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BAG, Be­schluss vom 26.09.2013, 8 AZR 775/12 (A)

   
Schlagworte: Betriebsübergang, Öffentlicher Dienst, Berufsfreiheit, Widerspruchsrecht
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 775/12 (A)
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 26.09.2013
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Halle, Urteil vom 24.8.2011 - 9 Ca 3949/10
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 4.6.2012 - 6 Sa 388/11
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

8 AZR 775/12 (A)
6 Sa 388/11
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Sach­sen-An­halt

BESCHLUSS

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 26. Sep­tem­ber 2013 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Böck und Brein­lin­ger so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Wein und Dr. Pau­li für Recht er­kannt:
 


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1. Das Ver­fah­ren wird aus­ge­setzt.


2. Es wird ei­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts darüber ein­ge­holt, ob § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fas­sung vom 3. Au­gust 2010 bezüglich des Über­tritts von Ar­beit­neh­mern auf wei­te­re kom­mu­na­le Träger we­gen Ver­s­toßes ge­gen Art. 12 Abs. 1 GG nich­tig ist.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob zwi­schen ih­nen über den 31. De­zem­ber 2010 hin­aus ein Ar­beits­verhält­nis fort­be­steht.
 

Die Kläge­rin war seit dem 15. Ja­nu­ar 2003 bei der Be­klag­ten zunächst am Ar­beits­amt S beschäftigt. Gemäß ar­beits­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung be-stimmt sich das Ar­beits­verhält­nis nach dem Man­tel­ta­rif­ver­trag für die An­ge­stell­ten der Bun­des­agen­tur für Ar­beit (BA) vom 21. April 1961 und den die­sen ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträgen in der je­wei­li­gen Fas­sung. Außer­dem sol­len die für die BA je­weils gel­ten­den sons­ti­gen Ta­rif­verträge An­wen­dung fin­den.


Nach ei­ner er­folg­rei­chen Be­wer­bung wur­de der Kläge­rin zur Er­pro­bung ab 1. No­vem­ber 2008 die Auf­ga­be ei­ner „Team­lei­te­rin im Be­reich SGB II in der Agen­tur für Ar­beit Sa (in der AR­GE SGB II A)“ über­tra­gen. Mit Be­scheid vom 30. April 2009 er­folg­te dann die Ver­set­zung der Kläge­rin von der Agen­tur für Ar­beit S zur Agen­tur für Ar­beit Sa ab dem 1. Mai 2009. Ihr ob­lag die Lei­tung des so­ge­nann­ten ge­mein­sa­men Ar­beit­ge­ber­ser­vice­teams (AGS), wel­ches bei der Agen­tur für Ar­beit ge­mel­de­te Ar­beit­su­chen­de so­wohl aus dem Be­reich des SGB II als auch aus dem des SGB III an in­ter­es­sier­te Ar­beit­ge­ber ver­mit­telt.


Mit Schrei­ben vom 27. Ok­to­ber 2010 teil­te die Agen­tur für Ar­beit H der Kläge­rin ua. mit:
 


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„nach dem Ge­setz zur Wei­ter­ent­wick­lung der Or­ga­ni­sa­ti­on der Grund­si­che­rung für Ar­beit­su­chen­de vom 03. Au­gust 2010 ge­hen al­le Beschäftig­ten der Bun­des­agen­tur für Ar­beit, die am Tag vor der Zu­las­sung ei­nes kom­mu­na­len Trägers Auf­ga­ben der BA als Träger der Grund­si­che­rung wahr­neh­men und ins­ge­samt min­des­tens 24 Mo­na­te sol­che Auf­ga­ben in dem Ge­biet des kom­mu­na­len Trägers wahr­ge­nom­men ha­ben, kraft Ge­setz in den Dienst des kom­mu­na­len Trägers über.


Sie erfüllen die vom Ge­setz­ge­ber fest­ge­leg­ten Über­g­angs­kri­te­ri­en. Ihr Ar­beits­verhält­nis zur Bun­des­agen­tur für Ar­beit en­det da­her mit Ab­lauf des 31.12.2010. Ab 01.01.2011 wird Ihr bis­he­ri­ges Ar­beits­verhält­nis mit dem Land­kreis Sal als Ar­beit­ge­ber fort­ge­setzt.

...

Der Land­kreis Sal hat das Recht, der BA in­ner­halb der ers­ten drei Mo­na­te bis zu 10% des über­ge­gan­ge­nen Per­so­nals wie­der zur Verfügung zu stel­len. Macht er in Ih­rem Fall da­von Ge­brauch, wer­den Sie zu den glei­chen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen wie vor dem Über­gang bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit wei­ter­beschäftigt, so­fern Sie Ih­rer Wie­der­ein­stel­lung zu­stim­men.“


Der Land­rat des Sal rich­te­te un­ter dem 24. No­vem­ber 2010 ein Schrei­ben an die Kläge­rin, in dem es ua. heißt:


„gemäß § 6c des Ge­set­zes zur Wei­ter­ent­wick­lung der Or­ga­ni­sa­ti­on der Grund­si­che­rung für Ar­beit­su­chen­de vom 03. Au­gust 2010 ge­hen al­le Beschäftig­ten der Bun­des­agen­tur für Ar­beit, die am Tag vor der Zu­las­sung ei­nes kom­mu­na­len Trägers Auf­ga­ben der BA als Träger der Grund­si­che­rung wahr­neh­men und ins­ge­samt 24 Mo­na­te sol­che Auf­ga­ben in dem Ge­biet des kom­mu­na­len Trägers wahr­ge­nom­men ha­ben, kraft Ge­setz in den Dienst des kom­mu­na­len Trägers über.


Sie erfüllen die vom Ge­setz­ge­ber fest­ge­leg­ten Über­g­angs­kri­te­ri­en. Ihr Ar­beits­verhält­nis zur Bun­des­agen­tur für Ar­beit en­det da­her mit Ab­lauf des 31.12. 2010. Ab 01.01. 2011 wird Ihr bis­he­ri­ges Ar­beits­verhält­nis mit dem Ei­gen­be­trieb Job­cen­ter Sal als neu­er Ar­beit­ge­ber fort­ge­setzt. Der Ei­gen­be­trieb hat sei­nen Sitz in B und un­terhält wei­te­re Be­triebsstätten in A, in B, in Sch und in St.


Mit die­sem Schrei­ben bestäti­ge ich Ih­nen die Fort­set­zung Ih­res bis­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis­ses.

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Sie neh­men im Ei­gen­be­trieb Job­cen­ter Sal ei­ne Plan­stel­le in der Ent­gelt­grup­pe 11 TVöD ein und wer­den zum Zeit­punkt des Über­gangs als Be­reichs­lei­ter Ar­beit­ge­ber­ser­vice beschäftigt.“


Zwi­schen den Par­tei­en ist strei­tig, in wel­chem Um­fan­ge die Lei­tungstätig­keit der Kläge­rin den Be­rei­chen SGB II und SGB III zu­zu­ord­nen war. Die Kläge­rin ver­tritt die An­sicht, ihr Ar­beits­verhält­nis sei nicht auf den Sal über­ge­gan­gen. So un­ter­fal­le sie be­reits nicht dem von § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II be­trof­fe­nen Per­so­nen­kreis. Sie sei erst mit Wir­kung vom 1. Mai 2009 in den räum­li­chen Wir­kungs­kreis des Sal ver­setzt wor­den und erfülle da­her nicht das Kri­te­ri­um ei­ner 24-mo­na­ti­gen Tätig­keit im Ge­biet die­ses Land­krei­ses. Auch sei sie nur mit ca. 20 % ih­rer Tätig­keit für den Be­reich SGB II tätig ge­we­sen. Im Übri­gen hält sie § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II für un­wirk­sam. Er sei zu un­be­stimmt, se­he kein Wi­der­spruchs­recht für die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer vor und ver­s­toße ge­gen Art. 12 GG so­wie die RL 2001/23/EG des Ra­tes vom 12. März 2001 (Be­triebs-über­gangs-RL).

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt: 


1. Es wird fest­ge­stellt, dass zwi­schen den Par­tei­en über den 31. De­zem­ber 2010 hin­aus ein Ar­beits­verhält­nis zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen fort­be­steht.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die Kläge­rin über den 31. De­zem­ber 2010 hin­aus zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen als voll­zeit­beschäftig­te An­ge­stell­te in der Tätig­keits­ebe­ne III TV-BA zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. 


Sie hält die Re­ge­lung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II für wirk­sam. Sinn und Zweck die­ser Be­stim­mung sei es, dass „das Per­so­nal der Ar­beit fol­gen“ sol­le. Zwar sei die Kläge­rin als Team­lei­te­rin nicht in vol­lem Um­fan­ge mit Tätig­kei­ten nach dem SGB II be­traut ge­we­sen. Je­doch ha­be sich ih­re Tätig­keit in den letz­ten 24 Mo­na­ten vor der Gründung des kom­mu­na­len Trägers zu mehr als 50 % auf das SGB II be­zo­gen, weil die Ar­beit­su­chen­den, de­ren Ver­mitt­lung
 


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dem AGS ob­le­gen ha­be, über­wie­gend dem vom SGB II er­fass­ten Per­so­nen­kreis zu­zu­ord­nen ge­we­sen sei­en. Dies rei­che aus, dass die Kläge­rin vom Gel­tungs­be­reich des § 6c SGB II er­fasst wer­de.


Mit Schrift­satz vom 30. De­zem­ber 2010 hat die Kläge­rin dem Sal - Ei­gen­be­trieb Job­cen­ter Sal - den Streit verkündet. Die­ser ist dem Rechts-streit nicht bei­ge­tre­ten. Das Ar­beits­ge­richt hat die Be­klag­te an­trags­gemäß ver­ur­teilt. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ge­wie­sen und die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen. Mit die­ser ver­folgt die Be­klag­te ihr Ziel der Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter, während die Kläge­rin die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on be­an­tragt.


B. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist nach An­sicht des Se­nats un­be­gründet, weil das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin we­gen Ver­fas­sungs­wid­rig­keit des § 6c SGB II nicht auf den Sal über­ge­gan­gen ist. Da der Se­nat über die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit ei­nes Bun­des­ge­set­zes je­doch nicht selbst ent­schei­den darf, ist der Rechts­streit aus­zu­set­zen und nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ei­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ein­zu­ho­len.


I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­ne kla­ge­ab­wei­sen­de Ent­schei­dung im We­sent­li­chen wie folgt Be­gründet:

Es könne da­hin­ste­hen, ob § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II we­gen Ver­s­toßes ge­gen Art. 12 GG ver­fas­sungs­wid­rig sei. Ei­ne ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung die­ser Norm er­ge­be, dass nur die Ar­beits­verhält­nis­se sol­cher Ar­beit­neh­mer auf den kom­mu­na­len Träger über­ge­hen, die im maßgeb­li­chen 24-Mo­nats-Zeit­raum vor dem Zeit­punkt der Zu­las­sung des wei­te­ren kom­mu­na­len Trägers nach § 6a Abs. 2 SGB II be­zo­gen auf ih­re ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten aus­sch­ließlich Auf­ga­ben der Grund­si­che­rung (SGB II) wahr­ge­nom­men ha­ben. Dies sei bei der Kläge­rin nicht der Fall ge­we­sen, weil die­se selbst nach dem Sach­vor­trag der Be­klag­ten auch auf das SGB III be­zo­ge­ne Tätig­kei­ten aus­geübt ha­be. Es lie­ge ei­ne so­ge­nann­te Mischtätig­keit vor. Selbst ei­ne 50 % über­stei­gen­de Auf­ga­ben­er­le­di­gung, wel­che den Be­reich des SGB II be­tref­fe, genüge nicht, um den An­wen­dungs­be­reich des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II zu eröff­nen.


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II. Ob die Re­vi­si­on der Be­klag­ten Er­folg hat, hängt da­von ab, ob § 6c 14 Abs. 1 Satz 1 SGB II ver­fas­sungs­kon­form ist.

1. Nach dem Wort­laut des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II wäre das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin mit Wir­kung ab 1. Ja­nu­ar 2011 von der Be­klag­ten auf den Sal über­ge­gan­gen.


a) Träger der Leis­tun­gen nach dem SGB II wa­ren im strei­ti­gen Zeit­raum (bis 31. De­zem­ber 2010) die Be­klag­te (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) so­wie die kreis­frei­en Städte und Krei­se für Leis­tun­gen nach §§ 16a, 22 und 23 Abs. 3 SGB II (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II).

Die bei der Be­klag­ten beschäftig­te Kläge­rin hat als „Team­lei­te­rin SGB II“ in der AR­GE A Tätig­kei­ten ver­rich­tet, wel­che sich so­wohl auf den Be­reich des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II (Grund­si­che­rung für Ar­beit­su­chen­de) als auch auf den des SGB III (Ar­beitsförde­rung) be­zo­gen. Strei­tig ist nur der Um­fang die­ser Tätig­kei­ten. Die Kläge­rin geht von et­wa 20 % „SGB-II-Tätig­kei­ten“ aus, die Be­klag­te von mehr als 50 %. Da § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II nur ver­langt, dass die be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer „Auf­ga­ben der Bun­des­agen­tur als Träger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1“ wahr­ge­nom­men ha­ben, un­terfällt die Kläge­rin nach dem Ge­set­zes­wort­laut un­abhängig vom zeit­li­chen Um­fang ih­rer „SGB-II-Tätig­kei­ten“ dem Gel­tungs­be­reich des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II. Ent­ge­gen der Mei­nung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ver­langt ei­ne ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht, das Tat­be­stands­merk­mal „Auf­ga­ben der Bun­des­agen­tur als Träger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 in dem Ge­biet des kom­mu­na­len Trägers wahr­ge­nom­men ha­ben“ so zu ver­ste­hen, dass nur Ar­beit­neh­mer er­fasst wer­den, wel­che aus­sch­ließlich sol­che Auf­ga­ben wahr­ge­nom­men ha­ben. Wie un­ten noch näher dar­zu­stel­len sein wird, wäre die Re­ge­lung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auch bei der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt vor­ge­nom­me­nen Aus­le­gung ver­fas­sungs­wid­rig.


b) Die Kläge­rin hat die­se Auf­ga­be auch seit min­des­tens 24 Mo­na­ten vor der Zu­las­sung des wei­te­ren kom­mu­na­len Trägers, des Sal, ab 1. Ja­nu­ar 2011 wahr­ge­nom­men. Ihr Ein­wand, die­se War­te­zeit sei des­halb nicht erfüllt, weil sie
 


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erst mit Wir­kung vom 1. Mai 2009 in den räum­li­chen Tätig­keits­be­reich des Sal ver­setzt wor­den sei, ist un­be­acht­lich. Die Kläge­rin hat be­reits seit 1. No­vem­ber 2008, wenn auch zunächst nur zur Er­pro­bung, in der Agen­tur für Ar­beit Sa - Beschäfti­gungs­ort St - und da­mit im Ge­biet des Sal Tätig­kei­ten aus dem Be­reich SGB II er­le­digt. We­der der Wort­laut des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II steht so­mit der An­nah­me ent­ge­gen, die Kläge­rin ha­be die zweijähri­ge War­te­zeit er-füllt, noch spre­chen Sinn und Zweck der War­te­zeit ge­gen ei­ne sol­che An­nah­me. Die in § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II nor­mier­te War­te­zeit soll nämlich gewähr-leis­ten, dass nur sol­che Beschäftig­te auf den neu zu­ge­las­se­nen kom­mu­na­len Träger über­ge­hen, wel­che ei­ne hin­rei­chen­de Be­rufs­er­fah­rung vor­wei­sen (vgl. BT-Drucks. 17/1555 S. 20). Ei­ne sol­che hat die Kläge­rin auch während der „Er­pro­bungs­pha­se“ ge­sam­melt.


c) Der Sal war mit Wir­kung ab 1. Ja­nu­ar 2011 als wei­te­rer kom­mu­na­ler Träger iSd. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II nach § 6a Abs. 2 SGB II durch das Mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les durch Rechts­ver­ord­nung wirk­sam zu­ge­las­sen wor­den.


2. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ist nach An­sicht des Se­nats we­gen Ver­s­toßes ge­gen Art. 12 GG ver­fas­sungs­wid­rig.

a) Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ga­ran­tiert ne­ben der frei­en Be­rufs­wahl auch die freie Ar­beits­platz­wahl. Da­zu zählt bei abhängig Beschäftig­ten auch die Wahl des Ver­trags­part­ners. Dies gilt in glei­cher Wei­se für Ar­beitsplätze in der Pri­vat­wirt­schaft wie im öffent­li­chen Dienst. Das Grund­recht aus Art. 12 Abs. 1 GG ist da­her un­be­scha­det der Or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­walt des Staa­tes berührt, wenn der Ge­setz­ge­ber be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis­se in der Wei­se nor­ma­tiv um­ge­stal­tet, dass er die Per­son des Ar­beit­ge­bers aus­wech­selt. Ne­ben Art. 12 Abs. 1 GG schei­det Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungs­maßstab un­ter dem Ge­sichts­punkt der Ver­trags­frei­heit aus (BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 69, 70, BVerfGE 128, 157).

b) Da­mit ist die Kläge­rin in ih­rer Be­rufs­frei­heit be­trof­fen. Nach­dem das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les auf­grund ge­setz­li­cher Ermäch­ti­gung



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durch Rechts­ver­ord­nung oh­ne Zu­stim­mung des Bun­des­ra­tes gemäß § 6a Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II den Sal als wei­te­ren kom­mu­na­len Träger zu­ge­las­sen hat­te, er­folg­te nach der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik der Über­tritt der bis­her bei der Be­klag­ten beschäftig­ten Kläge­rin in den Dienst des Sal (§ 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II), dh. der Ar­beit­ge­ber der Kläge­rin wur­de letzt­lich durch den Bun­des­ge­setz­ge­ber, han­delnd mit­tels ei­ner Rechts­ver­ord­nung durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les, aus­ge­wech­selt. Es lag ei­ne nach Art. 80 GG zulässi­ge Rechts­set­zung durch die Exe­ku­ti­ve vor (vgl. BVerfG 9. Ok­to­ber 1968 - 2 BvE 2/66 - zu B II 2 c der Gründe, BVerfGE 24, 184). Da­mit han­delt es sich nicht wie im Fal­le des Be­triebsüber­gangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB um ei­nen Ar­beit­ge­ber­wech­sel durch Rechts­geschäft. Viel­mehr er­folg­te ein un­mit­tel­ba­rer Ein­griff des Ge­setz­ge­bers, der zu ei­nem Aus­schei­den der Kläge­rin aus den Diens­ten der Be­klag­ten, ei­ner rechtsfähi­gen bun­des­un­mit­tel­ba­ren Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts mit Selbst­ver­wal­tung (§ 367 Abs. 1 SGB III), und zur Zu­wei­sung ei­nes neu­en Ar­beit­ge­bers, des Sal, ei­ner kom­mu­na­len Ge­bietskörper­schaft, geführt hat.


Die­ser Ein­griff erschöpft sich nicht dar­in, dass der Kläge­rin ein neu­er, von ihr nicht frei gewähl­ter Ar­beit­ge­ber auf­ge­drängt wird. Wenn nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II der Sal in die Ar­beit­ge­ber­stel­lung einrückt, be­deu­tet dies zu­gleich, dass die Be­klag­te von ih­rer bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber­stel­lung un­mit­tel­bar kraft Rechts­ver­ord­nung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit und So­zia­les und da­mit letzt­lich kraft ei­ner le­gis­la­ti­ven Ent­schei­dung vom Ar­beits­ver­trag mit der Kläge­rin ent­bun­den wird, durch den sie bis­her mit der für sie täti­gen Kläge­rin ver­bun­den war. Die­sem Ein­griff konn­te sich die Kläge­rin we­der durch ei­nen Wi­der­spruch, wie ihn § 613a Abs. 6 BGB beim Be­triebsüber­gang vor­sieht, ent­zie­hen noch wur­de ihr ein Rück­kehr­recht ein­geräumt, wie dies bei­spiels­wei­se durch § 18 des Ham­bur­ger Ge­set­zes zur Er­rich­tung der An­stalt des öffent­li­chen Rechts „pfle­gen & woh­nen“ vom 11. Ju­ni 1997 (vgl. BAG 22. Ok­to­ber 2009 - 8 AZR 286/08 -) der Fall war.


c) Ein Wi­der­spruchs­recht oder ein Rück­kehr­recht ist der Kläge­rin auch nicht im We­ge ei­ner ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung des § 6c SGB II ein­zu-



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räum­en. Der in­so­weit ein­deu­ti­ge Wort­laut die­ser Norm sieht sol­che Rech­te des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers nicht vor. Ei­ne dem Wort­laut des § 6c SGB II wi­der­spre­chen­de Aus­le­gung wi­derspräche auch dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers. So hat die­ser die Möglich­keit ei­ner Rück­kehr ei­nes über­ge­lei­te­ten Ar­beit­neh­mers vom kom­mu­na­len Träger zur Be­klag­ten im Fal­le der Wie­der­ein­stel­lung auf Vor­schlag des kom­mu­na­len Trägers (§ 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II) und für den Fall der Be­en­di­gung der Träger­schaft des kom­mu­na­len Trägers (§ 6c Abs. 2 SGB II) aus­drück­lich ge­re­gelt. Ein Rück­kehr­recht des über­ge­gan­ge­nen Ar­beit­neh­mers sieht § 6c SGB II je­doch nicht vor. In die­sem Zu­sam­men­hang ist der Ge­setz­ge­ber of­fen­sicht­lich da­von aus­ge­gan­gen, dass ein Ar­beit­ge­ber­wech­sel der Zu­stim­mung des Ar­beit­neh­mers nur be­darf, wenn sei­ne Rück­kehr zur Bun­des­agen­tur auf­grund Vor­schla­ges des kom­mu­na­len Trägers gemäß § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II er­folgt. § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II sieht nämlich ei­ne Wie­der­ein­stel­lung des Ar­beit­neh­mers durch die Bun­des­agen­tur nur für den Fall vor, dass der Ar­beit­neh­mer „da­zu be­reit ist“. Auch in der Ge­set­zes­be­gründung heißt es: „Bei Ar­beit­neh­mern ist die Bun­des­agen­tur zu ei­ner Wie­der­ein­stel­lung zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen ver­pflich­tet. Ar­beits­recht­lich ist das nicht oh­ne Zu­stim­mung des je­wei­li­gen Ar­beit­neh­mers möglich“ (BT-Drucks. 17/1555 S. 20).


Da in der Ge­set­zes­be­gründung an­sons­ten von der Zulässig­keit ei­nes Ar­beit­neh­mer­wech­sels zum kom­mu­na­len Träger oh­ne Zu­stim­mung des Ar­beit­neh­mers (zu­min­dest still­schwei­gend) aus­ge­gan­gen wird und ein Rück­kehr­recht des Ar­beit­neh­mers nicht erwähnt wird, kann nicht auf den Wil­len des Ge­setz­ge­bers ge­schlos­sen wer­den, er ha­be im Fal­le des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ent­ge­gen dem ein­deu­ti­gen Ge­set­zes­wort­laut dem Ar­beit­neh­mer ein Recht zum Wi­der­spruch ge­gen die Aus­wechs­lung sei­nes Ar­beit­ge­bers oder ein Rück­kehr-recht zur Bun­des­agen­tur gewähren wol­len.


Ei­ne ver­fas­sungs­gemäße Aus­le­gung ei­ner Norm mit dem Ziel, ei­nen Ver­s­toß ge­gen ein Grund­recht zu ver­mei­den, stößt dort an ih­re Gren­zen, wo ei­nem be­reits nach dem Wort­laut und dem ge­setz­ge­be­ri­schen Wil­len ein­deu­ti­gen Ge­setz ei­ne da­von ab­wei­chen­de Be­deu­tung ver­lie­hen bzw. das ge­setz­ge­be­ri­sche Ziel in ei­nem we­sent­li­chen Punkt ver­fehlt oder verfälscht würde (vgl. BVerfG 14. April 2010 - 1 BvL 8/08 - Rn. 50, BVerfGE 126, 29). Ein Norm­ver-


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ständ­nis, wel­ches nämlich zu dem er­kenn­bar geäußer­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers in Wi­der­spruch steht, kann auch im We­ge ver­fas­sungs­kon­for­mer Aus­le­gung nicht be­gründet wer­den (BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 78, BVerfGE 128, 157).

d) Die Re­ge­lung des § 6c Abs. 1 SGB II dient der Si­cher­stel­lung der Funk­ti­onsfähig­keit der Grund­si­che­rung bei Zu­las­sung wei­te­rer kom­mu­na­ler Träger, die auf per­so­nel­le Kon­ti­nuität und die Er­fah­run­gen und Fach­kom­pe­tenz der Beschäftig­ten der Bun­des­agen­tur an­ge­wie­sen sind (BT-Drucks. 17/1555 S. 19). Da­mit ist der Streit­fall nicht un­mit­tel­bar ver­gleich­bar mit den Fällen, in de­nen ein Ar­beit­ge­ber­wech­sel kraft Ge­set­zes im Zu­sam­men­hang mit ei­ner ge­plan­ten Pri­va­ti­sie­rung ge­stan­den hat­te (vgl. da­zu: BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - BVerfGE 128, 157; BAG 22. Ok­to­ber 2009 - 8 AZR 286/08 -).


Für die­ses Ziel des § 6c SGB II kann die Norm als ge­eig­net und er­for­der­lich an­ge­se­hen wer­den. Zwar konn­te der Bund sein Ziel, ei­nen Per­so­nalüber­gang von der Be­klag­ten auf wei­te­re kom­mu­na­le Träger her­bei­zuführen, auch bei Aus­schluss ei­ner Wi­der­spruchsmöglich­keit nicht ge­gen den Wil­len der Ar­beit­neh­mer rea­li­sie­ren, weil die­sen bei ei­nem un­erwünsch­ten Ver­trags­part­ner­wech­sel ein außer­or­dent­li­ches Kündi­gungs­recht zu­steht. So­mit könn­te al­len­falls die Tat­sa­che, dass die Über­tritts­re­ge­lung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II we­gen der so­zi­al­recht­li­chen Fol­gen ei­ner Ei­genkündi­gung und feh­len­der Rück­kehr­per­spek­ti­ve ei­nen er­heb­li­chen Druck auf die Ar­beit­neh­mer ausübt, trotz ei­nes Ar­beit­ge­ber­wech­sels auf ih­rem Ar­beits­platz zu ver­blei­ben, die Eig­nung der Re­ge­lung be­gründen (vgl. BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 83, BVerfGE 128, 157).


Aus dem glei­chen Grund kann die Über­lei­tung der Ar­beits­verhält­nis­se oh­ne Wi­der­spruchs- und/oder Rück­kehr­recht aus der Per­spek­ti­ve des Ge­setz­ge­bers bei der Ver­fol­gung po­li­ti­scher und ver­wal­tungs­tech­ni­scher Zie­le auch noch als er­for­der­lich an­ge­se­hen wer­den, weil die Aus­schal­tung der vom all­ge­mei­nen Recht gewähr­ten Ar­beit­neh­mer­rech­te den rei­bungs­lo­sen Voll­zug der Zie­le des Ge­setz­ge­bers er­leich­tert (vgl. zur Durchführung ei­ner Pri­va­ti­sie­rung: BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 84, BVerfGE 128, 157).

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e) Die durch § 6c Abs. 1 SGB II ge­schaf­fe­ne Re­ge­lung ist je­doch für die von ihr be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer un­zu­mut­bar.

aa) Un­ter Berück­sich­ti­gung des mit der Re­ge­lung des § 6c SGB II ver­folg­ten Zwe­ckes (Si­cher­stel­lung der Funk­ti­onsfähig­keit der Grund­si­che­rung bei der Zu­las­sung wei­te­rer kom­mu­na­ler Träger) stellt al­lein der Ar­beit­ge­ber­wech­sel bei mit Auf­ga­ben nach dem SGB II be­trau­ten Ar­beit­neh­mern der Be­klag­ten von die­ser auf den wei­te­ren kom­mu­na­len Träger noch kei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers dar. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II be­wirkt zwar, dass die Kläge­rin un­mit­tel­bar kraft Ge­set­zes ei­nen Ar­beit­ge­ber erhält, den sie nicht selbst gewählt hat. Die Rechts­ord­nung trägt in­so­weit der durch Art. 12 Abs. 1 GG ga­ran­tier­ten frei­en Wahl des Ver­trags­part­ners je­doch hin­rei­chend Rech­nung, in­dem sie den von ei­nem ge­setz­li­chen Ar­beit­ge­ber­wech­sel be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern das Recht einräumt, ihr Ar­beits­verhält­nis - gemäß § 626 BGB auch außer­or­dent­lich - zu kündi­gen. Die Ar­beit­neh­mer sind da­mit un­abhängig von ei­nem Wi­der­spruchs­recht, wie es § 613a BGB vor­sieht, recht­lich da­vor geschützt, für ei­nen Ar­beit­ge­ber ar­bei­ten zu müssen, mit dem sie ar­beits­ver­trag­lich nicht ver­bun­den sein wol­len. Im Verhält­nis zum ge­setz­lich be­stimm­ten neu­en Ar­beit­ge­ber sind die Rechts­fol­gen ei­nes Wi­der­spruchs ge­gen den ge­setz­li­chen Ar­beit­ge­ber­wech­sel und ei­ner ge­genüber dem neu­en Ar­beit­ge­ber aus­zu­spre­chen­den frist­lo­sen Kündi­gung iden­tisch. Der neue Ar­beit­ge­ber schei­det als Ver­trags­part­ner des Ar­beit­neh­mers aus (BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 88, BVerfGE 128, 157).

Al­ler­dings hat ei­ne Ei­genkündi­gung des Ar­beit­neh­mers ne­ben dem vor­ran­gig zu berück­sich­ti­gen­den Ver­lust von Er­werbs­ein­kom­men nicht zu­letzt auch ne­ga­ti­ve so­zi­al­recht­li­che Fol­gen wie ins­be­son­de­re die Verhängung ei­ner Sperr­zeit für den Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld (§ 159 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB III idF vom 20. De­zem­ber 2011 bzw. § 144 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB III aF). Da­mit be­steht ein er­heb­li­cher - vom Ge­setz­ge­ber auch ge­woll­ter - tatsäch­li­cher Druck, den Ar­beits­platz bei dem neu­en Ar­beit­ge­ber zu be­hal­ten (BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 89, BVerfGE 128, 157).


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bb) Ne­ben die­sem Nach­teil tre­ten durch die ge­setz­li­che Re­ge­lung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II wei­te­re zu Las­ten des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers ein.


So ver­liert die­ser durch den ge­setz­li­chen Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses sei­nen bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber, nämlich die Be­klag­te. Die Über­lei­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf den wei­te­ren kom­mu­na­len Träger be­wirkt die Loslösung der Be­klag­ten von ein­ge­gan­ge­nen ar­beits­ver­trag­li­chen Bin­dun­gen, oh­ne dass bei ei­nem ent­ge­gen­ste­hen­den Wil­len des Ar­beit­neh­mers die Ein­hal­tung kündi­gungs­recht­li­cher Vor­schrif­ten, die in ge­setz­ge­be­ri­scher Um­set­zung der aus Art. 12 Abs. 1 GG fol­gen­den Schutz­pflicht ent­stan­den sind, si­cher­ge­stellt wer­den muss. Da­durch wird dem Ar­beit­neh­mer ein er­heb­li­ches Maß an Be­stands­schutz ent­zo­gen (BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 91, BVerfGE 128, 157).


Die Ausübung ei­nes vom Ge­setz­ge­ber be­wusst nicht ein­geräum­ten Wi­der­spruchs­rechts ent­spre­chend § 613a Abs. 6 BGB würde es dem Ar­beit­neh­mer ermögli­chen, den Fort­be­stand sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten her­bei­zuführen. Nur wenn bei die­ser ei­ne Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit weg­ge­fal­len wäre, käme un­ter Be­ach­tung des § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KSchG ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung durch die Be­klag­te in Be­tracht, wo­bei nach § 1 Abs. 3 KSchG auch die Grundsätze der So­zi­al­aus­wahl zu berück­sich­ti­gen wären. Da­mit könn­te der wi­der­spre­chen­de Ar­beit­neh­mer mögli­cher­wei­se er­rei­chen, dass sein Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten fort­be­steht, ob­wohl die von ihm bis­her (ganz oder teil­wei­se) aus­geübten Tätig­kei­ten nach dem SGB II nun­mehr von ei­nem kom­mu­na­len Träger über­nom­men wer­den. Ob es dem wi­der­spre­chen­den Ar­beit­neh­mer ge­lingt, sei­ne Beschäfti­gung bei der Be­klag­ten auf Dau­er zu be­hal­ten, hängt von den Umständen des Ein­zel­fal­les ab. Das Ri­si­ko ei­ner wirk­sa­men be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung oder sons­ti­ger Nach­tei­le kann größer oder klei­ner sein. Dem­zu­fol­ge kann es ob­jek­tiv mehr oder we­ni­ger vernünf­tig er­schei­nen, wenn sich der Ar­beit­neh­mer durch Ausübung sei­nes Wi­der­spruchs­rechts für die zu­min­dest vorüber­ge­hen­de Bei­be­hal­tung der Be­klag­ten als sei­ner Ar­beit­ge­be­rin ent­schei­det. Die Abwägung die­ser Ri­si­ken ist der pri­vat­au­to­no­men Ent­schei­dung des Ar­beit­neh­mers vor­be­hal­ten (BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 92, BVerfGE 128, 157).


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Die Si­che­rung des Rechts auf freie Wahl des Ar­beits­plat­zes als Aus­prägung der Pri­vat­au­to­no­mie durch § 613a Abs. 6 BGB ist so­wohl vom Ge­setz­ge­ber als auch von der Recht­spre­chung (vgl. BAG 19. Fe­bru­ar 2009 - 8 AZR 176/08 - Rn. 27, BA­GE 129, 343) im We­sent­li­chen auch mit den Grund­rech­ten der Ar­beit­neh­mer be­gründet wor­den. Das be­deu­tet zwar nicht, dass die Vor­schrift des § 613a Abs. 6 BGB ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­ten ist. Der Ge­setz­ge­ber muss aber grundsätz­lich das Grund­recht des Ar­beit­neh­mers auf freie Wahl des Ar­beits­plat­zes bei ei­nem oh­ne sei­nen Wil­len er­fol­gen­den Ar­beit­ge­ber­wech­sel schützen (BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 93, 94, BVerfGE 128, 157). Das heißt al­ler­dings nicht, dass die Über­lei­tung von Beschäftig­ten ei­nes öffent­li­chen Ar­beit­ge­bers auf ei­nen an­de­ren öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber nur un­ter Einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts zu Guns­ten des Ar­beit­neh­mers zulässig wäre. In­so­weit darf der Ge­setz­ge­ber (auch) berück­sich­ti­gen, dass dem Ar­beit­neh­mer bei Fort­be­stand der übri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Rech­te und Pflich­ten nicht nur der Ar­beits­platz er­hal­ten bleibt, son­dern er auch wei­ter­hin „im öffent­li­chen Dienst“ beschäftigt bleibt (BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 94, aaO).


cc) Den­noch stellt sich die Über­lei­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Kläge­rin von der Be­klag­ten auf den Sal gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II als un­zu­mut­ba­re Be­ein­träch­ti­gung der Kläge­rin in ih­rem Grund­recht aus Art. 12 Abs. 1 GG dar.

Ur­sa­che für den Ein­griff in das Grund­recht der Kläge­rin ist le­dig­lich ei­ne po­li­tisch mo­ti­vier­te, nicht durch Sach­zwänge be­ding­te Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers. Zunächst hängt die Zu­las­sung wei­te­rer kom­mu­na­ler Träger von ei­nem An­trag der­sel­ben ab (§ 6a Abs. 2 SGB II). Lie­gen sol­che Anträge nicht vor, so ver­bleibt es bei der Auf­ga­ben­er­le­di­gung gemäß § 6 SGB II, dh. gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II durch die Bun­des­agen­tur und de­ren Beschäftig­te, so­weit nicht Leis­tun­gen iSd. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II durch kom­mu­na­le Träger er­fol­gen. Le­dig­lich auf­grund ei­ner „Ex­pe­ri­men­tier­klau­sel“ (vgl. BT-Drucks. 17/1555 S. 17) wa­ren seit dem Jah­re 2005 an Stel­le der Agen­tu­ren für Ar­beit 69 kom­mu­na­le Träger der Leis­tun­gen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2


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SGB II zu­ge­las­sen. Darüber hin­aus können auf­grund des § 6a Abs. 2 SGB II ab 11. Au­gust 2010 wei­te­re kom­mu­na­le Träger zu­ge­las­sen wer­den, wenn die Ge­samt­an­zahl der neu zu­ge­las­se­nen kom­mu­na­len Träger 1/4 der zum An­trags­zeit­punkt zu­ge­las­se­nen Auf­ga­ben­träger nicht über­steigt (§ 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II). Die­se Re­ge­lun­gen zei­gen, dass die Zu­las­sung wei­te­rer kom­mu­na­ler Träger re­gelmäßig nicht aus zwin­gen­den ver­wal­tungs­tech­ni­schen, son­dern aus po­li­tisch mo­ti­vier­ten Über­le­gun­gen, ins­be­son­de­re der an­trag­stel­len­den kom­mu­na­len Träger er­folgt. Dass dies auch der Ge­setz­ge­ber so sieht, zeigt § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II, der ver­langt, dass der Zu­las­sungs­an­trag „in den dafür zuständi­gen Ver­tre­tungskörper­schaf­ten der kom­mu­na­len Träger ei­ner Mehr­heit von zwei Drit­teln der Mit­glie­der so­wie der Zu­stim­mung der zuständi­gen obers­ten Lan­des­behörde“ be­darf. Da­durch soll si­cher­ge­stellt wer­den, „dass der weit­rei­chen­den Ent­schei­dung für die al­lei­ni­ge Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben ... ei­ne sorgfälti­ge und ausführ­li­che po­li­ti­sche Mei­nungs­bil­dung vor­aus­ge­gan­gen und ein ho­her Grad an Ak­zep­tanz vor­han­den ist“ (BT-Drucks. 17/1555 S. 18).


Da­mit hängt die Über­lei­tung von Ar­beits­verhält­nis­sen nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II im Er­geb­nis von Zufällig­kei­ten ab, dh. da­von, ob die Zu­las­sungs­quo­te des § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II be­reits aus­geschöpft ist, ob ein kom­mu­na­ler Träger, in des­sen Ge­biet der Ar­beit­neh­mer Auf­ga­ben der Be­klag­ten als Träger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II wahr­ge­nom­men hat, die po­li­ti­sche Ent­schei­dung für ei­nen Zu­las­sungs­an­trag trifft und ob die­ser die Zu­las­sungs­vor­aus­set­zun­gen des § 6a Abs. 2 Satz 1 SGB II erfüllt. Nicht je­doch er­folgt der Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses des­halb, weil durch die Zu­las­sung wei­te­rer kom­mu­na­ler Träger die ord­nungs­gemäße Er­le­di­gung der Auf­ga­ben nach dem SGB II si­cher­ge­stellt wer­den soll. Es ist nicht er­sicht­lich, dass ei­ne sach­ge­rech­te Auf­ga­ben­erfüllung durch die Be­klag­te bis­lang nicht er­folgt ist oder oh­ne die Zu­las­sung wei­te­rer kom­mu­na­ler Träger künf­tig nicht er­fol­gen kann. Da­her ist die Zu­las­sung die­ser Träger und der da­mit für die Kläge­rin ver­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber­wech­sel von der Be­klag­ten zum Sal letzt­lich nicht durch zwin­gen­de Gründe des Ge­mein­wohls be­dingt.
 


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dd) Ei­ne sol­che Fall­ge­stal­tung be­sei­tigt zwar die Be­fug­nis des Ge­setz­ge­bers nicht gänz­lich, in das Grund­recht des Art. 12 Abs. 1 GG des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers ein­zu­grei­fen, führt aber im Rah­men der vor­zu­neh­men­den Ge­samt­schau da­zu, von ei­nem un­zulässi­gen Grund­rechts­ein­griff aus­zu­ge­hen. Zu Guns­ten der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer sind nämlich wei­te­re durch § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ver­ur­sach­te Nach­tei­le zu berück­sich­ti­gen.


Zunächst führt der Über­tritt zu ei­nem kom­mu­na­len Träger zu ei­nem er­heb­li­chen Wech­sel der Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren, in de­nen die über­ge­lei­te­ten Ar­beit­neh­mer tätig wer­den müssen. Bei der Be­klag­ten han­delt es sich um ei­ne bun­des­weit täti­ge Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts mit et­wa 108.000 Beschäftig­ten (vgl. Geschäfts­be­richt der Be­klag­ten für das Jahr 2012). Dies be­inhal­tet breit gefächer­te Ein­satzmöglich­kei­ten für die Mit­ar­bei­ter so­wohl in räum­li­cher als auch in funk­tio­na­ler Hin­sicht. Dem­ge­genüber sind die Ein­satzmöglich­kei­ten bei ei­nem kom­mu­na­len Träger zwangsläufig räum­lich deut­lich ein­ge­eng­ter. Auch die An­zahl und Art der bei ei­ner kom­mu­na­len Ge­bietskörper­schaft für ei­ne Beschäfti­gung zur Verfügung ste­hen­den Stel­len ist we­sent­lich ge­rin­ger als bei der Be­klag­ten. Dies hat zur Fol­ge, dass die Möglich­kei­ten ei­nes nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II über­ge­gan­ge­nen Ar­beit­neh­mers, sich auf an­der­wei­ti­ge, ge­ge­be­nen­falls höher­wer­ti­ge Stel­len zu be­wer­ben bzw. sich räum­lich durch Anträge auf Ver­set­zung zu verändern, er­heb­lich ein­ge­schränkt wer­den. Glei­ches gilt für die Chan­ce sich für ei­ne völlig an­ders­ar­ti­ge Tätig­keit zu be­wer­ben. Dies ist bei der Be­klag­ten an­ge­sichts der Viel­zahl und Un­ter­schied­lich­keit der von ihr wahr­ge­nom­me­nen Auf­ga­ben we­sent­lich leich­ter als bei ei­nem kom­mu­na­len Träger. Hin­zu kommt, dass die Ver­wal­tungs­struk­tu­ren und da­mit auch die Art der Per­so­nalführung und -or­ga­ni­sa­ti­on bei der Be­klag­ten nicht mit der bei ei­nem kom­mu­na­len Träger ver­gleich­bar sind. Das gilt vor al­lem des­halb, weil bei Letz­te­rem die Mit­ar­bei­ter be­tref­fen­de Ent­schei­dun­gen so­wohl or­ga­ni­sa­to­risch als auch in per­so­nel­ler Hin­sicht grundsätz­lich von Ent­schei­dungs­trägern gefällt wer­den, die auf­grund von öffent­li­chen Wah­len in ih­re Po­si­tio­nen be­ru­fen wor­den sind (Bürger­meis­ter, Landräte, Kreis­ta­ge, Stadt- und Ge­mein­deräte) und die da­mit nicht sel­ten (auch) nach po­li­ti­schen Ge­sichts­punk­ten ge­trof­fen wer­den. Sol­ches ist bei der Be­klag­ten als ei­ner un­mit­tel­ba­ren
 


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Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts mit dem ihr zu­ste­hen­den Selbst­ver­wal­tungs­recht (§ 367 Abs. 1 SGB III) nicht in glei­chem Um­fan­ge der Fall. Bei ei­nem Ar­beit­neh­mer, der sich (ua.) aus die­sen Gründen für ei­ne Tätig­keit bei der Be­klag­ten und nicht bei ei­ner kom­mu­na­len Ge­bietskörper­schaft ent­schie­den hat, wird durch die Über­lei­tung nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II in be­son­de­rer Wei­se die von ihm vor­ge­nom­me­ne Be­rufs­wah­l­ent­schei­dung berührt. Hin­zu kommt, dass der Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses auf ei­nen kom­mu­na­len Träger mit ei­nem Wech­sel der auf das Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den­den Ta­rif­verträge ein­her­geht. Während für die Be­klag­te ein ei­genständi­ger Ta­rif­ver­trag gilt (Ta­rif­ver­trag für die Bun­des­agen­tur, TV-BA), sind für kom­mu­na­le Träger die für den Be­reich der Kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­verbände (VKA) maßgeb­li­chen Ta­rif­verträge ein­schlägig. Zwar sieht § 6c Abs. 5 Satz 1 SGB II vor, dass Ar­beit­neh­mern, die in den Dienst ei­nes an­de­ren Trägers über­ge­hen, grundsätz­lich ei­ne gleich­wer­ti­ge Tätig­keit über­tra­gen wer­den soll und wenn dies aus­nahms­wei­se nicht möglich ist, ei­ne nied­ri­ger be­wer­te­te Tätig­keit über­tra­gen wer­den darf. Führt Letz­te­res zu ei­ner Ver­rin­ge­rung des Ar­beits­ent­gelts, so ist ei­ne Aus­gleichs­zah­lung in Höhe des Un­ter­schieds­be­tra­ges zwi­schen dem Ar­beits­ent­gelt bei dem ab­ge­ben­den Träger zum Zeit­punkt des Über­tritts und dem je­wei­li­gen Ar­beits­ent­gelt bei dem auf­neh­men­den Träger zu zah­len (§ 6c Abs. 5 Satz 3 SGB II). Da­durch wird zwar im Re­gel­fal­le dem über­ge­gan­ge­nen Ar­beit­neh­mer das wirt­schaft­li­che Äqui­va­lent sei­ner bis­he­ri­gen ta­rif­li­chen Ein­grup­pie­rung zunächst gewähr­leis­tet, al­ler­dings ist es in Aus­nah­mefällen auch zulässig, ihn ta­rifmäßig nied­ri­ger ein­zu­grup­pie­ren. Die für die­sen Fall vor­ge­se­he­ne Aus­gleichs­zah­lung wird je­doch durch Ta­rif­loh­nerhöhun­gen auf­ge­zehrt, so­dass nach ei­nem be­stimm­ten Zeit­raum der über­ge­gan­ge­ne Ar­beit­neh­mer ei­nen ge­rin­ge­ren Ver­dienst er­zielt, als er ihn bei der Be­klag­ten auf­grund sei­ner ehe­ma­li­gen Ein­grup­pie­rung er­hal­ten hätte.


Des Wei­te­ren un­ter­schei­den sich die bei der Be­klag­ten gel­ten­den Ta­rif­sys­te­me auch in an­de­ren Punk­ten von den für kom­mu­na­le Ar­beit­ge­ber an-wend­ba­ren.


Wei­ter spricht für ei­nen un­zu­mut­ba­ren Ein­griff des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II in das Grund­recht der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer aus Art. 12 Abs. 1 GG,
 


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dass die Ar­beit­neh­mer nach ih­rem Über­tritt zu ei­nem kom­mu­na­len Träger da­mit rech­nen müssen, wie­der­um oh­ne ein Wi­der­spruchs­recht von die­sem wie­der zur Bun­des­agen­tur über­ge­lei­tet zu wer­den. Dies ist dann der Fall, wenn die Träger­schaft des kom­mu­na­len Trägers gemäß § 6a SGB II en­det (§ 6c Abs. 2 SGB II). Da­mit wer­den die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer im Er­geb­nis bezüglich ih­rer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­ten Ar­beits­platz­wahl zu „Spielbällen“ auf­grund po­li­ti­scher Ent­schei­dun­gen über die Träger­schaft von Leis­tun­gen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II.

3. Die­ser un­zulässi­ge Ein­griff in das Grund­recht des Art. 12 Abs. 1 GG des Ar­beit­neh­mers kann nicht da­durch ver­mie­den wer­den, dass § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ge­gen sei­nen Wort­laut da­hin ge­hend aus­ge­legt wird, dass nur sol­che Ar­beit­neh­mer von dem Über­gang er­fasst wer­den, wel­che aus­sch­ließlich Auf­ga­ben der Bun­des­agen­tur als Träger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II wahr­ge­nom­men ha­ben. Der oben ge­schil­der­te un­zu­mut­ba­re Ein­griff in das Grund­recht des Art. 12 Abs. 1 GG liegt un­abhängig da­von vor, in wel­chem Um­fan­ge der Ar­beit­neh­mer Tätig­kei­ten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II vor der Zu­las­sung ei­nes wei­te­ren kom­mu­na­len Trägers wahr­ge­nom­men hat. Hin­zu kommt, dass es wohl un­ter dem Ge­sichts­punkt des Art. 3 Abs. 1 GG kaum be­gründ­bar wäre, dass Ar­beit­neh­mer, die bis­lang zu ei­nem Pro­zent­satz von we­ni­ger als 100 Tätig­kei­ten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II als Ar­beit­neh­mer der Bun­des­agen­tur wahr­ge­nom­men ha­ben, nicht gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf ei­nen wei­te­ren kom­mu­na­len Träger über­ge­hen, während dies bei den an­de­ren Ar­beit­neh­mern, die aus­sch­ließlich sol­che Tätig­kei­ten wahr­ge­nom­men ha­ben, der Fall ist.


Hauck 

Böck 

Brein­lin­ger

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