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ARBEITSRECHT AKTUELL // 01/05

Ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten und Ar­beits­nach­weis

Ar­beits­nach­weis muss auch all­ge­mein­ver­bind­li­che Ta­rif­ver­trä­ge ent­hal­ten, sonst kann sich der Ar­beit­ge­ber auf ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten nicht be­ru­fen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 17.05.2001, 5 (3) Sa 45/01
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller Schlam­pi­ge Ar­beits­nach­wei­se kön­nen für den Ar­beit­ge­ber teu­er wer­den
05.07.2001. Nach § 2 Abs.1 Nach­weis­ge­setz (NachwG) muß der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer ei­nen schrift­li­chen Nach­weis über die we­sent­li­chen Ver­trags­be­digun­gen aus­hän­di­gen (Ar­beits­nach­weis).

Mit der Fra­ge, ob ein rechts­ver­bind­li­cher Ar­beits­ver­trag zu­stan­de ge­kom­men ist, hat ein sol­cher Ar­beits­nach­weis nichts zu tun, d.h. ein Ar­beits­ver­trag kann auch "per Hand­schlag" ab­ge­schlos­sen wer­den. Der Ar­beits­nach­weis ist da­her nicht not­wen­dig für das Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­ver­trags, son­dern es ist um­ge­kehrt: Ist ein­mal ein Ar­beits­ver­trag zu­stan­de ge­kom­men, ist der Ar­beit­ge­ber da­zu ver­pflich­tet, den Ar­beit­neh­mer über des­sen we­sent­li­che In­hal­te in Form ei­nes Ar­beits­nach­wei­ses zu in­for­mie­ren.

Frag­lich ist, wel­che Fol­gen es hat, wenn der Ar­beit­ge­ber sei­ne Rechts­pflich­ten aus dem NachwG nicht er­füllt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düs­sel­dorf hat in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung da­zu Stel­lung ge­nom­men. Da­bei ging es um die Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber sich auf ei­nen all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ta­rif­ver­trag be­ru­fen kann bzw. auf ei­ne in die­sem Ta­rif­ver­trag ent­hal­te­ne Aus­schluss­frist, wenn er den Ar­beit­neh­mer nicht über die Gel­tung die­ses Ta­rif­ver­trags per Ar­beits­nach­weis in­for­miert hat: LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 17.05.2001, 5 (3) Sa 45/01.

Wel­che Fol­gen ha­ben Verstöße ge­gen das Nach­weis­ge­setz?

Das NachwG re­gelt ziem­lich ge­nau, über wel­che Din­ge der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer per Ar­beits­nach­weis in­for­mie­ren muss, nämlich un­ter an­de­rem über Ta­rif­verträge, die auf das Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­den (§ 2 Abs.1 Satz 2 Nr.10 NachwG). We­sent­lich we­ni­ger ge­nau, nämlich gar nicht, ist da­ge­gen im NachwG ge­re­gelt, wel­che Fol­gen es hat, wenn der Ar­beit­ge­ber sich um das NachwG nicht kümmert.

Hier könn­te man dem­ent­spre­chend all­ge­mei­ne recht­li­che Re­geln an­wen­den, z.B. die Vor­schrif­ten des Bürger­li­chen Ge­setz­buchs (BGB) über den Schuld­ner­ver­zug. Denn wenn der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer nicht spätes­tens spätes­tens ei­nen Mo­nat nach Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nen vollständi­gen (!) Ar­beits­nach­weis aushändigt, ist er im Ver­zug mit der Erfüllung die­ser In­for­ma­ti­ons­pflicht. Und wie je­der säum­i­ge Schuld­ner muss er dem Ar­beit­neh­mer dann den Ver­zugs­scha­den er­set­zen. Das steht in § 286 Abs.1 BGB und § 284 Abs.2 BGB.

Aber wel­che fi­nan­zi­el­len Schäden könn­ten dem Ar­beit­neh­mer durch die un­ter­blie­be­ne In­for­ma­tio­nen per Ar­beits­nach­weis ent­ste­hen? Nun, sol­che Schäden können sich dann er­ge­ben, wenn der Ar­beit­neh­mer über die Gel­tung ei­nes Ta­rif­ver­trags nicht in­for­miert wur­de und wenn die­ser Ta­rif­ver­trag Aus­schluss­fris­ten enthält. Denn wenn man nicht weiß, dass man ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten be­ach­ten muss und da­her Lohnrückstände in­ner­halb ei­ner kur­zen Frist schrift­lich an­mah­nen muss, wird man das wohl auch nicht tun. Und dann be­steht der Scha­den, der durch den un­vollständi­gen Ar­beits­nach­weis ent­stan­den ist, in dem Erlöschen der of­fe­nen Lohn­ansprüche auf­grund der Nicht­be­ach­tung der ta­rif­li­chen Aus­schluss­frist.

So ge­se­hen wäre es ein Aus­gleich des durch den un­vollständi­gen Ar­beits­nach­weis ent­stan­de­nen Ver­zugs­scha­dens, wenn der Ar­beit­ge­ber sich nicht auf Aus­schluss­fris­ten be­ru­fen könn­te, die in ei­nem nach­weis­pflich­ten Ta­rif­ver­trag ent­hal­ten sind.

Der Streit­fall: Ar­beit­ge­ber in­for­miert den Ar­beit­neh­mer nicht per Ar­beits­nach­weis über ei­nen all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ta­rif­ver­trag, der Aus­schluss­fris­ten enthält

In dem vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf ent­schie­de­nen Fall ging es dar­um, daß ein Ar­beit­neh­mer Rest­lohn aus ei­nem be­reits be­en­de­ten Ar­beits­verhält­nis ein­klag­te und der Ar­beit­ge­ber sich dar­auf be­rief, daß der Lohn­an­spruch auf­grund ei­ner ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist be­reits ver­fal­len sei.

Und in der Tat hat­te der Ar­beit­neh­mer die in ei­nem all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ta­rif­ver­trag ent­hal­te­ne Frist für die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung sei­nes Lohn­an­spruchs versäumt. Und die­ser Ta­rif­ver­trag war auf das Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den.

Al­ler­dings hat­te es der Ar­beit­ge­ber sei­ner­seits un­ter­las­sen, den Ar­beit­neh­mer in ei­nem schrift­li­chen Ar­beits­nach­weis gemäß § 2 Abs.1 Satz 2 Nr.10 NachwG dar­auf hin­zu­wei­sen, daß die­ser Ta­rif­ver­trag auf das Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­det. Da­her ver­trat der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer die Auf­fas­sung, der Ar­beit­ge­ber könne sich auf die ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­klau­sel we­gen sei­nes Ver­s­toßes ge­gen das NachwG nicht be­ru­fen.

Wie hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf ent­schie­den?

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf hat sich der Mei­nung des Klägers an­ge­schlos­sen und den Lohn­an­spruch trotz der Versäum­ung der ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist zu­ge­spro­chen.

Da­bei hat das Ge­richt zunächst dar­auf ver­wie­sen, daß der Ar­beit­ge­ber auch sol­che Ta­rif­verträge in den Ar­beits­nach­weis auf­neh­men müsse, die für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt wur­den. Dies er­ge­be sich aus dem Wort­laut von § 2 Abs.1 Satz 2 Nr.10 NachwG, der kei­ne Ein­schränkung auf nicht all­ge­mein­ver­bind­li­che Ta­rif­verträge ent­hal­te. Ei­ne wei­ter­ge­hen­de ju­ris­ti­sche Be­gründung, war­um sich der Ar­beit­ge­ber we­gen sei­nes Ver­s­toßes ge­gen die­se Vor­schrift auf die Re­ge­lun­gen des Ta­rif­ver­trags nicht be­ru­fen können soll­te, lie­fert das LAG al­ler­dings nicht.

Fa­zit: Die prak­ti­sche Be­deu­tung des Ur­teils des LAG Düssel­dorf ist enorm, da es im­mer wie­der vor­kommt, daß Ansprüche von Ar­beit­neh­mern we­gen Nicht­be­ach­tung von Aus­schluss­fris­ten, die in all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ta­rif­verträgen ent­hal­ten sind, ver­fal­len. Zu­gleich kommt es aber bis­lang eher sel­ten vor, daß Ar­beit­ge­ber im Ar­beits­ver­trag oder in ei­nem Ar­beits­nach­weis auf die Gel­tung sol­cher all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ta­rif­verträge hin­wei­sen. In al­len die­sen Fällen kann man sich als Ar­beit­neh­mer auf die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf be­ru­fen.

Al­ler­dings ist der Ar­beit­neh­mer nicht da­zu ver­pflich­tet, auf ein­zel­ne Re­ge­lun­gen ei­nes Ta­rif­ver­trags hin­zu­wei­sen. Das würde auch zu weit ge­hen, denn Ta­rif­verträge können sehr um­fang­reich sein. Ar­beit­neh­mer sind al­so nach wie vor im ei­ge­nen In­ter­es­se ge­hal­ten, auf ihr Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­re Ta­rif­verträge zu le­sen bzw. sich über die für ihn wich­ti­gen Ta­ri­fin­hal­te Kennt­nis zu ver­schaf­fen

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Letzte Überarbeitung: 17. März 2020

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