­ni 2017 - C-20/16 - [Bech­tel] Rn. 32; 6. Ok­to­ber 2015 - C-298/14 - [Brouil­lard] Rn. 26; 15. No­vem­ber 2011 - C-256/11 - [De­re­ci u.a.] Rn. 60). Die Kläge­rin, die deut­sche Staats­an­gehöri­ge ist, hat Be­rufs­er­fah­rung in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat er­wor­ben. Sie hat meh­re­re Jah­re in Frank­reich als Leh­re­rin ge­ar­bei­tet.

32

3. § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L be­nach­tei­ligt nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­ den Se­nats die Kläge­rin we­gen ih­rer Staats­an­gehörig­keit mit­tel­bar.

33

a) Art. 45 Abs. 2 AEUV ver­bie­tet je­de un­mit­tel­ba­re und mit­tel­ba­re, auf der Staats­an­gehörig­keit be­ru­hen­de un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der Ar­beit­neh­mer der Mit­glied­staa­ten in Be­zug auf Beschäfti­gung, Ent­loh­nung und sons­ti­ge Ar­beits­be­din­gun­gen (ver­glei­che EuGH 5. De­zem­ber 2013 - C-514/12 - [SALK] Rn. 25). Art. 7 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 stellt ei­ne be­son­de­re Aus­prägung des in Art. 45 Abs. 2 AEUV ent­hal­te­nen Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bots auf dem spe­ziel­len Ge­biet der Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen und der Ar­beit dar. Die Ver­ord­nungs­norm ist eben­so aus­zu­le­gen wie Art. 45 Abs. 2 AEUV (ver­glei­che EuGH 15. De­zem­ber 2016 - C-401/15 - [De­pes­me und Ker­rou] Rn. 35; BAG 25. Ja­nu­ar 2018 - 6 AZR 791/16 - Rn. 19). Auch wenn ei­ne Vor­schrift des na­ti­ona­len Rechts un­ge­ach­tet der Staats­an­gehörig­keit an­wend­bar ist, ist sie als mit­tel­bar dis­kri­mi­nie­rend an­zu­se­hen, falls sie im We­sent­li­chen oder ganz über-

 

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wie­gend Wan­der­ar­beit­neh­mer be­trifft oder von inländi­schen Ar­beit­neh­mern leich­ter zu erfüllen ist als von Wan­der­ar­beit­neh­mern (EuGH 23. Mai 1996 - C-237/94 - [O’Flynn] Rn. 18). Sch­ließlich ist ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung in Vor­aus­set­zun­gen zu se­hen, die sich ih­rem We­sen nach stärker auf Wan­derar­beit­neh­mer als auf inländi­sche Ar­beit­neh­mer aus­wir­ken und folg­lich die Ge­fahr be­gründen, dass sie Wan­der­ar­beit­neh­mer be­son­ders be­nach­tei­li­gen (ver­glei­che EuGH 18. De­zem­ber 2014 - C-523/13 - [Lar­cher] Rn. 32; 5. De­zem­ber 2013 - C-514/12 - [SALK] Rn. 26). Da­bei braucht nicht fest­ge­stellt zu wer­den, dass die in Re­de ste­hen­de Vor­schrift in der Pra­xis ei­nen we­sent­lich größeren An­teil der Wan­der­ar­beit­neh­mer be­trifft. Es genügt die Fest­stel­lung, dass die be­tref­fen­de Vor­schrift ge­eig­net ist, ei­ne sol­che Wir­kung her­vor­zu­ru­fen (EuGH 18. De­zem­ber 2014 - C-523/13 - [Lar­cher] Rn. 33; 23. Mai 1996 - C-237/94 - [O’Flynn] Rn. 21).

34

b) Die Vor­aus­set­zun­gen des § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L, die un­ter an­de­rem ei­ne frühe­re Beschäfti­gung bei dem­sel­ben Bun­des­land oh­ne schädli­che Un­ter­bre­chung ver­lan­gen, können inländi­sche Ar­beit­neh­mer mit deut­scher Staats­an­gehörig­keit leich­ter erfüllen als Ar­beit­neh­mer deut­scher oder an­de­rer Staats­an­gehörig­keit, die in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat beschäftigt wa­ren. Nicht er­for­der­lich ist hier­bei, dass al­le Inländer begüns­tigt wer­den oder nur Staats­an­gehö­ri­ge an­de­rer Mit­glied­staa­ten be­nach­tei­ligt wer­den (EuGH 5. De­zem­ber 2013 - C-514/12 - [SALK] Rn. 27, 31; an­de­rer An­sicht we­gen des Aus­schlus­ses auch al­ler Inländer, die zu­vor zwar bei dem­sel­ben Bun­des­land beschäftigt wa­ren, aber nach ei­ner schädli­chen Un­ter­bre­chung ein­ge­stellt wer­den LAG Ba­den-Würt­tem­berg 18. Ja­nu­ar 2016 - 1 Sa 17/15 - Rn. 60 ff.).

35

4. Ob auch ei­ne Be­schränkung der Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit als ei­gen­ ständi­ge Gewähr­leis­tung die­ser Grund­frei­heit da­durch vor­liegt, dass § 16 Abs. 2 TV-L Ar­beit­neh­mer da­von ab­hal­ten kann, von ih­rem Recht auf Frei­zügig­keit Ge­brauch zu ma­chen (in die­sem Sinn EuGH 5. De­zem­ber 2013 - C-514/12 - [SALK] Rn. 29 f.), kann hier da­hin­ste­hen (da­zu nach­fol­gend Rn. 48).

 

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5. Ei­ne Recht­fer­ti­gung der Pri­vi­le­gie­rung, die § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L be­wirkt, we­gen der bloßen Be­loh­nung der Be­triebs­treue schei­det aus. Dies ist nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Se­nats durch die Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs hin­rei­chend si­cher geklärt (EuGH 5. De­zem­ber 2013 - C-514/12 - [SALK] Rn. 38 ff.; 10. März 2005 - C-178/04 - [Mar­hold] Rn. 33 ff.).

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6. Da­ge­gen kann der vor­le­gen­de Se­nat die Fra­ge, ob die § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L in­ne­woh­nen­de Be­ein­träch­ti­gung der Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit durch den Schutz be­fris­tet beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer ge­recht­fer­tigt ist, der we­gen Pa­ra­graph 4 Nr. 4 der Rah­men­ver­ein­ba­rung uni­ons­recht­lich ge­bo­ten und mit der Pri­vi­le­gie­rung der bei dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber er­wor­be­nen ein­schlägi­gen Be­rufs­er­fah­rungs­zei­ten nach § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L be­zweckt ist, nicht selbst be­ant­wor­ten. Die Auflösung die­ser Kol­li­si­on zwei­er uni­ons­recht­lich geschütz­ter Rechtsgüter ist dem Ge­richts­hof vor­be­hal­ten.

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a) Ei­ne Maßnah­me, die ge­eig­net ist, die Freizügig­keit der Ar­beit­neh­mer zu be­ein­träch­ti­gen, ist nur dann zulässig, wenn mit ihr ei­nes der im Ver­trag ge­nann­ten le­gi­ti­men Zie­le ver­folgt wird oder wenn sie durch zwin­gen­de Gründe des All­ge­mein­in­ter­es­ses ge­recht­fer­tigt ist. Darüber hin­aus muss in ei­nem derar­ti­gen Fall ih­re An­wen­dung ge­eig­net sein, die Ver­wirk­li­chung des in Re­de ste­hen­den Zie­les zu gewähr­leis­ten, und darf nicht über das hin­aus­ge­hen, was zu sei­ner Er­rei­chung er­for­der­lich ist (ver­glei­che EuGH 5. De­zem­ber 2013 - C-514/12 - [SALK] Rn. 36). Die So­zi­al­part­ner auf na­tio­na­ler Ebe­ne verfügen, in glei­cher Wei­se wie die Mit­glied­staa­ten, nicht nur bei der Ent­schei­dung dar­über, wel­ches kon­kre­te Ziel von meh­re­ren im Be­reich der Ar­beits- und So­zi­al­po­li­tik sie ver­fol­gen wol­len, son­dern auch bei der Fest­le­gung der Maßnah­men zu sei­ner Er­rei­chung über ein wei­tes Er­mes­sen (ver­glei­che zu Fra­gen der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung: EuGH 14. März 2018 - C-482/16 - [Stoll­wit­zer] Rn. 45; 11. No­vem­ber 2014 - C-530/13 - [Schmit­zer] Rn. 38; 8. Sep­tem­ber 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hen­nigs und Mai] Rn. 65; 12. Ok­to­ber 2010 - C-45/09 - [Ro­sen­bladt] Rn. 41; 16. Ok­to­ber 2007 - C-411/05 - [Pa­la­ci­os de la Vil­la] Rn. 68). So­weit das in Art. 28 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäi­schen Uni­on pro­kla­mier­te Recht auf Kol­lek­tiv­ver­hand­lun­gen Be­stand­teil des

 

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Uni­ons­rechts ist, muss es je­doch im Rah­men der An­wen­dung des Uni­ons­rechts im Ein­klang mit die­sem aus­geübt wer­den (EuGH 8. Sep­tem­ber 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hen­nigs und Mai] Rn. 67).

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b) § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L ist auf den Fall der Wie­der­ein­stel­lung von zu­ vor be­fris­tet Beschäftig­ten zu­ge­schnit­ten. Das er­gibt sich aus der Pro­to­kol­ler­klärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L, die die An­rech­nung ein­schlägi­ger Be­rufser­fah­rung nur zulässt, wenn zwi­schen der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit ei­nem Bun­des­land und der Wie­der­ein­stel­lung durch die­ses Land höchs­tens sechs Mo­na­te lie­gen. Der­art kur­ze Zeiträume zwi­schen zwei Ar­beits­verhält­nis­sen mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber tre­ten ty­pi­scher­wei­se nur bei be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­sen auf. Die­sen Norm­zweck be­le­gen auch die von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in die Nie­der­schrifts­erklärung zu § 44 Nr. 2a Zif­fer 1 und Zif­fer 2 TV-L zur Erläute­rung auf­ge­nom­me­nen Bei­spielsfälle, die sich aus­sch­ließlich auf be­fris­tet beschäftig­te Ar­beit­neh­mer be­zie­hen. Die Pri­vi­le­gie­rung der in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zum sel­ben Ar­beit­ge­ber er­wor­be­nen ein­schlägi­gen Be­rufser­fah­rung, wie sie im Re­ge­lungs­kon­zept des § 16 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 TV-L zum Aus­druck kommt, be­zweckt, Ar­beit­neh­mern bei wie­der­hol­ten Be­fris­tun­gen, wie sie im öffent­li­chen Dienst ver­brei­tet üblich sind, über­haupt die Chan­ce zum Stu­fen­auf­stieg zu ermögli­chen (BAG 3. Ju­li 2014 - 6 AZR 1088/12 - Rn. 22; 23. Sep­tem­ber 2010 - 6 AZR 180/09 - Rn. 14 ff., BA­GE 135, 313). We­gen § 4 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG sind für zu­vor be­fris­tet Beschäftig­te so­wohl bei der Stu­fen­zu­ord­nung als auch bei dem Stu­fen­auf­stieg die­sel­ben Zei­ten zu berück­sich­ti­gen wie für un­be­fris­tet beschäftig­te Ar­beit­neh­mer (Dau­er­beschäftig­te). Be­fris­tet Be­schäftig­te dürfen bei der Berück­sich­ti­gung der in frühe­ren be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­sen mit dem­sel­ben Bun­des­land er­wor­be­nen ein­schlägi­gen Be­rufser­fah­rung nicht ge­genüber un­be­fris­tet Beschäftig­ten be­nach­tei­ligt wer­den (BAG 17. De­zem­ber 2015 - 6 AZR 432/14 - Rn. 23; 24. Ok­to­ber 2013 - 6 AZR 964/11 - Rn. 27; 21. Fe­bru­ar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 20 ff., BA­GE 144, 263). Ver­rich­ten Ar­beit­neh­mer in meh­re­ren be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­sen iden­ti­sche Auf­ga­ben wie Dau­er­beschäftig­te, er­wer­ben sie die­sel­be Be­rufs­er­fah­rung (ver­glei­che BAG 21. Fe­bru­ar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 30, BA­GE 144, 263).

 

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Wer­den zu­vor be­fris­tet Beschäftig­te von ei­nem Bun­des­land für die­sel­be oder ei­ne gleich­wer­ti­ge Tätig­keit wie­der ein­ge­stellt (so­ge­nann­te „ho­ri­zon­ta­le Wie­der-ein­stel­lung“, ver­glei­che BAG 21. Fe­bru­ar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 28, BA­GE 144, 263), ge­bie­tet nach der Recht­spre­chung des vor­le­gen­den Se­nats § 4 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG bei der des­we­gen er­for­der­li­chen Stu­fen­zu­ord­nung die un­ein­ge­schränk­te Berück­sich­ti­gung der er­wor­be­nen ein­schlägi­gen Be­rufs­er­fah­rung. Die­se Be­stim­mung kon­kre­ti­siert den Grund­satz der Nicht­dis­kri­mi­nie­rung in § 4 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG und stellt klar, dass un­ter an­de­rem bei Ent­gel­tan-sprüchen, die von zurück­zu­le­gen­den Beschäfti­gungs­zei­ten abhängen, für be­fris­tet Beschäftig­te die­sel­ben Zei­ten wie für un­be­fris­tet Beschäftig­te zu berück­sich­ti­gen sind (Deut­scher Bun­des­tag Druck­sa­che 14/4374 Sei­te 16). Mit ihr wird Pa­ra­graph 4 Nr. 4 der Rah­men­ver­ein­ba­rung um­ge­setzt (BAG 21. Fe­bru­ar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 24, BA­GE 144, 263). Die­sem Ge­bot muss­ten und woll­ten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L aus­weis­lich sei­nes Wort­lauts bei der Stu­fen­zu­ord­nung Rech­nung tra­gen (ver­glei­che BAG 17. De­zem­ber 2015 - 6 AZR 432/14 - Rn. 24; 24. Ok­to­ber 2013 - 6 AZR 964/11 - Rn. 28). Die­ses Ge­bot ist bei ge­set­zes­kon­for­mer Aus­le­gung des § 16 Abs. 3 Satz 1 TV-L auch bei dem Zeit­punkt des Stu­fen­auf­stiegs berück­sich­tigt (ver­glei­che BAG 21. Fe­bru­ar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 35, BA­GE 144, 263). Die Stu­fen­lauf­zeit be­ginnt dar­um mit der Zu­ord­nung des Beschäftig­ten zu ei­ner Stu­fe sei­ner Ent­gelt­grup­pe nach sei­ner Ein­stel­lung nicht neu zu lau­fen, wenn er zu­vor be­reits be­fris­tet bei dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber beschäftigt war und kei­ne schädli­che Un­ter­bre­chung im Sin­ne der Pro­to­kollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L vor­liegt. Viel­mehr ist die Rest­lauf­zeit auf die Stu­fen­lauf­zeit an­zu­rech­nen (grund­le­gend BAG 21. Fe­bru­ar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 18, BA­GE 144, 263).

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c) Ob die­ser mit der Pri­vi­le­gie­rung der beim sel­ben Ar­beit­ge­ber er­wor­be­nen ein­schlägi­gen Be­rufs­er­fah­rung ver­folg­te Zweck des Schut­zes be­fris­tet Be­schäftig­ter, der sei­ne Grund­la­ge im Se­kundärrecht der Uni­on hat, die dar­ge­stell­te Be­ein­träch­ti­gung der Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit recht­fer­ti­gen kann, ist nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Se­nats uni­ons­recht­lich nicht geklärt. Mit dem Ziel des Schut­zes be­fris­tet Beschäftig­ter hat sich der Ge­richts­hof im Rah­men

 

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der Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit bis­her nicht beschäftigt. Nur im Be­reich der Nie­der­las­sungs­frei­heit hat er die Wah­rung des Be­sitz­stands ei­ner Per­so­nen­grup­pe als zwin­gen­den Grund des All­ge­mein­in­ter­es­ses an­er­kannt (ver­glei­che in die­sem Sinn EuGH 6. De­zem­ber 2007 - C-456/05 - [Kom­mis­si­on/Deutsch­land] Rn. 63, 65), wo­bei die­ser Zweck - an­ders als der Be­stands­schutz be­fris­tet Be­schäftig­ter - nicht uni­ons­recht­lich vor­ge­ge­ben war. Es liegt auch kein „ac­te éclairé“ (ver­glei­che Art. 99 der Ver­fah­rens­ord­nung des Ge­richts­hofs) vor. Der Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs in der Rechts­sa­che SALK (EuGH 5. De­zem­ber 2013 - C-514/12 -) und den die­ser vor­aus­ge­hen­den Ent­schei­dun­gen (EuGH 10. März 2005 - C-178/04 - [Mar­hold]; 30. Sep­tem­ber 2003 - C-224/01 - [Köbler]; 30. No­vem­ber 2000 - C-195/98 - [Öster­rei­chi­scher Ge­werk­schafts­bund]; 15. Ja­nu­ar 1998 - C-15/96 - [Schöning-Kouge­be­to­pou­lou]) las­sen sich kei­ne An­halts­punk­te dafür ent­neh­men, ob die un­ter­blei­ben­de An­rech­nung von Be­rufs­er­fah­rungs­zei­ten von Wan­der­ar­beit­neh­mern durch den Schutz be­fris­tet Beschäftig­ter ge­recht­fer­tigt sein könn­te.

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d) Durch die Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist auch noch nicht hin­rei­chend geklärt, wel­chen Ein­fluss ei­ne Ver­schränkung von primärrecht­lich ge­re­gel­ten Grund­frei­hei­ten und se­kundärrecht­li­chen Ge­bo­ten wie dem durch die Rah­men­ver­ein­ba­rung ge­bo­te­nen Schutz be­fris­tet Beschäftig­ter, wie sie im vor­lie­gen­den Fall ge­ge­ben ist, auf die Recht­fer­ti­gung ei­nes Ein­griffs in ei­ne Grund­frei­heit wie die Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit hat.

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aa) Der Ge­richts­hof hat al­ler­dings an­ge­nom­men, dass es kei­ne durch Art. 30 des Ver­trags zur Gründung der Eu­ropäischen Ge­mein­schaft (EG-Ver­trag) un­ter­sag­te Be­schränkung des in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Han­dels dar­stellt, wenn ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung ei­nen Im­por­teur ver­pflich­tet, für ein Arz­nei­mit­tel im Sin­ne des Art. 1 Nr. 2 der Richt­li­nie 65/65/EWG des Ra­tes vom 26. Ja­nu­ar 1965 zur An­glei­chung der Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten über Arz­nei­spe­zia­litäten ei­ne Ver­kehrs­ge­neh­mi­gung ein­zu­ho­len, wie es Art. 3 die­ser Richt­li­nie ge­bie­tet (EuGH 29. April 2004 - C-387/99 - [Kom­mis­si­on/Deutsch­land] Rn. 50). Des Wei­te­ren hat er ent­schie­den, dass Be­stim­mun­gen des na­tio­na­len Rechts, die im Ein­klang mit der Elf­ten Richt­li­nie 89/666/EWG des Ra­tes vom

 

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21. De­zem­ber 1989 über die Of­fen­le­gung von Zweig­nie­der­las­sun­gen, die in ei­nem Mit­glied­staat von Ge­sell­schaf­ten be­stimm­ter Rechts­for­men er­rich­tet wur­den, die dem Recht ei­nes an­de­ren Staa­tes un­ter­lie­gen, ste­hen, nicht als Be­hin­de­rung der Nie­der­las­sungs­frei­heit an­ge­se­hen wer­den können (EuGH 30. Sep­tem­ber 2003 - C-167/01 - [In­spi­re Art] Rn. 58). Außer­dem hat der Ge­richts­hof wie­der­holt aus­ge­spro­chen, dass Be­trof­fe­ne den Um­fang der ih­nen durch das Uni­ons­recht auf­er­leg­ten Ver­pflich­tun­gen ein­deu­tig er­ken­nen und sich dar­auf ein­stel­len können müssen. Dar­um hat er an­ge­nom­men, dass Vor­schrif­ten des na­tio­na­len Rechts, die sich auf ei­ne Er­laub­nis stützen können, die im Se­kundärrecht vor­ge­se­hen ist, wirk­sam sind und dem Mit­glied­staat nicht vor­ge­wor­fen wer­den kann, durch sol­che Vor­schrif­ten ge­gen Ver­pflich­tun­gen aus dem EG-Ver­trag zu ver­s­toßen (EuGH 15. Ju­li 2010 - C-582/08 - [Kom­mis­si-on/Ver­ei­nig­tes König­reich] Rn. 47 f.; 5. Ok­to­ber 2004 - C-475/01 - [Kom­mis­si-on/Grie­chen­land] Rn. 24).

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bb) Der Ge­richts­hof hat je­doch auch ent­schie­den, dass ei­ne Maßnah­me ei­ner Be­stim­mung des ab­ge­lei­te­ten Rechts ent­spre­che, ha­be nicht zur Fol­ge, dass sie nicht an den Be­stim­mun­gen des EG-Ver­trags zu mes­sen sei. Im kon­kre­ten Fall hat er dann an­ge­nom­men, dass das Uni­ons­recht ei­ner be­stimm­ten Maßnah­me des na­tio­na­len Rechts nicht ent­ge­gen­ste­he (EuGH 28. April 1998 - C-158/96 - [Kohll] Rn. 25, 27).

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cc) Der vor­lie­gen­de Fall un­ter­schei­det sich von den bis­her vom Ge­richts­hof ent­schie­de­nen Fällen. Nach Einschätzung des vor­le­gen­den Se­nats kommt al­lein auf­grund der Ver­pflich­tun­gen, die aus dem Se­kundärrecht er­wach­sen und de­nen die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit der Re­ge­lung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L Rech­nung ge­tra­gen ha­ben, ei­ne Ver­let­zung der Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit durch die in § 16 Abs. 2 TV-L ge­trof­fe­nen Be­stim­mun­gen in Be­tracht.

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(1) Nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Se­nats läge kei­ne Ver­let­zung des Art. 45 Abs. 2 AEUV vor, wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die Re­ge­lung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L nicht ge­trof­fen hätten. Dann würde § 16 Abs. 2 TV-L nur re­geln, dass Beschäftig­te nach ih­rer Ein­stel­lung grundsätz­lich der Stu­fe 1 ih­rer

 

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Ent­gelt­grup­pe zu­ge­ord­net wer­den und bei Vor­lie­gen ein­schlägi­ger Be­rufs­er­fah­rung ma­xi­mal drei Jah­re die­ser Er­fah­rung an­er­kannt wer­den.

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(a) In die­sem Fall käme kei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung von Wan­der­ar­beit­neh­mern in Be­tracht. Es gäbe kei­ne inländi­schen Ar­beit­neh­mer, die bei ei­ner Ein­stel­lung leich­ter in ei­ne höhe­re Stu­fe ein­ge­ord­net würden als Wan­derar­beit­neh­mer. Bei al­len neu ein­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mern würde ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung bis zu ei­ner Höchst­dau­er von drei Jah­ren un­ein­ge­schränkt be­rück­sich­tigt, ei­ne mehr als drei Jah­re be­tra­gen­de Be­rufs­er­fah­rung blie­be da­ge­gen stets un­berück­sich­tigt. Das würde auch dann gel­ten, wenn neu ein­ge­stell­te Ar­beit­neh­mer be­reits früher bei die­sem Bun­des­land beschäftigt wa­ren. Dafür, dass Wan­der­ar­beit­neh­mer häufi­ger ih­ren Ar­beits­platz wech­seln, al­so häufi­ger neu ein­ge­stellt wer­den, als inländi­sche Ar­beit­neh­mer, gibt es kei­ne An­halts­punk­te. Des­halb ließe sich nicht fest­stel­len, dass § 16 Abs. 2 TV-L vor al­lem Wan­der­ar­beit­neh­mer zu be­nach­tei­li­gen droht, wenn es die Re­ge­lung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L nicht gäbe (ver­glei­che EuGH 27. Ja­nu­ar 2000 - C-190/98 - [Graf] Rn. 16).

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(b) In die­sem Fall schie­de nach An­sicht des vor­le­gen­den Se­nats aber auch
ei­ne Be­schränkung der Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit aus. Zwar ist auch oh­ne ei­ne Re­ge­lung wie die in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L ge­trof­fe­ne nicht aus­zu­sch­ließen, dass ein­zel­ne Beschäftig­te ei­nes Bun­des­lan­des da­von ab­ge­hal­ten wer­den, von ih­rem Recht auf Freizügig­keit Ge­brauch zu ma­chen, weil ih­re in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat er­wor­be­ne Be­rufs­er­fah­rung bei ei­ner er­neu­ten Ein­stel­lung durch das­sel­be Bun­des­land selbst dann nicht un­ein­ge­schränkt an­er­kannt wird, wenn sie „ein­schlägig“, al­so in der Tätig­keit für das Bun­des­land ver­wert­bar ist. Es gibt be­reits kei­ner­lei An­halts­punk­te dafür, dass es ei­ne übli­che oder auch nur häufig er­fol­gen­de Pra­xis ist, dass Beschäftig­te ei­nes Bun­des­lan­des, die aus dem Ar­beits­verhält­nis mit die­sem aus­ge­schie­den sind, um in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat be­rufstätig zu sein, nach ei­ni­ger Zeit wie­der ein Ar­beits­verhält­nis mit dem­sel­ben Land be­gründen. Selbst wenn das der Fall wäre, würde die­sen Beschäf­tig­ten die in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat er­wor­be­ne ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung nicht vollständig ab­ge­schnit­ten, son­dern bis zu drei Jah­re die­ser Er­fah­rung

 

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würden vollständig an­er­kannt. An­de­re Ar­beit­neh­mer, bei de­nen bei ei­ner Neu­ein­stel­lung mehr als drei Jah­re ein­schlägi­ger Be­rufs­er­fah­rung an­er­kannt wür­den, gäbe es nicht. Dafür, dass Beschäftig­te ei­nes Bun­des­lan­des gleich­wohl von der Ausübung ih­rer Freizügig­keit ab­ge­hal­ten wer­den könn­ten, spräche nichts. Dar­in liegt der Un­ter­schied zu der vom Ge­richts­hof ent­schie­de­nen Fall­ge­stal­tung bei ei­ner Dienst­al­ters­zu­la­ge für Pro­fes­so­ren an öster­rei­chi­schen Uni­ver­sitäten (EuGH 30. Sep­tem­ber 2003 - C-224/01 - [Köbler] Rn. 71, 74). Auch die Kläge­rin war nicht zu­vor bei dem be­klag­ten Land beschäftigt, son­dern aus­sch­ließlich in Frank­reich be­rufstätig. Gäbe es die Re­ge­lung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L nicht, wäre da­her die Re­ge­lung zur Stu­fen­zu­ord­nung in § 16 Abs. 2 TV-L nach Einschätzung des vor­le­gen­den Se­nats so un­ge­wiss und wirk­te so in­di­rekt, dass sie die Freizügig­keit nicht be­ein­träch­ti­gen könn­te (ver­glei­che EuGH 27. Ja­nu­ar 2000 - C-190/98 - [Graf] Rn. 25).

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(2) Zu ei­ner mögli­chen Ver­let­zung der Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit führt § 16 Abs. 2 TV-L nach An­sicht des Se­nats erst durch die Re­ge­lung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L. Da­mit ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne Ar­beit­neh­mer­grup­pe pri­vi­le­giert, in­dem sie bei die­ser Grup­pe die ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung un­ein­ge­schränkt auch bei ei­ner Neu­ein­stel­lung an­er­ken­nen. Bei die­ser Ar­beit­neh­mer­grup­pe der be­fris­tet Beschäftig­ten han­delt es sich je­doch um ei­nen nach dem Se­kundärrecht be­son­ders zu schützen­den Per­so­nen­kreis. Dem aus Pa­ra­graph 4 Nr. 4 der Rah­men­ver­ein­ba­rung er­wach­sen­den Schutz­ge­bot ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L Rech­nung ge­tra­gen. Die­ses Schutz­ge­bot ver­folgt ei­ne gänz­lich an­de­re Ziel­rich­tung als das Freizügig­keits­ge­bot. Der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs lässt sich nicht ent­neh­men, ob bei Ar­beit­neh­mern, die von ih­rem Recht auf Freizügig­keit Ge­brauch ge­macht ha­ben und vor­her nie oder nur nach lan­ger Un­ter­bre­chung für das­sel­be Bun­des­land tätig wa­ren, un­ge­ach­tet die­ser un­ter­schied­li­chen Schutz­zie­le bei der Stu­fen­zu­ord­nung nach ih­rer (Wie­der-)Ein­stel­lung durch ein Bun­des­land ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung, die sie in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat er­wor­ben ha­ben, bei der Stu­fen­zu­ord­nung eben­so un­ein­ge­schränkt an­er­kannt wer­den muss, wie die ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung von be­fris­tet Beschäftig­ten,

 

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die zu­vor oh­ne schädli­che Un­ter­bre­chung für das­sel­be Bun­des­land tätig wa­ren. Es ist un­geklärt, ob die Pri­vi­le­gie­rung der schon zu­vor bei dem­sel­ben Bun­des­land beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer durch die Re­ge­lung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L des­halb ge­recht­fer­tigt ist, weil der da­durch be­zweck­te be­son­de­re Schutz von Ar­beit­neh­mern, die zu­vor bei die­sem Bun­des­land be­fris­tet beschäftigt wa­ren, durch die Rah­men­ver­ein­ba­rung ge­bo­ten ist. Der Ge­richts­hof wird da­her um Klä­rung der Fra­ge er­sucht, wie die Kol­li­si­on zwei­er auf un­ter­schied­li­che Schutz­zie­le ge­rich­te­ter Nor­m­an­wen­dungs­be­feh­le des Uni­ons­rechts auf­zulösen ist.

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