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Kettenbefristung an Hochschulen
17.06.2016. Wer einen befristeten Arbeitsvertrag abschließt, hat mit ihm zusammen schon die Kündigung in der Tasche.
Aufgrund der Umgehung bzw. "Vermeidung" des Kündigungsschutzes sind Befristungsvereinbarungen nur auf gesetzlicher Grundlage möglich. Neben dem für alle Arbeitgeber geltenden Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist hier das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) von Bedeutung, das spezielle Befristungsmöglichkeiten für Verträge mit Nachwuchswissenschaftlern vorsieht.
In einem Urteil vom Mittwoch letzter Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass auch Befristungsvereinbarungen auf Grundlage des WissZeitVG daraufhin zu überprüfen sind, ob sie wegen zu langer Gesamtdauer und/oder zu häufigen Vertragsverlängerungen missbräuchlich und daher unwirksam sind: BAG, Urteil vom 08.06.2016, 7 AZR 259/14 (Pressemitteilung des Gerichts).
- Ist eine Befristungskette an der UNI mit über 22 Jahren Gesamtdauer missbräuchlich?
- Der Fall: Nachwuchswissenschaftlerin der Universität Leipzig wird mehr als 22 Jahre lang befristet beschäftigt
- BAG: Die Kettenbefristung von Arbeitsverträgen mit Nachwuchswissenschaftlern kann bei zu langer Gesamtdauer und/oder bei zu vielen Vertragsverlängerungen missbräuchlich sein
Ist eine Befristungskette an der UNI mit über 22 Jahren Gesamtdauer missbräuchlich?
Soll ein Arbeitnehmer länger als zwei Jahre befristet beschäftigt werden, braucht der Arbeitgeber dafür einen Sachgrund gemäß § 14 Abs.1 TzBfG. Spezielle, aus Arbeitgebersicht günstigere Befristungsmöglichkeiten sieht das WissZeitVG vor, das für befristete Verträge mit Nachwuchswissenschaftlern an Universitäten bzw. Hochschulen gilt.
Nach § 2 Abs.1 Satz 1 WissZeitVG können die Hochschulen als Arbeitgeber für die Dauer einer Promotion eine bis zu sechs Jahre dauernde befristete Beschäftigung vereinbaren, ohne dabei ein nennenswertes Risiko zu tragen, dass eine solche Befristung einer gerichtlichen Kontrolle nicht standhalten würde. Dasselbe gilt für die ebenfalls sechsjährige "Post-Doc-Phase", die in § 2 Abs.1 Satz 2 WissZeitVG geregelt ist. Weiterhin können Wissenschaftler gemäß § 2 Abs.1 Satz 2 WissZeitVG ohne zeitliche Höchstgrenze befristet beschäftigt werden, wenn ihre Stellen aus Drittmitteln finanziert werden.
Entfristungsklagen von Angehörigen des akademischen "Mittelbaus" sind angesichts dieser gesetzlichen Vorgaben eher selten, und wenn sie geführt werden, stützen sie sich meist auf sehr spezielle juristische Argumente, mit denen die Wirksamkeit der Befristung angegriffen wird.
Allerdings hat das BAG im Juli 2012 entschieden, dass ein "sehr lange" Befristungskette rechtsmissbräuchlich sein kann, was zur Folge hat, dass die zuletzt vereinbarte befristete Vertragsverlängerung unwirksam ist, so dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht (BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09 - Kücük - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein).
Möglicherweise können ja auch Nachwuchswissenschaftler, die auf der Grundlage von § 2 Abs.1 Satz 2 WissZeitVG befristet beschäftigt sind, ihre Verträge mit Erfolg einer solchen gerichtlichen Missbrauchskontrolle unterziehen.
Der Fall: Nachwuchswissenschaftlerin der Universität Leipzig wird mehr als 22 Jahre lang befristet beschäftigt
Eine Nachwuchswissenschaftlerin der Universität Leipzig war dort von Anfang September 1989 bis Ende Oktober 2011 durchgehend auf der Grundlage von sechs befristeten Arbeitsverträgen sowie zwischenzeitlich als Beamtin auf Zeit beschäftigt.
Zunächst, d.h. von September 1989 bis Ende Februar 1996, hatte die Wissenschaftlerin mehrere hintereinander geschaltete Zeitverträge, um ihre Doktorarbeit zu schreiben und die darauf folgende Habilitationsschrift. Im Anschluss daran, d.h. von Anfang März 1996 bis zum 24.04.2007, war sie Beamtin auf Zeit.
Vom 25.04.2007 bis Ende Oktober 2011 war sie dann wieder auf der Grundlage von zwei befristeten Arbeitsverträgen, d.h. als Arbeitnehmerin, tätig, wobei die Befristung auf den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung, d.h. auf § 2 Abs.2 WissZeitVG gestützt wurde.
Nachdem der letzte Vertrag nicht verlängert worden war, reichte die Wissenschaftlerin Klage gegen die zuletzt vereinbarte Befristung beim Arbeitsgericht Leipzig ein. Das Arbeitsgericht gab der UNI Recht, wohingegen das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) die streitige Befristung aufgrund der langen Gesamtdauer der Beschäftigung als rechtsmissbräuchlich und damit als unwirksam bewertete (Sächsisches LAG, Urteil vom 06.03.2014, 6 Sa 676/13).
BAG: Die Kettenbefristung von Arbeitsverträgen mit Nachwuchswissenschaftlern kann bei zu langer Gesamtdauer und/oder bei zu vielen Vertragsverlängerungen missbräuchlich sein
Das BAG entschied andersherum und gab der UNI Leipzig Recht. Denn die lange Gesamtdauer der befristeten Beschäftigung genügte hier im Streitfall noch nicht dazu, die zuletzt vereinbarte Befristung als missbräuchlich anzusehen, so das BAG in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung.
Zwar können auch lange Befristungsketten im Hochschulbereich, d.h. Befristungen auf der Grundlage von § 2 WissZeitVG, missbräuchlich und damit unwirksam sein, so die Erfurter Richter, wenn die Gesamtdauer der Beschäftigung sehr lang ist und/oder wenn mit dem Nachwuchswissenschaftler außergewöhnlich viele befristete Verträge vereinbart wurden. Allerdings spricht es nach Ansicht des BAG gegen eine missbräuchliche Ausnutzung der Befristungsmöglichkeiten nach § 2 WissZeitVG, wenn sich die lange Gesamtdauer der Beschäftigung daraus erklärt, dass "erhebliche" Anteile dieser Beschäftigungszeiten der wissenschaftlichen Qualifikation dienten. Und das war hier bei der Leipziger Klägerin der Fall, die daher vor dem BAG den Kürzeren zog.
Kleines Trostpflaster: Die BAG-Richter verwiesen den Rechtsstreit zurück zum LAG, damit dort die Frage geklärt werden kann, ob denn nun die streitige letzte Befristung durch den Drittmittel-Sachgrund (§ 2 Abs.2 WissZeitVG) oder durch einen anderen Sachgrund gerechtfertigt war oder nicht. Diese Frage hatte das LAG offen gelassen, da es die Befristung ja bereits aufgrund des (vermeintlichen) Rechtsmissbrauchs als unwirksam angesehen hatte.
Fazit: Die Grenze des Rechtsmissbrauchs gilt auch für befristete Verträge mit Nachwuchswissenschaftlern, die auf der Grundlage des WissZeitVG vereinbart werden. Derzeit scheint es aber, als wäre diese rechtliche Schranke für die Mittelbaukräfte an Hochschulen wenig wert.
Denn immerhin können sie nach § 2 Abs.1 WissZeitVG im Regelfall zweimal sechs bzw. zwölf Jahre zum Zwecke der Qualifikation befristet beschäftigt werden. Hier im Streitfall war die Klägerin, soweit das der BAG-Pressemeldung und dem LAG-Urteil entnommen werden kann, "nur" sechseinhalb Jahre zwecks Qualifikation und sodann gut 14 (!) Jahre mit anderer Zwecksetzung befristet beschäftigt. Wenn das BAG es bereits als "erheblichen Zeitraum" innerhalb der Gesamtbeschäftigungsdauer bewertet, wenn ein Wissenschaftler ein Viertel dieser Gesamtbeschäftigungsdauer zwecks Qualifikation tätig ist, sind missbräuchliche Kettenbefristungen im Hochschulbereich schwer vorstellbar.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.06.2016, 7 AZR 259/14 (Pressemitteilung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.06.2016, 7 AZR 259/14
- Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 06.03.2014, 6 Sa 676/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Arbeitsrecht aktuell: 17/164 Befristung von Ärzten in der Weiterbildung setzt Planung der Weiterbildung voraus
- Arbeitsrecht aktuell: 16/376 Vergleich im schriftlichen Verfahren als Befristungsgrund
- Arbeitsrecht aktuell: 16/307 Keine Befristung bei dauerhaftem Personalbedarf
- Arbeitsrecht aktuell: 16/146 Missbräuchliche Befristung bei zu kurzer Laufzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 15/090 Befristungskette als Rechtsmissbrauch
- Arbeitsrecht aktuell: 14/200 Befristung nach Arbeitgeberwechsel als Missbrauch
- Arbeitsrecht aktuell: 14/135 Befristung von Arbeitsverträgen und Missbrauchskontrolle
- Arbeitsrecht aktuell: 13/330 Befristung eines Arbeitsvertrags zur Vertretung
- Arbeitsrecht aktuell: 13/328 Befristung des Arbeitsvertrags und gerichtlicher Vergleich
- Arbeitsrecht aktuell: 13/268 Befristete Arbeitsverträge im Jobcenter
- Arbeitsrecht aktuell: 13/173 Befristung zur Vertretung wegen Elternzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein
- Arbeitsrecht aktuell: 12/043 Europarecht erlaubt Befristung zur Vertretung - auch jahrelang.
- Arbeitsrecht aktuell: 11/032 Befristung von Arbeitsverträgen: Keine Endlosverlängerung wegen Vertretungsbedarfs
- Arbeitsrecht aktuell: 10/140 Sind Kettenbefristungen aus Haushaltsgründen europarechtswidrig?
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 21. Juni 2017
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