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LAG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 20.01.2009, 8 Sa 146/08

   
Schlagworte: Betriebsübergang
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen: 8 Sa 146/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.01.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Magdeburg, Urteil vom 4.03.2008, 9 Ca 1894/07
   

Ak­ten­zei­chen:
8 Sa 146/08
9 Ca 1894/07
ArbG

Verkündet am: 20.01.2009

, Jus­tiz­an­ge­stell­te
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

We­gen der Be­rich­ti­gung
sie­he Be­schluss v. 11.05.2009

,Jus­tiz­an­ge­stell­te

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT

SACHSEN-AN­HALT

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

 

In dem Rechts­streit

- Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter:

ge­gen

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: 


hat die 8. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Sach­sen-An­halt auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ja­nu­ar 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt als Vor­sit­zen­den und den eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter als Bei­sit­zer für Recht er­kannt:

 

1. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des ArbG vom 04.03.2008 – 9 Ca 1894/07 - teil­wei­se ab­geändert und fest­ge­stellt, dass zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten (MVD) seit dem 01.04.2007 ein Ar­beits­verhält­nis zu den Be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges der Kläge­rin mit der VDS GmbH be­steht.

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2. Die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung wird zurück­ge­wie­sen.

3. Die Kos­ten des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens tra­gen die Kläge­rin un­d­und die Be­klag­te je zur Hälf­te. Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens trägt die Be­klag­te.

4. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

TAT­BESTAND:

Die Par­tei­en strei­ten zweit­in­stanz­lich noch darüber, ob das von der … gekündig­te Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin im We­ge des Be­triebsüber­gangs auf die Be­klag­te (ursprüng­li­che Be­klag­te zu 2) über­ge­gan­gen ist.

Die in… geschäfts­ansässi­ge Be­klag­te ist ein Un­ter­neh­men des-Kon­zerns. Sie ist Her­aus­ge­be­rin der Ta­ges­zei­tung „, zu de­nen der mitt­wochs und sonn­tags er­schei­nen­de “ gehört. Zur Her­stel­lung die­ser Pro­duk­te ist die Be­klag­te mit ei­ner Viel­zahl von an­de­ren Un­ter­neh­men im Großraum durch Dienst­leis­tungs­verträge ver­bun­den. Hier­zu gehören kon­zern­an­gehöri­ge und ex­ter­ne Dienst­leis­ter. Im ört­li­chen Sprach­ge­brauch wird das Kon­glo­me­rat als „“ be­zeich­net.

Im wer­den die von der Me­di­en­grup­pe ver­trie­be­nen Druckerzeug­nis­se in den Pro­duk­ti­onsräum­en der Be­klag­ten her­ge­stellt (u.a. Druck- und Wei­ter­ver­ar­bei­tung). Ei­gentüme­rin der Pro­duk­ti­ons­mit­tel am Stand­ort ist die Be­klag­te, die auch die Abläufe steu­ert. Die Be­klag­te hat­te die Wei­ter­ver­ar­bei­tung von“ für die Aus­lie­fe­rung ursprüng­lich selbst be­trie­ben und sie nach­fol­gend auf selbständi­ge Dienst­leis­ter über­tra­gen, seit 1996/1997 auf die Fir­men­bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin. Der Geschäftsführer der war zu­gleich Mit­geschäftsführer der . Die Ko­or­di­na­ti­on der Ar­beits­abläufe, Pro­duk­ti­ons­pläne und pro­duk­ti­ons­be­zo­ge­ne An­wei­sun­gen im ob­la­gen u. a. der sind auf Initia­ti­ve und mit Hil­fe von Dar­le­hen der Be­klag­ten ge­gründe­te Un­ter­neh­men. Die be­saß für Bank­kon­ten die­ser und wei­te­rer Un­ter­neh­men der Me­di­en­grup­pe Ver­tre­tungs­macht und war zeich­nungs­be­rech­tigt (vgl. An­la­ge K 10, Bl. 117 ff. d.A.).

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Die pro­duk­ti­ons­be­zo­ge­nen Ab­stim­mun­gen er­folg­ten un­ter­neh­mensüberg­rei­fend über ein letzt­lich von der Be­klag­ten ge­steu­er­tes Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­tem (vgl. die hier­zu er­gan­ge­nen Ent­schei­dun­gen des BAG vom 6. April 2006 – 8 AZR 222/04, BA­GE 117, 349, vom 19. No­vem­ber 2003 – 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 Be­trVG 1972 und zu­letzt vom 13. Au­gust 2008 – 7 ABR 21/07, Ju­ris, wo das BAG die per­so­nal­be­zo­ge­nen Ein­satz­pla­nun­gen auf der Grund­la­ge der Fest­stel­lun­gen der Vor­in­stanz als „Vor­schläge“ be­wer­tet hat <Rz. 39>). Zu­min­dest im Jah­re 2004 be­zo­gen sich die Vor­ga­ben des Geschäftsführers und – teil­wei­se – auch auf An­zahl und Aus­wahl ein­zu­stel­len­der Ar­beit­neh­mer so­wie ih­re Vergütung und ih­ren Ein­satz (vgl. An­la­ge K 9, Bl. 125 d.A.).

Für den Wei­ter­ver­ar­bei­tungs­pro­zess im ist die Wei­ter­ver­ar­bei­tungs­ma­schi­ne der Mar­ke F nebst zu­gehöri­gen An­la­gen von we­sent­li­cher Be­deu­tung. Sie dient der Bestückung der Zei­tungs­pro­duk­te mit Bei­la­gen und an­de­ren va­ria­blen Be­stand­tei­len. Die An­la­gen sind an den Druck­be­reich on­line „an­ge­dockt“ und wer­den von der ein­heit­li­chen Soft­ware des SAP-Pro­gramms der Be­klag­ten ge­steu­ert, die für die Zu­sam­men­stel­lung der Pro­duk­te, das Ver­se­hen mit Bei­la­gen, die Kom­mis­sio­nie­rung für un­ter­schied­li­che Kun­den und die Ver­la­dung auf die LKW an der Ram­pe maßgeb­lich ist. An den -An­la­gen sind i. d. R. pro Schicht ca. 4-5 Li­ni­enführer, 2-4 Lo­gis­ti­ker, 1 Dis­patcher/Auf­sicht und ei­ne wech­seln­de An­zahl (0-30) Ein­le­ger für die Bei­la­gen­be­schi­ckung am so ge­nann­ten An­le­ger tätig (vgl. Pro­duk­ti­ons­ab­lauf­sche­ma nebst Schicht­plänen, An­la­ge K 4, Bl. 107-110 d. .A. so­wie Sit­zungs­pro­to­koll vom 21.10.2008, S. 2, Bl. 295 d. .A.). In der an­ge­schlos­se­nen Klein­pa­ket­fer­ti­gung wer­den be­reit­ge­stell­te ver­lags­ei­ge­ne und an­ge­lie­fer­te ver­lags­frem­de Ob­jek­te für die se­pa­ra­te Zu­stel­lung ent­ge­gen ge­nom­men, in ein Re­gal ge­legt, mit ei­nem Pack­zet­tel ver­se­hen, mit Fo­lie um­schlos­sen und so­dann für die je­wei­li­ge Tour ge­ord­net. Dies er­folgt abhängig von den Vor­ga­ben von Wei­ter­be­ar­bei­tungs­ma­schi­ne und-Sys­tem. Da­bei wer­den die von der Be­klag­ten vor­ge­hal­te­nen Ma­schi­nen und Geräte zur Fo­li­en­ver­pa­ckung, Um­rei­fung und zum Eti­ket­tie­ren so­wie Kom­mis­sio­nier­ti­sche, Re­ga­le, Trans­port­wa­gen, Trans­portbänder, PC und Dru­cker ver­wen­det.

Nach dem Dienst­leis­tungs­ver­trag vom 29. März 1999 war von der Be­klag­ten für die im pro­du­zier­ten ver­lags­ei­ge­nen Ob­jek­te und de­ren Vor­pro­duk­te mit fol­gen­den Dienst­leis­tun­gen be­auf­tragt (vgl. An­la­ge B 8 zum Schrift­satz vom 19. De­zem­ber 2008 – Bl. 333 – 355 d.A.):

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a) Klein­pa­ket­fer­ti­gung und Post­beu­tel­fer­ti­gung
b) An­le­ger
c) Dis­patcher/Auf­sicht
d) Pa­ket­bil­dung aus dem Über­lauf
e) Be­leg­ver­sand
f) Kom­mis­sio­nie­rung nach den Vor­ga­ben des Auf­trag­ge­bers
g) War­tung, Pfle­ge, In­stand­hal­tung der An­la­gen zur Klein­pa­ket­fer­ti­gung

We­gen der Ein­zel­hei­ten der Leis­tungs­be­schrei­bung wird auf die An­la­ge A zum Ver­trag (Bl. 336-338 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Die so ge­nann­te „Li­ni­enführung“ und die Lo­gis­tik des Wei­ter­ver­ar­bei­tungs­pro­zes­ses ob­lag MSB. Im Ver­trag zwi­schen der Be­klag­ten und vom 13. No­vem­ber 2002 wer­den die ge­schul­de­ten Dienst­leis­tun­gen wie folgt be­schrie­ben (An­la­ge B 2, Bl. 66-68 d.A.):

a) Li­ni­enführung bei der Pro­duk­ti­on der Aus­ga­ben der Ta­ges­zei­tung „Volks­stim­me“
b) Li­ni­enführung bei der Pro­duk­ti­on der Aus­ga­ben des Ob­jek­tes „Ge­ne­ral-An­zei­ger am Sonn­tag“ und des Ob­jek­tes „Blick­fang“
c) Li­ni­enführung bei der Pro­duk­ti­on der Aus­ga­ben des Ob­jek­tes „Ge­ne­ral-An­zei­ger am Mitt­woch“ und von Vor­pro­duk­ten ein­sch­ließlich der Li­ni­enführung der Auf­wi­ckel­an­la­gen
d) Lo­gis­ti­kertätig­kei­ten für das Ob­jekt der Ta­ges­zei­tung, die An­zei­gen­ob­jek­te und die Vor­pro­duk­te (Bei­la­gen und Ma­te­ri­al­an­nah­me, Ver- und Ent­sor­gungs­pro­zes­se, Hilfstätig­kei­ten)

Mit Ver­trag vom glei­chen Ta­ge über­trug mit Zu­stim­mung der Be­klag­ten an fol­gen­de Dienst­leis­tun­gen (vgl. An­la­ge B 4, Bl. 72-75 d. A.):

a) Ma­nage­ment- und Be­ra­tungs­leis­tun­gen
b) Lo­gis­tik-Dienst­leis­tun­gen auf An­for­de­rung
c) an­de­re von Fall zu Fall zu be­stim­men­de Auf­ga­ben


war ne­ben dem Stand­ort in Bar­le­ben auch an an­de­ren Stand­or­ten für an­de­re Auf­trag­ge­ber mit Dienst­leis­tungs­auf­ga­ben be­fasst, so u. a. seit 2003 für die Fir­ma I GmbH und D KG mit Kom­mis­sio­nie­rungs- und Post­be­ar­bei­tungs­auf­ga­ben.

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Auf der Grund­la­ge der vor­ge­nann­ten Verträge war mit al­len Ar­bei­ten an den Wei­ter­ver­ar­bei­tungs­an­la­gen und der dar­an an­ge­glie­der­ten Klein­pa­ket­fer­ti­gung be­fasst, so­weit die Tätig­kei­ten nicht von ver­rich­tet wur­den. Im Rah­men des Ver­tra­ges mit zu­letzt re­gelmäßig Lo­gis­tik­dienst­leis­tun­gen über­tra­gen.

Die ge­bo­re­ne Kläge­rin war bei mit ei­ner an­zu­rech­nen­den Be­triebs­zu­gehörig­keit seit Ju­li 1997 als „Mit­ar­bei­te­rin in der Klein­pa­ket­fer­ti­gung“ im Um­fang von 30 Wo­chen­stun­den beschäftigt. Nach Wei­sung ih­rer Ar­beit­ge­be­rin war sie auch mit an­de­ren Tätig­kei­ten im Druck­zen­trum be­fasst. Spätes­tens ab dem Jahr 2006 war sie zusätz­lich im Rah­men des Dienst­leis­tungs­auf­trags der ein­ge­setzt.

Im Ja­nu­ar 2007 kündig­te die Be­klag­te die Dienst­leis­tungs­verträge mit zum 31. März 2007. Mit Wir­kung zum 1. April 2007 über­nahm die Be­klag­te die ge­sam­te Wei­ter­ver­ar­bei­tung wie­der in Ei­gen­re­gie. Die Pro­duk­ti­on setz­te sie naht­los fort. Hier­zu be­dien­te sie sich ei­ner Viel­zahl von Ar­beit­neh­mern des eben­falls zur gehören­den Leih­ar­beits­un­ter­neh­mens Per­so­nal­ser­vice . Von die­sen Leih­ar­beit­neh­mern wa­ren zu­vor ca. 30 bei so­wie sämt­li­che Li­ni­enführer bei MSB tätig ge­we­sen. Die ver­blie­be­nen Beschäftig­ten von er­hiel­ten nicht mehr Zu­tritt auf das Be­triebs­gelände des .

stell­te die ver­blie­be­nen Mit­ar­bei­ter, dar­un­ter die Kläge­rin, von der Ar­beit frei. Bemühun­gen um ei­ne Fort­set­zung des Dienst­leis­tungs­ver­tra­ges blie­ben er­folg­los. Mit Schrei­ben vom 30. Ju­li 2007, der Kläge­rin zu­ge­gan­gen am 31. Ju­li 2007, kündig­te das Ar­beits­verhält­nis mit der Kläge­rin zum 30. No­vem­ber 2007.

Mit ih­rer am 21. Au­gust 2007 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat sich die Kläge­rin ge­gen die Kündi­gung von (vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1) ge­wen­det und zu­gleich gel­tend ge­macht, dass ihr Ar­beits­verhält­nis seit dem 1. April 2007 im We­ge ei­nes Be­triebsüber­gangs auf die Be­klag­te (vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 2) über­ge­gan­gen sei. Die­se führe die Pro­duk­ti­on un­verändert fort. Der Iden­tität des Be­triebs­teils ste­he nicht ent­ge­gen, dass die Wei­ter­ver­ar­bei­tung zu­vor von zwei Un­ter­neh­men un­ter der Re­gie der Be­klag­ten und nun­mehr von der Be­klag­ten in Ei­gen­re­gie – mit Hil­fe von Leih­ar­beit­neh­mern – aus­geführt wer­de. Die Iden­tität wer­de be­stimmt durch Wei­ter­ver­ar­bei­tungs­ma­schi­ne, SAP-Pro­gramm, Räum­lich­kei­ten, sons­ti­ge Geräte und Ma­schi­nen so­wie das iden­ti­sche Pro­dukt und Ar­beits­er­geb­nis, die den un­veränder­ten Pro­duk­ti­ons­ab­lauf vor­ge­ben. Die künst­li­che Auf­spal­tung ei­nes ein­heit­li­chen Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses auf zwei Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men und ih­re Rückführung auf die Be­klag­te ließen un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler

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Umstände die wirt­schaft­li­che Iden­tität der be­trof­fe­nen Be­triebs­tei­le nicht ent­fal­len, zu­mal die Auf­spal­tung nur durch ei­nen be­son­ders ho­hen Ko­or­di­na­ti­ons­auf­wand zur Auf­recht­er­hal­tung ei­ner ein­heit­li­chen Pro­duk­ti­ons­lei­tung prak­ti­ziert wer­den konn­te. Iden­titäts­stif­tend sei zu­dem die Wei­ter­beschäfti­gung des Per­so­nal­stamms, wenn auch rechts­tech­nisch in der Form der Leih­ar­beit.

Dem­ge­genüber hat die Be­klag­te ei­nen Be­triebsüber­gang in Ab­re­de ge­stellt. ha­be am Stand­ort schon kei­nen ab­grenz­ba­ren Be­triebs­teil un­ter­hal­ten. Dafür feh­le es an ei­ner auf die­sen Stand­ort be­zo­ge­nen Teil­or­ga­ni­sa­ti­on. ha­be ca. 200 Ar­beit­neh­mer beschäftigt und wei­te­re Auf­träge für Drit­t­un­ter­neh­men an an­de­ren Stand­or­ten aus­geführt. Am Stand­ort vor­wie­gend stu­den­ti­sche Kräfte aus ei­nem Pool von Ar­beit­neh­mern ein­ge­setzt, der auch für an­de­re Auf­träge der ge­dient ha­be. Die Ein­satz­lei­tung sei vom Sitz der Be­klag­ten in aus wahr­ge­nom­men wor­den.

Un­abhängig da­von sei ein et­wai­ger Be­triebs­teil nicht auf die Be­klag­te über­ge­gan­gen, da es an der wirt­schaft­li­chen Iden­tität ei­ner sol­chen Ein­heit feh­le. Die Kläge­rin ha­be im We­sent­li­chen Hilfs­ar­bei­ten im Be­reich der Klein­pa­ket­fer­ti­gung aus­geführt, auf Ab­ruf auch an­der­wei­ti­ge Ar­bei­ten (Lo­gis­tik/Dis­patcher/Gan­zei­ger). An der Wei­ter­ver­ar­bei­tungs­ma­schi­ne ha­be die Kläge­rin nicht ge­ar­bei­tet, erst Recht nicht „mit“ die­ser Ma­schi­ne. Die Wei­ter­ver­ar­bei­tungs­ma­schi­ne sei der Tätig­keit der Li­ni­enführer der zu­ge­ord­net (so BAG vom 6. April 2006 – 8 AZR 222/04, BA­GE 117, 349). ei­nen Ge­mein­schafts­be­trieb geführt. Auch die Über­nah­me von Per­so­nal der Fa könne die Iden­tität ei­nes et­wai­gen Be­triebs­teils nicht be­gründen. Die Be­klag­te ha­be le­dig­lich Leih­ar­beit­neh­mer der Fa. ein­ge­setzt. Die­se beschäfti­ge ca. 300 Leih­ar­beit­neh­mer. Von den ent­lie­he­nen ca. 30 Ar­beit­neh­mern der Fa. PSB, die zu­vor für ge­ar­bei­tet ha­ben, set­ze die Be­klag­te nur drei in ih­rer bis­he­ri­gen Tätig­keit ein. Im Übri­gen ste­he ei­ner Iden­titäts­wah­rung ent­ge­gen, dass die Wei­ter­ver­ar­bei­tung nun­mehr an­ders­ar­tig be­trieb­lich or­ga­ni­siert sei. An­stel­le von zwei be­auf­trag­ten Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men führe die Be­klag­te die Wei­ter­ver­ar­bei­tung selbst und un­ter ein­heit­li­cher Lei­tung durch. Außer­dem set­ze sie hierfür Leih­ar­beit­neh­mer ein. Sch­ließlich feh­le es am rechts­geschäft­li­chen Über­gang ei­nes et­wai­gen Be­triebs­teils auf die Be­klag­te. Die­se ha­be nämlich kei­ne Auf­träge neu ver­ge­ben, son­dern führe die Ar­bei­ten nach Kündi­gung der bis­he­ri­gen Auf­träge in ei­ge­ner Re­gie durch.

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Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 4. März 2008, auf des­sen Tat­be­stand und Ent­schei­dungs­gründe Be­zug ge­nom­men wird, ins­ge­samt ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es – so­weit zweit­in­stanz­lich von In­ter­es­se – aus­geführt, dass die Fra­ge ei­nes Teil­be­triebsüber­gangs von VDS auf die Be­klag­te da­hin­ste­hen könne. Denn die Kläge­rin ha­be in je­dem Fall ihr Fort­set­zungs­ver­lan­gen ge­genüber der Be­klag­ten nicht recht­zei­tig gel­tend ge­macht. Dies hätte un­verzüglich nach Kennt­nis­er­lan­gung von den tatsächli­chen Umständen, die den Be­triebsüber­gang aus­mach­ten, ge­genüber dem Er­wer­ber ge­sche­hen müssen. Ein Fort­set­zungs­ver­lan­gen mehr als vier Mo­na­te nach der Kündi­gung des Dienst­leis­tungs­ver­tra­ges könne nicht mehr als un­verzüglich an­ge­se­hen wer­den.

Ge­gen das ihr am 13. März 2008 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Kläge­rin mit ei­nem am 11. April 2008 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 9. Mai 2008 be­gründet. Die Kläge­rin stellt klar, dass sich die Be­ru­fung nur ge­gen die Be­klag­te (frühe­re Be­klag­te zu 2) rich­tet und die Wirk­sam­keit der Kündi­gung von VDS nicht mehr an­ge­grif­fen wer­de. Sie hält die Gel­tend­ma­chung des Be­triebsüber­gangs nicht für ver­spätet. Im Ge­gen­satz zu den vom Ar­beits­ge­richt an­geführ­ten Fällen ha­be sie in ei­nem un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis ge­stan­den. Auch ha­be sie von den maßgeb­li­chen Umständen, die den Be­triebsüber­gang aus­ge­macht hätten, kei­ne Kennt­nis ge­habt. Ins­be­son­de­re feh­le es an ei­nem ent­spre­chen­den In­for­ma­ti­ons­schrei­ben gemäß § 613a Abs. 5 BGB. Außer­dem ha­be sie mit der Fir­ma dar­auf ge­hofft, dass der Dienst­leis­tungs­auf­trag doch noch fort­ge­setzt wer­de.

Im Übri­gen macht die Kläge­rin wei­ter­hin gel­tend, dass ein Be­triebs­teilüber­gang auf die Be­klag­te statt­ge­fun­den ha­be. Iei­nen or­ga­ni­sa­to­risch ab­grenz­ba­ren Be­triebs­teil un­ter­hal­ten. Sie ha­be dort 40 bis 50 Mit­ar­bei­ter ein­ge­setzt. Täglich sei­en acht da­von in der Klein­pa­ket­fer­ti­gung so­wie ei­ne wech­seln­de An­zahl wei­te­rer Ar­beit­neh­mer (ca. 5 bis 35) in an-de­ren Be­rei­chen der Wei­ter­ver­ar­bei­tung (Lo­gis­tik, Dis­patching, An­le­ger) zum Ein­satz ge­kom­men. Der Schwer­punkt der Beschäfti­gung der Kläge­rin ha­be bis zu­letzt im ge­le­gen. Ihr Ein­satz im Rah­men des Dienst­leis­tungs­ver­tra­ges zwi­schen sei nur von zeit­lich un­ter­ge­ord­ne­tem Um­fang ge­we­sen. Sch­ließlich be­strei­tet die Kläge­rin, dass die Be­klag­te nur drei Leih­ar­beit­neh­mer der Fir­ma mit Tätig­kei­ten beschäfti­ge, mit de­nen die­se zu­vor bei be­fasst wa­ren. Die Kläge­rin meint, dass es im Rah­men ei­nes sub­stan­ti­ier­ten Be­strei­tens der Be­klag­ten ob­lie­ge, den Ein­satz der ent­lie­he­nen PSB-Leih­ar­bei­ter im in ein­zel­nen dar­zu­le­gen.

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Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts vom 4. März 2008 ab­zuändern, so­weit es die Be­klag­te zu 2 be­trifft, und fest­zu­stel­len, dass ein Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin zur Be­klag­ten seit dem 1. April 2007 zu den Be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges der Kläge­rin mit VDS vom 26. Ju­ni 1997 und späte­ren Ände­run­gen be­steht.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil. Das Fort­set­zungs­ver­lan­gen der Kläge­rin ge­genüber der Be­klag­ten sei ver­wirkt. Zu­dem feh­le es an ei­nem Be­triebsüber­gang. Bei der Fa. ha­be schon or­ga­ni­sa­to­risch kei­ne ab­grenz­ba­re, iden­titätsfähi­ge be­trieb­li­che Teil­ein­heit be­stan­den. Von ei­nem et­wai­gen Be­triebs­teil ha­be die Be­klag­te kei­ne iden­titätsprägen­den ma­te­ri­el­len oder im­ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel über­nom­men. Die von aus­geführ­ten Auf­ga­ben sei­en nicht durch sächli­che Be­triebs­mit­tel ge­prägt ge­we­sen. Die Fe­r­ag-An­la­ge sei der Tätig­keit der Li­ni­enführer der MSB zu­zu­ord­nen. Die Ar­beit­neh­mer der hätten nur Hilfs­ar­bei­ten dar­an ver­rich­tet. In der Klein­pa­ket­fer­ti­gung kämen nur Ma­schi­nen und Geräte von un­ter­ge­ord­ne­ter Be­deu­tung zum Ein­satz. Schwer­punkt der Dienst­leis­tung von sei das Vor­hal­ten von Per­so­nal ge­we­sen. Das Per­so­nal von VDS ha­be die Be­klag­te nicht über­nom­men; auch sei­en die ein­ge­setz­ten Leih­ar­beit­neh­mer bis auf we­ni­ge Aus­nah­men nicht mit den­sel­ben Tätig­kei­ten be­traut wor­den, die sie zu­vor für im ver­rich­tet hätten. Die Leih­ar­beit­neh­mer sei­en vom Leih­ar­beits­un­ter­neh­men PSB teil­wei­se schon seit Fe­bru­ar 2007 ein­ge­stellt wor­den. Zu­dem be­ste­he ein et­wai­ger vor­ma­li­ger Be­triebs­teil der bei der Be­klag­ten des­halb nicht fort, weil bei ihr ei­ne völlig an­ders­ar­ti­ge Or­ga­ni­sa­ti­on er­rich­tet wor­den sei (Al­lein­re­gie über den ge­sam­ten Wei­ter­ver­ar­bei­tungs­pro­zess; Ein­satz von Leih­ar­beit­neh­mern). Wei­ter­hin feh­le es an ei­nem rechts­geschäft­li­chen Über­gang ei­nes et­wai­gen Be­triebs­teils. Sch­ließlich ha­be we­der zwi­schen noch zwi­schen und der Be­klag­ten ein ge­mein­sa­mer Be­trieb be­stan­den.

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Im Ter­min zur letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung hat die Be­klag­te erklärt, dass die ge­sam­te Wei­ter­ver­ar­bei­tung, wie sie von aus­geführt wor­den sei, zum 1. No­vem­ber 2007 auf das Leih­ar­beits­un­ter­neh­men über­ge­gan­gen sei. Sämt­li­che Ar­beit­neh­mer sei­en über­nom­men wor­den. Zum 1. Ja­nu­ar 2008 ha­be PSB die Klein­pa­ket­fer­ti­gung an „ über­tra­gen, wie­der­um un­ter Über­nah­me al­ler dort Beschäftig­ten.

We­gen des wei­te­ren Be­ru­fungs­vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt ih­rer vor­be­rei­ten­den Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie ih­re Pro­to­kollerklärun­gen ver-wie­sen. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat Be­weis er­ho­ben durch Ver­neh­mung der Zeu­gen zu Art und Um­fang der Tätig­keit der Kläge­rin im . We­gen des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me wird auf die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 20. Ja­nu­ar 2009 Be­zug ge­nom­men.

ENT­SCHEI­DUN­GSGRÜNDE:

Die zulässi­ge Be­ru­fung ist be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin ist im We­ge des Be­triebsüber­gangs am 1. April 2007 auf die Be­klag­te über­ge­gan­gen und be­steht dort zu den Be­din­gun­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der vor­ma­li­gen Ar­beit­ge­be­rin fort. So­weit im Te­nor zu Ziff. 2 die Be­ru­fung „im Übri­gen“ zurück­ge­wie­sen wor­den ist, ge­schah dies irrtümlich und ist oh­ne Be­deu­tung. Die Be­ru­fung ziel­te von An­fang an nur auf die im Te­nor zu Ziff. 1 ge­trof­fe­ne Fest­stel­lung (vgl. Be­ru­fungs­be­gründung vom 24. Ju­ni 2009 un­ter Ziff. 1).

I.

Die gemäß § 256 ZPO zulässi­ge Fest­stel­lungs­kla­ge ist be­gründet.

1. Das Kla­ge­be­geh­ren ist nicht ver­wirkt.

a) Al­ler­dings kann die Gel­tend­ma­chung ei­nes Be­triebsüber­gangs durch den Ar­beit­neh­mer wie je­der an­de­re An­spruch aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­wirkt wer­den. Das ist der Fall, wenn der An­spruchs­be­rech­tig­te erst nach Ab­lauf ei­nes länge­ren Zeit­raums den An­spruch er­hebt (Zeit­mo­ment) und da­durch beim Ver­pflich­te­ten ei­nen Ver­trau­en­stat­be­stand ge­schaf­fen hat, er wer­de nicht mehr in An­spruch ge­nom­men (Um­stands­mo-

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ment). Hier­bei muss das Er­for­der­nis des Ver­trau­ens­schut­zes auf Sei­ten des Ver­pflich­te­ten das In­ter­es­se des Be­rech­tig­ten der­art über­wie­gen, dass ihm die Erfüllung des An­spruchs nicht mehr zu­zu­mu­ten ist (vgl. BAG vom 8. Au­gust 2002 – 8 AZR 583/01 – NZA 2003, 315). Die wei­te­re vom Ar­beits­ge­richt an­geführ­te Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, wo­nach der Ar­beit­neh­mer, dem wirk­sam be­triebs­be­dingt gekündigt wor­den war, nach Kennt­nis­er­lan­gung von den, den Be­triebsüber­gang aus­ma­chen­den tatsächli­chen Umständen sein Fort­set­zungs­ver­lan­gen ge­genüber dem Be­triebs­er­wer­ber „un­verzüglich“ gel­tend zu ma­chen hat (u. a. BAG vom 11. No­vem­ber 1998 – 8 AZR 265/97 – BA­GE 90, 153), ist für den vor­lie­gen­den Fall nicht ein­schlägig. Denn es geht nicht um die Gel­tend­ma­chung ei­nes Fort­set­zungs­ver­lan­gens nach wirk­sa­mer Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, son­dern um die Gel­tend­ma­chung ei­nes un­gekündigt fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses, wenn auch auf­grund Be­triebsüber­gangs nun­mehr mit ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber. Hierfür gel­ten an­de­re Maßstäbe (BAG vom 08. Au­gust 2002, a. a. O.).

b) Bei An­wen­dung die­ser Grundsätze er­weist sich das Kla­ge­be­geh­ren nicht als ver­wirkt. Al­ler­dings ist es der Be­klag­ten erst am 25. Au­gust 2007 und da­mit na­he­zu fünf Mo­na­te nach der Über­nah­me der Wei­ter­ver­ar­bei­tung durch die Be­klag­te (1. April 2007) zu­ge­stellt wor­den. Auch ist zu berück­sich­ti­gen, dass die Be­klag­te selbst nicht oh­ne Wei­te­res von ei­nem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses im We­ge der Be­triebs­nach­fol­ge aus­ge­hen muss­te. In­so­weit be­stand ei­ne recht­li­che Un­si­cher­heit. Auch die Kläge­rin ging of­fen­bar zunächst da­von aus, dass ihr Ar­beits­verhält­nis nicht auf die Be­klag­te über­ge­gan­gen sei. Denn sie hat das Ar­beits­verhält­nis zu ih­rer vor­ma­li­gen Ar­beit­ge­be­rin VDS fort­ge­setzt, wenn auch un­ter Frei­stel­lung von der Ar­beit.

Gleich­wohl über­wiegt bei Abwägung al­ler Umstände das Ver­trau­ens­schutz­in­ter­es­se der Be­klag­ten das In­ter­es­se der Kläge­rin an ei­ner Fort­set­zung ih­res un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis­ses nicht der­art, dass der Be­klag­ten die Erfüllung des An­spruchs, hier al­so die dau­er­haf­te Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses, nicht zu­zu­mu­ten wäre. Aus­schlag­ge­bend hierfür ist, dass die Be­klag­te selbst den Be­triebsüber­gang her­bei­geführt hat und so­mit für die Ent­ste­hung der recht­lich un­kla­ren La­ge ver­ant­wort­lich ist. Die Be­klag­te ist seit vie­len Jah­ren, wie sie selbst zu­ge­steht, bemüht, durch recht­li­che und or­ga­ni­sa­to­ri­sche Um­ge­stal­tun­gen ihr Un­ter­neh­men kos­tenmäßig zu op­ti­mie­ren. Hier­bei wird sie durch ei­ne Rei­he von ju­ris­ti­schen Rat­ge­bern un­terstützt. Das Op­ti­mie-

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rungs­stre­ben der Be­klag­ten ins­be­son­de­re bei der Ge­stal­tung von Be­triebs- und Un­ter­neh­mens­zu­schnit­ten geht da­bei nicht sel­ten in recht­li­che Grenz­be­rei­che, wie die im Tat­be­stand auf­geführ­ten Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts be­le­gen, die al­le­samt zu recht­li­chen Um­ge­stal­tun­gen im Be­reich der Me­di­en­grup­pe Mag­de­burg er­gin­gen. Be­reits von die­sem Aus­gangs­punkt aus kann auf Be­klag­ten­sei­te nur ein be­grenz­tes Ver­trau­en dar­in be­stan­den ha­ben, dass die streit­ge­genständ­li­chen un­ter­neh­me­ri­schen Um­ge­stal­tun­gen kei­nem Zwei­fel im Hin­blick auf ei­nen mögli­chen Be­triebsüber­gang un­terlägen. Hin­zu tritt, dass die Kläge­rin ganz we­sent­lich des­halb dar­an ge­hin­dert war, das Fort­be­ste­hen ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses ge­genüber der Be­klag­ten gel­tend zu ma­chen, weil die Be­klag­te es ih­rer­seits – und sei es in Ver­ken­nung der Rechts­la­ge – versäumt hat, die Beschäftig­ten pflicht­gemäß nach § 613a Abs. 5 BGB über den Be­triebsüber­gang zu un­ter­rich­ten. Ei­ne sol­che Un­ter­rich­tung ist un­strei­tig un­ter­blie­ben, zu­mal sie der Rechts­auf­fas­sung der Be­klag­ten wi­der­spro­chen hätte. Sie liegt ins­be­son­de­re auch nicht in dem kur­zen An­schrei­ben „In­for­ma­ti­on zum Dienst­leis­ter­wech­sel“ vom 5. Ja­nu­ar 2007 (Bl. 13 d. A.). Auf der Kla­ge­sei­te fehl­te es da­ge­gen schon an aus­rei­chen­der Kennt­nis al­ler maßgeb­li­chen Umstände, de­ren Ge­samt­be­trach­tung erst die Fest­stel­lung ei­nes Be­triebsüber­gangs ermöglicht (vgl. un­ten Ziff. 2). Es er­scheint dem Be­ru­fungs­ge­richt da­her nicht an­ge­mes­sen, das In­ter­es­se der Be­klag­ten, die den Be­triebsüber­gang zur Op­ti­mie­rung ih­rer Un­ter­neh­mens­struk­tur durch­geführt hat, die al­le Umstände kann­te und recht­lich in­ten­siv be­ra­ten war so­wie ih­rer­seits die Un­ter­rich­tung der Be­leg­schaft versäum­te, dem In­ter­es­se der Kläge­rin an dem Fort­be­stand ih­res un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses über­zu­ord­nen.

2. Im Streit­fall hat am 1. April 2007 ein Teil­be­triebsüber­gang von der auf die Be­klag­te statt­ge­fun­den.

a) Ein Be­triebsüber­gang liegt vor, wenn ein neu­er Recht­sträger die wirt­schaft­li­che Ein­heit un­ter Wah­rung ih­rer Iden­tität fortführt. Der Be­griff „wirt­schaft­li­che Ein­heit“ be­zieht sich auf ei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ge­samt­heit von Per­so­nen und Sa­chen zur auf Dau­er an­ge­leg­ten Ausübung ei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit mit ei­ge­ner Ziel­set­zung. Bei der Prüfung, ob ei­ne sol­che Ein­heit un­ter Wah­rung ih­rer Iden­tität über­ge­gan­gen ist, sind sämt­li­che den be­tref­fen­den Vor­gang kenn­zeich­nen­den Tat­sa­chen zu berück­sich­ti­gen. Zu die­sen Tat­sa­chen zählen ins­be­son­de­re die Art des be­tref­fen­den Be­triebs, der Über­gang ma­te­ri­el­ler Be­triebs­mit­tel wie Gebäude und be­weg­li­che Güter so­wie de­ren

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Wert und Be­deu­tung, die Über­nah­me der im­ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel und der vor­han­de­nen Or­ga­ni­sa­ti­on, der Grad der Ähn­lich­keit mit der Be­triebstätig­keit des bis­he­ri­gen In­ha­bers, die Wei­ter­beschäfti­gung der Haupt­be­leg­schaft, der Über­gang von Kund­schaft und die Lie­fe­ran­ten­be­zie­hun­gen so­wie die Dau­er ei­ner even­tu­el­len Un­ter­bre­chung der Be­triebstätig­keit.

Nicht er­for­der­lich ist nach dem Zweck des § 613a BGB, dass ein Rechts­geschäft un­mit­tel­bar zwi­schen dem bis­he­ri­gen In­ha­ber und dem Be­wer­ber zu­stan­de kommt. Ein rechts­geschäft­li­cher Be­triebsüber­gang kann da­her auch dann an­ge­nom­men wer­den, wenn er durch ei­ne Rei­he von ver­schie­de­nen Rechts­geschäften ver­an­lasst wird. Das ist zum Bei­spiel dann der Fall, wenn ein mit Be­zug auf den Be­trieb oder Be­triebs­teil ab­ge­schlos­se­ner Pacht­ver­trag en­det und ein neu­er Päch­ter die wirt­schaft­li­che Ein­heit über­nimmt. Der Wort­laut des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB steht die­ser Aus­le­gung nicht ent­ge­gen. Für sie spricht der Schutz­zweck der Norm, denn die­ser be­steht in ers­ter Li­nie dar­in, die be­ste­hen­den Ar­beitsplätze zu schützen. Haf­tungs­recht­li­che Pro­ble­me für den nach­fol­gen­den Päch­ter können dem­ge­genüber kei­ne durch­grei­fen­den Be­den­ken ge­gen die An­wend­bar­keit des § 613a Abs. 1 BGB be­gründen. Auch die Richt­li­nie 2001/23/EG setzt nicht vor­aus, dass zwi­schen Veräußerer und Be­wer­ber un­mit­tel­bar ver­trag­li­che Be­zie­hun­gen be­ste­hen. Das Feh­len ei­ner sol­chen di­rek­ten ver­trag­li­chen Be­zie­hung kann zwar ein In­diz dafür dar­stel­len, dass ein Über­gang im Sin­ne der Richt­li­ni­en nicht er­folgt ist; ihm kommt in die­sem Zu­sam­men­hang je­doch kei­ne aus­schlag­ge­ben­de Be­deu­tung zu (vgl. zu al­lem BAG vom 21.08.2008 – 8 AZR 201/07, NJW 2009, 391).

b) Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­klag­te von der VDS den Be­triebs­teil „Wei­ter­ver­ar­bei­tung“ mit Aus­nah­me der von MSB be­trie­be­nen Li­ni­enführung und ei­nes Teils der Lo­gis­tik über­nom­men hat.

aa) Die Fir­ma VDS un­ter­hielt am Stand­ort Bar­le­ben ei­nen Be­triebs­teil im Sin­ne von § 613a Abs. 1 BGB. Ih­re Ak­ti­vitäten im Druck­zen­trum B bil­de­ten ei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Un­ter­glie­de­rung ih­res Ge­samt­be­trie­bes, die in­ner­halb des be­trieb­li­chen Ge­samt­zwecks der VDS ei­nen Teil­zweck ver­folg­te, nämlich die Mit­wir­kung im Pro­duk­ti­ons­pro­zess der von der Be­klag­ten her­aus­ge­ge­be­nen Zei­tun­gen gemäß den ver­schie­de­nen Dienst­leis­tungs­verträgen (vgl. zum ei­ge­nen Teil­zweck des Be­triebs­teils BAG vom

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24. April 1997 – 8 AZR 848/94, NZA 1998, 253). Im Zeit­punkt der Kündi­gung des Dienst­leis­tungs­ver­tra­ges war VDS be­reits seit ca. 10 Jah­ren mit im We­sent­li­chen un­veränder­ten Tätig­kei­ten im Druck­zen­trum Bar­le­ben mit ei­nem Ab­schnitt der Zei­tungs­pro­duk­ti­on be­fasst. Die Wertschöpfung dort wur­de in ei­nem kom­ple­xen räum­lich, zeit­lich und or­ga­ni­sa­to­risch nur dort be­ste­hen­den Funk­ti­ons­zu­sam­men­hang von Stand­ort, An­la­gen, Ma­schi­nen, Geräten, Pro­duk­ten und soft­ware­ge­steu­er­ten Ar­beits­abläufen er­bracht.

An­ge­sichts die­ser Umstände steht der An­nah­me ei­ner ab­grenz­ba­ren be­trieb­li­chen Ein­heit nicht ent­ge­gen, dass die dort ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer sich zum Teil aus ei­nem „Pool“ von Ar­beit­neh­mern re­kru­tier­ten, die auch an­der­wei­tig ein­ge­setzt wur­den. Ei­ne be­trieb­li­che Teil­ein­heit iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB er­for­dert nicht, dass die dort beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer nur in die­sem Be­triebs­teil ein­ge­setzt wer­den. An­ge­sichts des kom­ple­xen Funk­ti­ons­zu­sam­men­hangs von Stand­ort, An­la­gen, Ma­schi­nen, Geräten, Pro­duk­ten und soft­ware­ge­steu­er­ten Ar­beits­abläufen kommt dem Merk­mal ei­nes fest­ste­hen­den Krei­ses von aus­sch­ließlich dort ein­ge­setz­ten Mit­ar­bei­tern in die­sem Zu­sam­men­hang kei­ne be­stim­men­de Be­deu­tung zu. Ei­ner ab­grenz­ba­ren be­trieb­li­chen Teil­ein­heit steht auch nicht ent­ge­gen, dass die Einsätze der Ar­beit­neh­mer im Druck­zen­trum Bar­le­ben nach dem Vor­trag der Be­klag­ten vom Be­triebs­sitz der aus er­folg­ten. Die ge­ge­be­nen­falls von dort er­ge­hen­den Wei­sun­gen be­zo­gen sich nämlich auf die be­trieb­li­chen Ak­ti­vitäten der Be­klag­ten im Druck­zen­trum Bar­le­ben und da­mit auf ei­ne ab­grenz­ba­re Be­triebs­ein­heit.

bb) Der Be­triebs­zweck der an die­sem Stand­ort war nicht le­dig­lich auf die Ausführung ei­nes Auf­tra­ges oder die Ausübung ei­ner Funk­ti­on ge­rich­tet, wel­che die Be­klag­te im Jah­re 1996/1997 „out­ge­sour­ced“ und nun­mehr im We­ge der Kündi­gung des Dienst­leis­tungs­ver­tra­ges wie­der „in­ge­sour­ced“ hätte. Viel­mehr erfüllen die über­tra­ge­nen und nun­mehr rücküber­tra­ge­nen Auf­ga­ben in der Ge­samt­schau der Funk­ti­ons­zu­sam­menhänge, Be­triebs­mit­tel und sons­ti­gen Umstände zur Über­zeu­gung des Be­ru­fungs­ge­richts die An­for­de­run­gen an ei­nen über die bloße Funk­ti­ons­ausübung hin­aus­ge­hen­den sub­stan­ti­el­len Be­triebs­teil iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Hiefür spricht be­reits der oben un­ter aa) fest­ge­stell­te kom­ple­xe räum­li­che, zeit­li­che und or­ga­ni­sa­to­ri­sche Zu­sam­men­hang der sächli­chen Be­triebs­mit­tel und der zu er­brin­gen­den Ar­bei­ten. Die Auf­ga­ben im Be­reich Klein­pa­ket­fer­ti­gung, Lo­gis­tik, Dis­patching/Auf­sicht, Ein­le­ger etc.

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wa­ren dau­er­haft ein­ge­bet­tet in den fort­lau­fen­den Pro­duk­ti­ons­pro­zess der Be­klag­ten in fes­ten Pro­duk­ti­onsräum­en mit zu­ge­ord­ne­ten Be­triebs­mit­teln.

Der Be­triebs­zweck des Be­triebs­teils be­stand ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten nicht le­dig­lich dar­in, „an“ den über­las­se­nen Be­triebs­mit­teln se­kundäre Dienst­leis­tun­gen zu er­brin­gen, wie es et­wa bei Rei­ni­gung, War­tung, Be­wa­chung, Fa­ci­li­ty Ma­nage­ment etc. in Be­zug auf an­der­wei­ti­gen Zwe­cken die­nen­de sächli­che Be­triebs­mit­tel oder Gebäude der Fall ist. Viel­mehr war der Be­triebs­zweck ge­ra­de auch dar­auf ge­rich­tet, „mit“ den über­las­se­nen bzw. vor­han­de­nen Ma­schi­nen im Rah­men ih­rer primären Zweck­be­stim­mung gleich­ge­rich­tet mit den wei­te­ren im Druck­zen­trum täti­gen Un­ter­neh­men am Pro­duk­ti­ons­pro­zess der Zei­tun­gen mit­zu­wir­ken. Die über­las­se­nen Be­triebs­mit­tel bil­de­ten ei­ne vollständi­ge be­trieb­li­che In­fra­struk­tur, in de­ren Zweck­be­stim­mung – an der Fer­tig­stel­lung der Pro­duk­te teil­nahm.

Be­triebs­zweck war auch nicht die bloße Per­so­nal­ge­stel­lung, wie die Be­klag­te zunächst gel­tend ge­macht hat. Da­ge­gen spricht der In­halt der Dienst­leis­tungs­verträge, wo­nach Ver­trags­ge­gen­stand nicht die Per­so­nal­ge­stel­lung, son­dern kon­kret be­zeich­ne­te Dienst­leis­tun­gen gemäß Leis­tungs­be­schrei­bung „in al­lei­ni­ger Ver­ant­wor­tung“ wa­ren. Auch die Par­tei­en ha­ben zu­letzt übe­rein­stim­mend ei­ne sol­che Sicht ver­wor­fen. Soll­te ein sol­cher Fall den­noch vor­ge­le­gen ha­ben, wäre die Be­klag­te im Übri­gen gemäß §§ 9, 10 AÜG Ar­beit­ge­be­rin der Kläge­rin ge­wor­den, nämlich als Ent­lei­he­rin von Ar­beit­neh­mern ei­nes nicht kon­zern­an­gehöri­gen Un­ter­neh­mens, das ge­werbsmäßig oh­ne Er­laub­nis nach § 1 AÜG Ar­beit­neh­mer ver­leiht.

cc) Die iden­titäts­be­stim­men­den Merk­ma­le die­ser be­trieb­li­chen Teil­ein­heit be­stan­den in der vom Dienst­leis­tungs­ver­trag fest­ge­leg­ten Ein­bet­tung in ei­nen vor­ge­ge­be­nen kom­ple­xen Pro­duk­ti­ons­ab­lauf mit vor­han­de­ner, stark durch ma­te­ri­el­le Be­triebs­mit­tel ge­prägter In­fra­struk­tur zur Her­stel­lung der Zei­tungs­pro­duk­te. Da­bei wa­ren die Mit­ar­bei­ter der VDS über­wie­gend un­mit­tel­bar an den Fe­r­ag-An­la­gen ein­ge­setzt. Dies gilt für die Lo­gis­ti­ker wie für die Ein­le­ger und die Auf­sich­ten/Dis­patcher. Die­se Tätig­kei­ten wa­ren – wie oben aus­geführt – dar­auf ge­rich­tet, am ei­gent­li­chen Wertschöpfungs­pro­zess der An­la­gen mit­zu­wir­ken. Oh­ne die ge­nann­ten Tätig­kei­ten konn­ten die­se zu kei­nem Zeit­punkt ih­re Funk­ti­on erfüllen. Wei­ter­hin sind prägend für den Be­triebs­teil der VDS die für al­le Tätig­kei­ten im Druck­zen­trum Bar­le­ben bin­den­den Vor­ga­ben der

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Soft­ware des SAP-Pro­gramms. Die­se be­stim­men den Takt und die Ge­schwin­dig­keit und die ein­zel­nen In­hal­te der Tätig­kei­ten. Kenn­zeich­nend für den Be­triebs­teil sind fer­ner die not­wen­di­ge räum­li­che An­bin­dung an das und die dort be­find­li­chen Fer­ti­gungs­s­traßen zwi­schen Druck und Ram­pe so­wie die be­ste­hen­den or­ga­ni­sa­to­ri­schen Vor­ga­ben. In An­be­tracht die­ser Umstände kann von ei­nem be­triebs­mit­tel­ar­men Be­triebs­teil nicht die Re­de sein. Die Fe­r­ag-An­la­ge war eben­so den Lo­gis­ti­kern, Ein­le­gern und Auf­sich­ten/Dis­patchern der zu­ge­ord­net wie den Li­ni­enführern der . Al­le Ar­bei­ten wa­ren im Rah­men des von der Ma­schi­ne vor­ge­ge­be­nen Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses „an“ und „mit“ den An­la­gen im Rah­men de­ren Zweck­be­stim­mung zu er­brin­gen.

Auch die Klein­pa­ket­fer­ti­gung war durch Ma­schi­nen und Geräte so­wie die An­bin­dung an das elek­tro­ni­sche und das ma­nu­el­le Lauf­band so­wie ins­be­son­de­re auch die Soft­ware des SAP-Sys­tems, die für die ein­zel­nen Ar­beits­schrit­te un­ver­zicht­bar war, in er­heb­li­chem Maße durch sächli­che Be­triebs­mit­tel ge­kenn­zeich­net. Die Klein­pa­ket­fer­ti­gung bil­de­te über­dies mit den wei­te­ren be­trieb­li­chen Tätig­kei­ten von VDS am Stand­ort Bar­le­ben ei­ne Ein­heit. Dies kommt so­wohl in dem ein­heit­li­chen Dienst­leis­tungs­ver­trag als auch in der prak­ti­schen Hand­ha­bung zum Aus­druck. Un­strei­tig wur­den nach Wei­sung von VDS Ar­beit­neh­mer so­wohl in der Klein­pa­ket­fer­ti­gung als auch im Be­reich Lo­gis­tik, Dis­patching/Auf­sicht ein­ge­setzt, auch wenn sich im Lau­fe der Zeit Ein­satz­schwer­punk­te für die je­wei­li­gen Mit­ar­bei­ter her­aus­bil­de­ten.

dd) Sämt­li­che der vor­ge­nann­ten iden­titäts­be­stim­men­den Merk­ma­le des Be­triebs­teils sind nach Kündi­gung des Dienst­leis­tungs­ver­tra­ges auf die Be­klag­te über­ge­gan­gen. Es wird die glei­che Ar­beit am sel­ben Ort für das­sel­be Pro­dukt mit den­sel­ben Ma­schi­nen, der­sel­ben Soft­ware und im We­sent­li­chen der­sel­ben Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on ver­rich­tet und an der Her­stel­lung der Pro­duk­te in un­veränder­ter Wei­se mit­ge­wirkt. Nach un­strei­ti­gem Vor­trag sind die Tätig­kei­ten der dort nach­fol­gend ein­ge­setz­ten Leih­ar­beit­neh­mer die glei­chen Tätig­kei­ten, wie sie die von dort ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer ver­rich­tet hat­ten. Die Be­klag­te hat den Be­trieb naht­los oh­ne Un­ter­bre­chung fort­ge­setzt. Sie hat zu­dem un­strei­tig auch ei­nen Großteil der Ar­beit­neh­mer der vor­ma­li­gen Be­triebs­in­ha­be­rin ein­ge­setzt, wenn auch – nach dem we­nig sub­stan­ti­ier­ten Vor­brin­gen der Be­klag­ten, auf des­sen wei­te­re Klärung es je­doch nicht an­kam – mögli­cher­wei­se nicht mit den­sel­ben Tätig­kei­ten. So­weit die Be­klag­te Führungs­per­so­nal der nicht über­nom­men hat, steht dies der Wah­rung der Iden­tität der wirt­schaft­li­chen Ein­heit

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nicht ent­ge­gen. Das Führungs­per­so­nal war für die Iden­tität an­ge­sichts der sons­ti­gen kenn­zeich­nen­den Be­triebs­merk­ma­le nicht be­stim­mend. Es han­delt sich zu­dem durch­weg um gleich blei­ben­de An­lerntätig­kei­ten (vgl. BAG vom 6. April 2006 – 8 AZR 222/04, aaO, zu den Li­ni­enführern), die über­dies auch zu­vor be­reits durch die Be­klag­te und ih­re ver­trag­lich ge­bun­de­ne Dienst­leis­te­rin PIT pro­duk­ti­ons­tech­nisch ko­or­di­niert wur­de.

ee) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten steht der Iden­titäts­wah­rung der wirt­schaft­li­chen Ein­heit auch nicht ent­ge­gen, dass die Be­klag­te nach Be­en­di­gung der Verträge mit de­ren Auf­ga­ben in veränder­ter or­ga­ni­sa­to­ri­scher Struk­tur, nämlich al­lein und un­ter Ein­satz von Leih­ar­beit­neh­mern aus­geführt hat. Durch die­se Ände­run­gen hat sich we­der nach außen noch in den or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ein­zel­abläufen des Be­trie­bes bis hin zu den ein­zel­nen von den Ar­beit­neh­mern ver­rich­te­ten Tätig­kei­ten We­sent­li­ches geändert. Zum ei­nen hat­te die Be­klag­te be­reits zu­vor pro­duk­ti­ons­tech­nisch den Be­triebs­ab­lauf im Be­reich der Wei­ter­ver­ar­bei­tung fak­tisch be­stimmt, nämlich un­ter an­de­rem durch die Vor­ga­ben des SAP-Pro­gramms und der Fe­r­ag-Wei­ter­ver­ar­bei­tungs­ma­schi­ne so­wie durch die von ihr mit Ko­or­di­na­ti­ons­auf­ga­ben be-auf­trag­te PIT. Dies galt für sämt­li­che Tätig­kei­ten im Be­reich der Wei­ter­ver­ar­bei­tung. Zum an­de­ren ist der rechts­tech­ni­sche Wech­sel von Ar­beit­neh­mern zu Leih­ar­beit­neh­mern für die wirt­schaft­li­che Iden­tität des Be­trie­bes weit­ge­hend oh­ne Be­lang, da es sich in bei­den Fällen um wei­sungs­abhängi­ge und fremd­be­stimm­te Tätig­keit han­delt.

Im Übri­gen ist das Fort­be­ste­hen ei­ner un­veränder­ten or­ga­ni­sa­to­ri­schen Selbständig­keit und Struk­tur des Be­triebs­teils beim Er­wer­ber kei­nes­wegs un­ver­zicht­ba­re Vor­aus­set­zung für die Wah­rung der Iden­tität der wirt­schaft­li­chen Ein­heit. Dies würde da­zu führen, dass § 613a BGB wie auch die zu­grun­de lie­gen­de Be­triebsüber­g­angs­richt­li­nie 21/23/EG al­lein des­halb aus­ge­schlos­sen wären, weil sich der Er­wer­ber ent­schließt, den er­wor­be­nen Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­teil auf­zulösen und in sei­ne ei­ge­ne Struk­tur ein­zu­glie­dern, und so den Ar­beit­neh­mern der von die­sen Be­stim­mun­gen gewähr­te Schutz vor­ent­hal­ten würde. Dem­gemäß hat der EuGH in sei­nem Ur­teil vom 12.02.2009 (C-466/07) ent­schie­den, dass Ar­ti­kel 1 Abs. 1 Buch­sta­be a und b der Richt­li­nie 2100/23/EG da­hin aus­zu­le­gen sei, dass die­se (dem § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ent­spre­chen­de) Vor­schrift auch dann an­ge­wandt wer­den kann, wenn der über­tra­ge­ne Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­teil sei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbständig­keit nicht

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be­wahrt, so­fern nur die funk­tio­nel­le Ver­knüpfung zwi­schen den über­tra­ge­nen Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren bei­be­hal­ten wird und sie es dem Er­wer­ber er­laubt, die­se Fak­to­ren zu nut­zen, um der­sel­ben oder ei­ner gleich­ar­ti­gen wirt­schaft­li­chen Tätig­keit nach­zu­ge­hen. Letz­te­res ist un­be­zwei­fel­bar im vor­lie­gen­den Fall ge­ge­ben. Da­mit kommt dem Um­stand, dass die Pro­duk­ti­ons­abläufe in der Wei­ter­ver­ar­bei­tung vor­mals von zwei und ab dem 1. April 2007 von nur noch ei­nem Un­ter­neh­men, der Be­klag­ten, so­wie un­ter Rück­griff auf Leih­ar­beit­neh­mer durch­geführt wer­den, kei­ne aus­schlag­ge­ben­de Be­deu­tung zu.

ff) Sch­ließlich ist der Be­triebs­teil der auch im Rah­men ei­nes Rechts­geschäfts auf die Be­klag­te über­ge­gan­gen. Eben­so wie der ursprüng­lich bei der Be­klag­ten selbst an­ge­sie­del­te Be­triebs­teil durch den Dienst­leis­tungs­ver­trag auf über­tra­gen wor­den war, ist er mit der Kündi­gung des Dienst­leis­tungs­ver­tra­ges und da­mit auf­grund ei­nes Rechts­geschäftes an die Be­klag­te zurück­ge­fal­len. Dass es sich bei der Kündi­gung des Dienst­leis­tungs­ver­tra­ges um ein ein­sei­ti­ges Rechts­geschäft han­delt, ist unschädlich, zu­mal die Kündi­gung als ac­tus con­tra­ri­us den Dienst­leis­tungs­ver­trag be­en­de­te.

3. Die Kläge­rin war dem Be­triebs­teil der im Druck­zen­trum B zu­ge­ord­net. Ihr Ar­beits­verhält­nis ist da­her gemäß § 613a Abs. 1 BGB zu­sam­men mit dem Be­triebs­teil auf die Be­klag­te über­ge­gan­gen.

Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin hat­te sei­nen Schwer­punkt in dem über­ge­gan­ge­nen Be­triebs­teil. Dort war die Kläge­rin ganz über­wie­gend tätig. Dies hat die Be­weis­auf­nah­me un­ter Berück­sich­ti­gung des ge­sam­ten In­halts der münd­li­chen Ver­hand­lung er­ge­ben. Gemäß § 1 ih­res Ar­beits­ver­tra­ges vom 26.06.1997 war die Kläge­rin als Mit­ar­bei­te­rin in der Klein­pa­ket­fer­ti­gung in B beschäftigt. Sie hat­te sich gemäß § 1 Abs. 2 be­reit erklärt, auch an­de­re Zu­satz­auf­ga­ben zu über­neh­men. Als wöchent­li­che Ar­beits­zeit wa­ren 30 St­un­den ver­ein­bart. Der mit der Be­klag­ten durch ei­ne Rei­he von Rechts­strei­ten ver­bun­de­ne Zeu­ge H hat be­kun­det, dass die Kläge­rin bis zu­letzt im Rah­men die­ses Ar­beits­ver­tra­ges mit un­veränder­ter St­un­den­zahl im Druck­zen­trum B ein­ge­setzt war. Die erst vie­le Jah­re später auf­ge­nom­me­ne Tätig­keit im Rah­men des Dienst­leis­tungs­ver­tra­ges zwisch ha­be die Kläge­rin zusätz­lich zu ih­rer Tätig­keit in B aus­geübt und letz­te­re in bis­he­ri­gem Um­fang fort­geführt. Der Zeu­ge gab an, dass er den Um­fang der auf den Auf­trag DDE ent­fal­len­den Tätig­keit der Kläge­rin auf 20 bis 30 % ih­rer Ge­samt-

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ar­beits­zeit schätze. Dies dürf­te mit der auf 30 Wo­chen­stun­den für B ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit in Ein­klang ste­hen. Als Geschäftsführer der wird der Zeu­ge H zu den ge­mach­ten An­ga­ben aus ei­ge­ner Kennt­nis in der La­ge ge­we­sen sein. Auch die Aus­sa­ge des von der Be­klag­ten be­nann­ten Zeu­gen B, der als un­ge­lern­ter Lo­gis­ti­ker und Dis­patcher im be­gon­nen hat und nun­mehr Geschäftsführer ei­ner der Fir­men der Me­di­en­grup­pe Mag­de­burg ist, bestätigt, dass die Kläge­rin über­wie­gend dort ein­ge­setzt war. Der Zeu­ge gab an, dass die Kläge­rin im Wech­sel mit ei­ner Kol­le­gin sechs Ta­ge in der Klein­pa­ket­fer­ti­gung und drei Ta­ge in der Post­be­ar­bei­tung „der Be­klag­ten“ tätig ge­we­sen sei, wo­mit er of­fen­kun­dig die Post­be­ar­bei­tung der für die Fir­ma mein­te. Die übe­rein­stim­men­den Aus­sa­gen der Zeu­gen sind glaub­haft, da sie mit sämt­li­chen un­strei­ti­gen Tat­sa­chen übe­rein­stim­men und ge­gen­tei­li­ge An­halts­punk­te nicht er­sicht­lich sind. Die Zeu­gen sind in­so­weit auch glaubwürdig, zu­mal sie im ent­schei­den­den Punkt übe­rein­stimm­ten, ob­wohl bei­de ei­ne ent­ge­gen­setz­te persönli­che In­ter­es­sen­la­ge in Be­zug auf den Ge­gen­stand des Rechts­streits ha­ben.

4. Et­wai­ge nach­fol­gen­de, von der Be­klag­ten in der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung erwähn­te Be­triebsübergänge in der Wei­ter­ver­ar­bei­tung zum 1. No­vem­ber 2007 und 1. Ja­nu­ar 2008 ha­ben kei­ne Aus­wir­kung auf die hier ge­trof­fe­ne Fest­stel­lung, dass zwi­schen den Par­tei­en ein Ar­beits­verhält­nis be­steht. Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB wer­den von ei­nem Be­triebsüber­gang oder Be­triebs­teilüber­gang nur die dort beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer er­fasst. Hier­zu gehört die Kläge­rin nicht, da sie seit April 2004 nicht in die­sem Be­triebs­teil beschäftigt war und die­sem durch die Be­klag­te selbst zu kei­nem Zeit­punkt zu­ge­ord­net wor­den ist.

Das Vor­brin­gen der Be­klag­ten zu den nach­fol­gen­den Be­triebsübergängen war im Übri­gen ver­spätet und des­halb nicht mehr zu­zu­las­sen, da es den Rechts­streit we­gen der Not­wen­dig­keit ei­ner Erklärungs­frist für den Geg­ner nebst et­wai­ger ergänzen­der Sub­stan­ti­ie­rung und Be­weis­auf­nah­me verzögert hätte, § 67 Abs. Abs. 4 ArbGG. Ent­schul­di­gungs­gründe dafür, das seit mehr als ei­nem Jahr be­kann­te Vor­brin­gen erst­mals in der letz­ten (und be­reits zwei­ten) münd­li­chen Ver­hand­lung zwei­ter In­stanz vor­zu­tra­gen, sind nicht er­sicht­lich.

5. Nach al­le­dem konn­te da­hin­ste­hen, ob und/oder der Be­klag­ten ei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb ge­bil­det hat­te. Auch wenn dies der Fall ge­we­sen wäre, hätte die Be­klag­te den

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vor­ma­li­gen Ge­mein­schafts­be­trieb als Nach­fol­ge­rin in Al­lein­stel­lung rechts­geschäft­lich über­nom­men. Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin wäre auf sie über­ge­gan­gen.

II.
Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 ZPO. Die Re­vi­si­on war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­zu­las­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­ses Ur­teil kann die Be­klag­te Re­vi­si­on ein­le­gen.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt
Hu­go-Preuß-Platz 1
99084 Er­furt

ein­ge­hen. Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt sind außer Rechts­anwälten auch Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­ber­verbänden so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der als Be­vollmäch­tig­te ver­tre­tungs­be­fugt. Als Be­vollmäch­tig­te zu­ge­las­sen sind auch ju­ris­ti­sche Per­so­nen, die die Vor­aus­set­zung gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 5 ArbGG erfüllen. Die han­deln­den Per­so­nen müssen die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren sol­len 7-fach – für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ein Ex­em­plar mehr – ein­ge­reicht wer­den.

Auf die Möglich­keit der Ein­rei­chung elek­tro­ni­scher Do­ku­men­te beim Bun­des­ar­beits­ge­richt nach § 46 b ArbGG i.V.m. den be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen nach der VO über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ar­beits­ge­richt vom 09. März 2006, BG-Blätter 2006 Teil I Nr. 12, aus­ge­ge­ben zu Bonn am 15. März 2006, wird hin­ge­wie­sen.

Für die Kläge­rin ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

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