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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.05.2009, 7 Sa 201/09
Schlagworte: | Abrufarbeit, Benachteiligung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 7 Sa 201/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 12.05.2009 | |
Leitsätze: | Die Vereinbarung eines Abrufverhältnisses, bei der sich die Beklagte vorbehält, den Kläger über die vertraglich vereinbarte Monatsarbeitsarbeitszeit von 40 Stunden oder 10 Stunden wöchentlich bis zur Grenze der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit einzusetzen, führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers und ist nach § 307 BGB unwirksam (vgl. BAG v. 07.12.2005 - 5 AZR 534/04). | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 30.10.2008, 33 Ca 1548/08 | |
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 12. Mai 2009
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
7 Sa 201/09
33 Ca 1548/08
Arbeitsgericht Berlin
VA, H.
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 7. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2009
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht R. als Vorsitzende
sowie die ehrenamtlichen Richter Herr S. und Herr K.
für Recht erkannt:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.10.2008 - 33 Ca 1548/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, welche Tätigkeit arbeitsvertraglich zuletzt zwischen ihnen vereinbart war sowie über den Umfang der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit.
Der Kläger wurde auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01. Oktober 2003 (Bl. 58 – 67 d. A.) bei der Beklagten, die auf den Flughäfen Berlin-T. und Berlin-Sch. Dienstleistungen im Bereich der Passagier- und Flugzeugabfertigung erbringt, eingestellt.
Der Arbeitsvertrag vom 01. Oktober 2003 enthält u. a. folgende Regelungen:
„§ 2 Tätigkeit
I Der/Die Mitarbeiter(in) wird als MA Fluggastabfertigung eingestellt
II Die Zuständigkeit in der Firma regelt sich nach dem Organisations-/Funktionsplan in seiner geltenden Fassung. Die Firma behält sich vor, das Unterstellungsverhältnis aus organisatorischen Gründen zu ändern, ohne dass davon die Arbeitsbedingungen im Übrigen berührt werden.
III Die Firma behält sich auch das Recht vor, dem/der Mitarbeiter(in) vorübergehend auch eine andere zumutbare Arbeit im Betrieb, im Rahmen des Unternehmens auch in einer anderen Niederlassung oder Tochterfirma, zuzuweisen, die seinen Vorkenntnissen entspricht.
Die Firma ist des weiteren berechtigt, dem/der Mitarbeiter(in) andere Tätigkeiten im Unternehmen, z. B. in den Bereichen Verwaltung, Passagierabfertigung, Gepäckermittlung, Load-Control/Operations, Rampagent oder Reisebüro zu widmen, bzw. andere als die vorgesehenen Aufgaben, ggf. in einer anderen Abteilung, Niederlassung oder Tochterfirma des Unterneh¬mens, zuzuweisen (Versetzungsvorbehalt).
IV Macht die Firma von einer vorgenannten Zuweisungsmöglichkeit für eine andere Arbeit Gebrauch, so ist sie verpflichtet, das bisherige Entgelt weiter zu zahlen.
V Der/Die Mitarbeiter(in) verpflichtet sich, die während seiner Tätigkeit auf ihn zukommenden Arbeiten gewissenhaft und nach bestem Vermögen zu erfüllen, in jeder Hinsicht die Interessen der Firma zu wahren und seine gesamte Arbeitskraft der Firma zu widmen.
§ 3 Entgelt
…
III Es werden Zuschläge zum Entgelt gezahlt:
Nachtarbeit: 26 v.H. (in der Zeit von 20h00 bis 6h00 Ortszeit);
Sonntagsarbeit: 50 v.H. (in der Zeit von 0h00 bis 24h00 Ortszeit);
Feiertage: 100 v.H. (gesetzliche Feiertage gem. Feiertagsgesetz);
Mehrarbeit: 25 v.H. (bei Überschreitung von 165 Stunden/Kalendermonat).Treffen Zuschläge für Sonntagsarbeit mit Zuschlägen für Feiertagsarbeit zusammen, so sind nur die Zuschläge für Feiertagsarbeit zu zahlen. Ausgenommen hiervon sind Zuschläge für Nachtarbeit, die in jedem Fall zu zahlen sind.…
§ 4 Arbeitsort und Arbeitszeit
…
II Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt mindestens 40 Stunden kalendermonatlich bzw. zehn Stunden wöchentlich.
III Die Arbeitszeit ist entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen. Eine Mindestbeschäftigungszeit von drei aufeinander folgenden Stunden pro Tag der Arbeitsleistung wird dem/der Mitarbeiter(in) zugesagt. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf gleichmäßige Verteilung der vereinbarten Wochen-/Monatsarbeitszeit besteht nicht.
IV Lage und Verteilung der Arbeitszeit und der Pausen richtet sich nach den von der Stationsleitung erstellten Dienstplänen, den Flugplänen sowie den innerbetrieblichen Erfordernissen.
V Die Einsatzplanung wird dem/der Mitarbeiter(in) mindestens vier Kalendertage vor dem Tag der Arbeitsleistung durch Offenlegung der Dienstpläne in den Geschäftsräumen der Firma zur Kenntnis gebracht. Das Recht der Parteien, im gegenseitigen Einvernehmen auf die Einhaltung dieser Frist zu verzichten, bleibt hiervon unberührt.
VI Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen ist der/die Mitarbeiter(in) zur Leistung von Über- und Mehrarbeit, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Wechselschichtarbeit verpflichtet. Ein Arbeitstag kann durch einen sog. Split-Dienst gem. § 3 dieses Vertrages ersetzt werden….
Das Arbeitsverhältnis war zunächst bis zum 30. September 2004 befristet und wurde nach einer Verlängerung bis zum 30. September 2005 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt. Der Kläger erhielt zunächst auf der Grundlage des abgeschlossenen Arbeitsvertrages einen Bruttostundenlohn von 7,67 EUR, der mit Wirkung vom 01. Mai 2006 zunächst auf 8,20 EUR Brutto erhöht wurde. Zuletzt erhielt der Kläger 9,02 EUR pro Stunde.
Zum 01. April 2007 wechselte der Kläger vom Bereich „Lost and Found“ in die Abteilung Support Internet-Check-in. Dort bearbeiten die Mitarbeiter an sieben Wochentagen zwischen 6.00 bis 23.00 Uhr über eine Telefonhotline Fragen und Probleme von Flugreisenden beim Internet-Check-in sowie beim E-Mail-Versand von Bordkarten. In diesem Bereich beschäftigt die Beklagte neben dem Kläger drei weitere Mitarbeiterinnen, deren Arbeitsverträge dem des Klägers entsprechen, sowie gelegentlich Springer aus anderen Bereichen. Zu seinem Einsatz teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27. März 2007 (Bl. 68 d. A.) folgendes mit:
„wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass Sie mit Wirkung vom 01.04.2007 zum Central Training & Services in die Abteilung
Support Internet-Check-in
versetzt werden.
Des Weiteren möchten wir die Bedingungen Ihres Arbeitsvertrages verbessern. Ab dem 01.04.2007 erhöht sich Ihr Brutto-Stundenverdienst auf
EUR 8,90.
Alle anderen Bedingungen Ihres Arbeitsvertrages bleiben unverändert.
Eine eventuelle Rückversetzung, innerhalb der mit Ihnen vereinbarten Probezeit, wurde mit der Stationsleitung BER abgestimmt. Dabei wird angestrebt, Sie in Ihren vorherigen Tätigkeitsbereich einzusetzen.
Wir wünschen Ihnen in Ihrem neuen Aufgabengebiet weiterhin viel Freude und Erfolg.“
Zur Erstellung der jeweiligen Dienstpläne hängt die Beklagte etwa 6 Wochen vor Beginn eines Dienstplanes einen sog. Request-Plan aus, in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Einsatzwünsche eintragen können. Auf der Grundlage dieser Eintragungen erstellt die Beklagte den verbindlichen Dienstplan unter möglichst weitgehender Berücksichtigung der von den Mitarbeitern vorgenommenen Eintragungen, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dort im Wesentlichen die Zeiten eingetragen wurden, zu denen jemand nicht arbeiten wollte oder eher die Tage und Schichten, an denen ein Einsatz gewünscht wurde. Der Kläger trug überwiegen in die Request-Pläne ein, wann er nicht arbeiten wollte, wobei diese Wünsche nicht immer berücksichtigt wurden. Im Zeitraum Oktober 2003 bis Mai 2008 war der Kläger insgesamt 8.666,72 Stunden eingesetzt, einschließlich der Zeiten, in denen er Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall erhielt oder Urlaub hatte. Für seine Einsätze in den Monaten August, Oktober, November 2007, März bis Mai 2008 wird auf Blatt 80 bis 82 der Akte Bezug genommen.
Am 11. Januar 2008 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat, dessen Mitglied der Kläger ist, eine Betriebsvereinbarung „Dienstplan“, die in § 3 folgendes regelt:
„…
(2) Requestpläne sind Pläne, in denen der Mitarbeiter seine Dienstplanwünsche für die Dienstplanerstellung eintragen kann. Die Requestpläne sind sechs Wochen vor Inkrafttreten des Dienstplanes für die Dauer von mindestens vier Wochen für alle Mitarbeiter zugänglich auszuhängen.(3) Der Mitarbeiter trägt seine zeitlichen Einschränkungen bzw. Verfügbarkeit in einen Requestplan ein. Die betrieblichen Interessen und die Bedürfnisse der Mitarbeiter und der potentiellen Mitarbeiter müssen ausgewogen berücksichtigt werden. Dazu zählen auf Mitarbeiterseite insbesondere auch weitere berufliche Verpflichtungen z. B. aus einem Nebenarbeitsverhältnis oder Freizeitinteressen.
…
(6) Die Stundenanzahl ist gleichmäßig zwischen vergleichbaren Arbeitskräften zu verteilen. Vergleichbare Arbeitskräfte sind: die, die gleiche Arbeitsverträge besitzen, in den gleichen Abteilungen und/oder in der gleichen Betriebsstätte arbeiten oder über eine vergleichbare betriebliche Qualifikation verfügen.Die Vergleichbarkeit kann durch den persönlichen Request aufgehoben werden.
…“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird auf die Ablichtung Blatt 71 ff. der Akte Bezug genommen.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger auf der Grundlage der von ihm in der Vergangenheit erbrachten Arbeitszeit einen Anspruch auf Beschäftigung auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 1. Oktober 2003 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Mindestarbeitszeit von mindestens 38,2 Stunden geltend. Die Beklagte hat dagegen eingewendet, die Arbeitszeit sei wirksam im Arbeitsvertrag mit 10 Stunden wöchentlich vereinbart worden, ein weitergehender Einsatz sei stets nur auf der Grundlage entsprechender Angebote des Klägers durch Eintragung im Request-Plan erfolgt. Der Kläger könne auch nur eine Beschäftigung im Support Internet-Check-in verlangen, da die Parteien im Zusammenhang mit der Versetzung den Arbeitsvertrag einvernehmlich abgeändert hätten.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 28. Oktober 2008, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 01. Oktober 2003 mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 37 Stunden in der Woche bei einer Vergütung von 9,02 EUR brutto pro Stunde zu beschäftigen und den zeitlich weitergehenden Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Beschäftigung als Mitarbeiter in der Fluggastabfertigung, da die Parteien bei der Versetzung des Klägers in die Abteilung Support Internet-Check-in keine Änderung der im Arbeitsvertrag vom 01. Oktober 2003 vereinbarten Tätigkeit vorgenommen hätten. Diese Versetzung habe die Beklagte auf der Grundlage des im Arbeitsvertrag vereinbarten weitgehenden Weisungsrechte vorgenommen, das auch die Zuweisung der neuen Tätigkeit umfasst habe. Weiterhin habe der Kläger einen Anspruch auf Beschäftigung in einem Umfang von regelmäßig mindestens 37 Stunden pro Woche. Die Regelung im Arbeitsvertrag, wonach die regelmäßige Arbeitszeit mindestens 40 Stunden kalendermonatlich bzw. 10 Stunden wöchentlich betrage, erweise sich nach § 307 BGB als unwirksam. Abgesehen davon, dass diese Regelung schon aus rechnerischen Gründen in sich widersprüchlich sei und damit gegen das Transparenzverbot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße, stelle sie in ihrer Gesamtheit eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Die Beklagte habe sich mit dieser Regelung das Recht vorbehalten, den Kläger bis zur Grenze der höchstzulässigen Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz zur Arbeitsleistung heranzuziehen und dadurch das Wirtschaftsrisiko in einer in § 615 BGB nicht zu vereinbarenden Weise auf den Kläger verlagert. Anstelle der unwirksamen Regelung über die Mindestarbeitszeit trete nach § 306 Abs. 2 BGB nicht die gesetzliche Auffangregelung des § 12 TzBfG. Ein Rückgriff auf diese gesetzliche Fiktion einer Mindestarbeitszeit sei im vorliegenden Fall nicht interessengerecht, weil die Parteien nach der Vertragsdurchführung offenkundig eine deutlich längere Mindestarbeitszeit gewollt hätten. Dabei sei auf die vom Kläger in der Vergangenheit durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden zurückzugreifen. Redliche Vertragsparteien hätten von vorneherein eine Arbeitszeit vereinbart, die dem Durchschnitt der vom Kläger in der Vergangenheit erbrachten Arbeitsstunden entspreche. Da der Kläger in zahlreichen Monaten mehr gearbeitet habe, könne die zulässige Flexibilität von 25% nicht schon hineingerechnet werden. Weiterhin sei eine Rundung auf volle Stunden vorzunehmen, weil üblicherweise eine Arbeitszeit nach vollen Stunden vereinbart werde und für einen davon abweichenden Willen der Parteien keine Anhaltspunkte gegeben seien. Bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit in der Zeit von Oktober 2003 bis 2008 von 37,13 Stunden folge daraus eine regelmäßige Arbeitszeit von mindestens 37 Stunden. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen dieses der Beklagten am 02. Januar 2009 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 28. Januar 2009 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 02. April 2009 am 31. März 2009 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte und Berufungsklägerin wendet sich im Wesentlichen mit Rechtsausführungen gegen die erstinstanzliche Entscheidung. Das Arbeitsgericht sei bereits mit seiner Tenorierung über den gestellten Feststellungsantrag von mindestens 38,2 Stunden hinausgegangen und habe damit gegen § 308 ZPO verstoßen. Des Weiteren bestehe eine Verpflichtung der Beklagten zur Beschäftigung auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01. Oktober 2003 schon deshalb nicht mehr, weil die Parteien diesen Vertrag im Zusammenhang mit der Versetzung des Klägers in den Internet Check-in abgeändert hätten. Die dem Kläger dort zugewiesene Tätigkeit sei inhaltlich und arbeitsorganisatorisch vollkommen anders ausgestaltet, sodass sie gerade nicht vom Weisungsrecht der Beklagten aus dem Arbeitsvertrag gedeckt gewesen sei.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Beschäftigung im Umfang von 37 Stunden wöchentlich. Eine solche Arbeitszeit hätten die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart, sie habe auch nicht dem Willen der vertragsschließenden Parteien entsprochen. Der Arbeitsvertrag enthalte nicht die Vereinbarung von Abrufarbeit, bei der sich der Arbeitgeber eine einseitig abrufbare Arbeitsleistung vorbehalten habe. Die über die im Arbeitsvertrag festgehaltenen Stunden hinausgehende Arbeitszeit sei einvernehmlich vereinbart worden. Mit dem Request-Plan sei den Arbeitnehmern der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt worden, ihrem Arbeitgeber vor der Dienstplanerstellung ein entsprechendes Angebot zur Übernahme von Diensten zu übermitteln, das die Beklagte mit der Einteilung habe annehmen können. Soweit entgegen der Wünsche der Mitarbeiter Einteilungen im Dienstplan erfolgt seien, seien diese nie über die im Arbeitsvertrag als Mindestarbeitszeit vereinbarten 10 Stunden hinausgegangen. Der Kläger habe mit seinen Eintragungen der Beklagten gegenüber erklärt, er stehe an den Tagen, die er im Request-Plan nicht besonders vermerkt habe, uneingeschränkt zur Verfügung und ihr zugleich die Festlegung seiner freien Tage überlassen. Diese von ihm angebotenen Arbeitszeitkontingente habe die Beklagte annehmen und in ihrer Dienstplanung berücksichtigen können. Eine Verpflichtung des Klägers, mehr als die arbeitsvertraglich vereinbarte Stundenzahl zu arbeiten, ergebe sich daraus nicht. Bei Unwirksamkeit der vertragliche Regelung sei im Übrigen zur Lückenfüllung auf § 12 Abs. 1 Satz 3 des TzBfG zurückzugreifen, da dies die maßgebliche gesetzliche Regelung darstelle. Jedenfalls sei davon auszugehen, dass die Parteien in Kenntnis der Unvereinbarkeit der von ihnen gewählten Arbeitszeitregelung allenfalls eine Mindestarbeitszeit von 129 Stunden monatlich bzw. 29,25 Stunden wöchentlich mit einer Abrufmöglichkeit um 25 % zugrunde gelegt hätten.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
1. die Klage unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Oktober 2008, Az.: 33 Ca 1548/08, abzuweisen;
2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Oktober 2008, Az.: 33 Ca 1548/08 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger auf Basis des Arbeitsvertrages vom 01. Oktober 2003 in der durch das Schreiben vom 27. März 2007 einvernehmlich geänderten Fassung als „Mitarbeiter Backoffice Customer Support Web-Check-In“ mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 10 Stunden in der Woche bei einer Vergütung von 9,02 EUR brutto pro Stunde zu beschäftigen;
3. höchst hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1 und 2 unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Oktober 2008, Az.: 33 Ca 1548/08 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger auf Basis des Arbeitsvertrages vom 01. Oktober 2003 in der durch das Schreiben vom 27.März 2007 einvernehmlich geänderten Fassung als „Mitarbeiter Backoffice Customer Support Web-Check-In“ mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 29,75 Stunden in der Woche bei einer Vergütung von 9,02 EUR brutto pro Stunde zu beschäftigen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte verteidigt unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen mit Rechtsausführung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Schriftsatz der Beklagten und Berufungsklägerin vom 31. März 2009 (Bl. 230 – 245 d. A.) sowie auf denjenigen des Klägers und Berufungsbeklagten vom 03. Mai 2009 (Bl. 250 – 256 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist von ihr fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG).
Die Berufung der Beklagten ist daher zulässig.
2. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit ausführlicher und zutreffender Begründung, mit der der Sachverhalt unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung umfassend und vollständig gewürdigt wurde, die von der Beklagten angegriffene Feststellung zu Recht getroffen. Das Berufungsgericht folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht von einer eigenen, nur wiederholenden Darstellung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Lediglich im Hinblick auf die mit der Berufungsbegründung vorgebrachten Argumente der Beklagten ist noch Folgendes auszuführen:
2.1 Die Feststellung des Arbeitsgerichts erweist sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht bereits wegen eines Verstoßes gegen § 308 ZPO als fehlerhaft. Das Arbeitsgericht hat mit der von ihm getroffenen Feststellung dem Kläger nicht mehr bzw. etwas anderes zugesprochen als er beantragt hat. Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht den ursprünglich angekündigten Haupt- und Hilfsantrag in dem zuletzt gestellten Antrag zusammengefasst. Von diesem Antrag auf Feststellung einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 38,3 Stunden war ein Weniger an Mindestarbeitszeit ohne Zweifel mit umfasst. Dem Kläger geht es mit seiner Klage um die gerichtliche Feststellung der zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitszeit, deren Umfang zwischen den Parteien höchst streitig ist und die der Kläger mit 38,2 Stunden errechnet hat. Stellt sich nun anhand der Berechnung heraus, dass die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nur 37 Stunden beträgt, ist dies ein schlichtes Weniger zu den im Antrag errechneten 38,2 Stunden. Im Übrigen wäre ein etwaiger Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO dadurch geheilt worden, dass der Kläger im Berufungsverfahren die Zurückweisung der Berufung der Beklagten beantragt hat; damit hat er sich den Urteilsausspruch des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht und sein Klagebegehren entsprechend erweitert (BGH 16. November 2005 – VIII ZR 5/05 – NJW 2006 1062 ff.). Dem stehen im Berufungsverfahren keine Bedenken entgegen.
2.2 Die mit dieser Maßgabe von 37 Stunden Mindestarbeitszeit noch zwischen den Parteien im Streit stehende Feststellungsklage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 01. Oktober 2003 mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 37 Stunden in der Woche bei einer Vergütung von 9,02 EUR brutto pro Stunde zu beschäftigen. Die Parteien haben die im Arbeitsvertrag vom 01. Oktober 2003 vereinbarte Tätigkeit „Mitarbeiter Fluggastabfertigung“ nicht im Zusammenhang mit der Versetzung des Klägers in die Abteilung Support Internet-Check-in einvernehmlich abgeändert. Darüber hinaus erweist sich die zwischen den Parteien im Arbeitsvertrag getroffene Regelung über den Umfang der Arbeitszeit gemäß § 307 BGB als unwirksam. An ihre Stelle tritt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung als wöchentliche Mindestarbeitszeit die vom Kläger in der Vergangenheit durchschnittlich geleistete Arbeitszeit von 37 Stunden.
2.2.1 Im Arbeitsvertrag vom 01. Oktober 2003 haben die Parteien einvernehmlich die Tätigkeit des Klägers als „Mitarbeiter Fluggastabfertigung“ vereinbart. Eine Änderung des Vertrages in Bezug auf die dort vereinbarte Tätigkeit ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht erfolgt. Die für eine Änderung der vertraglichen Vereinbarung erforderlichen Willenserklärungen – Angebot und Annahme – liegen nicht vor.
Das von der Beklagten für die Vertragsänderung herangezogene Schreiben vom 27. März 2007 (Bl. 68 d. A.) stellt weder ein Angebot an den Kläger dar, die mit ihm vereinbarte Tätigkeit als Mitarbeiter Fluggastabfertigung abzuändern, das der Kläger durch die Aufnahme seiner Tätigkeit in der Abteilung Support Internet-Check-in angenommen hätte, noch hat die Beklagte damit ein irgendwie geartetes Angebot des Klägers auf vertragliche Änderung seiner Tätigkeit angenommen. Vielmehr hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 27. März 2007 allein von dem ihr im Arbeitsvertrag eingeräumten umfassenden Direktionsrecht Gebrauch gemacht. Schon der Wortlaut dieses Schreibens spricht gegen eine Änderung der in § 2 des Arbeitsvertrages geregelten Tätigkeit. Der Kläger wird laut Schreiben in die Abteilung Support Internet-Check-in versetzt. Die Bezeichnung einer von § 2 des Arbeitsvertrages abweichenden Tätigkeit ist dort nicht enthalten. Zudem hat die Beklagte in dem Schreiben nicht etwa auf das ihr im Arbeitsvertrag vom 27. März 2007 eingeräumte Direktionsrecht verzichtet. Die übrigen Bedingungen des Arbeitsvertrages sollten vielmehr unverändert bleiben. Schon dies steht einer Einschränkung der vertraglich vereinbarten Tätigkeit auf „Mitarbeiter Backoffice Customer Support Web-Ceck-in“ entgegen. Die Bezeichnung als „Versetzung“ enthält keine Indizien für eine Änderung der vertraglichen Vereinbarungen, da eine Versetzung sowohl auf der Grundlage eines Direktionsrechtes, als auch auf der Grundlage von Änderungsvereinbarungen erfolgen könnte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sprechen auch die weiteren Umstände nicht für eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers. Die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, die eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages nahe legen könnte, ergab sich nicht bereits aus der Änderung der Vergütung. Soweit im zeitlichen Zusammenhang mit der Versetzung das Entgelt des Klägers von 8,20 EUR pro Stunde auf 8,90 EUR pro Stunde erhöht wurde, hat die Beklagte es ohnehin vermieden in dem Versetzungsschreiben einen Zusammenhang mit der dem Kläger nunmehr übertragenen Tätigkeit herzustellen. Sie hat schon in der Vergangenheit und auch noch später Erhöhungen vorgenommen. Nach den auszuübenden Tätigkeiten war davon ebenfalls nicht auszugehen. Wegen etwaiger Veränderungen in der Zuordnung des Klägers zu den bestehenden Abteilungen bedurfte es schon aufgrund der Regelungen im Arbeitsvertrag vom 01. Oktober 2003 keiner Vertragsänderung. Dort hat sich die Beklagte unter § 2 II vorbehalten, das Unterstellungsverhältnis aus organisatorischen Gründen zu ändern, ohne dass davon die Arbeitsbedingungen im Übrigen berührt würden. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob sich der Kläger auf eine Stelle in diesem Bereich beworben hat, jedenfalls trägt die Beklagte nicht substantiiert etwaige vertragliche Absprachen im Rahmen dieser Gespräche vor.
2.2.2 Die vom Arbeitsgericht getroffene Feststellung war auch in Bezug auf die Mindestarbeitszeit von 37 Stunden zutreffend. Die Regelung in § 4 II des Arbeitsvertrages, wonach die regelmäßige Arbeitszeit mindestens 40 Stunden kalendermonatlich bzw. 10 Stunden wöchentlich beträgt, erweist sich nach § 307 BGB als unwirksam. Diese Regelung beinhaltet die Vereinbarung eines Abrufverhältnisses, bei der sich die Beklagte das Recht vorbehalten hat, den Kläger über die vereinbarte Mindestarbeitszeit von 40 Stunden kalendermonatlich oder 10 Stunden wöchentlich hinaus bis zur Grenze der höchst zulässigen Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz zur Arbeitsleistung heranzuziehen. Damit hat sie das Wirtschaftsrisiko in einer mit § 615 BGB nicht zu vereinbarenden Weise auf den Kläger verlagert.
2.2.2.1 Mit der vom Arbeitsgericht bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG vom 07. Dezember 2005 – 5 AZR 535/04 – AP Nr. 4 zu § 12 TzBfG) ist davon auszugehen, dass eine Arbeitszeitvereinbarung nach § 307 BGB unwirksam ist, wenn eine Arbeit auf Abruf vereinbart wird, bei der der Anteil abrufbarer Arbeitsleistung mehr als 25 % über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinausgeht. Mit einer solchen Regelung weicht der Arbeitsvertrag von wesentlichen Grundgedanken der in § 615 BGB geregelten Verteilung des Wirtschaftsrisikos ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benachteiligt aufgrund des Umfanges der dem Arbeitgeber einseitig vorbehaltenen abrufbaren Arbeitsleistungen des Arbeitsnehmers den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die vom Arbeitgeber abrufbare über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darf nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen. Bei einer Vereinbarung über die Verringerung der vereinbarten Arbeitszeit beträgt demzufolge das Volumen 20 % der Arbeitszeit. Will der Arbeitgeber ein relativ hohes Maß an Flexibilität, darf er mit dem Arbeitnehmer keine all zu niedrige Mindestarbeitszeit vereinbaren (vgl. BAG vom 07. Dezember 2005 – 5 AZR 535/04 – a. a. O.).
2.2.2.2 So aber lagen die Dinge im Streitfall. Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 01. Oktober 2003 eine Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG) vereinbart. Dies ergab eine Auslegung des Arbeitsvertrages – wie sie das Arbeitsgericht bereits vorgenommen hat. Die danach abrufbare Arbeitsleistung überschreitet die oben dargestellte zulässige Grenze.
2.2.2.2.1 Schon nach dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelungen zur Arbeitszeit in § 4 des Arbeitsvertrages liegt ein Abrufarbeitsverhältnis im Sinne von § 12 TzBfG vor. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Auslegung des Arbeitsvertrages wird Bezug genommen. Im Arbeitsvertrag ist unter § 4 II eine Mindestarbeitszeit geregelt. Dies indiziert schon die Möglichkeit einer einseitigen Erhöhung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber. Andernfalls wäre eine solche Regelung nicht erforderlich. Die Beklagte hätte sich bei der von ihr gewünschten Auslegung auf die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden beschränken können. Einvernehmliche Erhöhungen der Arbeitszeit – wie sie aus Sicht der Beklagten dann praktiziert worden sein sollen – wären auch ohne die Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit möglich gewesen. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass in Arbeitsverträgen eine Mindestarbeitszeit nur dann vereinbart wird, wenn sich der Arbeitgeber das Recht vorbehalten will, den Arbeitnehmer darüber hinaus in Anspruch zu nehmen. Eine hiervon abweichende Bedeutung könnte den Begriff „mindestens“ nur dann beigemessen werden, wenn die Parteien in dem Arbeitsvertrag zum Ausdruck gebracht hätten, dass der Kläger nicht verpflichtet gewesen wäre, eine darüber hinausgehende Arbeitsleistung zu erbringen, also etwaige Arbeitsangebote der Beklagten abzulehnen.
Darüber hinaus sprechen auch die weiteren Regelungen in § 4 – worauf das Arbeitsgericht ebenfalls bereits hingewiesen hat – für die Auslegung des Arbeitsvertrages als Abrufarbeitsverhältnis. Diese orientieren sich in der Ausgestaltung des Einsatzes an § 12 Abs. 1 und 2 TzBfG. Auch die Regelung in § 4 III spricht für die hier getroffene Auslegung eines Abrufarbeitsverhältnisses. Danach ist die Arbeitszeit entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen. Damit wird aber aus Sicht des Vertragspartners, hier des Arbeitsnehmers, deutlich, dass ihm entsprechend des Arbeitsanfalles in Verbindung mit der Mindestregelung nach § 4 I auch weitergehende Arbeit zugewiesen werden kann.
Für die hier vorgenommene Auslegung, der Kläger sei verpflichtet gewesen, über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinaus weitere Arbeitsleistungen auf Abruf zu erbringen, spricht zudem die praktische Vertragsdurchführung, die bei der Auslegung des Inhalts von Verträgen heranzuziehen ist, weil diese regelmäßig darauf schließen lässt, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind (vgl. BAG vom 03. April 2003 – 6 AZR 163/02 – Juris; vom 06. August 2003 – 7 AZR 180/03 – AP Nr. 6 zu § 9 AÜG). Die Beklagte hat im Wesentlichen mit dem Kläger und drei weiteren Mitarbeitern, die vergleichbare Arbeitsverträge hatten, die im Support Internet-Check-in anfallenden Schichten von 06.00 bis 23.00 Uhr an sieben Wochentagen abgedeckt. Dies konnte die Beklagte offensichtlich nur dann tun, wenn die Mitarbeiter in einem erheblichen Maß über die vorgesehene Mindestarbeitszeit hinaus beschäftigt werden und auch von der Beklagten vorgesehene Arbeitsleistung erbringen. Ein solcher Betriebsablauf setzt aber eine von beiden Parteien verstandene Verbindlichkeit für die Mitarbeiter voraus. Bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit kann die Beklagte nicht kurzfristig neue Mitarbeiter für einzelne Schichten einstellen, um ihre Dienstpläne bei auftretenden Lücken zu vervollständigen. Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf beruft, der Betriebsrat habe der vorgesehenen Einstellung weiterer Mitarbeiter widersprochen, ist schon aus dem von ihr eingereichten einzigen Beispiel aus dem Jahr 2007 erkennbar, dass die Beklagte jedenfalls nicht Einstellungen in einem Maße beabsichtigte, die den Betrieb mit einer verbindlichen Arbeitszeit von nur 10 Stunden die Woche ermöglicht hätten.
Neben dieser faktischen Notwendigkeit einer gewiesen Verbindlichkeit der von der Beklagten vorgegebenen Arbeitszeit ergibt sich auch aus der Handhabung der Dienstpläne und der Einteilung der Mitarbeiter, dass die Parteien ihr Arbeitsverhältnis als Abrufarbeitsverhältnis gelebt haben. Der Kläger hat in den Dienstplänen eingetragen, an welchen Tagen er wegen Betriebsratstätigkeit nicht zur Verfügung steht, an welchen anderen Tagen er nicht eingetragen werden möchte und er hat in wenigen Fällen die Wünsche angegeben, ob er in der Früh- oder Spätschicht eingeteilt werden soll. An diese Wünsche hat sich die Beklagte nicht stets – mit Ausnahme der gesetzlich verbindlichen Vorgaben hinsichtlich der Betriebsratstätigkeit – gehalten. Vielmehr hat sie den Kläger entgegen seinen Vorstellungen auch zu Schichten eingetragen, die der Kläger an sich nicht wahrnehmen wollte. Damit hat die Beklagte offensichtlich aber auch für den Kläger verbindlich dessen Arbeitszeit über die 10 Stunden hinaus festgelegt. Diese Verbindlichkeit der Dienstplaneinteilung spiegelt sich in der Betriebsvereinbarung wieder. Soweit die Beklagte argumentiert, sie habe – soweit sie Mitarbeiter abweichend von deren Eintragungen im Request-Plan eingeteilt habe - allenfalls das ihr im Rahmen der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit zustehende Direktionsrecht ausgeübt, weitergehende Einteilungen aber nicht entgegen der Wünsche vorgenommen, kam eine solche Differenzierung zwischen verbindlicher Ausübung des Direktionsrechts und Annahme eines Angebots des Arbeitnehmers in den Dienstplänen nicht zum Ausdruck. Um dieses Verständnis der Beklagten zu erzielen, müssten die Eintragungen des Klägers bzw. seine fehlenden Eintragungen dahingehend zu verstehen sein, dass er an allen Tagen, die er nicht ausgeschlossen hat, der Beklagten anbietet, zur Verfügung zu stehen und zur Arbeitsleistung bereit zu sein. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgenommenen Interpretation, an den übrigen Tagen an denen sie dem Kläger entgegen seinem Willen einteilt, übe sie nur ihr vertragliches Direktionsrecht aus, könnte die Beklagte quasi rund um die Uhr - unter Berücksichtigung der gesetzlichen Arbeitszeitregelungen - über die Arbeitskraft ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen, in dem sie das in der Nichteintragung im Dienstplan enthaltene Angebot auf Eintragung annehmen würde. Dies überspannt den bei der Beklagten geführten Request-Plan mit den Eintragungen der Mitarbeiter in seinem Erklärungsgehalt erheblich.
Auch die von den Betriebsparteien abgeschlossene Betriebsvereinbarung zeigt, dass jedenfalls die Betriebsparteien selbst nicht den Request-Plan dahingehend verstanden haben, dass der Mitarbeiter rechtsverbindliche Angebote abgibt. Unter § 3 Abs. 2 definieren die Betriebsparteien selbst, was sie unter dem Request-Plan verstehen, nämlich Pläne, in denen der Mitarbeiter seine Dienstplanwünsche für die Dienstplanerstellung eintragen kann. Von einem Angebot mit Willenserklärungsqualität ist dort nicht die Rede. Darüber hinaus ist in Abs. 3 geregelt, dass der Mitarbeiter seine zeitlichen Einschränkungen bzw. Verfügbarkeit eintragen kann und bei der Einteilung die betrieblichen Interessen und Bedürfnisse der Mitarbeiter ausgewogen berücksichtigt werden müssen. In § 3 Abs. 5 ist noch einmal von den Wünschen des einzelnen Mitarbeiters die Rede, nicht hingegen von der Ablehnung eines Angebotes, dass gegenüber dem Betriebsrat hätte begründet werden müssen.
Aus diesen Gründen teilte das Berufungsgericht die Auffassung des Arbeitsgerichts zur Auslegung des Arbeitsvertrages als Abrufarbeitsverhältnisses in dem die Beklagte über die 10 Stunden hinaus verbindlich Arbeitsleistung vom Kläger verlangen kann.
2.2.2.2.2 Diese Arbeitszeitvereinbarung ist indes nach § 307 BGB unwirksam, weil sie entgegen § 615 BGB das Wirtschaftsrisiko auf den Kläger verlagert. Denn durch die in § 3 des Arbeitsvertrages vereinbarte Arbeit auf Abruf hat die Beklagte abweichend von der Regelung in § 615 BGB nur die Verpflichtung, den Kläger 10 Stunden in der Woche zu beschäftigen und auch nur in diesem Umfang zu vergüten. Soweit die Beklagte einen weitergehenden Arbeitsbedarf hat, kann sie den Kläger anweisen mehr zu arbeiten, fehlt es daran, wird sie von ihrer Vergütungspflicht frei. Diese Abweichung vom Gesetz benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie geht weit über die 25 % hinaus, die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als zulässige Abweichung anerkannt wurde. Denn nach den Regelungen des Arbeitsvertrages kann die Beklagte den Kläger Abrufarbeit bis zur Höchstgrenze nach dem Arbeitszeitgesetz zuweisen. Einschränkungen und Grenzen in Bezug auf den Umfang des möglichen Abrufs sind im Arbeitsvertrag nicht enthalten. Dass die Parteien dabei davon ausgingen, dass es auch zu Überschreitungen von 165 Stunden im Kalendermonat kommen kann, zeigt § 3 zur Regelung der Zuschläge. Denn dort ist vorgesehen, dass die Mehrarbeit erst ab einer Überschreitung von 165 Stunden pro Kalendermonat mit 25 % Zuschlag zu vergüten ist. Hätten die Parteien dies nicht für möglich gehalten, wäre diese Regelung überflüssig gewesen.
2.2.2.3 Die durch die Unwirksamkeit der Arbeitszeitregelung entstandene Vertragslücke hat das Arbeitsgericht zu Recht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung mit einer Mindestarbeitszeit von 37 Stunden wöchentlich geschlossen. Die dagegen von der Beklagten im Berufungsverfahren erhobenen Angriffe überzeugten auch die Berufungskammer nicht.
2.2.2.3.1 Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand eine gesetzliche Regelung der Arbeitszeit, die nach § 306 Abs. 2 BGB an die Stelle der vertraglichen Regelung hätte treten können, nicht. Ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG scheidet aus. Die Anwendung der Fiktion einer wöchentlichen Arbeitszeitdauer von 10 Stunden ist im vorliegenden Fall nicht interessengerecht. Die Parteien wollten offenkundig eine deutlich längere Mindestarbeitszeit. Dies ergibt sich – worauf das Arbeitsgericht bereits abgestellt hat – aus der Handhabung der Parteien in der Vergangenheit. Der Kläger ist nicht nur deutlich mehr als 10 Stunden wöchentlich eingesetzt worden, sondern die Beklagte hat ihn auch regelmäßig in 8 Stundenschichten eingesetzt. Nehme man mit der Beklagten nun als gesetzliche Regelung eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden an, könnte die Beklagte auch unter Berücksichtigung einer Abrufarbeit von 25 % den Kläger noch nicht einmal in zwei Schichten einsetzen.
2.2.2.3.2 Vielmehr ist – worauf das Arbeitsgericht bereits hingewiesen hat – die im Arbeitsvertrag entstandene Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Dies entspricht auch der von den Parteien selbst in § 23 III vorgesehenen Vertragsbestimmung.
Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel bedacht hätten. Zur Feststellung des mutmaßlichen Parteiwillens ist die tatsächliche Vertragsdurchführung von erheblicher Bedeutung. Sie gibt Aufschluss über die von den Parteien wirklich gewollte Arbeitszeitdauer (vgl. BAG vom 07. Dezember 2005 – 5 AZR 535/04 – a. a. O.).
Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies eine Mindestarbeitszeit von 37 Stunden. Dies war die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des Klägers in der Zeit von Oktober 2003 bis Mai 2008. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Einwände gegen das rechnerische Ergebnis hat die Beklagte nicht erhoben. Entgegen der Auffassung der Beklagten entsprachen die vom Kläger in der Vergangenheit durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden der von den Parteien gewollten Mindestarbeitszeit und nicht etwa einer gewollten und rechtlich zulässigen Höchstarbeitszeit. Wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, sprach dagegen, dass der Kläger in zahlreichen Monaten erheblich mehr als die durchschnittlichen Arbeitsstunden gearbeitet hat, ohne in diesen Monaten Über- oder Mehrarbeit im Sinne des § 4 Abs. 6 des Arbeitsvertrages geleistet zu haben. Insofern würde eine ergänzende Vertragsauslegung mit dem Inhalt, dass in den 37 Stunden bereits die 25 % Abrufarbeit enthalten sein sollen, dem Parteiwillen, wie er sich in der tatsächlichen Vertragsdurchführung dargestellt hat, widersprechen. Die Beklagte wollte den Kläger nicht nur 29,75 Stunden + 25 % Abrufarbeit einsetzen, der Kläger wollte nicht nur diese Arbeitszeit leisten. Vielmehr wollten beide Parteien – wie sich dies aus der Vergangenheit ergibt – dass der Kläger in einem bezogen auf die einzelnen Wochen darüber hinausgehenden Maß für die Beklagte tätig sein sollte.
3. Aus diesen Gründen war mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass der Kläger einen Anspruch darauf hat, von der Beklagten mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 37 Stunden in der Woche bei einer Vergütung von 9,02 Euro brutto pro Stunde beschäftigt zu werden. Daraus ergibt sich zugleich, dass die Berufung der Beklagten sowohl nach Maßgabe des Haupt- als auch der Hilfsanträge zurückzuweisen war. Einer weitergehenden Festlegung, in welchem Umfang der Kläger Abrufarbeit zu leisten hat, bedurfte es in Anbetracht der gestellten Anträge nicht.
4. Gemäß § 97 ZPO hat die Beklagte die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
5. Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die Voraussetzungen nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen. Die hier maßgebliche Rechtsfrage wurde bereits vom Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung höchstrichterlich entschieden.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.
R.
S.
K.
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