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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 17.04.2015, 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14

   
Schlagworte: Tarifvertrag
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 17.04.2015
   
Leitsätze: 1) Die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15.05.2008 (Bundesanzeiger Nr. 104 vom 15.07.2008) und vom 25.06.2010 (Bundesanzeiger Nr. 97 vom 02.07.2010) der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe sind wirksam.
2) Entscheidend für die im Rahmen des Verfahrens nach §§ 4 ff. DVO-TVG mittelbaren Zahlen für das 50 % - Quorum des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG .a.F. sind die zutreffend vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zugrunde gelegten Zahlen der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes bzw. der von den Tarifparteien auf Arbeitgeberseite abgefragten Zahlen der Mitgliedsunternehmen.
3) Für die Allgemeinverbindlicherklärungen bestand auch ein öffentliches Interesse i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG a.F.
Vorinstanzen:
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg

Verkündet am
17. April 2015

G….
Ge­richts­beschäftig­te
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

Be­schluss

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 2. Kam­mer, auf die münd­li­che Anhörung vom 17. April 2015 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts Dr. F. als Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter G. und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin W. be­schlos­sen:

I. Un­ter Zurück­wei­sung der Anträge der Be­tei­lig­ten zu 1) bis 3) und 9) bis 24) wird fest­ge­stellt, dass die vom Be­tei­lig­ten zu 4) be­kannt ge­mach­ten All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen vom 15.05.2008 (Bun­des­an­zei­ger Nr. 104 vom 15.07.2008) und 25.06.2010 (Bun­des­an­zei­ger Nr. 97 vom 02.07.2010) der Ta­rif­verträge über das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren vom 20.12.1999 in den Fas­sun­gen vom 20.08.2007 und 05.12.2007 ei­ner­seits und vom 18.12.2009 an­de­rer­seits wirk­sam sind.

II. Die Rechts­be­schwer­de wird für die Be­tei­lig­ten zu 1) bis 3) und 9) bis 24) zu­ge­las­sen.

Dr. F. G. W.

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Gründe

I.

Die Be­tei­lig­ten strei­ten um die Wirk­sam­keit ei­ner All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung nach § 5 TVG a.F. Kon­kret wer­den von meh­re­ren be­tei­lig­ten An­trag­stel­lern die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen vom 15.05.2008 (Bun­des­an­zei­ger Nr. 104 vom 15.07.2008) und vom 25.06.2010 (Bun­des­an­zei­ger Nr. 97 vom 02.07.2010) der Ta­rif­verträge über das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren im Bau­ge­wer­be vom 20.12.1999 in den Fas­sun­gen vom 20.08.2007 und 05.12.2007 ei­ner­seits und vom 18.12.2009 an­de­rer­seits in ei­nem Ver­fah­ren nach § 98 ArbGG n.F. als un­wirk­sam an­ge­se­hen.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 TVG a.F. konn­te das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les (BMAS) kei­nen Ta­rif­ver­trag im Ein­ver­neh­men mit ei­nem aus je drei Ver­tre­tern der Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen der Ar­beit­ge­ber und der Ar­beit­neh­mer be­ste­hen­den Aus­schuss auf An­trag ei­ner Ta­rif­ver­trags­par­tei für all­ge­mein­ver­bind­lich erklären, wenn „1. die ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber nicht we­ni­ger als 50 v. H. der un­ter den Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­tra­ges fal­len­den Ar­beit­neh­mer beschäfti­gen und 2. die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung im öffent­li­chen In­ter­es­se ge­bo­ten er­scheint.“

Gemäß § 11 TVG a.F. und n.F. konn­te und kann das BMAS un­ter Mit­wir­kung der Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen der Ar­beit­ge­ber und der Ar­beit­neh­mer die zur Durchführung des Ge­set­zes er­for­der­li­chen Ver­ord­nun­gen er­las­sen, ins­be­son­de­re über „…2. das Ver­fah­ren bei der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung von Ta­rif­verträgen und der Auf­he­bung von Ta­rif­ord­nun­gen und An­ord­nun­gen, die öffent­li­chen Be­kannt­ma­chun­gen bei der An­trag­stel­lung, der Erklärung und Be­en­di­gung der All­ge­mein­ver­bind­lich­keit und der Auf­he­bung von Ta­rif­ord­nun­gen und An­ord­nun­gen so­wie die hier­durch ent­ste­hen­den Kos­ten; 3. den in § 5 ge­nann­ten Aus­schuss.“

Nach der Ver­ord­nung zur Durchführung des Ta­rif­ver­trags­ge­set­zes (DVO-TVG) wird ein Ta­rif­aus­schuss gemäß §§ 1 – 3 DVO-TVG er­rich­tet, gemäß §§ 4 ff DVO-TVG wird das Ver­fah­ren über die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung und die Auf­he­bung der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung ge­re­gelt.

Auf An­trag der In­dus­trie­ge­werk­schaft Bau­en – Agrar-Um­welt (IG BAU) als ei­ner Ta­rif­ver­trags­par­tei des Bau­ge­wer­bes zu­gleich im Na­men und in Voll­macht der bei­den an­de­ren Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, des Haupt­ver­ban­des der Deut­schen Bau­in­dus­trie e.V. und des Zen­tral­ver­ban­des des Deut­schen Bau­ge­wer­bes e.V., vom 11.12.2007 (Ak­te des Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­ri­ums zum Az. III a 3 – 31241-U-14b/62, im Fol­gen­den: 14b/62) und auf An­trag der IG BAU zu­gleich auch im Na­men und in Voll­macht der bei­den an­de­ren o. g. Ta­rif­ver­trags­par­tei­en vom 18.12.2009 (Az. III a 3 - 31241-U-14b/64, im Fol­gen­den: 14b/64) führ­te das BMAS un­ter Fest­set­zung und Ver­hand­lung der Ter­mi­ne der öffent­li­chen Aus­schuss­sit­zung die Ver­fah­ren nach der DVO-TVG für bei­de Anträge auf

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All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung un­ter an­de­rem der Ta­rif­verträge über das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren im Bau­ge­wer­be (VTV-Bau) durch und kam nach dem Ver­merk vom 29.02.2008 (Bl. 115 ff. d. A. 14b/62 ) zur Auf­fas­sung, dass so­wohl nach den Zah­len des sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes, Fach­se­rie 4, Rei­he 5.1 „Beschäftig­te und Um­satz der Be­trie­be im Bau­ge­wer­be“ 2007 als auch nach den Zah­len auf­grund der An­ga­ben der Zu­satz­ver­sor­gungs­kas­se des Bau­ge­wer­bes (ZVK) selbst bei „ungüns­tigs­ten An­nah­men“ die „50 %-Re­la­ti­on“ des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG a.F. erfüllt sei. Auf Bl. 116 heißt es: „Die An­zahl der von der ZVK ge­mel­de­ten Be­trie­be liegt über dem Wert der Sta­tis­tik. Der Un­ter­schied folgt dar­aus, dass die ZVK die Be­trie­be streng auf der Grund­la­ge des Gel­tungs­be­reichs der Bau-Ta­rif­verträge er­fasst. Die ZVK-Zahl ist da­her al­ler Vor­aus­sicht nach die ge­naue­re“. Auch das öffent­li­che In­ter­es­se für die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung des VTV Bau sei ge­ge­ben. Ge­gen ei­ne All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung ab 01.01.2008 für den VTV-Bau i.d.F. vom 20.08.2007 und 05.12.2007 bestünden gemäß § 7 Satz 3 DVO-TVG kei­ne Be­den­ken. Das BMAS mach­te die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen im Bun­des­an­zei­ger (BAnz Nr. 104) vom 15.07.2008 be­kannt (Bl. 280 ff. in der Ak­te 14b/62).

Auch im Ver­fah­ren zum Az. 14b/64 auf All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung des Ta­rif­ver­tra­ges über das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren im Bau­ge­wer­be (VTV Bau) vom 18.12.2009 kam das BMAS zur 50 %-Re­la­ti­on des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG. Al­ler­dings war die­se Vor­aus­set­zung nach den Zah­len der Sta­tis­ti­ken des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes nicht erfüllt. Nach der Wer­tung heißt es dort:


„IV. Wer­tung
Die Sta­tis­tik der Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes weist al­le in Bau-Be­trie­ben täti­gen Per­so­nen aus, u.a. auch In­ha­ber, Mit­in­ha­ber, selbstständi­ge Hand­wer­ker, Fa­mi­li­en­an­gehöri­ge und ge­ringfügig Beschäftig­te. Vom Gel­tungs­be­reich der Bau-Ta­rif­verträge wer­den je­doch im We­sent­li­chen ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer, so­zi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge An­ge­stell­te und Aus­zu­bil­den­de er­fasst.

Die Sta­tis­tik der Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes enthält da­her ei­nen be­deu­tend größeren Per­so­nen­kreis, als er tatsächlich von den Ta­rif­verträgen des Bau­ge­wer­bes er­fasst wird.

Zu berück­sich­ti­gen ist, dass von der Sta­tis­tik des Sta­Bu im Be­reich der Bau­in­stal­la­ti­on und des sons­ti­gen Bau­ge­wer­bes nur Be­trie­be mit min­des­tens 10 täti­gen Per­so­nen er­fasst wer­den.

Im Ge­gen­satz zur ZVK wer­den er­folgt die Zu­ord­nung der Be­trie­be in der Sta­tis­tik des Sta­Bu nicht nach dem ar­beits­zeit­li­chen Über­wie­gen­s­prin­zip, son­dern nach dem wirt­schaft­li­chen Schwer­punkt der Be­trie­be.

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Die ZVK ist auf­grund der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung der Ta­rif­verträge für das Bau­ge­wer­be ver­pflich­tet, al­le Be­trie­be die­ses Be­reichs mit ih­ren Beschäftig­ten zu er­fas­sen. Es be­steht da­her ein be­son­de­res Ei­gen­in­ter­es­se der ZVK, die Be­trie­be möglichst vollständig und um­fas­send zu er­fas­sen. Zu­dem ist je­der Ar­beit­ge­ber vor der Auf­nah­me bau­ge­werb­li­cher Tätig­kei­ten ver­pflich­tet, sich bei der für ihn zuständi­gen Kas­se zu mel­den (vgl. z.B. § 5 Abs. 1 des Ta­rif­ver­tra­ges über das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren i.d.F. vom 18. De­zem­ber 2009).

Die An­ga­ben der ZVK wer­den auch durch die ak­tu­ell vor­lie­gen­de Un­ter­su­chung des Wirt­schafts- und So­zi­al­wis­sen­schaft­li­chen In­sti­tuts (WSI) gestützt. Da­nach er­gibt sich im ge­sam­ten Bau­ge­wer­be ei­ne Ta­rif­bin­dung in West­deutsch­land von 75 %, in Ost­deutsch­land von 48 % (vgl. Ta­bel­le 1 der An­la­ge 2). Die Er­geb­nis­se lie­gen nur für das ge­sam­te Bau­ge­wer­be vor. Da kei­ne Hin­wei­se vor­lie­gen, dass die Ta­rif­bin­dung im Bau­haupt­ge­wer­be (und da­mit in den zur All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung be­an­trag­ten Gel­tungs­be­reich der Ta­rif­verträge) von der Ta­rif­bin­dung im Bau­ne­ben­ge­wer­be ab­weicht und das Bau­haupt­ge­wer­be zu­dem ei­nen we­sent­li­chen An­teil des ge­sam­ten Bau­ge­wer­bes aus­macht, kann da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Er­geb­nis­se des WSI auch re­präsen­ta­tiv für die Ta­rif­bin­dung im Bau­haupt­ge­wer­be sind.

Die An­ga­ben der ZVK sind da­her in der Ge­samt­be­trach­tung und auf­grund ih­rer be­son­de­ren Sachnähe zum Nach­weis der sog 50 %-Klau­sel ge­eig­net.

Mit ei­ner Ta­rif­bin­dung von 63,99 % ist die Vor­aus­set­zung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG erfüllt.“

(sie­he Bl. 120 R bis 121 d. A. 14b/64).

Im Ver­merk vom 02.02.2010 wur­de auch das öffent­li­che In­ter­es­se im Sin­ne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG be­jaht. Der Ta­rif­aus­schuss befürwor­te­te in sei­ner Sit­zung vom 10.02.2010 die All­ge­mein­ver­bind­lich­keit (vgl. Bl. 138 ff. d. A. 14b/64). Das BMAS mach­te die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung im Bun­des­an­zei­ger Nr. 97 vom 02.07.2010, S. 2278 be­kannt (Bl. 229 d. A. 14b/64).

In der Fol­ge­zeit klag­te die ZVK bzw. die Ur­laubs­kas­se des Bau­ge­wer­bes (ULAK) un­ter Be­zug­nah­me auf die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen von 2008 und 2010 ge­gen un­ter­schied­li­che Bau­un­ter­neh­men. Ins­be­son­de­re für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer sind gemäß § 18 VTV Bau so­wohl in der älte­ren als auch in der jünge­ren Fas­sung zur Auf­brin­gung von Mit­teln für die ta­rif­lich fest­ge­leg­ten Leis­tun­gen Ur­laubs- und Be­rufs­bil­dungs­ver­fah­ren als So­zi­al­kas­sen­bei­trag be­stimm­te

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pro­zen­tua­le Beträge von 16,6 % bis 25,8 % der Brut­to­lohn­sum­me an die ta­rif­lich be­stimm­te Ein­zugs­stel­le (ZVK bzw. ULAK) durch die Un­ter­neh­men zu zah­len.

In ei­nem der­ar­ti­gen Bei­trags­ein­zugs­ver­fah­ren prüfte die 18. Kam­mer des LAG Hes­sen zum Az. 18 Sa 619/13 die mögli­che Un­wirk­sam­keit der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen des VTV Bau vom 25.06.2010 bzw. 15.05.2008. Die Kam­mer zog die o. g. Ak­ten des BMAS über die Prüfung der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen bei und hol­te hin­sicht­lich der 50 %-Re­la­ti­on Auskünf­te zu der Zahl der Ar­beit­neh­mer in den ta­rif­ge­bun­de­nen Be­trie­ben (sog. Klei­ne Zahl) so­wie der un­ter den Gel­tungs­be­reich des VTV Bau fal­len­den Ar­beit­neh­mer ge­samt (sog. Große Zahl) von der ZVK und den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ein. Das Ge­richt prüfte die Zah­len an­hand der im In­ter­net zugäng­li­chen Zah­len des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes, der Agen­tur für Ar­beit und der Be­rufs­ge­nos­sen­schaft Bau und kam nach ei­ge­ner Be­rech­nung da­zu, dass die Zah­len der ZVK zur sog. „Großen Zahl“ be­zo­gen auf die je­wei­li­gen Stich­ta­ge im Sep­tem­ber 2007 und 2009 be­last­bar, ins­be­son­de­re nicht zu nied­rig an­ge­setzt wa­ren. Auch die in den Ver­fah­ren der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen 2008 und 2010 her­an­ge­zo­ge­nen sog. „Klei­nen Zahl“ der Ar­beit­neh­mer in den ta­rif­ge­bun­de­nen Be­trie­ben er­schien der 18. Kam­mer des LAG Hes­sen be­last­bar, so dass im Er­geb­nis die 50 %-Re­la­ti­on des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG a.F. be­jaht wur­de. Auch das öffent­li­che In­ter­es­se im Sin­ne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG a.F. sei ge­ge­ben.

Mit Schlus­s­ur­teil vom 02.07.2014 wies da­her die 18. Kam­mer des LAG Hes­sen die Be­ru­fung ei­nes Un­ter­neh­mens, wel­ches auch An­trag­stel­le­rin im hie­si­gen Ver­fah­ren zu 3) ist, ge­gen ein kla­ge­ab­wei­sen­des Ur­teil der ers­ten In­stanz auf Bei­trags­zah­lung an die ULAK zurück und ließ die Re­vi­si­on ge­gen die­ses Ur­teil zu (vgl. das Ur­teil in den bei­ge­zo­ge­nen Ak­ten des LAG Hes­sen Bl. 439 ff.). Ge­gen die­ses Ur­teil leg­te die be­klag­te Ar­beit­ge­be­rin, die Be­tei­lig­te zu 3) im hie­si­gen Ver­fah­ren, Re­vi­si­on ein. Die­se wird zum Az. 10 AZR 600/14 beim Bun­des­ar­beits­ge­richt geführt.

Un­ter­des­sen be­gehr­ten u.a. zwei wei­te­re An­trag­stel­ler im hie­si­gen Ver­fah­ren (Be­tei­lig­te zu 20) und 21) vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin ge­gen die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, ver­tre­ten durch das BMAS, im Rah­men ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge nach § 43 VG­GO u.a. fest­zu­stel­len, dass die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen (AVE) von 2008 und 2010 un­wirk­sam sei­en.

Mit dem Ta­rif­au­to­no­miestärkungs­ge­setz vom 11.08.2014 (Bun­des­ge­setz­blatt I, S. 1348) änder­te der Ge­setz­ge­ber § 5 TVG. Die 50 %-Re­la­ti­on in § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 TVG ent­fiel. Gemäß § 5 Abs. 1 a TVG kann nun­mehr das BMAS ei­nen Ta­rif­ver­trag über ei­ne ge­mein­sa­me Ein­rich­tung zur Si­che­rung ih­rer Funk­ti­onsfähig­keit im Ein­ver­neh­men mit dem Ta­rif­aus­schuss auf ge­mein­sa­men An­trag der Ver­trags­par­tei­en für all­ge­mein­ver­bind­lich erklären, wenn der Ta­rif­ver­trag die Ein­zie­hung von Beiträgen und die Gewährung von Leis­tun­gen durch ei­ne ge­mein­sa­me Ein­rich­tung mit fol­gen­den Ge­genständen re­gelt:

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1. den Er­ho­lungs­ur­laub, ein Ur­laubs­geld oder ein zusätz­li­ches Ur­laubs­geld,
2. ei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung im Sin­ne des Be­triebs­ren­ten­ge­set­zes,
3. die Vergütung der Aus­zu­bil­den­den oder die Aus­bil­dung in über­be­trieb­li­chen Bil­dungsstätten…

Gleich­zei­tig ist durch das Ta­rif­au­to­no­miestärkungs­ge­setz § 98 ArbGG geändert wor­den. Ab 16.08.2014 prüft nun­mehr gemäß § 98 ArbGG auf An­trag das Lan­des­ar­beits­ge­richt, in des­sen Be­zirk die Behörde ih­ren Sitz hat, die den Ta­rif­ver­trag für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt hat, im Be­schluss­ver­fah­ren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG, ob die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung wirk­sam oder un­wirk­sam ist. Der rechts­kräfti­ge Be­schluss wirkt für und ge­gen je­der­mann. Ei­ne Über­g­angs­vor­schrift für al­te Ver­fah­ren nach § 5 TVG a.F. ist im Ta­rif­au­to­no­miestärkungs­ge­setz nicht ent­hal­ten.

Mit An­trag vom 03.09.2014 hat der Be­tei­lig­te zu 1), mit An­trag vom 04.09.2014 die Be­tei­lig­te zu 2) und mit An­trag vom 11.09.2014 die Be­tei­lig­te zu 3) ver­langt, fest­zu­stel­len, dass die an­ge­ge­be­nen All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen vom 15.05.2008 und 25.06.2010 un­wirk­sam sei­en. Al­le Be­tei­lig­ten wer­den von der ZVK bzw. ULAK auf Bei­trags­zah­lung auf­grund des all­ge­mein­ver­bind­li­chen VTV Bau in An­spruch ge­nom­men, hin­sicht­lich der Be­tei­lig­ten zu 1) und 2) ist mitt­ler­wei­le der Bei­trags­pro­zess gemäß § 98 Abs. 6 ArbGG rechts­kräftig aus­ge­setzt wor­den (Ver­fah­ren des LAG Hes­sen zum Az. 10 Sa 505/13 und 10 Sa 675/13).

Mit An­trag vom 22.09.2014 ha­ben die Be­tei­lig­ten zu 9) und 10) be­an­tragt fest­zu­stel­len, dass die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen vom 15.05.2008 und 25.06.2010 un­wirk­sam sei­en, mit Anträgen vom 24.09.2014 der Be­tei­lig­te zu 11), dass die AVE vom 15.05.2008 und 25.06.2010 un­wirk­sam sei­en, mit Anträgen vom 24.09.2014 der Be­tei­lig­te zu 12), dass u.a. die AVE vom 15.05.2008 und 25.06.2010 un­wirk­sam sei­en, mit An­trag vom 08.10.2014 der Be­tei­lig­te zu 13) fest­zu­stel­len, dass u.a. die AVE vom 15.05.2008 und vom 25.06.2010 un­wirk­sam sei­en und schließlich mit An­trag vom 22.09.2014 der Be­tei­lig­te zu 14) mit glei­chen Anträgen.

Die Be­tei­lig­ten zu 9) bis 14) sind eben­falls Un­ter­neh­men, die von der ZVK bzw. der ULAK auf Zah­lung von Beiträgen nach dem VTV Bau für den streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum in An­spruch ge­nom­men wer­den. Die Be­tei­lig­te zu 10) ist mitt­ler­wei­le in­sol­vent. Im In­sol­venz­ver­fah­ren zum Az. 11 In 1343/14 ist Rechts­an­walt Dr. D. H. zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt wor­den (vgl. Be­schluss vom 26.01.2015 Bl. 1026 d. A.).

Mit An­trag vom 29.09.2014 hat die Be­tei­lig­te zu 15) u.a. die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der AVE von 2008 und 2010 be­an­tragt. Die Be­tei­lig­te zu 15) ist ei­ne Be­ra­tungs­ge­sell­schaft für das Bau­we­sen und hat sich nach ih­rem Vor­trag von 18 Bau­un­ter­neh­men Ansprüche auf Rück­zah­lung von nach § 18 VTV Bau ge­zahl­ten Beiträgen ab­tre­ten las­sen.

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Mit An­trag vom 13.10.2014 hat die Be­tei­lig­te zu 16) die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der AVE 2008 und 2010 be­gehrt. Sie be­haup­tet, dass sie von den So­zi­al­part­nern des Bau­ge­wer­bes mit Schrei­ben vom 19.09.2010 die Erklärung be­gehrt hat­te, dass sie nicht so­zi­al­kas­sen­pflich­tig sei. Die­se Erklärung hätten die So­zi­al­kas­sen („SO­KA“) nicht ab­ge­ge­ben, da­her sei sie ak­tiv­le­gi­ti­miert. Mit glei­chem Vor­trag be­gehrt die An­trag­stel­le­rin zu 17) die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit u.a. der AVE 2008 und 2010.

Mit Anträgen vom 11.11.2014 und 28.11.2014 hat die Be­tei­lig­te zu 18) u.a. die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der AVE vom 25.06.2010 be­gehrt und be­haup­tet, dass die von der ULAK auf Zah­lung von Beiträgen auch für den streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum in An­spruch ge­nom­men wer­de und die 50 % -Re­la­ti­on des § 5 Abs. 1 Satz Ziff 1 TVG a.F. nicht zu­tref­fend sei.

Mit Anträgen vom 13.11.2014 hat die Be­tei­lig­te zu 19) u. a. die Fest­stel­lung be­gehrt, dass die AVE von 2008 und 2010 un­wirk­sam sei­en. Sie wer­de von ULAK bzw. ZVK für die Bei­trags­zah­lun­gen in An­spruch ge­nom­men, die Zah­le­nermitt­lung des BMAS sei nicht ord­nungs­gemäß er­folgt, so dass sich für die be­trof­fe­nen Zeiträume der an­ge­ge­be­nen AVEs die Un­wirk­sam­keit we­gen der fal­schen 50 %-Re­la­ti­on er­ge­be. Auch be­ste­he kein öffent­li­ches In­ter­es­se.

Mit An­trag vom 22.10.2014 ha­ben die Be­tei­lig­ten zu 22) und 23) u.a. die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der AVE 2008 be­gehrt und be­tont, dass von der ULAK u.a. für die Zeit von Ja­nu­ar bis De­zem­ber 2009 auf Zah­lung von Beiträgen in An­spruch ge­nom­men würden und die Vor­aus­set­zun­gen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 TVG a.F. nicht vorlägen.

Der Be­tei­lig­te zu 20) ist der Zen­tral­ver­band der Deut­schen Elek­tro- und In­for­ma­ti­ons­tech­ni­schen Hand­wer­ke (ZVEH). Er be­gehrt mit sei­nem An­trag vom 26.02.2015 die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der AVE 2008 und 2010 und macht um­fang­rei­che Ausführun­gen zur Er­mitt­lung der 50 %-Re­la­ti­on, der Grund­rech­te­char­ta der EU und der Un­wirk­sam­keit der AVE we­gen feh­len­der Ta­rif­zuständig­keit und Ta­riffähig­keit. Er hat Tei­le der Ak­te des Ver­wal­tungs­ver­fah­rens VG Ber­lin zum Az. VG 4 A 83.07 und VG 4 253.12 zu den Ak­ten ge­reicht, in dem auch ei­ne Be­weis­auf­nah­me über die 50 %-Re­la­ti­on statt­ge­fun­den hat (vgl. die An­la­gen ZVEH 6 und 7, Bl. 1162, 1174 d. A.). Das Ver­fah­ren vor dem VG Ber­lin un­ter Be­tei­li­gung der Be­tei­lig­ten zu 20) und 21) ist er­le­digt. Er be­haup­tet, in sei­nen Rech­ten aus Art. 9 Abs. 3 GG be­trof­fen zu sein, da ein Be­trieb Mit­glied sei­nes Ver­ban­des sein könne, gleich­zei­tig für ihn aber die Ta­rif­verträge des Bau­ge­wer­bes, al­so auch der VTV Bau in dem hier streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum gel­tend würde.

Die Be­tei­lig­te zu 21) ist Mit­glied des Be­tei­lig­ten zu 20) und macht mit ih­rem An­trag vom 26.02.2015 die Un­wirk­sam­keit der AVE 2008 und 2010 gel­tend, weil sie für den streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum auf Bei­trags­zah­lun­gen in An­spruch ge­nom­men wer­de.

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Die Be­tei­lig­te zu 24) wird von der ULAK bzw. der ZVK vor dem Ar­beits­ge­richt Wies­ba­den auf Bei­trags­zah­lun­gen in An­spruch ge­nom­men, wo­bei der vor­lie­gend strei­ti­ge Zeit­raum mit­ent­hal­ten ist. Auch sie be­gehrt die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der AVE 2008 und 2010 und meint, dass die 50 %- Re­la­ti­on nicht zu­tref­fend er­mit­telt wor­den sei.

Die er­ken­nen­de Kam­mer hat als wei­te­re Be­tei­lig­te das BMAS (Be­tei­lig­te zu 4) gemäß § 98 Abs. 3 Satz 3 ArbGG n.F. so­wie die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des VTV Bau (Be­tei­lig­te zu 6] – 8] ) so­wie die ULAK (Be­tei­lig­ter zu 5)) gemäß § 98 Abs. 6 Satz 2 ArbGG n.F. be­tei­ligt.

Die Be­tei­lig­ten, die die Un­wirk­sam­keit der AVE von 2008 und 2010 fest­ge­stellt ha­ben wol­len, bemängeln u.a. be­reits das Ver­fah­ren vor den All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen und hal­ten die­se teil­wei­se des­halb für un­wirk­sam, weil ent­ge­gen § 24 Abs. 2 VwVfG ein Abwägungs­aus­fall statt­ge­fun­den ha­be, den die Ge­rich­te nicht nachträglich durch ei­ge­ne Er­mitt­lun­gen ins­be­son­de­re zur 50 %-Re­la­ti­on nach­bes­sern dürf­ten. Auch wenn man nicht die­ser Auf­fas­sung sei, müsse das Ge­richt aber von sich aus al­le greif­ba­ren Er­kennt­nis­quel­len ausschöpfen und da­mit das ver­wert­ba­re sta­tis­ti­sche Ma­te­ri­al des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes, der Sta­tis­ti­schen Lan­desämter, der Bun­des­an­stalt für Ar­beit, der Be­rufs­ge­nos­sen­schaf­ten, der Kran­ken­kas­sen, des Hand­werks, der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern, der In­nun­gen, Ge­werk­schaf­ten und Ar­beit­ge­ber­verbände. Fer­ner exis­tier­ten Gut­ach­ten, die ins­be­son­de­re hin­sicht­lich der sog. „Großen Zahl“ (al­so der Ar­beit­neh­mer, die gemäß § 5 Abs. 1 Ziff. 1 TVG un­ter den Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­tra­ges fie­len) auf ein Viel­fa­ches der von dem Be­tei­lig­ten zu 4) an­ge­nom­me­nen „Großen Zahl“ kämen. Da­mit wäre die 50 %-Re­la­ti­on selbst bei An­nah­me der von dem Be­tei­lig­ten zu 4) er­mit­tel­ten sog. „Klei­nen Zahl“ von ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bern beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern bei wei­tem nicht er­reicht.

Selbst wenn das Ge­richt dem nicht folg­te, müss­te es selbst ein Sach­verständi­gen­gut­ach­ten zur 50 %-Re­la­ti­on in Auf­trag ge­ben. Je­den­falls dürfe es sich nicht auf Er­mitt­lun­gen be­zie­hen, die das LAG Hes­sen im Ver­fah­re­nen 18 Sa 619/13 bzw. 10 AZR 600/14 vor dem BAG zu den hier strei­ti­gen AVE von 2008 und 2010 durch­geführt ha­be.
Der zu­grun­de lie­gen­de VTV Bau ha­be nicht für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt wer­den dürfen, da die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en (die Be­tei­lig­ten zu 6] bis 8]) teil­wei­se we­der ta­riffähig noch ta­rif­zuständig sei­en. Sei ein Ta­rif­ver­trag des­halb un­wirk­sam, durf­te die­ser nicht für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt wer­den. Auch dies ha­be das Ge­richt im Ver­fah­ren nach § 98 ArbGG zu prüfen.

Die AVE von 2008 und 2009 er­schie­nen auch im öffent­li­chen In­ter­es­se nicht ge­bo­ten gemäß § 5 Abs. 1 Satz Ziff. 2 TVG, da die AVEs ge­gen die Grund­rech­te­char­ta ver­stießen, ins­be­son­de­re ge­gen Art. 16 EU-Grund­rech­te-Char­ta, wo­nach die un­ter­neh­me­ri­sche Frei­heit geschützt wer­de. Ins­be­son­de­re in Hin­blick auf die Ent­schei­dung des EuGH vom 18.07.2013 – C 426/11 – Alemo-

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Her­ron - ) würde das Grund­recht ei­nes Un­ter­neh­mens ver­letzt, wenn es an ei­ne ta­rif­li­che Re­ge­lung ge­bun­den wer­de, auf de­ren Ver­hand­lung es kei­nen Ein­fluss ausüben konn­te. Die AVE ver­s­toße ge­gen Art. 11 der EM­RK. Im Übri­gen bestünde ge­ne­rell kein öffent­li­ches In­ter­es­se an der All­ge­mein­ver­bind­lich­keit der So­zi­al­kas­sen­ta­rif­verträge. Ei­ne Fluk­tua­ti­on im Bau­ge­wer­be sei nicht höher als et­wa in der Land­wirt­schaft oder im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be, in de­nen es kei­ne der­ar­ti­gen Kas­sen und da­mit Abführungs­pflich­ten der Un­ter­neh­men ge­be.

Die Be­tei­lig­ten zu 1) bis 3), 9), 11) – 24) be­an­tra­gen,

fest­zu­stel­len, dass die vom Be­tei­lig­ten zu 4) be­kannt ge­mach­ten All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen vom 15.05.2008 (Bun­des­an­zei­ger Nr. 104 vom 15.07.2008) und 25.06.2010 (Bun­des­an­zei­ger Nr. 97 vom 02.07.2010) der Ta­rif­verträge über das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren vom 20.12.1999 in den Fas­sun­gen vom 20.08.2007 und 05.12.2007 ei­ner­seits und vom 18.12.2009 an­de­rer­seits un­wirk­sam sind.

Die Be­tei­lig­te zu 5) be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass die nach § 5 des Ta­rif­ver­trags­ge­set­zes aus­ge­spro­che­nen All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen des Ta­rif­ver­tra­ges über das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren im Bau­ge­wer­be vom 15.05.2008 und vom 25.06.2010 wirk­sam sind.

Der In­sol­venz­ver­wal­ter der in­sol­ven­ten ehe­ma­li­gen An­trag­stel­le­rin zu 10) ist trotz La­dung nicht er­schie­nen und hat kei­nen An­trag ge­stellt.

Die Be­tei­lig­ten zu 4), 6), 7) und 8) be­an­tra­gen,

die Anträge auf Erklärung der Un­wirk­sam­keit der AVE-Erklärun­gen 2008 und 2010 zurück­zu­wei­sen.

Die Be­tei­lig­ten zu 4) bis 8) ver­tei­di­gen die AVE von 2008 und 2010. Das er­for­der­li­che Ver­fah­ren nach § 11 TVG i.V.m. DVO-TVG sei für bei­de All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen ord­nungs­gemäß durch­geführt wor­den. Nach den da­nach er­mit­tel­ten Zah­len sei das 50 %-Quo­rum erfüllt. Das öffent­li­che In­ter­es­se sei ge­ge­ben. Die von den übri­gen Be­tei­lig­ten an­geführ­ten Zah­len auf­grund von Sta­tis­ti­ken an­de­rer Or­ga­ni­sa­tio­nen wie der Be­rufs­ge­nos­sen­schaf­ten, der Kran­ken­kas­sen, des Hand­werks etc. sei nicht über­trag­bar oder um­re­chen­bar auf die hier maßge­ben­den Zah­len für den Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­tra­ges. Dies sei bei­spiels­wei­se in ei­nem Be­weis­ver­fah­ren vor dem LAG Hes­sen zum Az. 12 Sa 1002/12 selbst von der Bun­des­agen­tur für Ar­beit aus­geführt wor­den (vgl. da­zu die Ko­pie aus dem Ver­fah­ren Bl. 1078 f.d. A.).

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Wenn man aber schon ei­ne Über­prüfung der Zah­len des Be­tei­lig­ten zu 4) vor­neh­me, dann wäre dem LAG Hes­sen im an­ge­spro­che­nen Ver­fah­ren 18 Sa 619/13 zu fol­gen, auch wenn die dor­ti­gen Zah­len teil­wei­se un­rich­tig zu Las­ten der Be­tei­lig­ten zu 5) aus­fie­len.

We­gen der wei­te­ren Ausführun­gen der Be­tei­lig­ten wird auf die zwi­schen den Be­tei­lig­ten ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten vom 27.02.2015 (Bl. 1095 – 1100 d. A.) so­wie 17.04.2015 (Bl. 1385 – 1386 d. A.) ver­wie­sen.

Das Ge­richt hat so­wohl die Ver­wal­tungs­ak­ten des Be­tei­lig­ten zu 4) bei­ge­zo­gen als auch die Ak­ten des LAG Hes­sen bzw. des BAG zum dem Az. 18 Sa 619/13 und 10 AZR 600/14.

II.

Die Anträge der Be­tei­lig­ten zu 1) bis 3) und 9) bis 24) sind zum größten Teil zulässig, aber nicht be­gründet und da­her zurück­zu­wei­sen. Der An­trag der Be­tei­lig­ten zu 5) ist zulässig und be­gründet. Es war gemäß § 98 Abs. 4 Abs. 3 ArbGG fest­zu­stel­len, dass die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen 2008 und 2010 wirk­sam sind.

1. Das LAG Ber­lin-Bran­den­burg ist für das hie­si­ge erst­in­stanz­li­che Ver­fah­ren ört­lich und sach­lich zuständig gemäß § 98 Abs 2 ArbGG n.F. Bei­de All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen sind durch die Be­tei­lig­ten zu 4) erklärt wor­den. Die­se hat ih­ren ers­ten Sitz in Ber­lin (vgl. zu­tref­fend GK-ArbGG-Ah­rendt; § 98 Rdz.19; Forst, RdA 2015, 25, 34 Fn. 84; Maul-Sar­t­ori, NZA 2014, 1305, 1308 in Fn. 36).
2. Die 2. Kam­mer des LAG Ber­lin-Bran­den­burg ist nach dem Be­schluss des Präsi­di­ums des LAG Ber­lin-Bran­den­burg vom 10.09.2014 (PB 14/14) so­wohl für die AVE 2008 und 2010 zuständig. Bei­de Anträge wur­den in ei­nem Ver­fah­ren an­ge­grif­fen (zunächst durch die Be­tei­lig­te zu 1] ) und nicht ge­trennt.
3. Dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ist auch die erst­in­stanz­li­che Wirk­sam­keitsprüfung der AVE 2008 und 2010 auf Grund­la­ge des § 5 TVG a.F. vom Ge­setz­ge­ber gemäß § 98 ArbGG n.F. zu­ge­schrie­ben wor­den, ob­wohl zum Zeit­punkt der Wirk­sam­keits­erklärung kei­ne Zuständig­keit des LAG be­stand, mit dem neu­en § 98 ArbGG zeit­gleich mit dem Ta­rif­au­to­no­miestärkungs­ge­setz vom 11.08.2014 auch § 5 TVG geändert wur­de und nun­mehr ei­ne 50 %-Re­la­ti­on nicht mehr tat­be­stand­li­che Vor­aus­set­zung des § 5 TVG n.F. ist und der Ge­setz­ge­ber ei­ne Über­g­angs­vor­schrift nicht vor­ge­se­hen hat.

Zwar könn­te man dar­aus fol­gern, dass die Lan­des­ar­beits­ge­rich­te ab dem 16.08.2014 in neu­en Ver­fah­ren nach § 98 ArbGG erst­in­stanz­lich nur für die Über­prüfung der AVE nach neu­em Recht, al­so auf der Grund­la­ge des § 5 TVG n.F. zuständig sind. Da­ge­gen spre­chen

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zunächst auch nicht die Ent­schei­dun­gen des BAG vom 07.01.2015 – 10 AZB 109/14 – ( NZA 2015, 237 ) und 10.09.2014 – 10 AZR 939/13 - ( NZA 2014, 1282 ), wo­nach der neue § 98 Abs. 6 ArbGG ei­ne An­wen­dung die­ser Vor­schrift nach der Ge­set­zes­be­gründung auch auf anhängi­ge Ver­fah­ren ver­langt. Denn die­se Ent­schei­dun­gen be­tref­fen nur anhängi­ge Ver­fah­ren auf der Grund­la­ge des § 5 TVG a.F., vor­lie­gend geht es je­doch um ein neu­es Ver­fah­ren nach § 98 ArbGG, für wel­ches zeit­gleich durch das­sel­be Ar­ti­kel­ge­setz (Ta­rif­au­to­no­miestärkungs­ge­setz) der maßgeb­li­che § 5 TVG eben­falls geändert wur­de.

Den­noch ist auch hier die Ge­set­zes­be­gründung und der Sinn und Zweck der Norm im Ge­samt­zu­sam­men­hang der Re­ge­lung zu be­ach­ten. Denn nach der Ge­set­zes­be­gründung soll­te sich die Neu­re­ge­lung des § 98 Abs. 6 ArbGG auf­grund der all­ge­mei­nen Grundsätze des Pro­zess­rechts auch auf be­reits anhängi­ge Ver­fah­ren er­stre­cken und le­dig­lich § 17 GVG un­berührt blei­ben (BT-Drucks. 18/1558, S. 46). Da­durch soll­te si­cher­ge­stellt wer­den, dass fort­an nur noch die auf­grund ih­rer Be­fas­sung mit Fra­gen des Ar­beits- und Ta­rif­rechts be­son­ders sach­na­hen Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen über die Wirk­sam­keit der AVE ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges oder ei­ner Rechts­ver­ord­nung in ei­nem Be­schluss­ver­fah­ren mit in­ter-om­nes-Wir­kung zu ent­schei­den hätten (BT-Drucks. 18/1558, S. 44). Die ef­fek­ti­ve Durch­set­zung die­ses ge­setz­ge­be­ri­schen Ziels wird nur er­reicht, wenn auch be­reits anhängi­ge Ver­fah­ren von der Neu­re­ge­lung er­fasst wer­den (vgl. BAG 07.01.2015 a.a.O., Rdz. 12; BAG 10.09.2014 – 10 AZR 959/13 – NZA 2014, 1282, 1285). Wenn aber be­reits anhängi­ge Ver­fah­ren im Hin­blick auf die Prüfung der Wirk­sam­keit der AVE gemäß § 98 Abs. 6 ArbGG aus­ge­setzt wer­den können, muss sich die Wirk­sam­keitsprüfung auch auf die AVE er­stre­cken, die nach al­tem Recht erklärt wor­den sind.

4. Dies gilt je­den­falls, so­weit der Streit­ge­gen­stand nicht mit dem Ge­gen­stand des Ver­fah­rens nach § 98 ArbGG iden­tisch ist (BAG Be­schluss vom 20.08.2014 – 10 AZN 573/14 – Beck­RS 2014, 72610 Rn. 2; BAG 10.09.2014 – 10 AZR 959/13 – a.a.O., 1285). Dies ist hier der Fall: Auch wenn die Be­tei­lig­ten zu 20) und 21) im Ver­wal­tungs­ver­fah­ren vor dem VG Ber­lin zu den Ak­ten­zei­chen VG 4 A 83.07 und VG 4 253.12 auch die Wirk­sam­keit der AVE 2008 und 2010 in Fra­ge ge­stellt ha­ben, han­del­te es sich bei die­sen Ver­fah­ren um ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge nach § 43 Vw­GO (vgl. BVerwG 28.01.2010 – 8 C 38/09 – zi­tiert nach ju­ris; BVerwG 18.09.2014 – 8 W 35.14, zi­tiert nach ju­ris), die in ih­rer Ent­schei­dung nicht in­ter-om­nes, son­dern nur in­ter-par­tes gilt (BVerwG 18.09.2014, a. a. O., Rn. 7).

5. Das LAG prüft die Wirk­sam­keit der auf­grund der al­ten Fas­sung des § 5 TVG er­gan­ge­nen AVE 2008 und 2010, ob­wohl die Be­tei­lig­ten nicht ana­log § 47 Abs. 2 Vw­GO bin­nen Jah­res­frist ge­gen die Wirk­sam­keit der AVE den Rechts­weg be­strit­ten ha­ben. Zwar hat der Ge­setz­ge­ber aus­drück­lich in der Ge­set­zes­be­gründung § 47 Abs. 2 Vw­GO als

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Vor­bild für den neu­en § 98 ArbGG ge­nannt (BT-Drucks. 18/1558, S. 45; vgl. auch Maul-Sar­t­ori, a. a. O., S. 1310, ErfK/Koch, 15. Aufl., § 98 Rz. 1), ei­ne Re­ge­lung wie in § 47 Abs. 2 Satz 1 Vw­GO, wo­nach „den An­trag je­de natürli­che oder ju­ris­ti­sche Per­son … in­ner­halb ei­nes Jah­res nach Be­kannt­ma­chung der Rechts­vor­schrift stel­len“ kann, fehlt dem neu­en § 98 ArbGG, oh­ne dass dies - an­ders als bei der Fra­ge der sach­li­chen Zuständig­keit für al­te anhängi­ge Ver­fah­ren - in der Ge­set­zes­be­gründung auch nur an­satz­wei­se an­ge­spro­chen bzw. pro­ble­ma­ti­siert wor­den ist, so dass die er­ken­nen­de Kam­mer an den Wort­laut des § 98 ArbGG ge­bun­den ist.

6. Die Be­tei­lig­ten zu 1 bis 3, 5, 9 bis 14, 18 bis 24 sind an­trags­be­rech­tigt, die übri­gen Be­tei­lig­ten nicht.

a)
Die Be­tei­lig­ten zu 2, 3 und 5 sind gemäß § 98 Abs. 6 Satz 2 ArbGG an­trags­be­fugt, da in­so­weit rechts­kräfti­ge Aus­set­zungs­be­schlüsse der Kam­mer 10 des LAG Hes­sen vor­lie­gen (vgl. die Ver­fah­ren 10 Sa 505/13 und 10 Sa 675/13).

b)
An­trags­be­fugt sind aber auch die Be­tei­lig­ten zu 1, 9 bis 14, 18 bis 19, 21 bis 24. Gemäß § 98 Abs. 1 ArbGG kann das Ver­fah­ren auf An­trag je­der natürli­chen oder ju­ris­ti­schen Per­son ein­ge­lei­tet wer­den, die nach Be­kannt­ma­chung der AVE gel­tend macht, durch die AVE in ih­ren Rech­ten ver­letzt zu sein oder in ab­seh­ba­rer Zeit ver­letzt zu wer­den. Der Ge­setz­ge­ber hat sich mit die­ser Fas­sung an die An­trags­fas­sung des § 47 Abs. 2 Vw­GO an­ge­lehnt (vgl. ErfK/Koch, a. a. O., Rz. 1; Be­ckOK – ArbGG –Poe­che, § 98 Rz. 3). Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zu § 47 Abs. 2 VW­GO ist es aus­rei­chend aber auch er­for­der­lich, dass der An­trag­stel­ler hin­rei­chend sub­stan­ti­iert Tat­sa­chen vorträgt, die es zu­min­dest möglich er­schei­nen las­sen, dass er durch die Fest­set­zung et­wa in ei­ner Sat­zung in sei­nen sub­jek­ti­ven Rech­ten ver­letzt wird. Über­tra­gen auf das Ver­fah­ren nach § 98 ArbGG be­deu­tet dies, dass es aus­reicht, dass die Be­tei­lig­te zu 5 als Ein­zugs­stel­le für den VTV-Bau im Rah­men ei­nes Ver­fah­rens von ei­ner ju­ris­ti­schen oder natürli­chen Per­son Beiträge nach § 18 VTV-Bau for­dert. Dies ist bei den An­trag­stel­lern zu 1), 9) bis 14), 18) bis 19) und 21) bis 24) der Fall. Es kommt da­bei ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­tei­lig­ten zu 5) nicht dar­auf an, ob die Un­ter­neh­men in die­sen Ver­fah­ren oder auch vor­lie­gend ar­gu­men­tie­ren, dass sie nicht dem Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­tra­ges auf­grund ih­rer kon­kre­ten Tätig­keit un­ter­fal­len. Es wäre wi­dersprüchlich und würde un­ter Ver­let­zung von Ar­ti­kel 19 Abs. 4 GG ei­ne Be­schränkung des Pro­zess­rechts be­deu­ten, wenn die in An­spruch ge­nom­me­nen Un­ter­neh­men nur auf das In­di­vi­du­al­ver­fah­ren ver­wie­sen wären, aber nicht selbst grundsätz­lich nach § 98 Abs. 1 ArbGG kla­gen dürf­ten, ob die AVE als Grund­la­ge ih­rer In­an­spruch­nah­me wirk­sam oder un­wirk­sam ist.

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c)
Der Be­tei­lig­te zu 20) ist eben­falls an­trags­be­fugt nach § 98 Abs. 1 ArbGG. Denn der zu 20) be­tei­lig­te Ar­beit­ge­ber­ver­band kann ei­ne Ver­let­zung sei­ner durch Ar­ti­kel 9 Abs. 3 GG geschütz­ten Rechts­po­si­ti­on gel­tend ma­chen, wenn die AVE wie vor­lie­gend sei­ne Rechts­po­si­ti­on als Ver­band tan­giert, der zu­min­dest teil­wei­se im Gel­tungs­be­reich der AVE je­den­falls nach der Be­haup­tung des Be­tei­lig­ten zu 5 (sie­he auch oben zu II. 6 b d. Gr.) tätig wird.

d)
Die An­trags­be­fug­nis fehlt da­ge­gen der Be­tei­lig­ten zu 15). Un­abhängig da­von, dass die­se Be­ra­tungs­ge­sell­schaft nicht ein­mal die Ab­tre­tungs­erklärun­gen der Ze­den­ten für (wel­che?) Streit­zeiträume ein­ge­reicht hat, die von den hier strei­ti­gen AVE 2008 und 2010 um­fasst sind, sind der­ar­ti­ge Be­ra­tungs­un­ter­neh­men vom Sinn und Zweck des § 98 Abs. 1 ArbGG nicht um­fasst. Die Be­tei­lig­te zu 15) ist nicht (pas­siv) durch die AVE ver­letzt oder wird in ih­ren Rech­ten ver­letzt wer­den, sie hat sich selbst ak­tiv – je­den­falls nach ih­rer Be­haup­tung – die­se Po­si­ti­on ge­schaf­fen, um ge­gen die AVE vor­ge­hen zu können.

e)
Ähn­li­ches gilt für die Be­tei­lig­ten zu 16) und 17), die nicht von dem Be­tei­lig­ten zu 5) in An­spruch ge­nom­men wer­den, son­dern ak­tiv von dem Be­tei­lig­ten zu 5) for­dern, dass er nicht ge­gen sie vor­ge­hen wird.

7. Das Ver­fah­ren ge­gen die Be­tei­lig­te zu 10) bzw. ge­gen den In­sol­venz­ver­wal­ter über das Vermögen der Be­tei­lig­ten zu 10) ist nicht gemäß § 240 ZPO un­ter­bro­chen. Be­schluss­ver­fah­ren be­tref­fen die In­sol­venz­mas­se, so­fern in ih­nen nicht vermögens­recht­li­che Ansprüche et­wa gemäß § 40 Be­trVG ver­langt wer­den, nicht (un­mit­tel­bar) im Sin­ne von § 240 ZPO (BAG, Be­schluss vom 03.04.2012 – 7 ABN 7/12 – zu I. d. Gr.; LAG Hamm, Be­schluss vom 12.04.2013 – 13 TaBV 64/12 – zi­tiert nach ju­ris, zu B I d. Gr., Rz. 48 mit wei­te­ren Nach­wei­sen). Der In­sol­venz­ver­wal­ter tritt da­her in die ma­te­ri­ell-recht­li­che und ver­fah­rens­recht­li­che Rechts­po­si­ti­on der In­sol­venz­schuld­ne­rin ein.

8. a) Die AVE 2008 und 2010 sind for­mell wirk­sam gemäß § 11 TVG in Ver­bin­dung mit §§ 4 ff. der DVO-TVG vom 16.01.1989, BGBl. I, 76, zu­letzt geändert durch Ar­ti­kel 1 der Ver­ord­nung vom 11.03.2014, BGBl. I, 263. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung ins­be­son­de­re der Be­tei­lig­ten zu 20) und 21) ist nicht das VwVfG und ins­be­son­de­re sind nicht die §§ 22 ff. VwVfG her­an­zu­zie­hen. Es ver­bleibt auch für die neue Prüfung im Rah­men des § 98 ArbGG bei den durch die oben ge­nann­ten Nor­men vor­ge­ge­be­nen und aus­ge­stal­te­ten Ver­fah­ren (zu­tref­fend BAG, Be­schluss vom 07.01.2015, a. a. O., Rz. 20, NZA 2015, 237, 239). Denn

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die AVE ist nach ständi­ger Recht­spre­chung kein Ver­wal­tungs­akt oder ei­ne Rechts­ver­ord­nung, son­dern ein Rechts­set­zungs­akt ei­ge­ner Art zwi­schen au­to­no­mer Re­ge­lung und staat­li­cher Recht­set­zung, der sei­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Grund­la­ge in Ar­ti­kel 9 Abs. 3 GG fin­det und durch die Nor­men des § 5 TVG bzw. der §§ 4 ff. DVO-TVG aus­ge­stal­tet wird (vgl. nur BVerwG 28.01.2010 – 8 C 38/09 -, zi­tiert nach ju­ris; BVerfG 24.05.1977 – 2 BvL 11/74 – BverfGE 44, 322 ff.).

b)
Die­se Ver­fah­rens­nor­men sind ein­ge­hal­ten wor­den: Nach den von der er­ken­nen­den Kam­mer bei­ge­zo­ge­nen Ver­fah­rens­ak­ten, die auch Be­stand­tei­le der von der Kam­mer bei­ge­zo­ge­nen Ak­ten des LAG Hes­sen im Ver­fah­ren 18 Sa 619/13 sind und außer­dem Be­stand­tei­le des Schrift­sat­zes der Be­tei­lig­ten zu 19) sind, hat der Be­tei­lig­te zu 4) den An­trag auf All­ge­mein­ver­bind­lich­keit, der von IG Bau für bei­de AVE 2008 und 2010 auch im Na­men und in Voll­macht der an­de­ren Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­stellt wur­de, gemäß § 4 DVO-TVG im Bun­des­an­zei­ger be­kannt ge­macht (Bun­des­an­zei­ger Nr. 239 vom 20.12.2007, S. 8315 bzw. Bun­des­an­zei­ger Nr. 197 vom 30.12.2009, S. 4495) und gemäß § 6 DVO-TVG den Ta­rif­aus­schuss zur Ver­hand­lung ein­ge­la­den. Die­se Ver­hand­lung fand am 03.03.2008 (AVE 2008) bzw. 10.02.2010 (AVE 2010) un­ter dem Vor­sitz von Herrn Mi­nis­te­ri­al­rat W. bzw. von Frau Mi­nis­te­ri­al­di­ri­gen­tin L. (AVE 2010) des Be­tei­lig­ten zu 4) statt (vgl. die Teil­neh­mer­lis­te Bl. 136 d. A. 14 b/62 bzw. die Teil­neh­mer­lis­te Bl. 139 ff. d. A. 14 b/64 über die Sit­zung des Ta­rif­aus­schus­ses). In die­sem Rah­men wur­den auch Be­den­ken ge­gen die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung von Be­tei­lig­ten erörtert (vgl. Bl. 155 d. A. 14 b/62 bzw. Bl. 139 ff. d. A. 14 b/64). So­dann wur­de im Ein­ver­neh­men mit dem Ta­rif­aus­schuss die All­ge­mein­ver­bind­lich­keit vom 15.05.2008 erklärt und der Zeit­punkt des Be­ginns fest­ge­setzt, hier der 01.01.2008. Die­ser Ter­min lag gemäß § 7 DVO-TVG nicht vor dem Tag der Be­kannt­ma­chung des An­tra­ges (sie­he oben). Ähn­li­ches gilt für die AVE 2010: Der Be­schluss des Ta­rif­aus­schus­ses zur Be­gründung der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung stammt vom 10.02.2010 (Bl. 138 d. A. 14 b/64), die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung wur­de am 25.06.2010 (Bl. 168 ff. d. A. 14 b/64) erklärt.

Die AVE 2010 ist auch nicht des­we­gen un­wirk­sam, weil das Säch­si­sche Staats­mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft, Ar­beit und Ver­kehr mit Schrei­ben vom 19.01.2010 ge­be­ten hat­te, „im Zwei­fel auf die ge­plan­te All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung zu ver­zich­ten“. Zwar kann die obers­te Ar­beits­behörde ei­nes Lan­des Ein­spruch ge­gen die be­an­trag­te All­ge­mein­ver­bind­lich­keit er­he­ben gemäß § 5 Abs. 3 TVG. In die­sem Fall kann das BMAS dem An­trag nur mit Zu­stim­mung der Bun­des­re­gie­rung statt­ge­ben. Um ei­nen sol­chen „Ein­spruch“ im Sin­ne von § 5 Abs. 3 TVG han­delt es sich je­doch nicht. Wie der Ver­merk vom 02.02.2010 auf Sei­te 3 Bl. 136 d. A. 14 b/64 rich­tig ausführt, ist das Schrei­ben des Säch­si­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums für Wirt­schaft, Ar­beit und Ver­kehr nur ei­ne An­re­gung, je­doch kein

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Ein­spruch im Sin­ne von § 5 Abs. 3 TVG. Die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen er­folg­ten auch schrift­lich. So­wohl im Ver­fah­ren für die AVE 2008 als auch für die AVE 2010 er­folg­te die Un­ter­schrift von Herrn Mi­nis­te­ri­al­rat W. (Bl. 188 d. A. AVE 2008 bzw. Bl. 237 R. d. A. AVE 2010), im Bun­des­an­zei­ger heißt es dann je­weils „im Auf­trag W.“.

9. Die AVE 2008 und 2010 sind aber auch ma­te­ri­ell wirk­sam.

a)
Frag­lich ist da­bei al­len­falls der Prüfungs­maßstab bzw. die Prüfungs­in­ten­sität durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt im neu­en Ver­fah­ren nach § 98 ArbGG. Nach den Ent­schei­dun­gen des BAG in den Aus­set­zungs­ver­fah­ren nach § 98 Abs. 6 ArbGG gilt Fol­gen­des:

aa)
Be­reits nach bis­he­ri­ger Rechts­la­ge war die Wirk­sam­keit der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung ei­nes Ta­rif­ver­trags durch die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen grundsätz­lich von Amts we­gen zu prüfen, so­weit es ent­schei­dungs­er­heb­lich auf die­se an­kam. § 98 ArbGG hat an die­ser grundsätz­li­chen Prüfung nichts geändert. Mit Einführung die­ser Norm ist le­dig­lich ein Ver­fah­ren ge­schaf­fen wor­den, in dem in An­wen­dung des Amts­er­mitt­lungs­grund­sat­zes im Be­schluss­ver­fah­ren mit in­ter-om­nes-Wir­kung die Wirk­sam­keit ei­ner AVE oder ent­spre­chen­den Rechts­ver­ord­nung ei­ner ab­sch­ließen­den ge­richt­li­chen Über­prüfung un­ter­zo­gen wird. Führt die Prüfung im Aus­gangs­ver­fah­ren da­her zu dem Er­geb­nis, dass ernst­haf­te Zwei­fel, d. h. sol­che von er­heb­li­chem Ge­wicht, an der Wirk­sam­keit ei­ner AVE oder ei­ner ent­spre­chen­den Rechts­ver­ord­nung be­ste­hen, kann das Ge­richt die­se Fra­ge le­dig­lich nicht mehr selbst ab­sch­ließend ent­schei­den, son­dern hat das Ver­fah­ren nach § 98 Abs. 6 ArbGG aus­zu­set­zen, wenn es auf die­se Fra­ge ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kommt. Ei­ne Über­prüfung von Amts we­gen be­deu­tet aber nicht, dass die Ge­rich­te ver­pflich­tet sind, von sich aus das Vor­lie­gen al­ler Vor­aus­set­zun­gen der AVE zu über­prüfen. Viel­mehr ist grundsätz­lich da­von aus­zu­ge­hen, dass das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les und die obers­ten Ar­beits­behörden der Länder die AVE ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges nur un­ter Be­ach­tung der ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen vor­neh­men. Hier­an hat sich durch das Ta­rif­au­to­no­miestärkungs­ge­setz nichts geändert. Der ers­te An­schein spricht des­halb auch wei­ter­hin für die Rechtmäßig­keit ei­ner All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung. Es genügt da­her nicht, wenn die Pro­zess­par­tei­en die ma­te­ri­ell-recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der AVE pau­schal be­strei­ten. Er­for­der­lich ist viel­mehr ent­we­der ein sub­stan­zi­el­ler Par­tei­vor­trag, der ge­eig­net ist, ernst­haf­te Zwei­fel am Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen nach § 5 Abs. 1 TVG auf­kom­men zu las­sen, oder das Vor­lie­gen ent­spre­chen­der ge­richts­be­kann­ter Tat­sa­chen. Nur dann kommt die Prüfung ei­ner Aus­set­zung in Be­tracht. Be­steht hin­ge­gen zwi­schen den Par­tei­en über die Wirk­sam­keit der AVE kein Streit und sind auch von Amts we­gen kei­ne sol­chen Zwei­fel ge­recht­fer­tigt, be­steht kei­ne Ver­an­las­sung zu de­ren Über­prüfung (vgl. nur

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BAG 07.01.2015 – 10 AZB 109/14 – NZA 2015, 237 Rz. 18 bis 19 mit wei­te­ren Nach­wei­sen aus der Recht­spre­chung).

bb)
Folgt man die­sen Ausführun­gen auch für das vor­lie­gen­de Ver­fah­ren nach § 98 Abs. 1 ArbGG, spricht auch im Amts­er­mitt­lungs­ver­fah­ren zunächst der ers­te An­schein für die Rechtmäßig­keit der bei­den All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen von 2008 und 2010.

cc)
Im Ge­gen­satz zum LAG Hes­sen in der Ent­schei­dung vom 02.07.2014 zum Ak­ten­zei­chen 18 Sa 619/13 hat die er­ken­nen­de Kam­mer auch kei­ne ernst­haf­ten Zwei­fel am Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen nach § 5 Abs. 1 TVG. Wie das LAG Hes­sen auf Sei­te 15 un­ter II 1 a und b der Gründe zu­tref­fend aus­geführt hat, setzt ei­ne AVE nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG vor­aus, dass die ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber min­des­tens 50 % der un­ter den räum­li­chen, fach­li­chen und persönli­chen Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­trags fal­len­den Ar­beit­neh­mer beschäftigt. Zur Über­prüfung des mit­tel­ba­ren Or­ga­ni­sa­ti­ons­gra­des sind da­nach min­des­tens fol­gen­de Da­ten er­for­der­lich:

• Die Zahl der Ar­beit­neh­mer, für die der VTV nach § 1 räum­lich, be­trieb­lich und persönlich an­wend­bar ist („Große Zahl“)

und

• die Ge­samt­zahl der­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, wel­che von ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bern („Klei­ne Zahl“) beschäftigt wer­den.

Nach Mei­nung des LAG Hes­sen sei die „große Zahl“ in bei­den Ver­fah­ren durch die ZVK er­mit­telt und von den An­trag­stel­lern dem BMAS mit­ge­teilt wor­den. Die „Klei­ne Zahl“ ha­be auf Er­he­bun­gen be­ruht, wel­che die bei­den Ar­beit­ge­ber­verbände in ih­ren Mit­glieds­verbänden ver­an­lasst hätten. Das BMAS ha­be die „Klei­ne Zahl“ über­prüft, in­dem es die An­ga­ben der ein­zel­nen Mit­glieds­verbände an­hand de­ren Ant­wort­schrei­ben auf Über­tra­gungs- und Ad­di­ti­ons­feh­ler kon­trol­liert ha­be. In Be­zug auf die „Große Zahl“ ha­be das BMAS nicht fest­ge­stellt, ob die ZVK die­sen Wert zu­tref­fend er­mit­telt ha­be. Die Über­prüfung ha­be sich dar­auf be­schränkt, ob der von der ZVK an­ge­ge­be­ne Wert in Re­la­ti­on zu der von die­ser mit­ge­teil­ten Zahl von Bau­be­trie­ben und der Zahl der Mit­glieds­be­trie­be von den bei­den Ar­beit­ge­ber­verbänden ei­nen mit­tel­ba­ren Or­ga­ni­sa­ti­ons­grad von mehr als 50 % bestätigt ha­be. Außer­dem ha­be das BMAS die „Große Zahl“ nach An­ga­ben der ZVK mit der Zahl der Beschäftig­ten nach den Da­ten des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amts ver­gli­chen, wel­ches die­ses jähr­lich für das Bau­ge­wer­be veröffent­licht. Da­bei sei das BMAS bei dem Ver­fah­ren der AVE 2008 zu dem Er­geb­nis ge­kom­men, dass ein Quo­rum von 52,25 % nach der „Großen Zahl“ des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes erfüllt wer­de, ob­wohl die­ser Wert (660.861 Ar­beit­neh­mer) über dem Wert der

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ZVK ge­le­gen ha­be (516.733 Ar­beit­neh­mer). In dem Ver­fah­ren der AVE 2010 ha­be das BMAS auf der Grund­la­ge der Ar­beit­neh­mer­zahl nach den Da­ten des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amts (678.324 Ar­beit­neh­mer) nur ein Quo­rum von 48,54 % er­mit­telt und des­halb die von der ZVK mit­ge­teil­ten Zahl der Ar­beit­neh­mer (514.526) her­an­ge­zo­gen, was zu der Fest­stel­lung ei­nes mit­tel­ba­ren Or­ga­ni­sa­ti­ons­grads von 63,99 % geführt ha­be.

Den­noch hat die er­ken­nen­de Kam­mer im Ge­gen­satz zur 18. Kam­mer des LAG Hes­sen kei­ne ernst­haf­ten Zwei­fel an der Rich­tig­keit der „Großen Zahl“. Denn der Be­tei­lig­te zu 4) hat auch im Ver­fah­ren 14 b/62 zur AVE 2008 im Ver­merk klar­ge­stellt, dass nicht et­wa die Zah­len des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes die ge­naue­ren sind, son­dern „vor­aus­sicht­lich die der ZVK“. Dies läge dar­an, dass die ZVK die Be­trie­be streng auf der Grund­la­ge des Gel­tungs­be­reichs der Bau­ta­rif­verträge er­fas­se. Der Be­tei­lig­te zu 4 hat nicht et­wa für die AVE 2008 die Zah­len des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amts als ge­naue­re an­ge­zo­gen und für die AVE 2010 die der ZVK, son­dern hat für die AVE selbst bei „Zu­grun­de­le­gung der je­weils ungüns­tigs­ten Wer­te“ (Bl. 117 d. A. 14 b/62) die 50 %-Re­la­ti­on be­rech­net.

Die Kam­mer folgt dem Be­tei­lig­ten zu 4) dar­in, dass die Zah­len der ZVK die vor­aus­sicht­lich ge­nau­es­ten sind aus fol­gen­den Erwägun­gen:

§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG a. F. ist dann erfüllt, wenn … der „un­ter den Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­trags fal­len­den Ar­beit­neh­mer …“ beschäftigt würden. Nur die ZVK bzw. die ULAK als ta­rif­lich vor­ge­se­he­ne Ein­zugs­stel­le hat nicht nur ein ho­hes Ei­gen­in­ter­es­se dar­an, al­le Be­trie­be möglichst ge­nau und um­fas­send zu er­mit­teln, sie wer­tet auch al­le geführ­ten Ver­fah­ren in ar­beits­ge­richt­li­chen Pro­zes­sen da­nach aus, ob Be­trie­be un­ter den Gel­tungs­be­reich des VTV-Bau fal­len oder nicht. Dies führt re­gelmäßig da­zu, dass die Durch­schnitts­zah­len für das ent­spre­chen­de Jahr der un­ter den Gel­tungs­be­reich fal­len­den Ar­beit­neh­mer („Große Zahl“) nach dem Geschäfts­be­richt der So­zi­al­kas­sen stets ge­rin­ger sind als die im Sep­tem­ber, ei­nem Mo­nat von ho­her Beschäfti­gungs­zahl im Bau­be­reich, von der ZVK er­mit­tel­ten Zah­len (vgl. da­zu die im Ver­fah­ren 18 Sa 619/13 er­mit­tel­ten Geschäfts­be­rich­te für die Jah­re 2006 bis 2009 Bl. 406 R – 425 d.A. 18 Sa 619/13 LAG Hes­sen). Würde man ent­ge­gen der Pra­xis des Bet. zu 4) die Jah­res­durch­schnitts­wer­te der ZVK bzw. der ULAK ver­wen­den, wäre die 50%-Re­la­ti­on bei wei­tem über­schrit­ten für bei­de AVE.

Al­le an­de­ren von den Be­tei­lig­ten ge­nann­ten Zah­len und Sta­tis­ti­ken an­de­rer Or­ga­ni­sa­tio­nen sind nicht auf den Gel­tungs­be­reich des VTV-Bau ab­ge­stimmt. Sie sind auch nach ei­ner Be­weis­auf­nah­me so­wohl im Ver­wal­tungs­ge­richts­pro­zess des VG Ber­lin der Be­tei­lig­ten zu 20) und 21) (vgl. die An­la­gen ZVEH zum Schrift­satz der Be­tei­lig­ten zu 20 und 21, An­la­ge 7)

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als auch im Ver­fah­ren 12 Sa 1002/12 des LAG Hes­sen (vgl. Bl. 1078 f. d. A.) nicht über­trag­bar. Da­nach führt die Bun­des­agen­tur für Ar­beit aus:

„…
Die in der veröffent­lich­ten Beschäftig­ten-Sta­tis­tik vor­ge­nom­me­ne Ad­di­ti­on berück­sich­tigt da­bei eben so we­nig wie die vor­ge­nom­me­ne Un­ter­glie­de­rung die ta­rif­recht­li­chen Ab­gren­zungs­as­pek­te der je­wei­li­gen Gel­tungs­be­rei­che der für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Ta­rif­verträge (wie z. B. Bau­haupt­ge­wer­be, Dach­de­cker, Land­schaftsgärt­ner und Gerüstbau­er).

In der Beschäftig­ten-Sta­tis­tik der Bun­des­agen­tur wird da­her die An­zahl der Beschäftig­ten durch die nicht­de­ckungs­glei­che Zu­ord­nung Wirt­schafts­be­reich – Ta­rif­gel­tungs­be­reich ver­mengt, so dass ei­ne ta­rif­spe­zi­fi­sche, trenn­schar­fe Ab­bil­dung, z. B. der Beschäftig­ten­zah­len im Gel­tungs­be­reich BRTV Bau nicht möglich ist. In wel­chem Um­fang es ggf. ei­ne ge­mein­sa­me Schnitt­men­ge gibt oder wel­che kon­kre­ten Ab­wei­chun­gen vor­lie­gen, kann die Bun­des­agen­tur nicht be­ur­tei­len.
…“

Dies ent­spricht der Stel­lung­nah­me des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes im Ver­fah­ren VG 4 A 83.07. Dort erklärt Herr Dr. H. H. für das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt auf die Fra­ge 4

„…
Wenn die Fra­gen 2 oder 3 zu ver­nei­nen sind: Sind Sie in der La­ge, die von Ih­nen er­ho­be­nen Da­ten auf den be­trieb­li­chen und persönli­chen An­wen­dungs­be­reich der Ta­rif­verträge um­zu­rech­nen? Ermögli­chen Ih­re Da­ten es, die hier benötig­te Zahl zu schätzen? Können Sie an­ge­ben, wie vie­le Ar­beit­neh­mer zu den je­weils ge­nann­ten Ta­gen (15. Mai 2008/25. Ju­ni 2010 bzw. 1. Ok­to­ber 2007/1. Ja­nu­ar 2010) zwar un­ter den Gel­tungs­be­reich der Ta­rif­verträge fie­len, aber in­fol­ge der Ein­schränkungs­klau­seln der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen nicht von Ih­nen er­fasst wur­den?“


Fol­gen­des:

„Dem zuständi­gen Fach­be­reich lie­gen kei­ne An­ga­ben da­zu vor, wie vie­le Ar­beit­neh­mer nach be­stimm­ten Ta­rif­verträgen vergütet wer­den. Viel­mehr wird nach­ge­wie­sen, wie vie­le Ar­beit­neh­mer im je­wei­li­gen Bau­be­trieb tätig sind. Ob über­haupt nach Ta­rif ent­lohnt wird, geht so­mit aus un­se­ren Da­ten eben­falls nicht her­vor. Des­halb ist ei­ne Um­rech­nung auf den be­trieb­li­chen und persönli­chen An­wen­dungs­be­reich der Ta­rif­verträge nicht möglich.“


10. Selbst wenn man dem nicht folg­te, son­dern wie das LAG Hes­sen meint, dass er­heb­li­che Zwei­fel an dem Zah­len­ma­te­ri­al des Be­tei­lig­ten zu 4) zu bei­den AVE 2008 und 2010 bestünden, muss die er­ken­nen­de Kam­mer nicht ei­ne ei­ge­ne neu­er­li­che Er­mitt­lung der Zah­len vor­neh­men. Dies hat das LAG Hes­sen in dem ge­nann­ten Ver­fah­ren für die hier strei­ti­gen AVE 2008 und 2010 be­reits im We­ge der Amts­er­mitt­lung ge­tan. Es hat nicht nur die Zah­len des Be­tei­lig­ten zu 4) ei­ner kri­ti­schen Würdi­gung un­ter­zo­gen, son­dern auch die Zah­len des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amts her­an­ge­zo­gen. Da­bei ist es wie der Be­tei­lig­te zu 4) und die er­ken­nen­de Kam­mer oben zu II.9 der Gründe zu der Er­kennt­nis ge­langt, dass die

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ZVK die je­weils für den 30.09.2007 und den 30.09.2009 er­mit­tel­te „Große Zahl“ sorgfältig er­mit­telt ha­be und die von der Recht­spre­chung ge­for­der­te Ausschöpfung al­ler greif­ba­ren Er­kennt­nis­quel­len und des Da­ten­ma­te­ri­als z. B. der Kran­ken­kas­sen, der Kam­mern, der In­nun­gen, der Agen­tur für Ar­beit und der Be­rufs­ge­nos­sen­schaf­ten selbst vor­ge­nom­men ha­be (vgl. Sei­te 26 des Ur­teils). Das LAG Hes­sen hat wie die er­ken­nen­de Kam­mer be­fun­den, dass die Zah­len der ZVK nicht „im Ei­gen­in­ter­es­se“ er­sicht­lich zu nied­rig an­ge­setzt wur­den. Viel­mehr hat es nach Aus­wer­tung der Zah­len der Win­ter­b­auförde­rung und der Zahl der in den Geschäfts­be­rich­ten der So­Ka Bau ge­mel­de­ten Ar­beit­neh­mern er­kannt, dass die von der ZVK zum Stich­tag 30. Sep­tem­ber er­mit­tel­ten Zah­len eher höher aus­fal­len als im Jah­res­durch­schnitt. Dem folgt die er­ken­nen­de Kam­mer un­ter Hin­weis auf die in bei­den Ter­mi­nen mit den Be­tei­lig­ten erörter­te Ak­te und das Ur­teil des LAG Hes­sen vom 2.07.2014.

11. Glei­ches gilt für die von dem Be­tei­lig­ten zu 4 er­mit­tel­ten so­ge­nann­ten „Klei­nen Zahl“. Bei­de Ar­beit­ge­ber­verbände (die Be­tei­lig­ten zu 6) und 7)) ha­ben zum sel­ben Stich­tag (30.09.2007 und 30.09.2009) durch stan­dar­di­sier­te An­fra­gen bei den Mit­glieds­be­trie­ben er­mit­telt, wie vie­le Ar­beit­neh­mer in den ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­glieds­be­trie­ben beschäftigt wur­den. Die­se Fra­gebögen la­gen dem Ta­rif­aus­schuss so­wohl für die AVE 2008 und für die AVE 2010 vor. Zu­tref­fen­der­wei­se hat das LAG Hes­sen auf Sei­te 39 des Ur­teils vom 02.07.2014 aus­geführt, dass die im Ver­fah­ren der AVE 2008 und der AVE 2010 je­weils ver­wen­de­te „Klei­ne Zahl“ nach Prüfung zulässig er­mit­telt und be­last­bar er­schei­ne. Die Rich­tig­keit der Über­tra­gung und der Ad­di­ti­on sei­en je­weils kon­trol­liert wor­den. In­so­weit sei nur an­zu­mer­ken, dass der An­trag stel­len­den IG Bau in ih­rem Schrei­ben vom 18.12.2009 im Ver­fah­ren für die AVE 2010 bei der „Klei­nen Zahl“ ein Zah­len­dre­her un­ter­lau­fen sei. Der HDB ha­be 91.732 ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer mit­ge­teilt, der ZDB 237.551, die Sum­me dar­aus sei­en 329.283 ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer, nicht 329.238, wie fälsch­lich mit­ge­teilt wor­den sei. Die­ser Schreib­feh­ler sei im Ver­fah­ren je­doch fort­geführt und nicht kor­ri­giert wor­den.

Ei­ne Verfälschung der „Klei­nen Zahl“ durch Dop­pel­mit­glied­schaf­ten, wie von den Un­ter­neh­men befürch­tet, könne wei­test­ge­hend aus­ge­schlos­sen wer­den. So­weit ge­mein­sa­me bau­ge­werb­li­che und bau­in­dus­tri­el­le Lan­des­verbände (Dop­pel­ver­band) exis­tier­ten, er­fol­ge die Zu­ord­nung der Ar­beit­neh­mer durch den Ver­band selbst, Dop­pelzählun­gen sei­en aus­ge­schlos­sen. So­weit im Übri­gen da­von aus­zu­ge­hen sei, dass größere Un­ter­neh­men mit ih­ren Be­trie­ben oder Be­triebs­tei­len so­wohl Mit­glied im ZDB als auch im HDB sei­en, dürfe an­ge­nom­men wer­den, dass durch die Un­ter­neh­men selbst ei­ne Auf­tei­lung der Ar­beit­neh­mer er­fol­ge, da sonst dop­pel­te Ver­bands­beiträge zu zah­len wären.

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Dies sei von bei­den Verbänden so ge­schil­dert wor­den. Sch­ließlich las­se sich aus den er­teil­ten Auskünf­ten und den in den Ver­fah­rens­ak­ten vor­lie­gen­den Rück­laufbögen der Mit­glieds­verbände fol­gern, dass den Zah­len­an­ga­ben über­wie­gend kei­ne ech­te Zählung der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer zu­grun­de läge, son­dern ei­ne Be­rech­nung der An­zahl der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer aus den Beiträgen, wel­che die ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­glieds­un­ter­neh­men zu ent­rich­ten hätten. Da die Mit­glieds­beiträge aus den Brut­tolöhnen er­rech­net würden, sei die Fol­ge­rung zulässig, dass auch die „Klei­ne Zahl“ ten­den­zi­ell zu nied­rig sei, da über die mit­ge­teil­ten Brut­tolöhne auch die Ver­an­la­gung ge­steu­ert wer­den könne. Ei­ne Berück­sich­ti­gung von Ar­beit­neh­mern aus mögli­chen OT-Mit­glieds­be­trie­ben könne we­gen der not­wen­dig an­de­ren Bei­trags­struk­tur bei ei­ner OT-Mit­glied­schaft aus­ge­schlos­sen wer­den. Es sei nicht er­sicht­lich, dass die Zahl der bei ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bern beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer an ei­ner an­de­ren Stel­le und mit höhe­rer Ge­nau­ig­keit ab­ge­fragt wer­den könn­te als bei den Dach­or­ga­ni­sa­tio­nen der Verbände des Bau­ge­wer­bes und der Bau­in­dus­trie.

12. Da­mit konn­ten auch nach den Er­mitt­lun­gen des LAG Hes­sen zu Zah­len­dre­hern fol­gen­de Zah­len zur Über­prüfung des Quo­rums von 50 % mit­tel­ba­rer Ta­rif­bin­dung im Sin­ne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG ver­wen­det wer­den:

"Klei­ne Zahl" Sept. 07:
345.302
Sept. 09:
329.283
"Große Zahl"
ZVK-Bau Sept. 07:
516.773
Sept. 09:
514.626

Nach­be­rech­nung
Kam­mer

Ju­ni 07:
578.524
Ju­ni 09:
574.120

Wenn man die­se vom LAG Hes­sen er­mit­tel­ten Zah­len, die höher aus­fal­len als die von der ZVK er­mit­tel­ten, mit ei­nem Zu­schlag von 10 % be­denkt, liegt das Quo­rum noch über 50 % (sie­he die Ta­bel­le im Ur­teil des LAG Hes­sen, Sei­te 42 bis 43).

Selbst wenn man die – nach Auf­fas­sung der Kam­mer zu­tref­fend zu­grun­de ge­leg­ten – Zah­len der ZVK um 20 % erhöhen würde, ergäbe sich noch ein Quo­rum von mehr als 55 % für die AVE 2008 und ein Quo­rum von mehr als 53 % für die AVE 2010. Das würde be­deu­ten, dass die ZVK, die ein ho­hes Ei­gen­in­ter­es­se an den er­mit­tel­ten Bau­ar­beits­verhält­nis­sen hat, je­des fünf­te Ar­beits­verhält­nis nicht er­fasst hätte. Dies ist an­ge­sichts auch der Er­fah­rung der er­ken­nen­den Kam­mer zum Vor­trag der ZVK in den In­di­vi­du­al­ver­fah­ren und den da­bei mit­ge­teil­ten und be­nutz­ten Er­kennt­nis­quel­len rea­litäts­fern.

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Die Kam­mer brauch­te da­her auch kein Sach­verständi­gen­gut­ach­ten über die 50%-Re­la­ti­on für die AVE 2008 und 2010 ein­zu­ho­len. Un­abhängig da­von, dass ins­be­son­de­re der Vor­trag der Bet. zu 19) nicht er­ken­nen lässt, dass der von die­ser be­auf­trag­te Pri­vat­gut­ach­ter für die hier streit­re­le­van­ten AVE 2008 und 2010 „Klei­ne Zahl“ und „Große Zahl“ rich­tig ge­se­hen und be­wer­tet hat ( vgl. die Aus­sa­gen des Gut­ach­ters Herrn B. Bl. 612 ff d.A., ins­be­son­de­re Bl. 613 un­ten : „Es wer­den …aus­sch­ließlich die Zah­len der ZVK für die „klei­ne Zahl“ ver­wen­det.“ ; dar­auf wird für die AVE 2008 und 2010 ver­wie­sen und dies noch­mals wie­der­holt, Bl. 614 f. d.A. ; dies ist schlicht falsch, da die Zah­len der ZVK nur und stets für die Er­mitt­lung der sog. „Großen Zahl“ ver­wen­det wer­den und wur­den ) , ist so­wohl der Vor­trag der Bet. zu 19) als auch der der Bet. zu 20) und 21) nicht ge­eig­net, sub­stan­ti­ell der von den Bet. zu 20) und 21) selbst vor­ge­leg­ten Be­weis­auf­nah­men im Ver­fah­ren vor dem VG Ber­lin zu wi­der­spre­chen, dass die Zah­len an­de­rer Or­ga­ni­sa­tio­nen, Ämter, Kas­sen und Verbände zur „Großen Zahl“ auf den Gel­tungs­be­reich des VTV-Bau um­ge­rech­net wer­den können.

13. Ein öffent­li­ches In­ter­es­se gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG für die Erklärung der AVE 2008 und AVE 2010 kann nicht ver­neint wer­den.

a)
Das öffent­li­che In­ter­es­se an ei­ner AVE ist stets ge­ge­ben, wenn da­mit ein an­er­kann­tes In­ter­es­se des Ge­setz­ge­bers nach­voll­zo­gen wird. Der dem Mi­nis­te­ri­um ein­geräum­te Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ist weit. Ei­ne ge­richt­li­che Über­prüfung kommt nur in­so­weit in Be­tracht, als der Behörde we­sent­li­che Feh­ler vor­zu­wer­fen sind (vgl. nur LAG Hes­sen, a. a. O., S. 43 mit wei­te­ren Nach­wei­sen aus der Recht­spre­chung des BAG so­wie des Schrift­tums).

b)
We­sent­li­che Feh­ler sind nach die­sem Maßstab nicht fest­stell­bar. Die Ent­schei­dung des Mi­nis­te­ri­ums, ei­nen Ver­fah­rens­ta­rif­ver­trag für all­ge­mein­ver­bind­lich zu erklären, der Zwangs­beiträge für das Aus­bil­dungs­we­sen und ei­ne Zu­satz­ren­te an­ord­net, liegt in­ner­halb die­ses Er­mes­sens. Auch die Fortführung des be­son­de­ren ta­rif­li­chen Ur­laubs­re­gimes nach § 8 BRTV Bau in Ver­bin­dung mit den VTV wird vom wei­ten Be­ur­tei­lungs­er­mes­sen ge­deckt. Es kann of­fen­blei­ben, wel­chen Um­fang un­terjähri­ge Beschäfti­gungs­verhält­nis­se in der Bau­bran­che noch ha­ben (zu­tref­fend: LAG Hes­sen, a. a. O., S. 43 f.).

c)
Es sind auch kei­ne Verstöße ge­gen sons­ti­ges höher­ran­gi­ges Recht, ins­be­son­de­re Eu­ro­pa­recht er­sicht­lich. Wie das LAG Ber­lin-Bran­den­burg in sei­ner Ent­schei­dung vom

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13.11.2014 – 14 Sa 1543/13 – zu­tref­fend ent­schie­den hat, ist we­der § 5 TVG a. F. ver­fas­sungs­wid­rig (vgl. nur die Nach­wei­se aus der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts und des BAG auf Sei­te 15 des Ur­teils, un­ter B II 2 a d. Gr.) noch sind es die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen (sie­he die wei­te­ren Ausführun­gen des LAG un­ter B II 2 a aa bis ee d. Gr., S. 16 – 18 des Ur­teils). Wie das LAG wei­ter­hin zu­tref­fend ausführt (auf Sei­te 19 bis 20 des Ur­teils) ver­s­toßen auch we­der § 5 Abs. 4 TVG, der VTV noch die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärun­gen ge­gen die Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on.

d)
Ent­ge­gen ins­be­son­de­re der Auf­fas­sung der Be­tei­lig­ten zu 20) und 21) liegt auch kei­ne Ab­wei­chung zur Ent­schei­dung des EuGH vom 18.07.2013 – C–426/11 – Alemo-Her­ron – NZA 2013, 835 ff., vor, wo­nach das Un­ter­neh­mens­grund­recht ver­letzt sein kann, wenn das Un­ter­neh­men an ei­ne ta­rif­li­che Re­ge­lung ge­bun­den würde, auf de­ren Zu­stan­de­kom­men es kei­nen Ein­fluss ausüben konn­te.

Es kann da­bei da­hin­ste­hen, ob die Aus­sa­gen des EuGH zur Wirk­sam­keit von Kol­lek­tiv­verträgen auf­grund ei­ner dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­sel anläss­lich ei­nes Be­triebsüber­gangs von ei­nem öffent­lich-recht­li­chen Un­ter­neh­men auf ein pri­vat-recht­li­ches im bri­ti­schen Recht auf die vor­lie­gen­de Fall­kon­stel­la­ti­on über­trag­bar sind. Selbst wenn man dies un­ter­stell­te, liegt kein Ver­s­toß ge­gen die Grundsätze der Ent­schei­dung des EuGH vom 18.07.2013 vor. Der EuGH hat in Rz. 34 f. aus­geführt, dass es im Sin­ne der Wer­tung des Grund­rechts aus Ar­ti­kel 16 EU-Char­ta möglich sein muss, an den Ta­rif­ver­trags­ver­hand­lun­gen der Norm, an die der Er­wer­ber ei­nes Be­trie­bes dy­na­misch ge­bun­den sein soll, mit­zu­wir­ken. Ge­ra­de dies ist den be­tei­lig­ten Un­ter­neh­men und Verbänden im Vor­feld ei­ner AVE durch die §§ 4 ff. DVO-TVG ein­geräumt und im vor­lie­gen­den Fall durch ein – hier nicht be­tei­lig­tes – An­waltsbüro hin­sicht­lich der AVE 2008 auch wahr­ge­nom­men wor­den. § 6 Abs. 3 DVO-TVG re­gelt in Ver­bin­dung mit § 5 Abs. 2 TVG, dass vor der Ent­schei­dung über den An­trag Ar­beit­ge­bern und Ar­beit­neh­mern, die von der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung be­trof­fen wer­den würden, den am Aus­gang des Ver­fah­rens in­ter­es­sier­ten Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen der Ar­beit­ge­ber so­wie den obers­ten Ar­beits­behörden der Länder, auf de­ren Be­reich sich der Ta­rif­ver­trag er­streckt, Ge­le­gen­heit zur schrift­li­chen Stel­lung­nah­me so­wie zur Äußerung in ei­ner münd­li­chen und öffent­li­chen Ver­hand­lung zu ge­ben ist. Dies ist hier er­folgt, wie oben un­ter II.8 der Gründe aus­geführt.

14. So­weit die Bet. ins­be­son­de­re zu 20) und 21) gel­tend ma­chen, dass durch den VTV-Bau die Ta­rif­zuständig­keit der verbände über­schrit­ten wur­de, recht­fer­tigt dies we­der ei­ne Aus­set­zung des Ver­fah­rens nach § 97 Abs. 5 ArbGG noch ist ei­ne In­zi­dent­prüfung

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vor­zu­neh­men ( vgl. auch LAG Hes­sen, a.a.O., S. 44 des Ur­teils un­ter II 3 b der Gründe ). Viel­mehr sind die Be­tei­lig­ten auf das Ver­fah­ren nach § 97 ArbGG zu ver­wei­sen.

III.

Da das vor­lie­gen­de Ver­fah­ren ein Be­schluss­ver­fah­ren ist gemäß § 2 a Abs. 1 Ziff. 5 ArbGG, ist es kos­ten­frei, weil Gebühren und Aus­la­gen gemäß § 2 Abs. 2 GKG nicht er­ho­ben wer­den (vgl. nur die Nach­wei­se bei GMP/Mat­thes/Spin­ner, ArbGG, 8. Aufl., § 84 Rz. 31 ff. mit wei­te­ren Nach­wei­sen). Dies begüns­tigt im Ver­fah­ren nach § 98 ArbGG trotz der hier mit­tel­bar be­trof­fe­nen In­di­vi­du­al­ver­fah­ren der ULAK auf Bei­trags­zah­lun­gen ge­gen ein­zel­ne Un­ter­neh­men in mehr­fa­cher Mil­lio­nenhöhe pro be­trof­fe­ner AVE ent­ge­gen der bis­he­ri­gen ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Kos­ten­pra­xis in ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge nach § 43 bzw. § 47 Vw­GO Pri­va­te zu Las­ten des Staa­tes, wenn Ers­te­re wie vor­lie­gend nicht ob­sie­gen. An­ders als in den Be­schluss­ver­fah­ren im Be­triebs­ver­fas­sungs­recht be­steht dafür kein An­lass. Die Kam­mer sieht je­doch an­ge­sichts des kla­ren Ge­set­zes­wort­lauts des § 2 a Abs. 1 Ziff. 5 ArbGG und der feh­len­den ab­wei­chen­den Kos­ten­re­ge­lung trotz des in der Ge­set­zes­be­gründung ge­nann­ten Vor­bilds des Ver­fah­rens nach § 47 Abs. 2 Vw­GO kei­ne Möglich­keit ei­ner ent­spre­chen­den An­wen­dung von § 154 Abs. 3 Vw­GO.

IV.

Die Rechts­be­schwer­de war für die un­ter­le­ge­nen Be­tei­lig­ten gemäß § 92 in Ver­bin­dung mit § 72 Abs. 2 Zif­fer 1 ArbGG zu­zu­las­sen.

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