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LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.01.2009, 8 Sa 146/08
Schlagworte: | Betriebsübergang | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt | |
Aktenzeichen: | 8 Sa 146/08 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 20.01.2009 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Magdeburg, Urteil vom 4.03.2008, 9 Ca 1894/07 | |
Aktenzeichen:
8 Sa 146/08
9 Ca 1894/07
ArbG
Verkündet am: 20.01.2009
, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Wegen der Berichtigung
siehe Beschluss v. 11.05.2009
,Justizangestellte
LANDESARBEITSGERICHT
SACHSEN-ANHALT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigter:
gegen
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht als Vorsitzenden und den ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter als Beisitzer für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des ArbG vom 04.03.2008 – 9 Ca 1894/07 - teilweise abgeändert und festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten (MVD) seit dem 01.04.2007 ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages der Klägerin mit der VDS GmbH besteht.
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2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin undund die Beklagte je zur Hälfte. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
4. Die Revision wird zugelassen.
TATBESTAND:
Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch darüber, ob das von der … gekündigte Arbeitsverhältnis der Klägerin im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte (ursprüngliche Beklagte zu 2) übergegangen ist.
Die in… geschäftsansässige Beklagte ist ein Unternehmen des-Konzerns. Sie ist Herausgeberin der Tageszeitung „, zu denen der mittwochs und sonntags erscheinende “ gehört. Zur Herstellung dieser Produkte ist die Beklagte mit einer Vielzahl von anderen Unternehmen im Großraum durch Dienstleistungsverträge verbunden. Hierzu gehören konzernangehörige und externe Dienstleister. Im örtlichen Sprachgebrauch wird das Konglomerat als „“ bezeichnet.
Im werden die von der Mediengruppe vertriebenen Druckerzeugnisse in den Produktionsräumen der Beklagten hergestellt (u.a. Druck- und Weiterverarbeitung). Eigentümerin der Produktionsmittel am Standort ist die Beklagte, die auch die Abläufe steuert. Die Beklagte hatte die Weiterverarbeitung von“ für die Auslieferung ursprünglich selbst betrieben und sie nachfolgend auf selbständige Dienstleister übertragen, seit 1996/1997 auf die Firmenbzw. deren Rechtsvorgängerin. Der Geschäftsführer der war zugleich Mitgeschäftsführer der . Die Koordination der Arbeitsabläufe, Produktionspläne und produktionsbezogene Anweisungen im oblagen u. a. der sind auf Initiative und mit Hilfe von Darlehen der Beklagten gegründete Unternehmen. Die besaß für Bankkonten dieser und weiterer Unternehmen der Mediengruppe Vertretungsmacht und war zeichnungsberechtigt (vgl. Anlage K 10, Bl. 117 ff. d.A.).
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Die produktionsbezogenen Abstimmungen erfolgten unternehmensübergreifend über ein letztlich von der Beklagten gesteuertes Kommunikationssystem (vgl. die hierzu ergangenen Entscheidungen des BAG vom 6. April 2006 – 8 AZR 222/04, BAGE 117, 349, vom 19. November 2003 – 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972 und zuletzt vom 13. August 2008 – 7 ABR 21/07, Juris, wo das BAG die personalbezogenen Einsatzplanungen auf der Grundlage der Feststellungen der Vorinstanz als „Vorschläge“ bewertet hat <Rz. 39>). Zumindest im Jahre 2004 bezogen sich die Vorgaben des Geschäftsführers und – teilweise – auch auf Anzahl und Auswahl einzustellender Arbeitnehmer sowie ihre Vergütung und ihren Einsatz (vgl. Anlage K 9, Bl. 125 d.A.).
Für den Weiterverarbeitungsprozess im ist die Weiterverarbeitungsmaschine der Marke F nebst zugehörigen Anlagen von wesentlicher Bedeutung. Sie dient der Bestückung der Zeitungsprodukte mit Beilagen und anderen variablen Bestandteilen. Die Anlagen sind an den Druckbereich online „angedockt“ und werden von der einheitlichen Software des SAP-Programms der Beklagten gesteuert, die für die Zusammenstellung der Produkte, das Versehen mit Beilagen, die Kommissionierung für unterschiedliche Kunden und die Verladung auf die LKW an der Rampe maßgeblich ist. An den -Anlagen sind i. d. R. pro Schicht ca. 4-5 Linienführer, 2-4 Logistiker, 1 Dispatcher/Aufsicht und eine wechselnde Anzahl (0-30) Einleger für die Beilagenbeschickung am so genannten Anleger tätig (vgl. Produktionsablaufschema nebst Schichtplänen, Anlage K 4, Bl. 107-110 d. .A. sowie Sitzungsprotokoll vom 21.10.2008, S. 2, Bl. 295 d. .A.). In der angeschlossenen Kleinpaketfertigung werden bereitgestellte verlagseigene und angelieferte verlagsfremde Objekte für die separate Zustellung entgegen genommen, in ein Regal gelegt, mit einem Packzettel versehen, mit Folie umschlossen und sodann für die jeweilige Tour geordnet. Dies erfolgt abhängig von den Vorgaben von Weiterbearbeitungsmaschine und-System. Dabei werden die von der Beklagten vorgehaltenen Maschinen und Geräte zur Folienverpackung, Umreifung und zum Etikettieren sowie Kommissioniertische, Regale, Transportwagen, Transportbänder, PC und Drucker verwendet.
Nach dem Dienstleistungsvertrag vom 29. März 1999 war von der Beklagten für die im produzierten verlagseigenen Objekte und deren Vorprodukte mit folgenden Dienstleistungen beauftragt (vgl. Anlage B 8 zum Schriftsatz vom 19. Dezember 2008 – Bl. 333 – 355 d.A.):
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a) Kleinpaketfertigung und Postbeutelfertigung
b) Anleger
c) Dispatcher/Aufsicht
d) Paketbildung aus dem Überlauf
e) Belegversand
f) Kommissionierung nach den Vorgaben des Auftraggebers
g) Wartung, Pflege, Instandhaltung der Anlagen zur Kleinpaketfertigung
Wegen der Einzelheiten der Leistungsbeschreibung wird auf die Anlage A zum Vertrag (Bl. 336-338 d.A.) Bezug genommen.
Die so genannte „Linienführung“ und die Logistik des Weiterverarbeitungsprozesses oblag MSB. Im Vertrag zwischen der Beklagten und vom 13. November 2002 werden die geschuldeten Dienstleistungen wie folgt beschrieben (Anlage B 2, Bl. 66-68 d.A.):
a) Linienführung bei der Produktion der Ausgaben der Tageszeitung „Volksstimme“
b) Linienführung bei der Produktion der Ausgaben des Objektes „General-Anzeiger am Sonntag“ und des Objektes „Blickfang“
c) Linienführung bei der Produktion der Ausgaben des Objektes „General-Anzeiger am Mittwoch“ und von Vorprodukten einschließlich der Linienführung der Aufwickelanlagen
d) Logistikertätigkeiten für das Objekt der Tageszeitung, die Anzeigenobjekte und die Vorprodukte (Beilagen und Materialannahme, Ver- und Entsorgungsprozesse, Hilfstätigkeiten)
Mit Vertrag vom gleichen Tage übertrug mit Zustimmung der Beklagten an folgende Dienstleistungen (vgl. Anlage B 4, Bl. 72-75 d. A.):
a) Management- und Beratungsleistungen
b) Logistik-Dienstleistungen auf Anforderung
c) andere von Fall zu Fall zu bestimmende Aufgaben
war neben dem Standort in Barleben auch an anderen Standorten für andere Auftraggeber mit Dienstleistungsaufgaben befasst, so u. a. seit 2003 für die Firma I GmbH und D KG mit Kommissionierungs- und Postbearbeitungsaufgaben.
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Auf der Grundlage der vorgenannten Verträge war mit allen Arbeiten an den Weiterverarbeitungsanlagen und der daran angegliederten Kleinpaketfertigung befasst, soweit die Tätigkeiten nicht von verrichtet wurden. Im Rahmen des Vertrages mit zuletzt regelmäßig Logistikdienstleistungen übertragen.
Die geborene Klägerin war bei mit einer anzurechnenden Betriebszugehörigkeit seit Juli 1997 als „Mitarbeiterin in der Kleinpaketfertigung“ im Umfang von 30 Wochenstunden beschäftigt. Nach Weisung ihrer Arbeitgeberin war sie auch mit anderen Tätigkeiten im Druckzentrum befasst. Spätestens ab dem Jahr 2006 war sie zusätzlich im Rahmen des Dienstleistungsauftrags der eingesetzt.
Im Januar 2007 kündigte die Beklagte die Dienstleistungsverträge mit zum 31. März 2007. Mit Wirkung zum 1. April 2007 übernahm die Beklagte die gesamte Weiterverarbeitung wieder in Eigenregie. Die Produktion setzte sie nahtlos fort. Hierzu bediente sie sich einer Vielzahl von Arbeitnehmern des ebenfalls zur gehörenden Leiharbeitsunternehmens Personalservice . Von diesen Leiharbeitnehmern waren zuvor ca. 30 bei sowie sämtliche Linienführer bei MSB tätig gewesen. Die verbliebenen Beschäftigten von erhielten nicht mehr Zutritt auf das Betriebsgelände des .
stellte die verbliebenen Mitarbeiter, darunter die Klägerin, von der Arbeit frei. Bemühungen um eine Fortsetzung des Dienstleistungsvertrages blieben erfolglos. Mit Schreiben vom 30. Juli 2007, der Klägerin zugegangen am 31. Juli 2007, kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 30. November 2007.
Mit ihrer am 21. August 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung von (vormalige Beklagte zu 1) gewendet und zugleich geltend gemacht, dass ihr Arbeitsverhältnis seit dem 1. April 2007 im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte (vormalige Beklagte zu 2) übergegangen sei. Diese führe die Produktion unverändert fort. Der Identität des Betriebsteils stehe nicht entgegen, dass die Weiterverarbeitung zuvor von zwei Unternehmen unter der Regie der Beklagten und nunmehr von der Beklagten in Eigenregie – mit Hilfe von Leiharbeitnehmern – ausgeführt werde. Die Identität werde bestimmt durch Weiterverarbeitungsmaschine, SAP-Programm, Räumlichkeiten, sonstige Geräte und Maschinen sowie das identische Produkt und Arbeitsergebnis, die den unveränderten Produktionsablauf vorgeben. Die künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Produktionsprozesses auf zwei Dienstleistungsunternehmen und ihre Rückführung auf die Beklagte ließen unter Berücksichtigung aller
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Umstände die wirtschaftliche Identität der betroffenen Betriebsteile nicht entfallen, zumal die Aufspaltung nur durch einen besonders hohen Koordinationsaufwand zur Aufrechterhaltung einer einheitlichen Produktionsleitung praktiziert werden konnte. Identitätsstiftend sei zudem die Weiterbeschäftigung des Personalstamms, wenn auch rechtstechnisch in der Form der Leiharbeit.
Demgegenüber hat die Beklagte einen Betriebsübergang in Abrede gestellt. habe am Standort schon keinen abgrenzbaren Betriebsteil unterhalten. Dafür fehle es an einer auf diesen Standort bezogenen Teilorganisation. habe ca. 200 Arbeitnehmer beschäftigt und weitere Aufträge für Drittunternehmen an anderen Standorten ausgeführt. Am Standort vorwiegend studentische Kräfte aus einem Pool von Arbeitnehmern eingesetzt, der auch für andere Aufträge der gedient habe. Die Einsatzleitung sei vom Sitz der Beklagten in aus wahrgenommen worden.
Unabhängig davon sei ein etwaiger Betriebsteil nicht auf die Beklagte übergegangen, da es an der wirtschaftlichen Identität einer solchen Einheit fehle. Die Klägerin habe im Wesentlichen Hilfsarbeiten im Bereich der Kleinpaketfertigung ausgeführt, auf Abruf auch anderweitige Arbeiten (Logistik/Dispatcher/Ganzeiger). An der Weiterverarbeitungsmaschine habe die Klägerin nicht gearbeitet, erst Recht nicht „mit“ dieser Maschine. Die Weiterverarbeitungsmaschine sei der Tätigkeit der Linienführer der zugeordnet (so BAG vom 6. April 2006 – 8 AZR 222/04, BAGE 117, 349). einen Gemeinschaftsbetrieb geführt. Auch die Übernahme von Personal der Fa könne die Identität eines etwaigen Betriebsteils nicht begründen. Die Beklagte habe lediglich Leiharbeitnehmer der Fa. eingesetzt. Diese beschäftige ca. 300 Leiharbeitnehmer. Von den entliehenen ca. 30 Arbeitnehmern der Fa. PSB, die zuvor für gearbeitet haben, setze die Beklagte nur drei in ihrer bisherigen Tätigkeit ein. Im Übrigen stehe einer Identitätswahrung entgegen, dass die Weiterverarbeitung nunmehr andersartig betrieblich organisiert sei. Anstelle von zwei beauftragten Dienstleistungsunternehmen führe die Beklagte die Weiterverarbeitung selbst und unter einheitlicher Leitung durch. Außerdem setze sie hierfür Leiharbeitnehmer ein. Schließlich fehle es am rechtsgeschäftlichen Übergang eines etwaigen Betriebsteils auf die Beklagte. Diese habe nämlich keine Aufträge neu vergeben, sondern führe die Arbeiten nach Kündigung der bisherigen Aufträge in eigener Regie durch.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. März 2008, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es – soweit zweitinstanzlich von Interesse – ausgeführt, dass die Frage eines Teilbetriebsübergangs von VDS auf die Beklagte dahinstehen könne. Denn die Klägerin habe in jedem Fall ihr Fortsetzungsverlangen gegenüber der Beklagten nicht rechtzeitig geltend gemacht. Dies hätte unverzüglich nach Kenntniserlangung von den tatsächlichen Umständen, die den Betriebsübergang ausmachten, gegenüber dem Erwerber geschehen müssen. Ein Fortsetzungsverlangen mehr als vier Monate nach der Kündigung des Dienstleistungsvertrages könne nicht mehr als unverzüglich angesehen werden.
Gegen das ihr am 13. März 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 11. April 2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 9. Mai 2008 begründet. Die Klägerin stellt klar, dass sich die Berufung nur gegen die Beklagte (frühere Beklagte zu 2) richtet und die Wirksamkeit der Kündigung von VDS nicht mehr angegriffen werde. Sie hält die Geltendmachung des Betriebsübergangs nicht für verspätet. Im Gegensatz zu den vom Arbeitsgericht angeführten Fällen habe sie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis gestanden. Auch habe sie von den maßgeblichen Umständen, die den Betriebsübergang ausgemacht hätten, keine Kenntnis gehabt. Insbesondere fehle es an einem entsprechenden Informationsschreiben gemäß § 613a Abs. 5 BGB. Außerdem habe sie mit der Firma darauf gehofft, dass der Dienstleistungsauftrag doch noch fortgesetzt werde.
Im Übrigen macht die Klägerin weiterhin geltend, dass ein Betriebsteilübergang auf die Beklagte stattgefunden habe. Ieinen organisatorisch abgrenzbaren Betriebsteil unterhalten. Sie habe dort 40 bis 50 Mitarbeiter eingesetzt. Täglich seien acht davon in der Kleinpaketfertigung sowie eine wechselnde Anzahl weiterer Arbeitnehmer (ca. 5 bis 35) in an-deren Bereichen der Weiterverarbeitung (Logistik, Dispatching, Anleger) zum Einsatz gekommen. Der Schwerpunkt der Beschäftigung der Klägerin habe bis zuletzt im gelegen. Ihr Einsatz im Rahmen des Dienstleistungsvertrages zwischen sei nur von zeitlich untergeordnetem Umfang gewesen. Schließlich bestreitet die Klägerin, dass die Beklagte nur drei Leiharbeitnehmer der Firma mit Tätigkeiten beschäftige, mit denen diese zuvor bei befasst waren. Die Klägerin meint, dass es im Rahmen eines substantiierten Bestreitens der Beklagten obliege, den Einsatz der entliehenen PSB-Leiharbeiter im in einzelnen darzulegen.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts vom 4. März 2008 abzuändern, soweit es die Beklagte zu 2 betrifft, und festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten seit dem 1. April 2007 zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages der Klägerin mit VDS vom 26. Juni 1997 und späteren Änderungen besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Das Fortsetzungsverlangen der Klägerin gegenüber der Beklagten sei verwirkt. Zudem fehle es an einem Betriebsübergang. Bei der Fa. habe schon organisatorisch keine abgrenzbare, identitätsfähige betriebliche Teileinheit bestanden. Von einem etwaigen Betriebsteil habe die Beklagte keine identitätsprägenden materiellen oder immateriellen Betriebsmittel übernommen. Die von ausgeführten Aufgaben seien nicht durch sächliche Betriebsmittel geprägt gewesen. Die Ferag-Anlage sei der Tätigkeit der Linienführer der MSB zuzuordnen. Die Arbeitnehmer der hätten nur Hilfsarbeiten daran verrichtet. In der Kleinpaketfertigung kämen nur Maschinen und Geräte von untergeordneter Bedeutung zum Einsatz. Schwerpunkt der Dienstleistung von sei das Vorhalten von Personal gewesen. Das Personal von VDS habe die Beklagte nicht übernommen; auch seien die eingesetzten Leiharbeitnehmer bis auf wenige Ausnahmen nicht mit denselben Tätigkeiten betraut worden, die sie zuvor für im verrichtet hätten. Die Leiharbeitnehmer seien vom Leiharbeitsunternehmen PSB teilweise schon seit Februar 2007 eingestellt worden. Zudem bestehe ein etwaiger vormaliger Betriebsteil der bei der Beklagten deshalb nicht fort, weil bei ihr eine völlig andersartige Organisation errichtet worden sei (Alleinregie über den gesamten Weiterverarbeitungsprozess; Einsatz von Leiharbeitnehmern). Weiterhin fehle es an einem rechtsgeschäftlichen Übergang eines etwaigen Betriebsteils. Schließlich habe weder zwischen noch zwischen und der Beklagten ein gemeinsamer Betrieb bestanden.
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Im Termin zur letzten mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, dass die gesamte Weiterverarbeitung, wie sie von ausgeführt worden sei, zum 1. November 2007 auf das Leiharbeitsunternehmen übergegangen sei. Sämtliche Arbeitnehmer seien übernommen worden. Zum 1. Januar 2008 habe PSB die Kleinpaketfertigung an „ übertragen, wiederum unter Übernahme aller dort Beschäftigten.
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen ver-wiesen. Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen zu Art und Umfang der Tätigkeit der Klägerin im . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. Januar 2009 Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist im Wege des Betriebsübergangs am 1. April 2007 auf die Beklagte übergegangen und besteht dort zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses mit der vormaligen Arbeitgeberin fort. Soweit im Tenor zu Ziff. 2 die Berufung „im Übrigen“ zurückgewiesen worden ist, geschah dies irrtümlich und ist ohne Bedeutung. Die Berufung zielte von Anfang an nur auf die im Tenor zu Ziff. 1 getroffene Feststellung (vgl. Berufungsbegründung vom 24. Juni 2009 unter Ziff. 1).
I.
Die gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsklage ist begründet.
1. Das Klagebegehren ist nicht verwirkt.
a) Allerdings kann die Geltendmachung eines Betriebsübergangs durch den Arbeitnehmer wie jeder andere Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis verwirkt werden. Das ist der Fall, wenn der Anspruchsberechtigte erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment) und dadurch beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen (Umstandsmo-
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ment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (vgl. BAG vom 8. August 2002 – 8 AZR 583/01 – NZA 2003, 315). Die weitere vom Arbeitsgericht angeführte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach der Arbeitnehmer, dem wirksam betriebsbedingt gekündigt worden war, nach Kenntniserlangung von den, den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen sein Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Betriebserwerber „unverzüglich“ geltend zu machen hat (u. a. BAG vom 11. November 1998 – 8 AZR 265/97 – BAGE 90, 153), ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Denn es geht nicht um die Geltendmachung eines Fortsetzungsverlangens nach wirksamer Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sondern um die Geltendmachung eines ungekündigt fortbestehenden Arbeitsverhältnisses, wenn auch aufgrund Betriebsübergangs nunmehr mit einem anderen Arbeitgeber. Hierfür gelten andere Maßstäbe (BAG vom 08. August 2002, a. a. O.).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Klagebegehren nicht als verwirkt. Allerdings ist es der Beklagten erst am 25. August 2007 und damit nahezu fünf Monate nach der Übernahme der Weiterverarbeitung durch die Beklagte (1. April 2007) zugestellt worden. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte selbst nicht ohne Weiteres von einem Übergang des Arbeitsverhältnisses im Wege der Betriebsnachfolge ausgehen musste. Insoweit bestand eine rechtliche Unsicherheit. Auch die Klägerin ging offenbar zunächst davon aus, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht auf die Beklagte übergegangen sei. Denn sie hat das Arbeitsverhältnis zu ihrer vormaligen Arbeitgeberin VDS fortgesetzt, wenn auch unter Freistellung von der Arbeit.
Gleichwohl überwiegt bei Abwägung aller Umstände das Vertrauensschutzinteresse der Beklagten das Interesse der Klägerin an einer Fortsetzung ihres ungekündigten Arbeitsverhältnisses nicht derart, dass der Beklagten die Erfüllung des Anspruchs, hier also die dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, nicht zuzumuten wäre. Ausschlaggebend hierfür ist, dass die Beklagte selbst den Betriebsübergang herbeigeführt hat und somit für die Entstehung der rechtlich unklaren Lage verantwortlich ist. Die Beklagte ist seit vielen Jahren, wie sie selbst zugesteht, bemüht, durch rechtliche und organisatorische Umgestaltungen ihr Unternehmen kostenmäßig zu optimieren. Hierbei wird sie durch eine Reihe von juristischen Ratgebern unterstützt. Das Optimie-
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rungsstreben der Beklagten insbesondere bei der Gestaltung von Betriebs- und Unternehmenszuschnitten geht dabei nicht selten in rechtliche Grenzbereiche, wie die im Tatbestand aufgeführten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts belegen, die allesamt zu rechtlichen Umgestaltungen im Bereich der Mediengruppe Magdeburg ergingen. Bereits von diesem Ausgangspunkt aus kann auf Beklagtenseite nur ein begrenztes Vertrauen darin bestanden haben, dass die streitgegenständlichen unternehmerischen Umgestaltungen keinem Zweifel im Hinblick auf einen möglichen Betriebsübergang unterlägen. Hinzu tritt, dass die Klägerin ganz wesentlich deshalb daran gehindert war, das Fortbestehen ihres Arbeitsverhältnisses gegenüber der Beklagten geltend zu machen, weil die Beklagte es ihrerseits – und sei es in Verkennung der Rechtslage – versäumt hat, die Beschäftigten pflichtgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang zu unterrichten. Eine solche Unterrichtung ist unstreitig unterblieben, zumal sie der Rechtsauffassung der Beklagten widersprochen hätte. Sie liegt insbesondere auch nicht in dem kurzen Anschreiben „Information zum Dienstleisterwechsel“ vom 5. Januar 2007 (Bl. 13 d. A.). Auf der Klageseite fehlte es dagegen schon an ausreichender Kenntnis aller maßgeblichen Umstände, deren Gesamtbetrachtung erst die Feststellung eines Betriebsübergangs ermöglicht (vgl. unten Ziff. 2). Es erscheint dem Berufungsgericht daher nicht angemessen, das Interesse der Beklagten, die den Betriebsübergang zur Optimierung ihrer Unternehmensstruktur durchgeführt hat, die alle Umstände kannte und rechtlich intensiv beraten war sowie ihrerseits die Unterrichtung der Belegschaft versäumte, dem Interesse der Klägerin an dem Fortbestand ihres unbefristeten Arbeitsverhältnisses überzuordnen.
2. Im Streitfall hat am 1. April 2007 ein Teilbetriebsübergang von der auf die Beklagte stattgefunden.
a) Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Der Begriff „wirtschaftliche Einheit“ bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit unter Wahrung ihrer Identität übergegangen ist, sind sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu berücksichtigen. Zu diesen Tatsachen zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang materieller Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren
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Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und die Lieferantenbeziehungen sowie die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit.
Nicht erforderlich ist nach dem Zweck des § 613a BGB, dass ein Rechtsgeschäft unmittelbar zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Bewerber zustande kommt. Ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang kann daher auch dann angenommen werden, wenn er durch eine Reihe von verschiedenen Rechtsgeschäften veranlasst wird. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein mit Bezug auf den Betrieb oder Betriebsteil abgeschlossener Pachtvertrag endet und ein neuer Pächter die wirtschaftliche Einheit übernimmt. Der Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB steht dieser Auslegung nicht entgegen. Für sie spricht der Schutzzweck der Norm, denn dieser besteht in erster Linie darin, die bestehenden Arbeitsplätze zu schützen. Haftungsrechtliche Probleme für den nachfolgenden Pächter können demgegenüber keine durchgreifenden Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 613a Abs. 1 BGB begründen. Auch die Richtlinie 2001/23/EG setzt nicht voraus, dass zwischen Veräußerer und Bewerber unmittelbar vertragliche Beziehungen bestehen. Das Fehlen einer solchen direkten vertraglichen Beziehung kann zwar ein Indiz dafür darstellen, dass ein Übergang im Sinne der Richtlinien nicht erfolgt ist; ihm kommt in diesem Zusammenhang jedoch keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. zu allem BAG vom 21.08.2008 – 8 AZR 201/07, NJW 2009, 391).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die Beklagte von der VDS den Betriebsteil „Weiterverarbeitung“ mit Ausnahme der von MSB betriebenen Linienführung und eines Teils der Logistik übernommen hat.
aa) Die Firma VDS unterhielt am Standort Barleben einen Betriebsteil im Sinne von § 613a Abs. 1 BGB. Ihre Aktivitäten im Druckzentrum B bildeten eine organisatorische Untergliederung ihres Gesamtbetriebes, die innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks der VDS einen Teilzweck verfolgte, nämlich die Mitwirkung im Produktionsprozess der von der Beklagten herausgegebenen Zeitungen gemäß den verschiedenen Dienstleistungsverträgen (vgl. zum eigenen Teilzweck des Betriebsteils BAG vom
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24. April 1997 – 8 AZR 848/94, NZA 1998, 253). Im Zeitpunkt der Kündigung des Dienstleistungsvertrages war VDS bereits seit ca. 10 Jahren mit im Wesentlichen unveränderten Tätigkeiten im Druckzentrum Barleben mit einem Abschnitt der Zeitungsproduktion befasst. Die Wertschöpfung dort wurde in einem komplexen räumlich, zeitlich und organisatorisch nur dort bestehenden Funktionszusammenhang von Standort, Anlagen, Maschinen, Geräten, Produkten und softwaregesteuerten Arbeitsabläufen erbracht.
Angesichts dieser Umstände steht der Annahme einer abgrenzbaren betrieblichen Einheit nicht entgegen, dass die dort eingesetzten Arbeitnehmer sich zum Teil aus einem „Pool“ von Arbeitnehmern rekrutierten, die auch anderweitig eingesetzt wurden. Eine betriebliche Teileinheit iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfordert nicht, dass die dort beschäftigten Arbeitnehmer nur in diesem Betriebsteil eingesetzt werden. Angesichts des komplexen Funktionszusammenhangs von Standort, Anlagen, Maschinen, Geräten, Produkten und softwaregesteuerten Arbeitsabläufen kommt dem Merkmal eines feststehenden Kreises von ausschließlich dort eingesetzten Mitarbeitern in diesem Zusammenhang keine bestimmende Bedeutung zu. Einer abgrenzbaren betrieblichen Teileinheit steht auch nicht entgegen, dass die Einsätze der Arbeitnehmer im Druckzentrum Barleben nach dem Vortrag der Beklagten vom Betriebssitz der aus erfolgten. Die gegebenenfalls von dort ergehenden Weisungen bezogen sich nämlich auf die betrieblichen Aktivitäten der Beklagten im Druckzentrum Barleben und damit auf eine abgrenzbare Betriebseinheit.
bb) Der Betriebszweck der an diesem Standort war nicht lediglich auf die Ausführung eines Auftrages oder die Ausübung einer Funktion gerichtet, welche die Beklagte im Jahre 1996/1997 „outgesourced“ und nunmehr im Wege der Kündigung des Dienstleistungsvertrages wieder „ingesourced“ hätte. Vielmehr erfüllen die übertragenen und nunmehr rückübertragenen Aufgaben in der Gesamtschau der Funktionszusammenhänge, Betriebsmittel und sonstigen Umstände zur Überzeugung des Berufungsgerichts die Anforderungen an einen über die bloße Funktionsausübung hinausgehenden substantiellen Betriebsteil iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Hiefür spricht bereits der oben unter aa) festgestellte komplexe räumliche, zeitliche und organisatorische Zusammenhang der sächlichen Betriebsmittel und der zu erbringenden Arbeiten. Die Aufgaben im Bereich Kleinpaketfertigung, Logistik, Dispatching/Aufsicht, Einleger etc.
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waren dauerhaft eingebettet in den fortlaufenden Produktionsprozess der Beklagten in festen Produktionsräumen mit zugeordneten Betriebsmitteln.
Der Betriebszweck des Betriebsteils bestand entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich darin, „an“ den überlassenen Betriebsmitteln sekundäre Dienstleistungen zu erbringen, wie es etwa bei Reinigung, Wartung, Bewachung, Facility Management etc. in Bezug auf anderweitigen Zwecken dienende sächliche Betriebsmittel oder Gebäude der Fall ist. Vielmehr war der Betriebszweck gerade auch darauf gerichtet, „mit“ den überlassenen bzw. vorhandenen Maschinen im Rahmen ihrer primären Zweckbestimmung gleichgerichtet mit den weiteren im Druckzentrum tätigen Unternehmen am Produktionsprozess der Zeitungen mitzuwirken. Die überlassenen Betriebsmittel bildeten eine vollständige betriebliche Infrastruktur, in deren Zweckbestimmung – an der Fertigstellung der Produkte teilnahm.
Betriebszweck war auch nicht die bloße Personalgestellung, wie die Beklagte zunächst geltend gemacht hat. Dagegen spricht der Inhalt der Dienstleistungsverträge, wonach Vertragsgegenstand nicht die Personalgestellung, sondern konkret bezeichnete Dienstleistungen gemäß Leistungsbeschreibung „in alleiniger Verantwortung“ waren. Auch die Parteien haben zuletzt übereinstimmend eine solche Sicht verworfen. Sollte ein solcher Fall dennoch vorgelegen haben, wäre die Beklagte im Übrigen gemäß §§ 9, 10 AÜG Arbeitgeberin der Klägerin geworden, nämlich als Entleiherin von Arbeitnehmern eines nicht konzernangehörigen Unternehmens, das gewerbsmäßig ohne Erlaubnis nach § 1 AÜG Arbeitnehmer verleiht.
cc) Die identitätsbestimmenden Merkmale dieser betrieblichen Teileinheit bestanden in der vom Dienstleistungsvertrag festgelegten Einbettung in einen vorgegebenen komplexen Produktionsablauf mit vorhandener, stark durch materielle Betriebsmittel geprägter Infrastruktur zur Herstellung der Zeitungsprodukte. Dabei waren die Mitarbeiter der VDS überwiegend unmittelbar an den Ferag-Anlagen eingesetzt. Dies gilt für die Logistiker wie für die Einleger und die Aufsichten/Dispatcher. Diese Tätigkeiten waren – wie oben ausgeführt – darauf gerichtet, am eigentlichen Wertschöpfungsprozess der Anlagen mitzuwirken. Ohne die genannten Tätigkeiten konnten diese zu keinem Zeitpunkt ihre Funktion erfüllen. Weiterhin sind prägend für den Betriebsteil der VDS die für alle Tätigkeiten im Druckzentrum Barleben bindenden Vorgaben der
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Software des SAP-Programms. Diese bestimmen den Takt und die Geschwindigkeit und die einzelnen Inhalte der Tätigkeiten. Kennzeichnend für den Betriebsteil sind ferner die notwendige räumliche Anbindung an das und die dort befindlichen Fertigungsstraßen zwischen Druck und Rampe sowie die bestehenden organisatorischen Vorgaben. In Anbetracht dieser Umstände kann von einem betriebsmittelarmen Betriebsteil nicht die Rede sein. Die Ferag-Anlage war ebenso den Logistikern, Einlegern und Aufsichten/Dispatchern der zugeordnet wie den Linienführern der . Alle Arbeiten waren im Rahmen des von der Maschine vorgegebenen Produktionsprozesses „an“ und „mit“ den Anlagen im Rahmen deren Zweckbestimmung zu erbringen.
Auch die Kleinpaketfertigung war durch Maschinen und Geräte sowie die Anbindung an das elektronische und das manuelle Laufband sowie insbesondere auch die Software des SAP-Systems, die für die einzelnen Arbeitsschritte unverzichtbar war, in erheblichem Maße durch sächliche Betriebsmittel gekennzeichnet. Die Kleinpaketfertigung bildete überdies mit den weiteren betrieblichen Tätigkeiten von VDS am Standort Barleben eine Einheit. Dies kommt sowohl in dem einheitlichen Dienstleistungsvertrag als auch in der praktischen Handhabung zum Ausdruck. Unstreitig wurden nach Weisung von VDS Arbeitnehmer sowohl in der Kleinpaketfertigung als auch im Bereich Logistik, Dispatching/Aufsicht eingesetzt, auch wenn sich im Laufe der Zeit Einsatzschwerpunkte für die jeweiligen Mitarbeiter herausbildeten.
dd) Sämtliche der vorgenannten identitätsbestimmenden Merkmale des Betriebsteils sind nach Kündigung des Dienstleistungsvertrages auf die Beklagte übergegangen. Es wird die gleiche Arbeit am selben Ort für dasselbe Produkt mit denselben Maschinen, derselben Software und im Wesentlichen derselben Arbeitsorganisation verrichtet und an der Herstellung der Produkte in unveränderter Weise mitgewirkt. Nach unstreitigem Vortrag sind die Tätigkeiten der dort nachfolgend eingesetzten Leiharbeitnehmer die gleichen Tätigkeiten, wie sie die von dort eingesetzten Arbeitnehmer verrichtet hatten. Die Beklagte hat den Betrieb nahtlos ohne Unterbrechung fortgesetzt. Sie hat zudem unstreitig auch einen Großteil der Arbeitnehmer der vormaligen Betriebsinhaberin eingesetzt, wenn auch – nach dem wenig substantiierten Vorbringen der Beklagten, auf dessen weitere Klärung es jedoch nicht ankam – möglicherweise nicht mit denselben Tätigkeiten. Soweit die Beklagte Führungspersonal der nicht übernommen hat, steht dies der Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit
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nicht entgegen. Das Führungspersonal war für die Identität angesichts der sonstigen kennzeichnenden Betriebsmerkmale nicht bestimmend. Es handelt sich zudem durchweg um gleich bleibende Anlerntätigkeiten (vgl. BAG vom 6. April 2006 – 8 AZR 222/04, aaO, zu den Linienführern), die überdies auch zuvor bereits durch die Beklagte und ihre vertraglich gebundene Dienstleisterin PIT produktionstechnisch koordiniert wurde.
ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Identitätswahrung der wirtschaftlichen Einheit auch nicht entgegen, dass die Beklagte nach Beendigung der Verträge mit deren Aufgaben in veränderter organisatorischer Struktur, nämlich allein und unter Einsatz von Leiharbeitnehmern ausgeführt hat. Durch diese Änderungen hat sich weder nach außen noch in den organisatorischen Einzelabläufen des Betriebes bis hin zu den einzelnen von den Arbeitnehmern verrichteten Tätigkeiten Wesentliches geändert. Zum einen hatte die Beklagte bereits zuvor produktionstechnisch den Betriebsablauf im Bereich der Weiterverarbeitung faktisch bestimmt, nämlich unter anderem durch die Vorgaben des SAP-Programms und der Ferag-Weiterverarbeitungsmaschine sowie durch die von ihr mit Koordinationsaufgaben be-auftragte PIT. Dies galt für sämtliche Tätigkeiten im Bereich der Weiterverarbeitung. Zum anderen ist der rechtstechnische Wechsel von Arbeitnehmern zu Leiharbeitnehmern für die wirtschaftliche Identität des Betriebes weitgehend ohne Belang, da es sich in beiden Fällen um weisungsabhängige und fremdbestimmte Tätigkeit handelt.
Im Übrigen ist das Fortbestehen einer unveränderten organisatorischen Selbständigkeit und Struktur des Betriebsteils beim Erwerber keineswegs unverzichtbare Voraussetzung für die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit. Dies würde dazu führen, dass § 613a BGB wie auch die zugrunde liegende Betriebsübergangsrichtlinie 21/23/EG allein deshalb ausgeschlossen wären, weil sich der Erwerber entschließt, den erworbenen Unternehmens- oder Betriebsteil aufzulösen und in seine eigene Struktur einzugliedern, und so den Arbeitnehmern der von diesen Bestimmungen gewährte Schutz vorenthalten würde. Demgemäß hat der EuGH in seinem Urteil vom 12.02.2009 (C-466/07) entschieden, dass Artikel 1 Abs. 1 Buchstabe a und b der Richtlinie 2100/23/EG dahin auszulegen sei, dass diese (dem § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechende) Vorschrift auch dann angewandt werden kann, wenn der übertragene Unternehmens- oder Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit nicht
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bewahrt, sofern nur die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten wird und sie es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Letzteres ist unbezweifelbar im vorliegenden Fall gegeben. Damit kommt dem Umstand, dass die Produktionsabläufe in der Weiterverarbeitung vormals von zwei und ab dem 1. April 2007 von nur noch einem Unternehmen, der Beklagten, sowie unter Rückgriff auf Leiharbeitnehmer durchgeführt werden, keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
ff) Schließlich ist der Betriebsteil der auch im Rahmen eines Rechtsgeschäfts auf die Beklagte übergegangen. Ebenso wie der ursprünglich bei der Beklagten selbst angesiedelte Betriebsteil durch den Dienstleistungsvertrag auf übertragen worden war, ist er mit der Kündigung des Dienstleistungsvertrages und damit aufgrund eines Rechtsgeschäftes an die Beklagte zurückgefallen. Dass es sich bei der Kündigung des Dienstleistungsvertrages um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt, ist unschädlich, zumal die Kündigung als actus contrarius den Dienstleistungsvertrag beendete.
3. Die Klägerin war dem Betriebsteil der im Druckzentrum B zugeordnet. Ihr Arbeitsverhältnis ist daher gemäß § 613a Abs. 1 BGB zusammen mit dem Betriebsteil auf die Beklagte übergegangen.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hatte seinen Schwerpunkt in dem übergegangenen Betriebsteil. Dort war die Klägerin ganz überwiegend tätig. Dies hat die Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung ergeben. Gemäß § 1 ihres Arbeitsvertrages vom 26.06.1997 war die Klägerin als Mitarbeiterin in der Kleinpaketfertigung in B beschäftigt. Sie hatte sich gemäß § 1 Abs. 2 bereit erklärt, auch andere Zusatzaufgaben zu übernehmen. Als wöchentliche Arbeitszeit waren 30 Stunden vereinbart. Der mit der Beklagten durch eine Reihe von Rechtsstreiten verbundene Zeuge H hat bekundet, dass die Klägerin bis zuletzt im Rahmen dieses Arbeitsvertrages mit unveränderter Stundenzahl im Druckzentrum B eingesetzt war. Die erst viele Jahre später aufgenommene Tätigkeit im Rahmen des Dienstleistungsvertrages zwisch habe die Klägerin zusätzlich zu ihrer Tätigkeit in B ausgeübt und letztere in bisherigem Umfang fortgeführt. Der Zeuge gab an, dass er den Umfang der auf den Auftrag DDE entfallenden Tätigkeit der Klägerin auf 20 bis 30 % ihrer Gesamt-
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arbeitszeit schätze. Dies dürfte mit der auf 30 Wochenstunden für B vereinbarten Arbeitszeit in Einklang stehen. Als Geschäftsführer der wird der Zeuge H zu den gemachten Angaben aus eigener Kenntnis in der Lage gewesen sein. Auch die Aussage des von der Beklagten benannten Zeugen B, der als ungelernter Logistiker und Dispatcher im begonnen hat und nunmehr Geschäftsführer einer der Firmen der Mediengruppe Magdeburg ist, bestätigt, dass die Klägerin überwiegend dort eingesetzt war. Der Zeuge gab an, dass die Klägerin im Wechsel mit einer Kollegin sechs Tage in der Kleinpaketfertigung und drei Tage in der Postbearbeitung „der Beklagten“ tätig gewesen sei, womit er offenkundig die Postbearbeitung der für die Firma meinte. Die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen sind glaubhaft, da sie mit sämtlichen unstreitigen Tatsachen übereinstimmen und gegenteilige Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind. Die Zeugen sind insoweit auch glaubwürdig, zumal sie im entscheidenden Punkt übereinstimmten, obwohl beide eine entgegensetzte persönliche Interessenlage in Bezug auf den Gegenstand des Rechtsstreits haben.
4. Etwaige nachfolgende, von der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung erwähnte Betriebsübergänge in der Weiterverarbeitung zum 1. November 2007 und 1. Januar 2008 haben keine Auswirkung auf die hier getroffene Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB werden von einem Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang nur die dort beschäftigten Arbeitnehmer erfasst. Hierzu gehört die Klägerin nicht, da sie seit April 2004 nicht in diesem Betriebsteil beschäftigt war und diesem durch die Beklagte selbst zu keinem Zeitpunkt zugeordnet worden ist.
Das Vorbringen der Beklagten zu den nachfolgenden Betriebsübergängen war im Übrigen verspätet und deshalb nicht mehr zuzulassen, da es den Rechtsstreit wegen der Notwendigkeit einer Erklärungsfrist für den Gegner nebst etwaiger ergänzender Substantiierung und Beweisaufnahme verzögert hätte, § 67 Abs. Abs. 4 ArbGG. Entschuldigungsgründe dafür, das seit mehr als einem Jahr bekannte Vorbringen erstmals in der letzten (und bereits zweiten) mündlichen Verhandlung zweiter Instanz vorzutragen, sind nicht ersichtlich.
5. Nach alledem konnte dahinstehen, ob und/oder der Beklagten einen gemeinsamen Betrieb gebildet hatte. Auch wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte die Beklagte den
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vormaligen Gemeinschaftsbetrieb als Nachfolgerin in Alleinstellung rechtsgeschäftlich übernommen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wäre auf sie übergegangen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Revision einlegen.
Die Revisionsschrift muss innerhalb eines Monats, die Revisionsbegründungsschrift innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils bei dem
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
eingehen. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Vor dem Bundesarbeitsgericht sind außer Rechtsanwälten auch Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgeberverbänden sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder als Bevollmächtigte vertretungsbefugt. Als Bevollmächtigte zugelassen sind auch juristische Personen, die die Voraussetzung gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 5 ArbGG erfüllen. Die handelnden Personen müssen die Befähigung zum Richteramt haben.
Die Revisionsschrift, die Revisionsbegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Revisionsverfahren sollen 7-fach – für jeden weiteren Beteiligten ein Exemplar mehr – eingereicht werden.
Auf die Möglichkeit der Einreichung elektronischer Dokumente beim Bundesarbeitsgericht nach § 46 b ArbGG i.V.m. den besonderen Voraussetzungen nach der VO über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09. März 2006, BG-Blätter 2006 Teil I Nr. 12, ausgegeben zu Bonn am 15. März 2006, wird hingewiesen.
Für die Klägerin ist kein Rechtsmittel gegeben.
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