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ARBEITSRECHT AKTUELL // 02/02

Ta­rif­li­che Aus­schluss­frist und Ar­beits­nach­weis

Ar­beit­ge­ber kön­ne sich auf ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten nicht be­ru­fen, wenn der Ta­rif­ver­trag im Ar­beits­nach­weis nicht ge­nannt wird: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 17.04.2002, 5 AZR 89/01
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller Kei­ne Be­ru­fung auf Aus­schluss­fris­ten bei Ver­stoß ge­gen das Nach­weis­ge­setz
05.05.2002. Nach § 2 Abs.1 Nach­weis­ge­setz (NachwG) muß der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer spä­tes­tens ei­nen Mo­nat nach Be­ginn des Ar­beits­ver­hält­nis­ses ei­nen schrift­li­chen Nach­weis über die we­sent­li­chen Ver­trags­be­digun­gen aus­hän­di­gen, ei­nen sog. Ar­beits­nach­weis.

Was zu den "we­sent­li­chen Ver­trags­be­digun­gen" ge­hört, über die der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer im Ar­beits­nach­weis schrift­lich in­for­mie­ren muss, ist im NachwG im ein­zel­nen auf­ge­lis­tet. Un­ter an­de­rem ge­hört da­zu ein in all­ge­mei­ner Form ge­hal­te­ner Hin­weis auf die Ta­rif­ver­trä­ge so­wie auf Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und Dienst­ver­ein­ba­run­gen, die auf das Ar­beits­ver­hält­nis an­zu­wen­den sind (§ 2 Abs.1 Satz 2 Nr.10 NachwG).

Kom­men Ar­beit­ge­ber die­ser Nach­weis­pflicht nicht nach, kann dies im Er­geb­nis teu­er wer­den. War­um, zeigt ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG): BAG, Ur­teil vom 17.04.2002, 5 AZR 89/01.

Mit wel­chen recht­li­chen Kon­se­quen­zen müssen Nach­weis-Muf­fel rech­nen?

Wel­che recht­li­chen Fol­gen es hat, wenn der Ar­beit­ge­ber sei­ne Rechts­pflich­ten aus dem NachwG nicht erfüllt, ist im NachwG nicht ge­re­gelt.

Klar ist je­den­falls, daß der Ar­beits­ver­trag auch dann recht­lich ver­bind­lich ist, wenn er nicht schrift­lich in Form ei­nes Nach­wei­ses fest­ge­hal­ten wird: Ar­beits­verträge gel­ten nach all­ge­mei­ner Mei­nung auch dann, wenn sie nur "per Hand­schlag" ver­ein­bart wur­den.

Klar ist um­ge­kehrt aber auch, daß die Pflich­ten des Ar­beit­ge­bers aus dem NachwG ech­te Rechts­pflich­ten sind und der Ar­beit­neh­mer da­her ei­nen klag­ba­ren An­spruch auf Aushändi­gung ei­nes schrift­li­chen Ar­beits­nach­wei­ses hat.

Das BAG hat nun­mehr zu der Fra­ge Stel­lung ge­nom­men, mit wel­chen Sank­tio­nen der Ar­beit­ge­ber rech­nen muß, wenn er sei­ne Rechts­pflich­ten aus dem NachwG nicht erfüllt, d.h. dem Ar­beit­neh­mer kei­nen oder kei­nen vollständi­gen Ar­beits­nach­weis aushändigt.

Der Fall des BAG: Ar­beit­ge­ber weist auf ei­nen Haus­ta­rif­ver­trag nicht hin

In dem vom Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­schie­de­nen Fall ging es um fol­gen­den Fall:

Die Kläge­rin war bei dem Be­klag­ten als Lehr­kraft beschäftigt und klag­te rückständi­gen Lohn ein. In ei­nem für den Ar­beit­ge­ber gel­ten­de Haus­ta­rif­ver­trag war ei­ne Aus­schluss­frist ent­hal­ten, nach der die Kläge­rin ih­re Ansprüche in­ner­halb von sechs Mo­na­ten nach Fällig­keit hätte gel­tend ma­chen müssen.

Da die Kläge­rin ge­werk­schaft­lich nicht or­ga­ni­siert, war die­ser Ta­rif­ver­trag zwar nicht kraft bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­ge­bun­den­heit auf die Kläge­rin an­wend­bar. Da der Ar­beit­ge­ber je­doch al­le Ar­beits­verhält­nis­se sei­ner Ar­beit­neh­mer ent­spre­chend die­sem Ta­rif­ver­trag ab­wi­ckel­te, galt er kraft "be­trieb­li­cher Übung". Das wußte die Kläge­rin al­ler­dings nicht. Der Ar­beit­ge­ber hat­te ihr nämlich kei­nen dem Nach­weis­ge­setz ent­spre­chen­den schrift­li­chen Ar­beits­nach­weis aus­gehändigt. In ei­nem sol­chen Nach­weis hätte er auf die Gel­tung des Haus­ta­rif­ver­tra­ges hin­wei­sen müssen.

Vor Ge­richt strit­ten die Par­tei­en dann über die An­wend­bar­keit die­ser ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­klau­sel auf den Ar­beits­ver­trag der Kläge­rin. Der be­klag­te Ar­beit­ge­ber war der Mei­nung, daß die Ansprüche der Kläge­rin auf­grund der Aus­schluss­klau­sel ver­fal­len sei­en. Dem­ge­genüber mein­te die Kläge­rin, der Be­klag­te ver­hal­te sich rechts­mißbräuch­lich, weil er ihr un­ter Ver­let­zung des Nach­weis­ge­set­zes we­der ei­nen schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag noch ei­ne Nie­der­schrift mit den we­sent­li­chen Ver­trags­be­din­gun­gen aus­gehändigt ha­be.

BAG: Oh­ne Hin­weis im Ar­beits­nach­weis kei­ne Be­ru­fung des Ar­beit­ge­bers auf fir­men­ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schlußfrist

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat sich im Er­geb­nis der Mei­nung der Kläge­rin an­ge­schlos­sen und den Lohn­an­spruch trotz der Versäum­ung der ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist zu­ge­spro­chen. Da­mit hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt an­ders als das Ar­beits­ge­richt und das Lan­des­ar­beits­ge­richt ent­schie­den; die­se bei­den Ge­rich­te hat­ten die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Nach An­sicht des BAG kann sich der Ar­beit­ge­ber zwar - im Aus­gangs­punkt - auf den teil­wei­se ein­ge­tre­te­nen Ver­fall der ein­ge­klag­ten Vergütungs­ansprüche we­gen Versäum­ung der Aus­schluss­fris­ten be­ru­fen. Er ist je­doch der Ar­beit­neh­me­rin nach § 286 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) und § 284 Abs.2 BGB we­gen der un­ter­las­se­nen Aushändi­gung ei­nes schrift­li­chen Ar­beits­nach­wei­ses gemäß § 2 Abs.1 NachwG zum Er­satz des Ver­zugs­scha­dens ver­pflich­tet.

In dem Ar­beits­nach­weis hätte der Ar­beit­ge­ber die Ar­beit­neh­me­rin nämlich spätes­tens ei­nen Mo­nat nach Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses auf die kraft be­trieb­li­cher Übung be­ste­hen­de Gel­tung des Haus­ta­rif­ver­trags hin­wei­sen müssen. Da­mit war er nach La­ge des Fal­les wohl in Ver­zug ge­ra­ten, und die Fol­ge des Ver­zugs war der Un­ter­gang der strei­ti­gen Lohn­ansprüche in­fol­ge der Versäum­ung der Aus­schluss­frist. Der vom Ar­beit­ge­ber zu leis­ten­de Er­satz des Ver­zugs­scha­dens be­steht laut BAG letzt­lich dar­in, dass er sich auf die ta­rif­li­che Aus­schluss­frist nicht be­ru­fen kann.

Da das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu den Vor­aus­set­zun­gen des An­spruchs auf Er­satz des Ver­zugs­scha­dens kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen hat, wur­de der Rechts­streit zur wei­te­ren Sach­aufklärung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Muß der Ar­beit­ge­ber auf ein­zel­ne Vor­schrif­ten ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges hin­wei­sen?

Nein. Nach der der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts und auch nach die­sem Ur­teil genügt es, wenn der Ar­beit­ge­ber im Ar­beits­ver­trag auf ei­nen auf dsa Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den­den Ta­rif­ver­trag als sol­chen hin­weist, oh­ne zu­gleich aus­drück­lich auf ein­zel­ne in ihm ent­hal­te­ne Vor­schrif­ten wie zum Bei­spiel auf ei­ne Aus­schluss­klau­sel hin­zu­wei­sen.

Der Ar­beit­neh­mer ist al­so ge­hal­ten, den Ta­rif­ver­trag selbst zu le­sen und sich über die für ihn wich­ti­gen In­hal­te Kennt­nis zu ver­schaf­fen. Ver­weist der Ar­beit­ge­ber in ei­nem schrift­li­chen Ar­beits­nach­weis auf auf das Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trag und enthält die­ser ei­ne Aus­schluss­frist, dann muß der Ar­beit­neh­mer un­ter sol­chen Umständen die ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­frist be­ach­ten, wenn er sei­ne Ansprüche nicht ver­lie­ren will (Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 23.01.2002, 4 AZR 56/01).

Ha­ben an­de­re Ge­rich­te über ähn­li­che Fra­gen schon ent­schie­den?

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf hat mit Ur­teil vom 17.05.2001 (5 Sa 45/01) über ei­nen Fall ent­schie­den, in dem der Ar­beit­ge­ber es versäum­te, in ei­nem Ar­beits­nach­weis auf ei­nen all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ta­rif­ver­trag hin­zu­wei­sen (wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 01/05 Ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten und Ar­beits­nach­weis).

Im Un­ter­schied zu dem vom Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­schie­de­nen Fall ging es al­so um ei­nen Ta­rif­ver­trag, der nicht nur für den Be­trieb des Ar­beit­ge­bers, son­dern für die ge­sam­te Bran­che galt. Auch in die­sem Fall be­kam der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer Recht: Die in dem all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ta­rif­ver­trag ent­hal­te­ne Aus­schluss­klau­sel war nach An­sicht des LAG Düssel­dorf nicht an­wend­bar, so daß die Lohn­kla­ge Er­folg hat­te.

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Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2020

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