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Betriebsrat und Datenschutz
15.07.2019. Nachdem die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) am 25.05.2018 europaweit in Kraft getreten ist, müssen sich Personalverantwortliche und Betriebsräte intensiver als zuvor über den Schutz von Arbeitnehmerdaten Gedanken machen.
Ein Streitpunkt ist dabei immer wieder die Frage, ob der Arbeitgeber datenschutzrechtlich überhaupt dazu befugt ist, dem Betriebsrat auf Verlangen Arbeitnehmerdaten zuzuarbeiten, auch wenn der Betriebsrat eine solche Auskunft - an sich - auf der Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) verlangen kann.
Mit dieser Frage, d.h. mit dem Verhältnis von Arbeitnehmer-Datenschutz und betriebsverfassungsrechtlichen Auskunftsansprüchen des Betriebsrats, befasst sich eine aktuelle Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG): BAG, Beschluss vom 09.04.2019, 1 ABR 51/17.
- Wie weit gehen die Auskunftsansprüche des Betriebsrats auf der Grundlage seiner allgemeinen Überwachungsaufgabe gemäß § 80 Abs.1 Nr.1, Abs.2 BetrVG?
- Der Streitfall: Betriebsrat möchte vom Arbeitgeber Auskunft über alle Schwangerschaften im Betrieb, auch wenn die betroffenen Arbeitnehmerinnen mit der Datenweitergabe nicht einverstanden sind
- BAG: Verlangt der Betriebsrat unter Berufung auf § 80 Abs.2 Satz 1 BetrVG vom Arbeitgeber sensitive Arbeitnehmerdaten, muss er angemessene und spezifische Datenschutzmaßnahmen ergreifen
Wie weit gehen die Auskunftsansprüche des Betriebsrats auf der Grundlage seiner allgemeinen Überwachungsaufgabe gemäß § 80 Abs.1 Nr.1, Abs.2 BetrVG?
Gemäß § 80 Abs.1 Nr.1 BetrVG hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Diese sehr allgemein gehaltene gesetzliche Überwachungsaufgabe beinhaltet zwar unmittelbar keine Auskunfts- oder gar Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, aber sie verpflichtet Betriebsräte rechtlich dazu, dem Arbeitgeber umfassend „auf die Finger zu gucken“.
Und da § 80 Abs.2 Satz 1 BetrVG dem Betriebsrat - immerhin - ein Recht auf „rechtzeitige und umfassende“ Unterrichtung durch den Arbeitgeber an die Hand gibt, soweit diese Informationen zur Durchführung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, können Betriebsräte auf der Grundlage ihrer allgemeinen Überwachungsaufgabe dementsprechend viele und aktuelle Informationen vom Arbeitgeber verlangen.
Aber geht dies auch so weit, dass der Betriebsrat ohne genaue Angabe zu seinen ihren konkreten Überwachungsabsichten, d.h. gleichsam routinemäßig vom Arbeitgeber Auskunft z.B. darüber verlangen kann, welche Kolleginnen aktuell schwanger sind?
Dafür spricht, dass das Mutterschutzgesetz (MuSchG) Arbeitgeber verpflichtet, beim Einsatz schwangerer Arbeitnehmerinnen eine Reihe von gesetzlichen Schutzvorschriften zu beachten, so z.B. die täglichen Arbeitszeitgrenzen des § 4 MuSchG. Und wenn der Betriebsrat dazu berufen ist, die Einhaltung dieser gesetzlichen Schutzvorschriften durch den Arbeitgeber zugunsten schwangerer Kolleginnen zu überwachen (§ 80 Abs.1 Nr.1 BetrVG), dann liegt die Schlussfolgerung nahe, dass der Betriebsrat dazu auch wissen muss, welche Kolleginnen schwanger sind, so dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat im Ergebnis gemäß § 80 Abs.2 Satz 1 BetrVG entsprechende Auskünfte erteilen müsste.
Gegen ein so umfassendes Auskunftsrecht spricht allerdings, dass die Schwangerschaft ein sehr privater Lebensumstand ist und dass Informationen darüber datenschutzrechtlich in besonderer Weise geschützt sind, nämlich als „sensitive“ Daten im Sinne von Art.9 DS-GVO. Daher sind schwangere Arbeitnehmerinnen rechtlich auch nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft mitzuteilen, sondern sie „sollen“ dies nur tun (§ 15 Abs.1 MuSchG).
Der Streitfall: Betriebsrat möchte vom Arbeitgeber Auskunft über alle Schwangerschaften im Betrieb, auch wenn die betroffenen Arbeitnehmerinnen mit der Datenweitergabe nicht einverstanden sind
In dem vom BAG entschiedenen Fall stritten Betriebsrat und Arbeitgeber über die Frage, ob der Arbeitgeber den Betriebsrat über alle ihm bekannten Fälle der Schwangerschaft von Arbeitnehmerinnen informieren müsste.
Hintergrund des Streits waren datenschutzrechtliche Bedenken des Arbeitgebers, der seit 2015 schwangeren Mitarbeiterinnen die Möglichkeit eingeräumt hatte, der Weitergabe dieser Informationen an den Betriebsrat fristgebunden zu widersprechen. Dazu verwendete der Arbeitgeber ein Musterschreiben, mit dem er sich an die schwangeren Arbeitnehmerinnen wandte. Darin hieß es:
„Sollten wir bis … von Ihnen keine Rückmeldung erhalten, werden wir den Betriebsrat über ihre Schwangerschaft und die damit verbundenen Mutterschutzfristen informieren.“
Der Betriebsrat war mit diesem „Opt-out-Modell“ nicht einverstanden. Seiner Meinung nach waren seine Informations- und Kontrollrechte vorrangig gegenüber dem Interesse der Arbeitnehmerinnen an der Geheimhaltung ihrer schwangerschaftsbezogenen Gesundheitsdaten.
Das Arbeitsgericht München (Beschluss vom 08.03.2017, 24 BV 138/16) und das Landesarbeitsgericht (LAG) München (Beschluss vom 27.09.2017,11 TaBV 36/17) gaben dem Betriebsrat Recht. Daraufhin zog der Arbeitgeber vor das BAG.
BAG: Verlangt der Betriebsrat unter Berufung auf § 80 Abs.2 Satz 1 BetrVG vom Arbeitgeber sensitive Arbeitnehmerdaten, muss er angemessene und spezifische Datenschutzmaßnahmen ergreifen
Das BAG hob den LAG-Beschluss auf und verwies den Streitfall zurück zum LAG, das den Fall jetzt noch einmal verhandeln und dabei die Vorgaben des BAG beachten muss. Zur Begründung heißt es in der BAG-Entscheidung:
Wenn der Betriebsrat, was im Prinzip in Ordnung ist, unter Berufung auf seine Überwachungsaufgaben gemäß § 80 Abs.1 Nr.1 BetrVG vom Arbeitgeber bestimmte Informationen verlangt und sich dabei auf sein Auskunftsrecht gemäß § 80 Abs.2 Satz 1 BetrVG bezieht, muss er
„die konkrete normative (Arbeitsschutz-) Vorgabe [aufzeigen], deren Durchführung er zu überwachen hat und die sein Auskunftsverlangen tragen soll“ (BAG, Beschluss, Rn.13).
Das war hier im Streitfall über zwei Instanzen schiefgelaufen. Denn weder hatte der Betriebsrat im Einzelnen gesagt, welche konkreten mutterschutzrechtlichen Gebote oder Verbote des Arbeitgebers er „zu überwachen beabsichtigt“ (Beschluss, Rn.17), noch hatten Arbeitsgericht und LAG entsprechende Feststellungen getroffen. Nennt der Betriebsrat aber kein konkretes Überwachungsziel, lässt sich auch nicht überprüfen, ob bestimmte (konkrete) Informationen zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sind oder nicht, so das BAG.
Datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage des (möglicherweise bestehenden) Auskunftsanspruchs könnte (je nachdem, was sich im weiteren Prozessverlauf herausstellt) laut BAG § 26 Abs.3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sein. Danach ist die Verarbeitung von „sensitiven“ Daten wie z.B. von Gesundheitsdaten abweichend von Art.9 Abs.1 DS-GVO
„für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. (…) § 22 Absatz 2 gilt entsprechend.“
Dazu stellt das BAG zunächst fest, dass die in § 26 Abs.3 BDSG enthaltene Erlaubnis mit der (rechtlich vorrangigen) DS-GVO vereinbar ist. Denn Art.9 Abs.2 Buchstabe b) DS-GVO erlaubt den Mitgliedstaaten entsprechende datenschutzrechtliche Sonderregelungen.
Die vom Betriebsrat verlangte Weitergabe von Schwangerschaftsdaten stellt weiterhin eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art.4 Nr.1 und Nr.2 DS-GVO dar (Beschluss, Rn.32). Diese Datenverarbeitung ist wiederum „erforderlich“ im Sinne von § 26 Abs.3 Satz 1 BDSG, wenn (!) der Betriebsrat einen Anspruch darauf gemäß § 80 Abs.2 Satz 1 BetrVG hat (Beschluss, Rn.41).
Und da das BAG, wie oben erwähnt, vom Betriebsrat eine (sehr) genaue Bezeichnung seiner konkreten Überwachungspläne verlangt (andernfalls besteht ein Auskunftsanspruch nicht), setzt die datenschutzrechtliche „Erforderlichkeit“ der Datenweitergabe an den Betriebsrat voraus, dass dieser die Notwendigkeit der konkret verlangten Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben nachweist (Beschluss, Rn.42).
Darüber hinaus muss der Betriebsrat, so die Erfurter Richter, gemäß § 26 Abs.3 Satz 3 BDSG in Verb. mit § 22 Abs.2 BDSG nachzuweisen, dass er für einen ausreichenden Datenschutz in seinem Verantwortungsbereich sorgt (Beschluss, Rn.47). Datenschutzrechtliche Vorgaben des Arbeitgebers an die Adresse des Betriebsrats sind laut BAG aufgrund der Unabhängigkeit des Betriebsrats ausgeschlossen. Daher trifft den Betriebsrat eine eigenständige Schutzpflicht in Bezug auf die von ihm verlangten „sensitiven“ Arbeitnehmerdaten.
Dazu heißt es in dem Urteil (Leitsatz):
„Umfasst ein allgemeiner Auskunftsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine besondere Kategorie personenbezogener Daten (sensitive Daten im datenschutzrechtlichen Sinn), ist Anspruchsvoraussetzung, dass der Betriebsrat zur Wahrung der Interessen der von der Datenverarbeitung betroffenen Arbeitnehmer angemessene und spezifische Schutzmaßnahmen trifft.“
Fazit: Für die Weitergabe sensitiver Arbeitnehmerdaten an den Betriebsrat ist zwar nicht die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers erforderlich, da die gesetzlich geregelte Tätigkeit des Betriebsrats nicht vom Einverständnis einzelner Arbeitnehmer abhängt.
Allerdings muss der Betriebsrat
- erstens konkrete Überwachungsaufgaben benennen, die er erfüllen möchte, und für die die verlangten sensitiven Arbeitnehmerdaten zwingend notwendig sind, und
- zweitens muss er von sich aus darlegen, welche angemessenen und spezifischen Datenschutzvorkehrungen er in seinem Bereich (Betriebsratsbüro) getroffen hat.
Solche Datenschutz-Maßnahmen können z.B. darin bestehen, dass die Daten nur einem beschränkten Kreis von Betriebsratsmitgliedern zugänglich gemacht werden, und/oder darin, dass sie in einer besonders streng gesicherten Weise (digital oder in Papierform) aufbewahrt werden, und/oder auch darin, dass sie innerhalb einer bestimmten (kurzen) Frist wieder gelöscht werden.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 09.04.2019, 1 ABR 51/17
- Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 27.09.2017,11 TaBV 36/17
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Datenschutz im Arbeitsrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten
- Handbuch Arbeitsrecht: Mutterschutz
- Arbeitsrecht aktuell: 20/100 Digitale Betriebsratsversammlung wegen Corona-Krise
- Arbeitsrecht aktuell: 20/066 Räumung des Betriebsratsbüros durch den Arbeitgeber
- Arbeitsrecht aktuell: 19/086 Datenschutz contra Hinweisgeberschutz im Arbeitsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 19/011 Betriebsrat steht Einsicht in Gehaltslisten mit Arbeitnehmernamen zu
- Arbeitsrecht aktuell: 18/207 Löschungspflicht bei Videoüberwachung von Arbeitnehmern
- Arbeitsrecht aktuell: 18/125 Datenschutz im Arbeitsrecht nach der DS-GVO
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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