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BAG, vom 09.08.2011, 9 AZR 475/10

   
Schlagworte: Urlaubsentgelt, Urlaub: Verfall
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 475/10
Typ:
Entscheidungsdatum: 09.08.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bonn, 25.04.2007, 2 Ca 20/07,
Landesarbeitsgericht Köln, 25.04.2007, 7 Sa 673/07,
Landesarbeitsgericht Köln, 29.08.2007, 7 Sa 673/07,
Bundesarbeitsgericht, 24.03.2009, 9 AZR 983/07,
Arbeitsgericht Wuppertal, 13.11.2009, 3 Ca 1128/09,
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 05.05.2010 - 7 Sa 1571/09,
anhängig: Landesarbeitsgericht Köln, 7 Sa 673/07
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

9 AZR 475/10
7 Sa 1571/09
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Düssel­dorf

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
9. Au­gust 2011

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

 

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

 

pp.

 

Be­klag­ter, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

 

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Be­ra­tung vom 9. Au­gust 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Düwell, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Krasshöfer und Dr. Suckow so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schmid und Müller be­schlos­sen:

 

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Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 5. Mai 2010 - 7 Sa 1571/09 - wird zurück­ge­wie­sen.

Der Kläger hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

 

Von Rechts we­gen!

 

Tat­be­stand

 

Der Kläger be­gehrt von dem Be­klag­ten, Er­ho­lungs­ur­laub aus den Jah­ren 2002 bis 2007 ab­zu­gel­ten.

Die Par­tei­en ver­band im Zeit­raum vom 21. April 1989 bis zum 31. März 2007 ein Ar­beits­verhält­nis. Der Be­klag­te, ein ge­meinnützi­ger Ver­ein in kirch­li­cher Träger­schaft, beschäftig­te den Kläger als Al­ten­pfle­ger in Teil­zeit. Der jähr­li­che Ur­laubs­an­spruch des Klägers be­trug 34 Ar­beits­ta­ge.

2

Gemäß § 2 des die Par­tei­en ver­bin­den­den For­mu­lar­ar­beits­ver­trags fan­den auf das Ar­beits­verhält­nis die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en des Dia­ko­ni­schen Werks der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land (AVR) in der je­weils gülti­gen Fas­sung An­wen­dung. Die­se se­hen aus­zugs­wei­se ua. fol­gen­de Be­stim­mun­gen vor:

„§ 35 Be­en­di­gung des Dienst­verhält­nis­ses we­gen ver­min­der­ter Er­werbsfähig­keit

(1) Die Mit­ar­bei­te­rin bzw. der Mit­ar­bei­ter hat ... den Dienst­ge­ber un­verzüglich von der Zu­stel­lung des Ren­ten­be­schei­des zu un­ter­rich­ten.

Das Dienst­verhält­nis en­det, wenn der Ren­ten­be­scheid ei­nes Ren­ten­ver­si­che­rungs­trägers die vol­le Er­werbs­min­de­rung fest­stellt.

Setzt der Ren­ten­be­scheid ei­ne be­fris­te­te Ren­te fest, ruht das Dienst­verhält­nis so­lan­ge wie ... der Mit­ar­bei­ter die be­fris­te­te Ren­te be­zieht, längs­tens je­doch bis zum Ab­lauf des Ta­ges, an dem das Dienst­verhält­nis en­det.

 

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...

§ 45 Aus­schluss­fris­ten

(1) ... die all­mo­nat­lich ent­ste­hen­den Ansprüche auf Ent­gelt (§§ 14 bis 19a) müssen in­ner­halb ei­ner Aus­schluss­frist von zwölf Mo­na­ten nach Fällig­keit gel­tend ge­macht wer­den.

(2) An­de­re Ansprüche aus dem Dienst­verhält­nis müssen in­ner­halb ei­ner Aus­schluss­frist von sechs Mo­na­ten nach Fällig­keit schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den, so­weit die AVR nichts an­de­res be­stim­men.

(3) Für den glei­chen Tat­be­stand reicht die ein­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung der Ansprüche aus, um die Aus­schluss­frist auch für später fällig wer­den­de Ansprüche un­wirk­sam zu ma­chen.“

3

Ab dem 20. Ju­ni 2003 be­zog der Kläger ei­ne be­fris­te­te Ren­te we­gen Er­werbs­min­de­rung.

4

In ei­nem im Jahr 2004 vor dem Ar­beits­ge­richt Wup­per­tal geführ­ten Rechts­streit (- 2 Ca 1828/04 -) schlos­sen die Par­tei­en un­ter dem 16. Sep­tem­ber 2004 ei­nen Ver­gleich. Zif­fer 1 die­ses Ver­gleichs lau­tet wie folgt:

„Es be­steht Ei­nig­keit zwi­schen den Par­tei­en, dass dem Kläger zum 01.06.2005 noch 43 Ur­laubs­ta­ge aus dem Jahr 2002 und an­tei­lig aus dem Jahr 2003 zu­ste­hen.“

5

Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass sie nicht das Da­tum „01.06.2005“, son­dern den 1. Ju­ni 2004 mein­ten.

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Mit Be­scheid vom 22. März 2007, der dem Kläger im Lau­fe des­sel­ben Mo­nats zu­ge­stellt wur­de, er­kann­te die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Rhein­land dem Kläger ei­ne un­be­fris­te­te Ren­te we­gen Er­werbs­min­de­rung zu.

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Mit Schrei­ben vom 5. Fe­bru­ar 2009 be­gehr­te der Kläger oh­ne Er­folg von dem Be­klag­ten, sei­nen Ur­laub ab­zu­gel­ten.

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Der Kläger hat die Rechts­auf­fas­sung ver­tre­ten, der Be­klag­te sei zur Ur­laubs­ab­gel­tung ver­pflich­tet. Er hat be­haup­tet, während des Zeit­raums, in dem er ei­ne Ren­te we­gen Er­werbs­min­de­rung be­zo­gen ha­be, sei er durch­ge­hend ar­beits­unfähig krank ge­we­sen. Die Aus­schluss­frist des § 45 AVR ste­he dem

 

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er­ho­be­nen An­spruch nicht ent­ge­gen, da die AVR nicht die Qua­lität ei­nes Ta­rif­ver­trags hätten. Durch die ein­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung von Ur­laubs­ansprü­chen in dem Ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt Wup­per­tal (- 2 Ca 1828/04 -) ha­be er den An­for­de­run­gen des § 45 Abs. 3 AVR genügt.

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Der Kläger hat be­an­tragt,

den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an ihn 11.015,82 Eu­ro brut­to nebst fünf „Pro­zent“ Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 9. März 2009 zu zah­len.

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Der Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Er ist der An­sicht, der Kläger ha­be während des Zeit­raums, in dem das Ar­beits­verhält­nis ge­ruht ha­be, kei­nen Ur­laubs­an­spruch er­wor­ben. Der vom 16. Sep­tem­ber 2004 da­tie­ren­de Ver­gleich gewähre dem Kläger le­dig­lich Rech­te in Be­zug auf Ur­laub, nicht je­doch Ansprüche auf die Ab­gel­tung von Ur­laub. Die in § 45 AVR ge­re­gel­ten Aus­schluss­fris­ten sei­en auf die von dem Kläger er­ho­be­nen Ur­laubs­ansprü­che an­zu­wen­den, da kir­chen­recht­li­che Re­ge­lun­gen Ta­rif­verträgen gleichstän­den. Spätes­tens seit Be­kannt­wer­den des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 2. Au­gust 2006 ha­be es dem Kläger ob­le­gen, Ur­laubs­ansprüche zur Wah­rung der Aus­schluss­frist gel­tend zu ma­chen.

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Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sein Kla­ge­be­geh­ren wei­ter.

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Ent­schei­dungs­gründe

I. Die Re­vi­si­on ist nicht be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das kla­ge­ab­wei­sen­de Ur­teil des Ar­beits­ge­richts zu Recht zurück­ge­wie­sen. Die zulässi­ge Kla­ge ist nicht be­gründet. Der Be­klag­te ist nicht ver­pflich­tet, an den Kläger ei­nen Brut­to­be­trag iHv. 11.015,82 Eu­ro nebst Zin­sen seit dem 9. März 2009 zu zah­len. Der von dem Kläger er­ho­be­ne

 

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An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung ist ver­fal­len. Dem Kläger steht des­halb auch kein Zins­an­spruch zu.

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1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Ar­beit­ge­ber Ur­laub ab­zu­gel­ten, wenn die­ser we­gen der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ganz oder teil­wei­se nicht mehr gewährt wer­den kann.

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2. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en en­de­te am 31. März 2007, da die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Rhein­land dem Kläger mit Be­scheid vom 22. März 2007, der dem Kläger im Mo­nat März 2007 zu­ge­stellt wur­de, ei­ne Ren­te we­gen vol­ler Er­werbs­min­de­rung gewähr­te (§ 35 Abs. 1 Un­terabs. 2, Abs. 3 Un­terabs. 1 Satz 1 AVR). § 35 Abs. 1 Un­terabs. 2 AVR enthält ei­ne den Ar­beits­ver­trag be­en­den­de auflösen­de Be­din­gung. Der Kläger hat et­wai­ge Un­wirk­sam­keits­gründe nicht bin­nen der in §§ 21, 17 Satz 1 Tz­B­fG be­stimm­ten Frist gel­tend ge­macht.

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3. Der Se­nat braucht nicht darüber zu be­fin­den, ob und ge­ge­be­nen­falls in wel­chem Um­fang dem Kläger zum Be­en­di­gungs­zeit­punkt Ur­laubs­ansprüche zu­stan­den. Ins­be­son­de­re kann da­hin­ste­hen, ob der Kläger für den Zeit­raum zwi­schen dem 20. Ju­ni 2003 und dem 31. März 2007, in dem das Ar­beits­ver­hält­nis der Par­tei­en we­gen der sei­tens des Klägers be­zo­ge­nen be­fris­te­ten Ren­te we­gen Er­werbs­min­de­rung ruh­te (§ 35 Abs. 1 Un­terabs. 3 AVR), Ur­laubs­ansprüche er­wor­ben hat. Denn selbst wenn der Se­nat zu­guns­ten des Klägers un­ter­stellt, dass er zum Zeit­punkt der Be­en­di­gung In­ha­ber von Ur­laubs­ansprüchen war, ist der An­spruch auf Ab­gel­tung des Ur­laubs gemäß § 45 Abs. 2 AVR ver­fal­len.

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a) Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fan­den kraft ein­zel­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung die Re­ge­lun­gen der AVR An­wen­dung (§ 2 des Ar­beits­ver­trags).

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aa) Die Ver­trags­klau­sel des § 2 des Ar­beits­ver­trags, die auf die AVR in der je­weils gülti­gen Fas­sung Be­zug nimmt, ist Be­stand­teil der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen der Par­tei­en. Es han­delt sich nicht um ei­ne über­ra­schen­de Klau­sel iSd. § 305c Abs. 1 BGB.

 

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(1) Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen, die nach den Umständen, ins­be­son­de­re nach dem äußeren Er­schei­nungs­bild des Ver­trags, so un­gewöhn­lich sind, dass der Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders mit ih­nen nicht zu rech­nen braucht, wer­den nicht Ver­trags­be­stand­teil (§ 305c Abs. 1 BGB).

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(2) Die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 305c Abs. 1 BGB lie­gen nicht vor. Ein Über­ra­schungs­mo­ment er­gibt sich we­der aus der äußeren Form und Po­si­tio­nie­rung der in ei­nem ge­son­der­ten Pa­ra­gra­fen ver­ein­bar­ten Klau­sel noch aus ih­rer in­halt­li­chen Ge­stal­tung. Ein Ar­beit­neh­mer, der ei­nen Ar­beits­ver­trag mit ei­ner Ein­rich­tung ei­nes Dia­ko­ni­schen Werks schließt, hat da­von aus­zu­ge­hen, dass sein Ar­beit­ge­ber das spe­zi­fisch kirch­li­che Ver­trags­recht in sei­ner je­wei­li­gen Fas­sung zum Ge­gen­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses ma­chen will, zu­mal er kir­chen­recht­lich da­zu ver­pflich­tet ist (vgl. BAG 10. De­zem­ber 2008 - 4 AZR 801/07 - Rn. 42, BA­GE 129, 1).

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bb) Die Ver­wei­sungs­klau­sel, die mit den AVR ein an­de­res Re­gel­werk in sei­ner je­weils gülti­gen Fas­sung in Be­zug nimmt, verstößt nicht ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

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(1) Ver­weist ei­ne Re­ge­lung in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen auf Vor­schrif­ten ei­nes an­de­ren Re­gel­werks, führt dies für sich ge­nom­men nicht zur In­trans­pa­renz (vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 96, BA­GE 130, 119). Sinn des Trans­pa­renz­ge­bots ist es, der Ge­fahr vor­zu­beu­gen, dass der Ar­beit­neh­mer von der Durch­set­zung be­ste­hen­der Rech­te ab­ge­hal­ten wird. Erst in der Ge­fahr, dass der Ar­beit­neh­mer we­gen un­klar ab­ge­fass­ter All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen sei­ne Rech­te nicht wahr­nimmt, liegt ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung iSv. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 15. April 2008 - 9 AZR 159/07 - Rn. 77, AP TVG § 1 Al­ters­teil­zeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Ta­rif­kon­kur­renz Nr. 21). Umstände, die auf ei­ne sol­che Ge­fahr hin­deu­ten, hat der Kläger nicht vor­ge­tra­gen; im Übri­gen sind sie nicht er­sicht­lich.

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(2) Der Um­stand, dass § 2 des Ar­beits­ver­trags die AVR nicht sta­tisch, son­dern in ih­rer je­weils gülti­gen Fas­sung in Be­zug nimmt, be­geg­net un­ter dem Ge­sichts­punkt der Trans­pa­renz kei­nen durch­grei­fen­den Be­den­ken. Ar­beits­ver-


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trag­li­che Be­zug­nah­men auf an­de­re Re­gel­wer­ke ent­spre­chen ei­ner im Ar­beits­recht gebräuch­li­chen Re­ge­lungs­tech­nik. Die Dy­na­mi­sie­rung dient we­gen des Zu­kunfts­be­zugs des Ar­beits­verhält­nis­ses als Dau­er­schuld­verhält­nis den In­te­res­sen bei­der Sei­ten. Die im Zeit­punkt der je­wei­li­gen An­wen­dung ein­be­zo­ge­nen Re­ge­lun­gen sind hin­rei­chend be­stimm­bar (vgl. zu ei­ner dy­na­mi­schen Ver­wei­sung auf die Ar­beits­ver­trags­ord­nung für An­ge­stell­te im kirch­lich-dia­ko­ni­schen Dienst des Dia­ko­ni­schen Werks in Hes­sen und Nas­sau: BAG 10. De­zem­ber 2008 - 4 AZR 801/07 - Rn. 48 ff., BA­GE 129, 1).

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cc) Be­zug­nah­me­klau­seln wie in § 2 des Ar­beits­ver­trags ver­s­toßen schließ­lich nicht ge­gen das Klau­sel­ver­bot des § 308 Nr. 4 BGB (vgl. BAG 22. Ju­li 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 20, AP BGB § 611 Kir­chen­dienst Nr. 55 = EzA BGB 2002 § 611 Kirch­li­che Ar­beit­neh­mer Nr. 15).

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b) Die Aus­schluss­be­stim­mung des § 45 Abs. 2 AVR ist rechts­wirk­sam.

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aa) Nimmt ein Ar­beits­ver­trag auf kirch­lich-dia­ko­ni­sche Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en Be­zug, sind auch die­se am Maßstab des § 305 ff. BGB zu mes­sen (vgl. BAG 22. Ju­li 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 24, aaO).

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bb) Die Re­ge­lung in § 45 Abs. 2 AVR be­nach­tei­ligt Ar­beit­neh­mer nicht un­an­ge­mes­sen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

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(1) Der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts geht da­von aus, für kirch­li­che Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en gel­te ein ge­genüber übli­chen AGB ein­ge­schränk­ter Prüfungs­maßstab (BAG 22. Ju­li 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 31, aaO). Re­ge­lun­gen, die auf dem Drit­ten Weg entstünden, hätten die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen le­dig­lich dar­auf­hin zu prüfen, ob sie ge­gen die Ver­fas­sung, ge­gen an­de­res höher­ran­gi­ges zwin­gen­des Recht oder die gu­ten Sit­ten ver­stie­ßen. Der Se­nat kann die Fra­ge des Prüfungs­maßstabs of­fen­las­sen, da § 45 Abs. 2 AVR auch ei­ner un­ein­ge­schränk­ten Über­prüfung am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB standhält.

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(2) § 307 Abs. 1 BGB steht der Klau­sel nicht ent­ge­gen. Die Frist ist aus­rei­chend lang be­mes­sen; der In­halt der Be­stim­mung ist hin­rei­chend klar und verständ­lich.

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(a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen un­wirk­sam, wenn sie den Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen. Ei­ne ein­zel­ver­trag­li­che Ver­fall­frist, die wie § 45 Abs. 2 AVR ei­ne Gel­tend­ma­chung in­ner­halb ei­nes Zeit­raums von mehr als drei Mo­na­ten ver­langt, be­geg­net in AGB-recht­li­cher Hin­sicht kei­nen durch­grei­fen­den Be­den­ken (vgl. BAG 28. Sep­tem­ber 2005 - 5 AZR 52/05 - zu II 5 der Gründe, BA­GE 116, 66).

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(b) Die Klau­sel ist auch nicht in­trans­pa­rent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Zwar heißt es nicht aus­drück­lich, dass Ansprüche ver­fal­len, wenn sie nicht recht­zei­tig gel­tend ge­macht wer­den. Dies ist je­doch auch nicht er­for­der­lich. Die Über­schrift von § 45 AVRAus­schluss­fris­ten“ lässt hin­rei­chend deut­lich er­ken­nen, dass der Ar­beit­neh­mer mit sei­nen Ansprüchen aus­ge­schlos­sen ist, wenn er die­se nicht bin­nen der in der Klau­sel be­zeich­ne­ten Frist gel­tend macht (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 4 der Gründe, BA­GE 115, 19).

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c) Ansprüche auf Ur­laubs­ab­gel­tung un­ter­fal­len als „Ansprüche aus dem Dienst­verhält­nis“ der Aus­schluss­frist des § 45 Abs. 2 AVR. Der dort an­ge­ord­ne­te Ver­fall ist un­abhängig da­von wirk­sam, ob der An­spruch auf die Ab­gel­tung des ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs oder auf die Ab­gel­tung des über­ge­setz­li­chen Ur­laubs ge­rich­tet ist. Dem steht we­der der un­ab­ding­ba­re Schutz des ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on vor­ge­nom­me­ne und für den Se­nat nach Art. 267 AEUV ver­bind­li­che Aus­le­gung der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (sog. Ar­beits­zeit­richt­li­nie; ABl. EU L 299 vom 18. No­vem­ber 2003 S. 9) ent­ge­gen.

32

aa) Nach der frühe­ren Se­nats­recht­spre­chung ließen ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten den An­spruch auf Ab­gel­tung des ge­setz­li­chen Ur­laubs un­berührt. Dies

 

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galt selbst in den Fällen, in de­nen die Ta­rif­vor­schrift al­le Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis be­fris­te­te (vgl. zu­letzt BAG 20. Ja­nu­ar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 21; 20. Mai 2008 - 9 AZR 219/07 - Rn. 48, BA­GE 126, 352; vgl. für die st. Rspr. auch BAG 23. April 1996 - 9 AZR 165/95 - zu II 4 der Gründe, BA­GE 83, 29; 24. No­vem­ber 1992 - 9 AZR 549/91 - zu 3 der Gründe, AP BUrlG § 1 Nr. 23 = EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 102).

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bb) Das mit der Sur­ro­ga­ti­on be­gründe­te Merk­mal der Erfüll­bar­keit des Frei­stel­lungs­an­spruchs im fik­tiv fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis (sog. Sur­ro-gats­theo­rie; vgl. BAG 5. De­zem­ber 1995 - 9 AZR 871/94 - BA­GE 81, 339) hat der Se­nat in Um­set­zung der Vor­ab­ent­schei­dung des EuGH in der Rechts­sa­che Schultz-Hoff auf­ge­ge­ben (vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 44 ff., BA­GE 130, 119; fort­geführt von BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 17, EzA BUrlG § 7 Ab­gel­tung Nr. 17; 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Ab­gel­tung Nr. 16). Da­nach ist der Ur­laubs-ab­gel­tungs­an­spruch nach der re­for­mier­ten Recht­spre­chung nur noch ein rei­ner Geld­an­spruch. Des­halb un­terfällt er auch al­len Be­din­gun­gen, die nach den AVR für die Gel­tend­ma­chung von Geld­ansprüchen vor­ge­schrie­ben sind. Dies gilt auch in­so­weit, als ein Ar­beit­neh­mer den in § 1 Abs. 1 BUrlG verbürg­ten An­spruch auf ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub ab­ge­gol­ten ver­langt. Wie der Se­nat in der Lei­tent­schei­dung vom 9. Au­gust 2011 (- 9 AZR 365/10 - Rn. 22 ff.) zu ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten ausführ­lich be­gründet hat, verstößt die An­wen­dung von Aus­schluss­fris­ten we­der ge­gen den in § 13 Abs. 1 BUrlG ge­re­gel­ten Grund­satz der Un­ab­ding­bar­keit ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs noch ge­gen Art. 7 Abs. 2 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie und die hier­zu vom Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on auf­ge­stell­ten Grundsätze.

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cc) Die Erwägun­gen, die der Se­nat in der Ent­schei­dung vom 9. Au­gust 2011 (- 9 AZR 365/10 -) für ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten näher dar­ge­legt hat, gel­ten für Aus­schluss­fris­ten in kirch­li­chen Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en glei­cher­ma­ßen. Denn die Rechts­na­tur der Aus­schluss­re­ge­lung ist für ih­re An­wend­bar­keit auf Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche un­er­heb­lich. Ent­schei­dend ist al­lein, dass der Ab­gel­tungs­an­spruch ei­nen rei­nen Geld­an­spruch dar­stellt, der nach sei­ner

 

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Ent­ste­hung, dh. nach der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, den­sel­ben Re­ge­lun­gen un­terfällt und da­her auch in der­sel­ben Wei­se wie an­de­re Zah­lungs­ansprüche be­fris­tet ist. So­fern es sich nicht um Ent­gelt­ansprüche han­delt, fal­len Zah­lungs­ansprüche als „an­de­re Ansprüche aus dem Dienst­verhält­nis“ un­ter § 45 Abs. 2 AVR.

35

d) Der Kläger hat den An­spruch nicht bin­nen der sechs­mo­na­ti­gen Aus­schluss­frist des § 45 Abs. 2 AVR gel­tend ge­macht. Der An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung war mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses am 31. März 2007 fällig. Der Kläger hätte den An­spruch des­halb spätes­tens bis zum 30. Sep­tem­ber 2007 schrift­lich ge­genüber dem Be­klag­ten gel­tend ma­chen müssen. Die­se Frist hat er mit dem Gel­tend­ma­chungs­schrei­ben sei­nes Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 5. Fe­bru­ar 2009 nicht ge­wahrt.

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aa) Der An­spruch ei­nes Ar­beit­neh­mers ge­gen den Ar­beit­ge­ber, nicht ge­nom­me­nen Ur­laub ab­zu­gel­ten, ist mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses fällig (vgl. BAG 11. Ok­to­ber 2010 - 9 AZN 418/10 - Rn. 20, AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 75 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 125). Die Fällig­keit des An­spruchs ist nicht erst mit Verkündung der Lei­tent­schei­dung des EuGH vom 20. Ja­nu­ar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Slg. 2009, I-179) ein­ge­tre­ten. Für den Ver­fall ei­nes An­spruchs kommt es re­gelmäßig nicht auf die Kennt­nis des Gläubi­gers von dem An­spruch an (vgl. BAG 13. De­zem­ber 2007 - 6 AZR 222/07 - Rn. 19, BA­GE 125, 216; 26. April 1978 - 5 AZR 62/77 - zu II der Gründe, AP TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 64 = EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 35). Ein Aus­ein­an­der­fal­len von Ent­ste­hungs- und Fällig­keits­zeit­punkt kann nur un­ter be­son­de­ren Umständen an­ge­nom­men wer­den. Sol­che lie­gen bei­spiels­wei­se vor, wenn es dem Gläubi­ger prak­tisch unmöglich ist, den An­spruch mit sei­nem Ent­ste­hen gel­tend zu ma­chen. Das ist et­wa der Fall, wenn die rechts­be­gründen­den Tat­sa­chen in der Sphäre des Schuld­ners lie­gen und der Gläubi­ger es nicht durch schuld­haf­tes Zögern versäumt hat, sich Kennt­nis von den Vor­aus­set­zun­gen zu ver­schaf­fen, die er für die Gel­tend­ma­chung benötigt (vgl. BAG 16. No­vem­ber 1989 - 6 AZR 114/88 - zu II 3 b und c der Gründe, BA­GE 63, 246). Sol­che be­son­de­ren Umstände hat der Kläger nicht vor­ge­tra-

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gen; im Übri­gen sind sie nicht er­sicht­lich. Dem Kläger war es un­abhängig von der Ent­schei­dung des EuGH möglich, den nun­mehr er­ho­be­nen An­spruch frist­ge­recht ge­genüber dem Be­klag­ten schrift­lich gel­tend zu ma­chen. Die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen ein An­spruch auf Ab­gel­tung nicht ge­nom­me­nen Ur­laubs be­steht, wa­ren dem Kläger zum Fällig­keits­zeit­punkt, der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, be­kannt.

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bb) Der Um­stand, dass die Par­tei­en im Jahr 2004 ei­nen Rechts­streit vor dem Ar­beits­ge­richt Wup­per­tal führ­ten, be­frei­te den Kläger nicht von der Ob­lie­gen­heit, den im vor­lie­gen­den Rechts­streit er­ho­be­nen Ab­gel­tungs­an­spruch un­ter Be­ach­tung der in § 45 Abs. 2 AVR auf­geführ­ten Frist gel­tend zu ma­chen.

38

(1) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend er­kannt, dass der Kläger sich nicht mit Er­folg auf die Vor­schrift des § 45 Abs. 3 AVR be­ru­fen kann.

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(a) Nach die­ser Vor­schrift reicht für den glei­chen Tat­be­stand die ein­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung der Ansprüche aus, um die Aus­schluss­frist auch für die später fällig wer­den­den Ansprüche un­wirk­sam zu ma­chen.

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(b) Die Vor­aus­set­zun­gen des § 45 Abs. 3 AVR lie­gen nicht vor.

41

(aa) Die Par­tei­en er­ziel­ten im We­ge des ge­richt­li­chen Ver­gleichs Ei­nig­keit darüber, dass dem Kläger zum 1. Ju­ni 2004 43 Ur­laubs­ta­ge aus dem Jahr 2002 und an­tei­lig aus dem Jahr 2003 zu­stan­den.

42

(bb) Der von dem Kläger in dem Rechts­streit vor dem Ar­beits­ge­richt Wup­per­tal er­ho­be­ne Ur­laubs­an­spruch be­ruht nicht auf dem glei­chen Tat­be­stand wie der hier streit­ge­genständ­li­che Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch. Das Merk­mal des „glei­chen Tat­be­stands“ setzt vor­aus, dass bei un­veränder­ter recht­li­cher und tatsäch­li­cher La­ge Ansprüche aus ei­nem be­stimm­ten Tat­be­stand her­zu­lei­ten sind (vgl. BAG 10. Ju­li 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 168). Dar­an fehlt es im Streit­fall. Der Ur­laubs­an­spruch ei­ner­seits und der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch an­de­rer­seits hängen von ver­schie­de­nen recht­li­chen Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen ab. Der Ent­ste­hungs­tat­be­stand ist da­mit nicht, wie von § 45 Abs. 3 AVR ge­for­dert, der glei­che. Wäh-

 

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rend es für den Ur­laubs­an­spruch genügt, dass der Ar­beit­neh­mer am 1. Ja­nu­ar ei­nes Ur­laubs­jah­res in ei­nem Ar­beits­verhält­nis steht, setzt der Ur­laubs­ab­gel-tungs­an­spruch mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ein zusätz­li­ches Tat­be­stands­merk­mal vor­aus. Die­ses lag zu dem Zeit­punkt, zu dem die Par­tei­en den Ver­gleich vor dem Ar­beits­ge­richt schlos­sen, nicht vor.

43

(2) Mit Ab­schluss des Ver­gleichs vom 16. Sep­tem­ber 2004 hat der Be­klag­te nicht auf die Gel­tung von Aus­schluss­fris­ten ver­zich­tet. Dies er­gibt ei­ne Aus­le­gung des Ver­gleichs.

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(a) Die Vor­in­stan­zen ha­ben den Ver­gleich nicht aus­ge­legt. Die Aus­le­gung von aty­pi­schen Wil­lens­erklärun­gen ist zwar grundsätz­lich Sa­che der Tat­sa­chen­ge­rich­te. Der Se­nat kann aber die ge­bo­te­ne Aus­le­gung selbst vor­neh­men, weil das Be­ru­fungs­ge­richt die er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen hat und wei­te­rer Sach­vor­trag nicht zu er­war­ten ist (BAG 15. Ju­ni 2004 - 9 AZR 513/03 - zu II 2 b dd 1 der Gründe, NZA 2005, 295).

45

(b) Aus­weis­lich ih­res Wort­lauts hat die ver­gleichs­wei­se Ei­ni­gung ei­nen zeit­li­chen Be­zugs­punkt, nämlich - wie später klar­ge­stellt - den 1. Ju­ni 2004. Als die Par­tei­en den Ver­gleich am 16. Sep­tem­ber 2004 schlos­sen, lag die­ser Zeit­punkt in der Ver­gan­gen­heit. Der Ver­gan­gen­heits­be­zug be­legt, dass die Par­tei­en die Ur­laubs­ansprüche des Klägers zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt sal­die­ren woll­ten. Dies lässt in­des nicht den Schluss zu, die sal­dier­ten Ansprü­che soll­ten in der Zu­kunft dem Re­gime der AVR ent­zo­gen sein. Es ist nicht so, dass der Kläger den Ur­laub, der Ge­gen­stand der Ei­ni­gung war, oh­ne Rück­sicht auf Über­tra­gungs­gründe oder Über­tra­gungs­zeiträume hätte an­spa­ren dürfen. Ins­be­son­de­re enthält die Ver­ein­ba­rung schon ih­rem Wort­laut nach kei­nen Ver­zicht des Be­klag­ten auf die in § 45 Abs. 2 AVR ge­re­gel­te Aus­schluss­frist.

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e) Der Kläger nimmt oh­ne Er­folg Ver­trau­ens­schutz für sich in An­spruch.

47

Der Se­nat braucht nicht darüber zu be­fin­den, ob sei­ne langjähri­ge Recht­spre­chung, der zu­fol­ge Aus­schluss­fris­ten den An­spruch auf Ab­gel­tung des ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs nicht berühr­ten, ge­eig­net war, ein schutzwür­di­ges Ver­trau­en der Ar­beit­neh­mer zu be­gründen. Spätes­tens nach Be­kannt-

 

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wer­den des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf in der Sa­che Schultz-Hoff vom 2. Au­gust 2006 (- 12 Sa 486/06 - LA­GE BUrlG § 7 Nr. 43) konn­ten Ar­beit­neh­mer nicht mehr da­von aus­ge­hen, dass die Se­nats­recht­spre­chung zu den Grundsätzen der Un­ab­ding­bar­keit des Ur­laubs-ab­gel­tungs­an­spruchs im Fall lang an­dau­ern­der Ar­beits­unfähig­keit un­verändert fort­geführt würde (so auch LAG Düssel­dorf 23. April 2010 - 10 Sa 203/10 - Rn. 47, LA­GE BUrlG § 7 Ab­gel­tung Nr. 27a; zum Weg­fall des Ver­trau­ens­schut­zes für Ar­beit­ge­ber zu die­sen Zeit­punkt: vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 76, BA­GE 130, 119). Durch das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen wur­de nicht nur ein ein­zel­ner As­pekt, wie das Erlöschen von Ur­laubs­ab­gel-tungs­ansprüchen bei lang an­dau­ern­der Ar­beits­unfähig­keit, son­dern die Recht­spre­chung zur Erfüll­bar­keit des Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs nach der Sur­ro-gats­theo­rie in­fra­ge ge­stellt. Da­von wa­ren auch die Grundsätze be­trof­fen, die der Se­nat un­ter dem Re­gime der Sur­ro­gats­theo­rie zum Nicht­ein­grei­fen von ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten ent­wi­ckelt hat­te.

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f) Höhe­re Ge­walt stand ei­ner frist­ge­rech­ten Gel­tend­ma­chung des er­ho­be­nen An­spruchs nicht ent­ge­gen. Der in § 206 BGB nor­mier­te Rechts­ge­dan­ke hin­dert nicht den Ver­fall des von dem Kläger gel­tend ge­mach­ten An­spruchs.

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Nach § 206 BGB ist die Verjährung ge­hemmt, so­lan­ge der Be­rech­tig­te in­ner­halb der letz­ten sechs Mo­na­te der Verjährungs­frist durch höhe­re Ge­walt an der Rechts­ver­fol­gung ge­hin­dert ist. Die­se Vor­schrift wird als all­ge­meingülti­ges Recht­s­prin­zip auch auf Aus­schluss­fris­ten an­ge­wandt (vgl. BAG 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - zu 4 a der Gründe, AP ZPO § 496 Nr. 4 = EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 26). Der Se­nat braucht nicht zu ent­schei­den, ob § 206 BGB über sei­nen Wort­laut hin­aus auf die Fälle ei­ner sog. „ge­fes­tig­ten an­spruchs­feind­li­chen Recht­spre­chung“ an­zu­wen­den ist (vgl. hier­zu BAG 7. No­vem­ber 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 4 b dd der Gründe, BA­GE 103, 290). Denn die Vor­schrift des § 45 Abs. 2 AVR ver­lang­te von dem Kläger nicht die Er­he­bung ei­ner Kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt, son­dern le­dig­lich die frist­ge­rech­te schrift­li­che Gel­tend­ma­chung ge­genüber dem Be­klag­ten. Dies war ihm un­ab­hängig von der da­ma­li­gen Recht­spre­chung möglich und zu­mut­bar. Im Übri­gen

 

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hätte ei­ne Hem­mung der Aus­schluss­frist spätes­tens mit Be­kannt­wer­den des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf in der Sa­che Schultz-Hoff vom 2. Au­gust 2006 (- 12 Sa 486/06 - LA­GE BUrlG § 7 Nr. 43) ge­en­det. Ab die­sem Zeit­punkt konn­te der Kläger nicht da­von aus­ge­hen, dass der Se­nat sei­ne bis­he­ri­ge Recht­spre­chung zur Sur­ro­gats­theo­rie fortführen wer­de (sie­he hier­zu un­ter I 3 e).

50

II. Der Kläger hat als Re­vi­si­onsführer die Kos­ten der oh­ne Er­folg ein­ge­leg­ten Re­vi­si­on zu tra­gen, § 97 Abs. 1 ZPO.

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Düwell

Krasshöfer

Suckow 

G. Müller  

W. Schmid 

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