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LAG München, Urteil vom 25.07.2013, 4 Sa 166/13
Schlagworte: | Tarifvertrag: Differenzierungsklausel, Differenzierungsklausel | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht München | |
Aktenzeichen: | 4 Sa 166/13 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 25.07.2013 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht München, Urteil vom 22.01.2013, 25 Ca 8656/12 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.04.2015, 4 AZR 796/13 |
|
4 Sa 166/13
25 Ca 8656/12
(ArbG München)
Verkündet am: 25.07.2013
Kübler
Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht München
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
A.
A-Straße, A-Stadt
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B.
B-Straße, A-Stadt
gegen
1. Firma C. mbH
C-Straße, A-Stadt
- Beklagte zu 1 und Berufungsbeklagte zu 1 -
2. Firma E. GmbH & Co. KG
C-Straße, A-Stadt
- Beklagte zu 2 und Berufungsbeklagte zu 2 -
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Prozessbevollmächtigte zu 1-2:
Rechtsanwälte D.
D-Straße, A-Stadt
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie die ehrenamtliche Richterin Bauer und den ehrenamtlichen Richter Lerchl
für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 22. Januar 2013 - 25 Ca 8656/12 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin als ehemaliger Arbeitnehmerin der Beklagten zu 2 und jetziger Arbeitnehmerin der Beklagten zu 1 als Transfergesellschaft auf Zahlung einer höheren Abfindung und höheres Transferentgelt - auch dessen nähere Berechnung - im Zusammenhang mit den Regelungen von Sozialtarifverträgen.
Die Klägerin war ab 15.08.1988 bei der Firma F. AG in A-Stadt und sodann bei der Firma E. - der Beklagten zu 2 des vorliegenden Verfahrens und Rechtsnachfolgerin des entsprechenden Unternehmensteils der Firma F. AG - mit einer Vergütung von zuletzt 6.962,-- € brutto/Monat beschäftigt.
Im Zusammenhang mit einer grundlegenden betrieblichen bzw. Unternehmensumstrukturierung schlossen die Firma E. - die hiesige Beklagte zu 2 -einerseits und die IG Metall, Bezirksleitung Bayern, andererseits unter dem Datum des 04.04.2012 einen
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„Transfer- und Sozialtarifvertrag“ (etwa: Anlage K2, Bl. 21 - Bl. 28 d. A.), durch den u.a. der Wechsel von der Entlassung bedrohten Beschäftigten dieses Unternehmens in die „Transfergesellschaft der Firma F. AG“ - bzw. die Firma C. als hiesige Beklagte zu 1 - als betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) gemäß § 216 b SGB III mittels dreiseitigen Vertrages geregelt wurde und umfangreich auf den Inhalt einer Kooperationsvereinbarung mit der IG Metall hinsichtlich der Beauftragung der Transfergesellschaft und der für den Wechsel in diese vorgesehenen dreiseitigen Verträge, auch auf Altersteilzeitverträge Bezug genommen ist. Weiter sind in diesem Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 Ansprüche der auf der Grundlage von dreiseitigen Verträgen in die Transfergesellschaft - hiesige Beklagte zu 1 - wechselnden Arbeitnehmer auf Zahlung eines beE-Entgelts von 70 % ihres bisherigen Bruttomonatseinkommens - berechnet als 13,5-faches des bisherigen individuellen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch 12, unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - und einer Abfindung von zwei bis zwölf Monatsgehältern (letzteres für bereits vor dem 01.04.2007 bei der Beklagten zu 2 bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigte Arbeitnehmer), mit einem Abfindungshöchstbetrag von 110.000,-- € (bzw. einer weiteren Einschränkung für Beschäftigte ab dem 63. Lebensjahr), u.a. geregelt. Ebenfalls unter dem 04.04.2012 schlossen dieselben Tarifvertragsparteien - die Firma E. GmbH und Co. KG als hiesige Beklagte zu 2 und die IG Metall, Bezirksleitung Bayern - einen zusätzlichen „Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag“ (etwa: Anlage K3, Bl. 29/30 d. A.), der hinsichtlich seines persönlichen Geltungsbereiches festlegt, dass dieser „für alle Beschäftigten (gilt), die bis einschließlich 23.03.2012, 12:00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind …“. Nach letzterem Tarifvertrag ist in „Ergänzung zu den Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse“ bestimmt, dass die hierunter fallenden Arbeitnehmer - Gewerkschaftsmitglieder - „ein BeE-Monatsentgelt von monatlich 80 % ihres Bruttoeinkommens“ erhalten sollten sowie „als weiteren Bestandteil der Abfindung nach § 7 des Transfer- und Sozialtarifvertrages € 10.000,-- unabhängig vom Zeitpunkt ihres Unternehmenseintritts. Für diese Beschäftigten gilt ein Höchstbetrag von € 120.000,--“.
Ebenfalls unter dem 04.04.2012 schlossen die Firma E. - hiesige Beklagte zu 2 - und der Betriebsrat des Betriebes A-Stadt, dieses Unternehmens einen Interessenausgleich (Anlage B4, Bl. 182 - Bl. 186 d. A.), der u.a. die Gründung von vier neuen Unternehmen/Gesellschaften als Rechtsnachfolgerinnen einzelner betroffener Unternehmensbereiche der Beklagten zu 2 und die Überleitung von, dort in Bezug genommenen, in „po-
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sitiven Namenslisten“ gemäß Anlage im Einzelnen aufgeführten, Beschäftigten sowie, als weitere Anlage (6), eine Namensliste im Sinn des § 1 Abs. 5 KSchG als Bestandteil dieses Interessenausgleichs beinhaltet. Unter der Überschrift „Sozialplan“ ist dort auch bestimmt:
„Der Betriebsrat und das Unternehmen stimmen dahingehend überein, dass ein gesonderter Sozialplan nicht aufgestellt wird, weil in dem als
- Anlage 7 -
bezeichneten Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 Regelungen zur Milderung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen enthalten sind, die beide Betriebsparteien als Ausgleichsmaßnahmen i.S.d. § 112 BetrVG anerkennen und die sie für alle betroffenen Beschäftigten abschließend übernehmen. Zur Klarstellung: Mitarbeiter die dem im Ziffer 2 genannten Betriebsübergang auf die aufnehmenden Gesellschaften widersprechen, erhalten kein Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft und auch keine Abfindung. Mitarbeiter, deren Namen in Anlage 6 genannt sind und die das Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft nicht annehmen, erhalten ebenfalls keine Abfindung. …“
Darüber hinaus ist hier auf das Inkrafttreten der Transferlösung gemäß der entsprechenden Tarifverträge und das dort enthaltene personelle Quorum Bezug genommen.
Mit dreiseitigem Vertrag ebenfalls vom 04.04.2012 (Bl. 403 – Bl. 407/Rückseite d. A.) zwischen der Klägerin und beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der hiesigen Beklagten zu 2 „aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 30.04.2012“ ohne Kündigung beendet, wobei die Klägerin gleichzeitig unmittelbar, zum 01.05.2012, in die Firma C. - hiesige Beklagte zu 1 - wechselte. Dort ist wiederum unter Bezugnahme auf die einschlägigen Regelungen des Transfer- und Sozialtarifvertrages sowie des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrages jeweils vom 04.04.2012 auch auf die entsprechenden Abfindungsansprüche hieraus verwiesen, im Rahmen flankierender Bestimmungen hierzu weiter auf den Inhalt eines „Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnisses“ mit der Beklagten zu 1 des vorliegenden Verfahrens und die gegenseitigen Rechte und Pflichten dieser Parteien hieraus, sowie, wiederum unter Bezugnahme auf die einschlägigen Regelungen des Transfer- und Sozialtarifvertrages
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und des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrages gleichen Datums, auf die dort bestehenden Vergütungsansprüche in Höhe von 70 % bzw., bei Anwendbarkeit des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrages, von 80 % des „BruttoMonatsEinkommens“. Abschließend ist dort in Abschnitt C: Allgemeine Regelungen festgehalten, dass bei der Transfergesellschaft - hiesige Beklagte zu 1 - „keine tarifvertraglichen Regelungen“ gelten sowie „mit Abschluss der vorliegenden Vereinbarung … sämtliche Ansprüche und Rechte der Parteien aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis sowie dessen Beendigung abgegolten und erledigt (sind), soweit ein Verzicht hierauf rechtlich zulässig ist …“ (dort Ziffern 3.1 und 4.1).
Die gemäß der Schiedsregelung in § 8 des Transfer- und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 angerufene Tarifschiedsstelle wies mit Schiedsspruch vom 14.12.2012 (Anlage B8, Bl. 199 – 207 d. A.) die dort gestellten Anträge der IG Metall, dass der Transfer- und Sozialtarifvertrag eine Regelung enthalte, die den Beschäftigten auch für die Zeit des Bezuges von Kurzarbeitergeld eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 70 % bzw. von 80 % des 13,5-fachen des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch 12 zusage, unter Verweis darauf zurück, dass die von der Transfergesellschaft - der Beklagten zu 1 des vorliegenden Verfahrens - erfolgten Abrechnungen - während der Zahlung von KuG durch die Bundesagentur für Arbeit durch die Beklagte zu 1 dessen Vergleich mit dem zuvor ermittelten Prozentsatz des jeweiligen individuellen Nettogehaltes des Arbeitnehmers und danach Bruttobetrags-Hochrechnung der entsprechenden Nettodifferenz … - so zutreffend seien.
Die Klägerin war im Zeitraum von Juli 2012 (bis Januar 2013) Mitglied der IG Metall. Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin geltend, dass sie ebenfalls Anspruch auf Aufstockung ihrer Abfindung um 10.000,-- € sowie die Zahlung eines beE-Entgelts von 80 % ihres BruttoMonatsEinkommens entsprechend den Regelungen im Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 sowie weiter auf ergänzende Berechnung ihres beE-Entgelts entgegen der Auffassung der Tarifschiedsstelle habe.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichtes A-Stadt vom 22.01.2013, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28.01.2013 zugestellt wurde, - der die maßgeblichen insbesondere tarifvertraglichen Rechtsgrundlagen zum Teil in vollem Wort-
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laut zitiert - Bezug genommen, mit dem dieses die Klage insgesamt mit der Begründung abgewiesen hat, dass sich ein Anspruch der Klägerin auf höhere Vergütung und höhere Abfindung nicht aus dem Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag ergebe - die Klägerin sei zum dort festgelegten Stichtag 23.03.2012 unstreitig kein Mitglied der IG Metall gewesen, wobei die Wirksamkeit dieser Stichtagsregelung dahinstehen könne, da auch bei deren Unwirksamkeit kein Anspruch der Klägerin bestehen würde: In diesem Fall einer dann bestehenden „Tarifvertragslücke“ könnte diese hier nicht dadurch geschlossen werden, dass an die Stelle der beanstandeten Regelung eine neue Bestimmung treten würde, die sich ohne Stichtagsbezug auf sämtliche IG Metall-Mitglieder unter den Beschäftigten der Beklagten erstreckte. Der Anspruch der Klagepartei lasse sich auch nicht auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen, da sich, wiederum unabhängig von der Rechtfertigung der vorliegenden Differenzierung zwischen Gewerkschafts- und Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern, auch im Falle der Feststellung der Unwirksamkeit der einschlägigen Tarifregelung deswegen kein Anspruch der Klagepartei ergeben würde, weil sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes allein aus der Befolgung eines etwa unwirksamen Normbefehls durch den Arbeitgeber keine Pflicht zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer ergeben würde. Ebenso wenig könne der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz in § 75 Abs. 1 BetrVG irgendwelche Ansprüche der Klagepartei begründen, da bereits kein von den Betriebsparteien geschlossener Sozialplan vorliege, und im Übrigen der im Interessenausgleich vom 04.04.2012 anerkannte Transfer- und Sozialtarifvertrag selbst keine Differenzierung enthalte - diese vielmehr erst durch den Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag vorgenommen werde, welcher von den Betriebsparteien dort gerade nicht anerkannt worden sei. Die von der Beklagten zu 1 vorgenommene Berechnung der der Klägerin zustehenden Transfer-Bezüge sei zutreffend, da nach Gewerkschaftsbeitritt der Spruch der Tarifschiedsstelle vom 14.12.2012 für sie bindend und im Übrigen die dortige Auslegung zutreffend seien, da durch die tarifvertraglichen Regelungen kein Bruttoentgelt von 70 %, sondern ein entsprechendes beE-Monatsentgelt geregelt sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.02.2013, am 28.02.2013 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung diese nach auf ihren Antrag erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 29.04.2013 mit, am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangenem, Schriftsatz dieses Datums ausgeführt
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haben, dass die Beklagte zu 2 im Zeitraum November 2011 bis Januar 2012 die Schließung ihres Betriebes in A-Stadt G-Straße geplant und in der Folge Verhandlungen mit dem dortigen Betriebsrat und der IG Metall geführt habe, als deren Ergebnis vereinbart worden sei, dass dieser Standort geschlossen werde, jedoch 2.000 Arbeitnehmer in vier Folgegesellschaften weiterbeschäftigt und weitere 1.600 Arbeitnehmer das Angebot zum Abschluss eines dreiseitigen Vertrages zum Wechsel in eine Transfergesellschaft - die hiesige Beklagte zu 1 - erhalten würden. In diesem Zusammenhang seien der Transfer- und Sozialtarifvertrag, der Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag sowie der Interessenausgleich jeweils vom 04.04.2012 geschlossen worden. Das Arbeitsgericht habe der Klägerin zu Unrecht weder einen Anspruch auf weitere Abfindung in Höhe von 10.000,-- € gegenüber der Beklagten zu 2 noch einen solchen auf Zahlung einer um 10 % erhöhten monatlichen Bruttovergütung während des Transferarbeitsverhältnisses seitens der Beklagten zu 1 zugesprochen. Diese Ansprüche gründeten sich auf eine Verletzung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß § 75 BetrVG durch die Betriebsparteien, mit der notwendigen Rechtsfolge einer „Anpassung nach oben“. Die Regelungen im Interessenausgleich stellten bereits einen eigenständigen Sozialplan der Betriebsparteien dar. Dort habe man sich für eine Übernahme des Inhalts des Tarifvertrages als betrieblichen Sozialplans entschieden und lediglich von einer gesonderten formalen Abfassung eines Sozialplandokuments abgesehen. Der Sozialplan vom 04.04.2012 verletze den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, als der Tarifvertrag hierdurch eben nicht „abschließend“ auf alle betroffenen Beschäftigten angewendet werde, wie der Sozialplan vom 04.04.2012 vorgebe. Andernfalls hätten die Betriebsparteien geregelt, den tariflichen Sozialplan für alle betroffenen Beschäftigten „abschließend“ zu übernehmen, was sie verpflichtet hätte, die Regelungen des Tarifvertrages einheitlich auf alle betroffenen Mitarbeiter anzuwenden. In beiden Fällen jedoch hätten die Betriebsparteien Gewerkschaftsmitglieder und sog. Außenseiter bzw. nach dem Stichtag 23.03.2012 der Gewerkschaft beigetretene Mitglieder unterschiedlich behandelt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund bestanden habe. Die Abfindung solle einen finanziellen Puffer für die Zeit der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz schaffen, welche für Gewerkschaftsmitglieder und Nichtorganisierte regelmäßig gleich lang sei. Gleiches gelte für die um 10 % höhere Vergütung für IG Metall-Mitglieder in der Transfergesellschaft. Sachlich sei dies kein Finanzierungskriterium und könne kein „Abkaufen“ tariflichen Sonderkündigungsschutzes rechtfertigen, da auch zahlreiche Nichtgewerkschaftsmitglieder aufgrund
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arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln den Sonderkündigungsschutz nach dem Manteltarifvertrag der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie genießen würden. Deshalb könne gar nicht das Bedürfnis bestanden haben, Gewerkschaftsmitgliedern einen Sonderkündigungsschutz abzukaufen, wie von den Beklagten behauptet. Die Klägerin erleide eine weitere unzulässige Einbuße durch die ungleiche Gestaltung der Abfindungssummen, da das für Gewerkschaftsmitglieder zur Verfügung gestellte Verteilungsvolumen faktisch von der den Betriebsparteien zur Verfügung stehenden Gesamtverteilungsmasse abgezogen werde, was unzulässig sei. Auch würde die gewählte Höhe der Differenzierung - weitere 10 % Bruttolohn und zusätzliche Abfindung von 10.000,00 € - gegen § 75 BetrVG, der ebenfalls dem Schutz des Nicht-Gewerkschaftsmitglieds diene, verstoßen. Das Arbeitsgericht hätte ebenso wenig von einer Stellungnahme zur Frage eines Verstoßes der vorliegenden Regelungen gemäß Art. 9 Abs. 3 GG absehen dürfen. Die Bevorzugung von Mitgliedern der IG Metall im dreiseitigen Vertrag vom 04.04.2012 verletze diese Bestimmung im Form der negativen Koalitionsfreiheit, die nicht nur einen Beitrittsdruck, sondern es den Tarifvertragparteien insgesamt verbiete, den Außenseiter gegen seinen Willen der Geltung des Tarifvertrages zu unterwerfen. Die vorliegende finanzielle Besserstellung der Gewerkschaftsmitglieder sei erheblich und vom natürlichen Beitrittswettbewerb der Gewerkschaften nicht mehr gedeckt. Würde ein solches Vorgehen in einem Tarifsozialplan zugelassen, wäre dies für einen wirtschaftlich denkenden Arbeitnehmer nicht nur ein Anreiz, sondern ein faktischer Zwang, bei langfristiger Betrachtungsweise als Quasi-Versicherung gegen den Arbeitsplatzverlust unabhängig von der eigenen Überzeugung in die Gewerkschaft einzutreten. Die Stichtagsregelung im Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Folge dieser Verstöße gegen § 75 BetrVG und Art. 9 GG sei die Anpassung „nach oben“, also die Gewährung von Leistungen an die Klägerin wie an organisierte Beschäftigte. Das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft auch das Vorliegen einer Bruttolohnabrede im dreiseitigen Vertrag vom 04.04.2012 verneint. Sowohl dieser als auch der Tarifvertrag sprächen vom „Bruttomonatseinkommen“. Der Abschluss einer Nettolohnvereinbarung sei gerade unterlassen worden. Daran könne nichts ändern, dass, wie das Arbeitsgericht meine, ein Abzug netto von netto „sinnvoll“ sei - die Beklagte zu 1 sei an die Bruttolohnabrede im dreiseitigen Vertrag gebunden. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag errechne sich grundsätzlich aus dem Bruttoarbeitsentgelt gemäß § 14 Abs 1 SGB IV.
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Die Klägerin beantragt:
Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 22.1.2013 - 25 Ca 8656/12 - wie folgt abgeändert:
I. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat Mai 2012 in Höhe von € 89.809,80 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 49.624,08 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.06.2012 zu bezahlen.
II. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat Juni 2012 in Höhe von € 6.265,80 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 3.098,97 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.07.2012 zu bezahlen.
III. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat Juli 2012 in Höhe von € 6.265,80 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 3.098,97 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.08.2012 zu bezahlen.
IV. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat August 2012 in Höhe von € 6.265,80 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 3.098,97 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.09.2012 zu bezahlen.
V. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat September 2012 in Höhe von € 6.265,80 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 1.630,44 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.10.2012 zu bezahlen.
VI. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat Oktober 2012 in Höhe von € 7.434,38 brutto abzüglich
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hierauf bezahlter € 3.617,50 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1.11.2012 zu bezahlen.
VII. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat November 2012 in Höhe von € 6.265,80 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 3.098,97 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.12.2012 zu bezahlen.
VIII. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin Abfindung in Höhe von € 10.000,00 brutto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.
IX. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, an die Klägerin eine monatliche Vergütung in Höhe von € 6.265,80 brutto zu bezahlen.
X. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat Dezember 2012 in Höhe von € 6.265,80 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 3.089,97 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1.1.2013 zu bezahlen.
XI. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat Januar 2013 in Höhe von € 6.265,80 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 3.116,13 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.02.2013 zu bezahlen.
XII. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat Februar 2013 in Höhe von € 6.265,80 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 3.116,13 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.03.2013 zu bezahlen.
XIII. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat März 2013 in Höhe von € 6.265,80 brutto abzüglich
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hierauf bezahlter € 3.122,46 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.04.2013 zu bezahlen.
XIV. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat April 2013 in Höhe von € 10.238,97 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 5.003,81 netto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 01.05.2013 zu bezahlen.
XV. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weiteren Lohn für den Lohnmonat Juni 2013 in Höhe von € 6.265,80 brutto abzüglich hierauf bezahlter € 3.118,24 zu bezahlen.
Die Beklagten tragen zur Begründung ihrer übereinstimmenden Anträge auf Zurückweisung der Berufung unter Verteidigung der Ausführungen des Arbeitsgerichts vor, dass vor dem Hintergrund einer sehr angespannten wirtschaftlichen Situation bei der Beklagten zu 2 als Joint-Venture zwischen der F. AG und der Firma H. als ihrer (damaligen) wirtschaftlichen Eigentümerinnen und der deshalb zunächst geplanten Standortschließung in A-Stadt die Beklagte zu 2 in Verhandlungen mit dem dortigen Betriebsrat sowie der IG Metall als Kompensation für eine von diesen verlangte Verhinderung der kompletten Schließung dieses Standortes die Aufstellung einer Namensliste sowie die Aufhebung des Sonderkündigungsschutzes nach dem Manteltarifvertrag gefordert habe. Die IG Metall habe jedoch als Ausgleich hierfür auf zusätzlichen substanziellen Leistungen für die Gewerkschaftsmitglieder bestanden, wobei der von ihr behauptete gewerkschaftliche Organisationsgrad von deutlich über 50 % der Belegschaft nicht auszuschließen gewesen sei. Vor diesem Hintergrund seien die tariflichen und betrieblichen Regelungen jeweils vom 04.04.2012 getroffen worden. Die Klägerin beziehe ein Transferentgelt unter Anrechnung des Kurzarbeitergeldes dergestalt, dass die maßgebliche Nettoentgeltdifferenz zum Kurzarbeitergeld von 60 % bzw. 67 % wie hier so errechnet werde, dass die Beklagte zu 1 für alle Mitarbeiter zusätzlich zum Kurzarbeitergeld einen Zuschuss gemäß § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB III zahle, der bei der Berechnung des Ist-Entgelts außer Betracht bleibe, weshalb die Klagepartei monatlich die Nettosumme ausbezahlt erhalte, die sie erhalten hätte, wenn keine Kurzarbeit angeordnet worden wäre und ihre Verpflichtung zur Arbeit sowie der korrespondierende Entgeltanspruch weiterbestanden hätten. Steuer werde lediglich
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auf den Zuschuss zum Kurzarbeitergeld abgeführt, da dieser steuerpflichtiges Einkommen darstelle. Die während des Bezuges von Kurzarbeitergeld zu entrichtenden Beiträge in die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung trage die Beklagte zu 1 allein, soweit das gezahlte Kurzarbeitergeld und der KuG-Zuschuss 80 % der Differenz zwischen Soll- und Ist-Entgelt nicht überschreite, andernfalls seien die üblichen Arbeitnehmerbeiträge nach individueller Berechnung zu zahlen. Hinsichtlich dieser von der Beklagten zu 1 vorgenommenen Berechnung des Transferentgeltes sei der Spruch der Tarifschiedsstelle vom 14.12.2012 bindend, habe ebenso gegenüber nicht tarifgebundenen Mitarbeitern Bedeutung, da deren Vergütung sich ersichtlich nach § 5 Abs. 3 des Transfer- und Sozialtarifvertrages richten solle, wo eben auf die Möglichkeiten eines Schiedsspruches verwiesen sei. Auch der Wortlaut der geschlossenen Verträge spreche gegen die von der Klagepartei angezogene Bruttolohnabrede. Dort sei bestimmt, dass die Beschäftigten bei der Beklagten zu 1 ein „beE-Monatsentgelt“ erhalten würden. Damit sei die Zahlung eines Aufstockungsentgeltes entsprechend § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB III vereinbart. Eine andere Anrechnung des Kurzarbeitergeldes wäre nicht möglich, insbesondere nicht korrekt durchzuführen.
Das Arbeitsgericht habe weiter zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Abfindung und eines höheren Transferentgelts gemäß dem Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 75 BetrVG habe, da die Betriebsparteien hier keinen Sozialplan oder eine andere eigenständige Regelung getroffen hätten, die allein unter den Anwendungsbereich des § 75 BetrVG fallen würden. Im Interessenausgleich hätten die Betriebsparteien ausdrücklich erklärt, dass ein gesonderter Sozialplan nicht aufgestellt werde. Auch die Wortwahl an anderen Stellen dieses Interessenausgleichs vom 04.04.2012 spreche gegen die Vereinbarung eines betrieblichen Sozialplans. Selbst bei Vorliegen einer betrieblichen Regelung wäre § 75 BetrVG hierdurch nicht verletzt, da eine Ungleichbehandlung weder durch positives Tun - der Interessenausgleich nehme, für alle betroffenen Beschäftigten, allein auf den Transfer- und Sozialtarifvertrag, nicht jedoch auf den Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag Bezug und differenziere deshalb nicht zwischen Organisierten und Nichtorganisierten - noch durch pflichtwidriges Unterlassen vorliege - selbst wenn man letzteres bejahen wollte, würde es an dessen Pflichtwidrigkeit fehlen, da für die Betriebsparteien hier keine Pflicht zum Tätigwerden bestanden hätte. Andernfalls hätten nicht mehr der demokratisch legitimierte Betriebsrat, sondern die von
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der Belegschaft nicht demokratisch legitimierten Tarifvertragsparteien die Befugnis zur Normsetzung, was damit die Rechtssetzungsmacht der Gewerkschaften zu Lasten des Betriebsrats und des Arbeitgebers unzulässig ausweiten würde. Auch würde eine Verpflichtung zur Übernahme von Tarifsozialplänen in betriebliche Sozialpläne auf lange Sicht den Bestand der Koalitionen gefährden, da die gesellschaftspolitische Bedeutung von Gewerkschaften, die gerade in Krisenzeiten und anlässlich von Betriebsänderungen Mitglieder gewönnen, empfindlich beeinträchtigt würde, wenn mit Abschluss eines Tarifsozialplanes dieser durch die Betriebsparteien übernommen werden und damit auf alle Betriebsangehörigen Anwendung finden müsste. Weiter spreche das Prinzip der Tarifpluralität gegen eine Pflicht zur Übernahme von sozialtarifvertraglichen Regelungen in betriebliche Sozialpläne, nachdem solche mit unterschiedlichen Gewerkschaften unterschiedlich vereinbart werden könnten. Im Übrigen könne es nach der gesetzlichen Regelung zu einer Konkurrenz zwischen tariflicher und betrieblicher Regelung kommen. Auch spreche § 112 Abs. 5 BetrVG gegen eine Verpflichtung zur Übernahme bestimmter tariflicher Regelungen. Jedenfalls wäre eine fehlende Gewerkschaftszugehörigkeit nicht kausal für eine etwa angenommene Ungleichbehandlung, da die von der Klagepartei geltend gemachten zusätzlichen Leistungen den Gewerkschaftsmitgliedern zum Stichtag nicht auf Grund einer betrieblichen, sondern einer tarifvertraglichen Regelung zustünden - jedenfalls würde die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers einen Rechtfertigungsgrund für eine ungleiche Behandlung durch die Betriebsparteien darstellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liege keine willkürliche Vorenthaltung von Leistungen oder eine sachfremde Gruppenbildung vor, wenn die Leistung an den begünstigten Arbeitnehmer auf der Basis beiderseitiger Tarifgebundenheit erbracht worden sei, ohne dass es einen Unterschied mache, ob es sich hierbei um einen Verbands- oder, wie hier, um einen Haustarifvertrag handle. Das für Gewerkschaftsmitglieder zur Verfügung gestellte Volumen sei nicht dadurch gemindert worden, dass die Betriebsparteien eine entsprechende Regelung im Interessenausgleich getroffen hätten, sondern durch den Abschluss des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrages. Die Möglichkeit, dass es zu einer Minderung des Sozialplanvolumens durch einen Tarifsozialplan kommen könne, sei im Gesetz angelegt. Zumindest müssten eine von der Klagepartei geltend gemachte „Anpassung nach oben“ oder eine entsprechende Erstreckung ausscheiden. Auch eine Schließung einer „Tarifvertragslücke“ im Wege der Auslegung sei nicht möglich. Eine Anpassung der tariflichen Regelung durch die Gerichte würde einen Eingriff in das den Parteien zustehende
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Recht der Tarifautonomie bedeuten, da der Beklagten zu 2 damit Regelungen aufgezwungen würden, die diese so nie abgeschlossen hätte. Die vorliegend gewählte tarifliche Gestaltung und ebenso die dortigen Stichtagsregelungen seien zulässig.
Wegen des Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug im Übrigen wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 29.04.2013, 14.06.2013 und vom 05.07.2013, nebst der jeweils vorgelegten Anlagen, sowie auf die ergänzenden Einlassungen der Beklagten im Rahmen der Anhörung der Parteien in der mündlichen Verhandlung gemäß der entsprechenden Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 11.07.2013 (Bl. 400 f/401 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
1. Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
2. Die Klageerweiterung durch die Klagepartei in der Berufungsinstanz ist auf Grund zu unterstellender Einwilligung der Beklagten, die sich hierzu erkennbar nicht geäußert hat, und jedenfalls wegen Sachdienlichkeit zulässig (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 533 ZPO).
II.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend und überzeugend begründet entschieden, dass der Klägerin weder Ansprüche aus oder entsprechend dem Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag (ebenfalls) vom 04.04.2012 auf Zahlung eines höheren beE-Monatsentgelts von 80 %, statt 70 %,
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und/oder einer höheren Abfindung zustehen (dazu 2.) noch die Berechnung des beE-Entgelts durch die Beklagte als solche zu beanstanden ist (dazu 3.).
1. Die Feststellungsklage unter Ziff. IX. der im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 29.04.2013 angekündigten und in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Anträge - Verpflichtung der Beklagten zu 1 als Transfergesellschaft, an den „Kläger“ (?) eine monatliche Vergütung von 6.265,80 € brutto zu bezahlen - mag, obwohl weder zeitlich noch inhaltlich näher eingegrenzt und auch im Hinblick darauf, dass die Klägerin eben diesen Betrag, soweit fällig, sukzessive jeweils durch entsprechende Leistungsklage geltend macht, auch im Hinblick auf das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) als zulässig angesehen werden.
2. Die Klägerin hat weder gegenüber der Beklagten zu 1 als rechtlich selbstständigen Transferunternehmens und ihrer aktuellen Arbeitgeberin Anspruch auf Zahlung eines (wie auch immer berechneten, dazu 3.) höheren beE-Entgelts von 80 % statt 70 % gemäß der Berufungsanträge zu I. - VII. und IX. - XV. noch gegenüber der Beklagten zu 2 als ihrer früheren Arbeitgeberin Anspruch auf weitergehende Abfindung von 10.000,00 € gemäß ihrem nunmehrigen Antrag zu VIII., wie von ihr jeweils geltend gemacht.
a) Beide Ansprüche lassen sich – aufgrund deren normativer (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG) oder einzelvertraglicher Geltung - nicht auf die Regelungen im Ergänzungs- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 zwischen der hiesigen Beklagten zu 2 und der IG Metall unmittelbar stützen.
aa) Zum einen ist Partei dieses Haustarifvertrages allein die Firma E. als hier Beklagte zu 2, nicht auch die Beklagte zu 1, weshalb eine Rechtsgrundlage für die allein gegen Letztere geltend gemachten Ansprüche auf höheres beE-Entgelt hieraus nicht ersichtlich ist.
Zwar enthält dieser Tarifvertrag nach seinem dort festgelegten sachlichen Geltungsbereich (§ 1 Abs. (3)) Bestimmungen „für die Rechte, Regelungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit der betriebsorganisatorischen eigenständigen Einheit (beE)“, also der, rechtlich selbstständigen, Firma C. als hiesiger Beklagter zu 1 und damit insoweit
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Dritter. Die Beklagte zu 1, die von der Klägerin wegen ihrer behaupteten Ansprüche auf höheres beE-Entgelt von 80 % ihres vorigen Bruttomonatseinkommens in Anspruch genommen wird, war jedoch nicht selbst Partei des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 - der Klägerin könnten solche Ansprüche deshalb offensichtlich nur aus der Rechtsfigur des (Tarif-)Vertrages zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB) zustehen.
Einzelvertraglich, im Wege einer Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag, gilt dieser Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag schon deshalb nicht, weil der den ursprünglichen Arbeitsvertrag der Klägerin mit der Beklagten zu 2 ersichtlich vollständig novierende dreiseitige Vertrag zwischen der Klägerin und beiden Beklagten ebenfalls vom 04.04.2012 unter Abschnitt C Ziff. 3.1 ausdrücklich bestimmt, dass bei der Beklagten zu 1 als Transfergesellschaft „keine tarifvertraglichen Regelungen“ gelten. Eine Unwirksamkeit letzterer Vertragsregelung etwa im Hinblick auf das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG scheidet aus, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses/Inkrafttretens dieses Tarifvertrages (04.04.2012) nicht, wie für dessen Anwendbarkeit erforderlich, selbst tarifgebunden war (§ 3 Abs. 1 TVG).
bb) Unabhängig hiervon würde dieser Haustarifvertrag hier tatbestandlich deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil er in seinem „persönlichen Geltungsbereich“ ausdrücklich festlegt (§ 1 Abs. (2)), dass er nur für diejenigen Beschäftigten gilt, die bereits am 23.03.2012, 12:00 Uhr, - also zwölf Kalendertage vor dem Abschluss dieses Firmentarifvertrages - Mitglied der IG Metall waren (sowie die Voraussetzungen für die Zahlung von Transfer-Kurzarbeitergeld nach §§ 169 f SGB III erfüllten). Dies war bei der Klägerin unstreitig nicht der Fall.
(1) Zum einen wiederum würde selbst bei Annahme der Unwirksamkeit dieser Differenzierungsklausel im Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 - IG Metall-Mitgliedschaft zum früheren Stichtag 23.03.2012 -, als solcher oder jedenfalls hinsichtlich des dortigen Stichtages und damit insgesamt oder partiell (s.u.), grundsätzlich kein Anspruch der Klägerin auf höheres beE-Entgelt und/oder höhere Abfindung bestehen, wie von ihr hier gegenüber der Beklagten zu 1 bzw. gegenüber der Beklagten zu 2 geltend gemacht:
Ist die Begrenzung dieser Ansprüche auf die IG Metall-Mitglieder oder jedenfalls die Stichtagsklausel hierfür unwirksam (sh. nachfolgend), so ergibt sich hieraus nicht be-
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reits auch ohne weiteres eine Erstreckung dieser Ansprüche auf alle Arbeitnehmer, der Beklagten zu 1 und/oder zu 2, sondern lediglich die Unwirksamkeit dieser Klausel, insgesamt oder jedenfalls partiell hinsichtlich deren Stichtagsregelung (vgl. BAG, U. v. 22.09.2010, 4 AZR 117/09, AP Nr. 144 zu Art. 9 GG - Rz. 34 -).
(2) Auch eine ergänzende (Tarif-)Vertragsauslegung zum Zweck der Schließung der durch Unwirksamkeit der Klausel zum persönlichen Geltungsbereich im Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag verursachten Vertragslücke im Sinne einer Anspruchsbegründung für Außenseiter scheidet aus, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat:
Bei Annahme einer Gesamtunwirksamkeit dieses Tarifvertrages ist eine solche ergänzende (Tarif-)Vertragsauslegung und Lückenfüllung von vornherein nicht möglich, da es in diesem Fall keine Lücke mehr zu schließen gäbe, sondern eben das gesamte Tarifvertragssubstrat unwirksam wäre.
Bei Annahme einer nur partiellen Unwirksamkeit dieses Tarifvertrages qua Unwirksamkeit allein der Stichtagsklausel für den Zeitpunkt der dort vorausgesetzten Gewerkschaftsmitgliedschaft - oder dieser Voraussetzung selbst - könnte eine solche „Tarifvertragslücke“ nicht etwa unter Anwendung der zu einer ergänzenden (Individual-)Vertragsauslegung entwickelten Grundsätze dahin geschlossen werden, dass dieser Tarifvertrag nunmehr für alle in die Transfergesellschaft - die Beklagte zu 1 - gewechselten Arbeitnehmer zur Anwendung kommen müsste (wiederum, hinsichtlich Ansprüchen gegenüber der Beklagten zu 1, i. V. m. mit der Rechtsfigur des Vertrages zu Gunsten Dritter ... ?), somit auch auf diejenigen Beschäftigten, die nicht Mitglied der IG Metall sind, und/oder jedenfalls auch auf solche, die dies erst nach dem, etwa unwirksamen, Stichtag geworden sind: Zumal unter den vorliegenden Umständen könnte keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien eine solche Erstreckung vereinbart hätten, wenn sie von der Unwirksamkeit der Differenzierungsklausel ausgegangen werden. Hierfür fehlt es - unabhängig von naheliegenden Überlegungen zum Gesamtvolumen des Tarifsozialplans als Kalkulationsgrundlage der Beklagten zu 2 hierfür - nicht nur an jeglichen Anhaltspunkten im Sachverhalt, im Gegenteil wollten die Tarifvertragsparteien hier auf der Hand liegend bewusst allein die betreffenden Gewerkschaftsmitglieder privilegie-
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ren, keinesfalls hilfsweise etwa auch später eingetretene Gewerkschaftsmitglieder oder sogar alle Arbeitnehmer (vgl. auch BAG, U. v. 22.09.2010, aaO).
(3) Auch eine „Anpassung nach oben“ qua notwendiger Gleichbehandlung sonst scheidet aus:
Voraussetzung hierfür wäre eine bereits erfolgte und nicht mehr rückgängig zu machende Leistungserbringung an die zu Unrecht begünstigten Gewerkschaftsmitglieder, wofür die Klägerin darlegungs- und ggf. beweispflichtig wäre. Im Übrigen ist es, wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich ausgeschlossen, allein der Befolgung eines - unterstellt - unwirksamen Normbefehls durch den Arbeitgeber eine Pflicht zur Gleichbehandlung entnehmen zu wollen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bindet den Arbeitgeber an selbst aufgestellte Regeln, nicht an die Befolgung auf ihn - auch vermeintlich - von außen einwirkenden Normbefehlen (vgl. BAG, U. v. 18.03.2009, 4 AZR 64/08, AP Nr. 41 zu § 3 TVG = NZA 2009, S. 1028 f - Rz. 127 -; BAG, U. v. 22.09.2010, 4 AZR 117/09, AP Nr. 144 zu Art. 9 GG - Rz. 36 - jeweils m. w. N.).
(4) Ungeachtet dessen, dass sich selbst aus einer etwa angenommenen, partiellen und erst Recht vollständigen, Unwirksamkeit des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 eben kein Anspruch auf höheres beE-Entgelt und/oder höhere Abfindungszahlung begründen lassen würde, erweist sich die Regelung zum persönlichen Geltungsbereich in diesem Tarifvertrag zur > Überzeugung der Berufungskammer als rechtswirksam:
Hierbei handelt es sich um eine sogenannte „einfache Differenzierungsklausel“ im Sinne der von der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hierzu entwickelten Grundsätze (grundlegend U. v. 18.03.2009, aaO - Rzn. 32 f, m. w. N. -; sh. auch BAG, U. v. 22.09.2010, aaO - Rz. 27 -; BAG, U. v. 23.03.2011, 4 AZR 366/09, AP Nr. 47 zur Art. 9 GG = NZA 2011, S. 920 f - Rzn. 39 f -). Eine solche einfache Differenzierungsklausel normiert als einziges zusätzliches Tatbestandsmerkmal für das Entstehen eines Anspruchs die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft. Die Koalitionen sind jedoch bei der Bestimmung der tatbestandlichen Voraussetzungen für tariflich geregelte Ansprüche weitgehend frei. Als Maßstab für die Zulässigkeit von Differenzierungsklauseln
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gilt die sogenannte „negative Koalitionsfreiheit“, insbesondere der nicht organisierten sogenannten Außenseiter - deren Recht, sich nicht zu Koalitionen zusammenzuschließen, bestehenden Koalitionen fernzubleiben oder bei früherem Eintritt wieder austreten zu dürfen (vgl. nur BAG, U. v. 18.03.2009, aaO - Rz. 35 -) -. Diese Rechte werden durch eine einfache Differenzierungsklausel nicht beeinträchtigt, weil sich die Normsetzungsmacht der Tarifvertragsparteien von Verfassungs und von Gesetzes wegen ausschließlich auf ihre Mitglieder beschränkt und eine normative Wirkung einer Tarifregelung auf Außenseiter grundsätzlich ausgeschlossen ist. Eine einfache Differenzierungsklausel schränkt die Handlungs- und insbesondere Vertragsfreiheit des Arbeitgebers nicht ein, da es ihm unbenommen bleibt, seine vertraglichen Beziehungen zu nicht oder anders organisierten Arbeitnehmern frei zu gestalten und durchzuführen. Ebenso wenig kann durch eine solche Tarifnorm der Rechtskreis der nicht oder anders organisierten Arbeitnehmern wirksam betroffen werden. Soweit eine solche sich auf das Arbeitsverhältnis von Außenseitern auswirkt, beruht dies nicht auf der normativen Wirkung des Tarifvertrages, sondern auf der privatautonom gestalteten Arbeitsvertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Außenseiter. Die Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit eines Außenseiters ist deshalb durch die Vereinbarung einer Tarifnorm wie einer einfachen Differenzierungsklausel grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BAG, U. v. 22.09.2010, aaO - Rz. 27 -; BAG, U. v. 18.03.2009, aaO - Rzn. 46 f -).
Die vorliegende einfache Differenzierungsklausel qua tatbestandlicher Anwendbarkeit des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 allein auf, stichtagsbezogen definierte, Gewerkschaftsmitglieder übte deshalb weder unmittelbar noch mittelbar einen unzulässigen, gegen die negative Koalitionsfreiheit verstoßenden, Druck auf Außenseiter zum Gewerkschaftsbeitritt aus und ist deshalb auch zur Überzeugung der Berufungskammer wirksam.
Im vorliegenden Fall konnte hierdurch von vornherein auch kein Druck auf Außenseiter - wie zum Zeitpunkt der Unterzeichnung/des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages die Klägerin - gegeben sein: „Druck“ ist von seiner Wortbedeutung her die dadurch intendierte (psychische) Veranlassung zu künftigem Handeln (bzw. Unterlassen eines Tuns). Der Abschluss eines Tarifvertrages samt seiner hierin definierten zeitlichen Anwendbarkeit allein auf Arbeitnehmer, die bereits seit gewisser Zeit - seit einem in der Vergangenheit liegen-
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den Stichtag - Gewerkschaftsmitglieder sind, schließt einen erst hierdurch ausgelösten – logischer Weise: hierdurch auslösbaren -, einen dadurch beabsichtigten „Druck“ gerade aus. Eine fehlende Gewerkschaftsmitgliedschaft zu einem in der Vergangenheit liegenden Stichtag ist ein eindeutig feststehendes Faktum, nicht reparierbar und deshalb gerade nicht allererst hierdurch „druck“-erzeugend!
Die erstinstanzlichen Ausführungen der Klägerin, dass vor allem die IG Metall, auch einzelne bei dieser organisierte Arbeitnehmer - abwegig ist es, annehmen zu wollen, auch die Beklagte zu 2 als frühere Arbeitgeberin der Klägerin: diese wird aus auf der Hand liegenden Gründen kaum Interesse an einem Gewerkschaftsbeitritt möglichst vieler Beschäftigter gehabt haben ... -, auf Mitarbeiter der Beklagten zu 2 zugegangen seien und sie zum Eintritt in die IG Metall zu motivieren versucht hätten, sind hierbei unerheblich: Solche „Ratschläge“ begründen weder den Tatbestand eines „Drucks“ überhaupt noch belegten die vorgelegten Unterlagen hinsichtlich allgemeiner Unterstützungs- und Solidaritätsappelle bereits einen - den Beklagten zurechenbaren (!?) - „Beitrittsdruck“ für Außenseiter wie die Klägerin.
Auch die Stichtagsregelung zur Bestimmung zum persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages begegnet keinen Bedenken, wie bereits das Arbeitsgericht überzeugend ausgeführt hat. Durch den vergangenheitsbezogenen Stichtag wurde eben ein Zwang oder Druck zum Gewerkschaftsbeitritt für Außenseiter wie die Klägerin ausgeschlossen. Wie bei jedem Stichtag wird hierdurch generalisiert und typisiert. Das Arbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.03.2011 (10 AZR 701/09, AP Nr. 19 zu § 1 TVG Tarifverträge: Verkehrsgewerbe) bereits ausgeführt, dass solche Stichtagsregelungen gerechtfertigt sind, wenn sich die Wahl des Stichtags und ggf. Referenzzeitraums am gegebenen Sachverhalt orientiert und vertretbar erscheint, die Differenzierungsmerkmale im Normzweck angelegt sind und diesem nicht widersprechen (dort Rzn. 22 f).
Hiernach kann auch die vorliegende Stichtagsklausel nicht beanstandet werden. Der gewählte Stichtag am 23.03.2012 liegt zwölf Kalendertage vor dem Abschluss des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrages vom 04.04.2012 und damit in einem zeitlichen Abstand, der keinen Druck auf Außenseiter zum Gewerkschaftsbeitritt auch nur indi-
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zieren konnte, z. B. dadurch, dass - wie ggf. bei einem zum Abschluss des Tarifvertrages sehr zeitnahen Termin - eine „Gerüchteküche“ zwischen Verhandlungsabschluss und formeller Unterzeichnung des Tarifvertrages etwa einen „Run“ auf den Erwerb von informell kommunizierten Tatbestandsvoraussetzungen - Gewerkschaftsbeitritt - initiieren könnte/sollte (so i.E. auch Däubler/Heuschmid, RdA 2013, S. 1 f/5 - unter III. 6. -).
cc) Damit scheidet ein Anspruch der Klägerin aus dem Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 in jeder denkbaren Hinsicht aus.
b) Auch aus sonstigen Rechtsgrundlagen lässt sich ein Anspruch der Klägerin auf höheres beE-Entgelt gegenüber der Beklagten zu 1 und zusätzliche Abfindungszahlung seitens der Beklagten zu 2 nicht begründen.
aa) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Dieser Grundsatz gilt grundsätzlich nicht im Verhältnis von Außenseitern gegenüber tarifgebundenen Arbeitnehmern zum selben Arbeitgeber. Dieser ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den nicht organisierten Arbeitnehmern tariflich geregelte Arbeitsbedingungen oder das gleiche Leistungsniveau wie den tarifgebundenen Arbeitnehmern anzubieten, sondern kann diese auf der Grundlage einzelvertraglicher Vereinbarungen auch untertariflich entlohnen. Die beiderseitige Tarifgebundenheit in einem Arbeitsverhältnis ist ein legitimer Differenzierungsgrund für ein unterschiedliches Leistungsniveau in Arbeitsverhältnissen desselben Betriebes (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. etwa U. v. 23.03.2011, 4 AZR 366/09, aaO - Rz. 45, m. w. N. -).
bb) Auch aus dem besonderen betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in § 75 Abs. 1 BetrVG lässt sich hier kein Anspruch auf höheres beE-Entgelt und/oder zusätzliche Abfindung herleiten.
(1) Diese Norm begründet Amtspflichten von Arbeitgeber und Betriebsrat, verleiht dem einzelnen Arbeitnehmer jedoch keine subjektiven Rechte gegenüber dem Betriebsrat
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oder Arbeitgeber (vgl. Arbeitsgericht München, U. v. 29.05.2013, 1 Ca 9865/12 - II. 7./S. 20 der Gründe - in einem der zahlreichen Parallelverfahren).
(2) Wie das Arbeitsgericht hierzu bereits zutreffend ausgeführt hat, findet die gesetzliche Regelung des § 75 BetrVG weiter auch deshalb keine Anwendung, weil eine etwaige Ungleichbehandlung nicht durch den Betriebsrat bzw. eine betriebliche Regelung veranlasst wäre, sondern allein durch eine tarifvertragliche Regelung:
Der Interessenausgleich zwischen der Beklagten zu 2 und dem Betriebsrat deren Betriebes St.-Martin-Straße A-Stadt, der ebenfalls vom 04.04.2012 datiert (hier: Anlage B4, Bl. 182 - Bl.186 d. A.), bestimmt einleitend ausdrücklich, dass die vertragsschließenden Betriebsparteien „dahingehend überein(stimmen), dass ein gesonderter Sozialplan nicht aufgestellt wird, weil in dem als Anlage 7 hierzu bezeichneten Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 Regelungen zur Milderung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen enthalten sind, die beide Betriebsparteien als Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des § 112 BetrVG anerkennen und diese für die betroffenen Beschäftigten abschließend übernehmen“ (dort Ziffer 5).
Auch wenn es sich beim Interessenausgleich nicht um eine Betriebsvereinbarung, sondern um eine kollektive Vereinbarung besonderer Art ohne unmittelbare normative Wirkung für die Arbeitsverhältnisse handelt (etwa BGH, U. v. 15.11.2000, XII ZR 197/98, AP Nr. 140 zu § 112 BetrVG - 3. A. a der Gründe -), ist dieser entsprechend den bei einer Betriebsvereinbarung geltenden Grundsätzen auszulegen. Hiernach ergibt sich nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck und systematischem Zusammenhang der Regelungen des Interessenausgleichs zwanglos, dass trotz des, für sich isoliert betrachtet: missverständlichen, (erst) Nachsatzes (dass beide Betriebsparteien die Regelungen des Transfer- und Sozialtarifvertrages anerkennen „und die sie für alle betroffenen Beschäftigten abschließend übernehmen“) damit nicht etwa durch die unterzeichnenden Betriebsparteien trotzdem, konstitutiv, auch ein genuiner betrieblicher (mit dem Tarifsozialplan identischer) Sozialplan aufgestellt, sondern lediglich, deklaratorisch, auf den ausdrücklich verwiesenen Tarifsozialplan im Transfer- und Sozialtarifvertrag gleichen Datums Bezug genommen - dieser als betrieblich relevant anerkannt - werden sollte. Eingangs dieser Regelung ist eben im Gegenteil ausdrücklich und eindeutig -hervorgehoben - bestimmt,
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dass die Betriebsparteien einen gesonderten Sozialplan gerade nicht aufstellen wollen - welche Bestimmung andernfalls nicht verständlich wäre!
(3) Im Übrigen könnte wiederum selbst dieses offen bleiben, weil Inhalt eines etwa damit konstitutiv aufgestellten betrieblichen Sozialplans nach § 112 BetrVG qua Implementierung des Tarifsozialplans in den betrieblichen Interessenausgleich, wie die Klägerin geltend machen will, zwangsläufig dann nur der dort konkret – allein - in Bezug genommene Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 als solcher wäre - während sich eine behauptete Ungleichbehandlung im Sinne des § 75 Abs. 1 BetrVG erst und nur im Hinblick auf die Privilegierungstatbestände im weiteren Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 - im Verhältnis zu diesem – ergeben könnte - welcher jedoch gerade nicht ebenfalls Inhalt eines im Interessenausgleich etwa beinhalteten Sozialplans wäre (!). Auch hierzu hat bereits das Arbeitsgericht das Erforderliche ausgeführt.
cc) Damit liegt auch kein Verstoß gegen § 75 Abs. 1 BetrVG vor - im Tarifsozialplan gelten die betriebsverfassungsrechtlichen Schranken wie § 75 Abs. 1 BetrVG gerade nicht (BAG, U. v. 06.12.2006, 4 AZR 798/05, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Sozialplan - II. 1. b und c der Gründe -).
c) Offen kann damit weiter bleiben, ob diesen Ansprüchen der Klägerin, sofern bestehend, nicht von vornherein die Abgeltungsklausel unter Abschnitt C Ziffer 4.1 des dreiseitigen Vertrages vom 04.04.2012 entgegenstehen würde, wonach „mit Abschluss der vorliegenden Vereinbarung ... sämtliche Ansprüche und Rechte der Parteien aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis sowie dessen Beendigung abgegolten und erledigt (sind), soweit ein Verzicht hierauf rechtlich zulässig ist“.
Diese Abgeltungsklausel ist wirksam. Ein Verstoß dieser Bestimmung gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB, wie von der Klägerin erstinstanzlich geltend gemacht (ausgehend vom AGB-Charakter dieses dreiseitigen Vertrages gemäß §§ 305 Abs. 1, 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), ist ebenso wenig zu erkennen wie ein solcher gegen § 242 BGB - wieso dies eine „Absicherung/Reparatur“ einer „rechtlich sehr riskanten Tarifvertragsgestaltung“ darstellen sollte, wie die Klägerin sodann weiter unter Berufung auf den Rechtsgrundsatz des „venire contra factum proprium“ geltend machen lässt, und es den Beklag-
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ten (beiden Beklagten?) verwehren sollte, sich auf die Abgeltungsklausel zu berufen, ist ebenso wenig nachvollziehbar: Der dreiseitige Vertrag vom 04.04.2012 regelt detailliert die betriebsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der hiesigen Beklagten zu 2 und deren unmittelbaren Wechsel zur Beklagten zu 1 als, rechtlich selbstständige, beE im Sinne des § 216 b SGB III, nebst Abfindungsansprüchen, unter Bezugnahme auf den Transfer- und Sozialtarifvertrag gleichen Datums und Erwähnung der weitergehenden Regelung des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrages, soweit Arbeitnehmer unter dessen Geltungsbereich fallen (dort Abschnitt A Ziffer A. Ziffer 2), nebst weiteren flankierenden Bestimmungen (Rückzahlungsverpflichtung bei Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit einer Konzerngesellschaft der Beklagten nach Ausscheiden aus der Beklagten zu 1, Jubiläumszahlung, Zeugnis, betriebliche Altersversorgung, Inhalt der Rechte und Pflichten des neubegründeten Arbeitsvertrages der Klägerin mit der Beklagten zu 1 (Abschnitt B) und sodann, unter der Überschrift „Erledigungserklärung ...“, u. a. eine umfassende Abgeltungsklausel hinsichtlich weitergehender Ansprüche unter Abschnitt C dieses dreiseitigen Vertrages. Eine Unwirksamkeit dieser Abgeltungsklausel im Hinblick auf § 4 Abs. 3 und Abs. 4 TVG wegen zwischenzeitlicher, kurzzeitiger, Gewerkschaftsmitgliedschaft der Klägerin ist nicht zu erkennen.
Damit wären sich nicht aus dieser Vereinbarung, in Verbindung mit dem Sozialtarifvertrag, ergebende weitergehende Ansprüche, sofern gegeben, hierdurch wohl als abbedungen anzusehen - dadurch auch solche, die auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt würden.
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Berechnung des BeE-Entgelts nach der von ihr angesetzten Bruttolohnregelung.
Das Berufungsgericht tritt den Ausführungen der Tarifschiedsstelle gemäß § 8 des Transfer- und Sozialtarifvertrages vom 14.12.2012 (Anlage B8, Bl. 199 f d. A.) und dieser folgend des Arbeitsgerichts in vollem Umfang bei, dass bei der Regelung dieses Tarifvertrages die Beschäftigten innerhalb der beE und hiesigen Beklagten zu 1 während der Zeit des Bezuges von Transferkurzarbeitergeld keinen Bruttomonatsverdienst, sondern ein „beE-Monatsentgelt“ unter Anrechnung der Transferkurzarbeitergeld-Zahlungen erhalten sollen, wobei es sich bei letzteren nach § 3 Nr. 2 EStG um einen steuerfreien („Netto“-
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)Betrag handelt - was zunächst die Rechnung des den Satz von 70 % des Bruttomonatseinkommens entsprechenden individuellen Nettoentgelts bedingt, nachdem eine Differenz nur aus gleichen Parametern - hier Nettobeträge - ermittelt werden kann. Dessen Differenz zum Transferkurzarbeitergeld ist als „KuG-Zuschuss (netto)“ auszugleichen - nur dieser Differenzbetrag auf einen Bruttobetrag hochzurechnen und als solcher auszuweisen. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nimmt das Berufungsgericht weitergehend hierzu Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes zu diesem Anspruch (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
4. Damit musste die Berufung der Beklagten in vollem Umfang erfolglos bleiben.
III.
Die Klägerin hat die damit die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
IV.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht auch im Hinblick auf die Vielzahl von Parallelverfahren und (nicht allein) deshalb anzunehmender grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Burger
Bauer
Lerchl
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