HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 01.12.2011, 2 Sa 2015/11 2 Sa 2300/11

   
Schlagworte: Kündigung: Fristlos, Kündigung: Außerordentlich, Kündigung: Arbeitszeitbetrug, Arbeitszeitbetrug
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 2 Sa 2015/11
2 Sa 2300/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 01.12.2011
   
Leitsätze:

1. Nach der langjährigen Rechtsprechung des 2. Senats des BAG (vgl. noch BAG vom 24.11.2005 - 2 AZR 39/05 - NZA 2006, 484) kann das Verhalten des Arbeitnehmers nach Begehung einer Pflichtwidrigkeit, aber vor Ausspruch der Kündigung ("Nach-Tat-Verhalten") in die Interessenabwägung einbezogen werden und sich ggf. zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken, wenn dieser beispielsweise die Pflichtwidrigkeit beharrlich leugnet und gegenüber dem Arbeitgeber mehrfach die Unwahrheit sagt.

2. An dieser - das Prognoseprinzip betonenden - Rechtsprechung ist ungeachtet der Entscheidung des 2. Senats vom 10.6.2010 2 AZR 541/09 - NZA 2010, 1227) festzuhalten, auch wenn der Senat dort alleine das "Prozess"-Verhalten der Arbeitnehmerin würdigt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 17. August 2011, 43 Ca 6400/11
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 1. De­zem­ber 2011

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

2 Sa 2015/11 und
2 Sa 2300/11

43 Ca 6400/11
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

R., GB als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 2. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 1. De­zem­ber 2011
durch den Präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts Dr. B.
als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­te­rin­nen H. und J.

für Recht er­kannt:

I. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 17.08.2011
- 43 Ca 6400/11 - geändert:

1. Die Kla­ge wird un­ter Ein­schluss des Auflösungs­an­tra­ges ab­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten des Rechts­strei­tes wer­den dem Kläger auf­er­legt.


II. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Rechts­wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen, hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung, die die Be­klag­te, ein Un­ter­neh­men der Back­wa­ren­in­dus­trie, am 08.04.2011 ge­genüber dem seit dem 13.01.1997 bei ihr als Kraft­fah­rer beschäftig­ten Kläger aus­ge­spro­chen hat.

Dem lag zu­grun­de, dass der Kläger, der am 10.07.2010 ei­ne Ab­mah­nung we­gen ei­nes un­be­gründe­ten Auf­ent­hal­tes an ei­ner Tank­stel­le er­hal­ten hat­te und am 05.04.2011 von dem Fuhr­park­lei­ter dar­auf an­ge­spro­chen wor­den war, dass er – wie­der­um – sich un­be­rech­tigt während der Ar­beits­zeit an ei­ner Tank­stel­le auf­ge­hal­ten hat, am 07.04.2011 während sei­ner Ar­beits­zeit mit sei­nem Fahr­zeug auf das Gelände der E.-Tank­stel­le in der R.Straße ge­fah­ren war, erst ge­gen 11:00 Uhr in den Hof am Be­triebs­sitz ein­ge­fah­ren war, dort den Wa­gen ent­la­den hat und ei­ne Ar­beits­zeit bis 11:30 Uhr auf­ge­zeich­net hat­te, oh­ne die Pau­se an der Tank­stel­le zu erwähnen. In ei­nem am Fol­ge­tag statt­ge­fun­de­nen Gespräch mit der Per­so­nal­lei­te­rin und dem Ju­ni­or­chef leug­ne­te der Kläger zunächst, am Vor­ta­ge an je­ner Tank­stel­le ge­we­sen zu sein; nach­dem er mit ei­nem Zeu­gen, ei­nem Kol­le­gen, kon­fron­tiert wor­den war, hat der Kläger sei­nen Auf­ent­halt an der Tank­stel­le bestätigt und die­sen mit „Ma­gen­pro­ble­men“ be­gründet.

Die Be­klag­te nahm dies zum An­lass, ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung we­gen Ar­beits­zeit­be­tru­ges, zu­min­dest des Tat­ver­dach­tes hier­auf, aus­zu­spre­chen. Dem­ge­genüber hat der Kläger erklärt, er ha­be sich am 07.04.2011 ma­xi­mal 25 Mi­nu­ten an der Tank­stel­le auf­ge­hal­ten und we­gen sei­ner Ma­gen­pro­ble­me ei­ne Toi­let­te auf­ge­sucht. Es sei unüblich, die Pau­sen oder sons­ti­ge Un­ter­bre­chun­gen auf dem Ar­beits­zet­tel zu no­tie­ren. Er ha­be den Vor­fall in dem Gespräch be­strit­ten, weil er sich geschämt ha­be, sei­ne Ma­gen­pro­ble­me zu of­fen­ba­ren.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Par­tei­vor­brin­gens wird auf die dort ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie auf den Tat­be­stand der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung Be­zug ge­nom­men, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 17.08.2011 den ge­gen die Wirk­sam­keit der Kündi­gung ge­rich­te­ten Fest­stel­lungs­anträgen des Klägers ent­spro­chen. So­wohl

 

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die frist­lo­se als auch die frist­gemäße Kündi­gung sei­en un­wirk­sam. Die Be­klag­te ha­be er­heb­li­che Ver­trags­pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers nicht hin­rei­chend dar­ge­tan. Im Be­zugs­punkt des vor­ge­wor­fe­nen Ar­beits­zeit­be­tru­ges von 90 Mi­nu­ten ha­be die Be­klag­te nicht hin­rei­chend dar­ge­tan, dass der Kläger be­reits ab 09:30 Uhr nicht mehr ge­ar­bei­tet ha­be. Dies­bezüglich sei­en nur Mut­maßun­gen un­ter Be­zug­nah­me auf Üblich­kei­ten bei an­de­ren Fah­rern geäußert wor­den. Der von der Be­klag­ten ge­nann­te Zeu­ge ha­be den Kläger erst ge­gen 10.00 Uhr ge­se­hen, auch ein Mit­ar­bei­ter an der Tank­stel­le ha­be ei­nen Auf­ent­halt des Klägers be­reits um 09:30 Uhr nicht bestätigt. Es könne da­hin­ste­hen, ob der Kläger be­reits um 10:00 Uhr an der Tank­stel­le ge­we­sen sei; er ha­be sich je­den­falls al­len­falls 27 Mi­nu­ten bis 45 – 50 Mi­nu­ten dort auf­ge­hal­ten. So­weit die Be­klag­te ausführe, die auf dem Ar­beits­zet­tel ein­ge­tra­ge­ne Zeit von 03.00 Uhr bis 11:30 Uhr sei rei­ne Ar­beits­zeit, sei dies nicht nach­voll­zieh­bar. Die Be­klag­te ver­s­toße viel­mehr ih­rer­seits ge­gen Ar­beits­zeit­ge­set­ze, weil sie kei­ne Ru­he­pau­sen­re­ge­lung wirk­sam ein­geführt ha­be. Auch wenn der Kläger nach durch­ge­ar­bei­te­ten 7 St­un­den Ar­beits­zeit we­gen Ma­gen­pro­ble­men ei­ne Not­durft ver­rich­tet ha­be, sei dies kein Kündi­gungs­grund. Die Ma­gen­pro­ble­me sei­en zwar von der Be­klag­ten be­strit­ten, sie selbst sei aber dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig für die Kündi­gungs­gründe. Die Be­klag­te ha­be ein­deu­ti­ge Wei­sun­gen hin­sicht­lich der Ausfüllung der Ar­beits­zet­tel nicht dar­ge­tan; die ein­ge­reich­ten Ar­beits­zet­tel do­ku­men­tier­ten auch bei den übri­gen Fah­rern kei­ne Pau­sen. An­ge­sichts der kla­ren Verstöße der Be­klag­ten ge­gen die Ar­beits­zeit­ge­set­ze sei ei­ne schwer­wie­gen­de Pflicht­ver­let­zung des Klägers nicht zu er­ken­nen. Kündi­gungs­gründe hätten nicht vor­ge­le­gen. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf die Ent­schei­dungs­gründe (Bl. 49 ff. d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses am 07.09.2011 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die Be­ru­fung der Be­klag­ten, die sie mit ei­nem beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 05.10.2011 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz ein­ge­legt und zu­gleich be­gründet hat.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­gründet ih­re Be­ru­fung da­mit, dass der Kläger ei­nen Ar­beits­zeit­be­trug be­gan­gen ha­be. Er ha­be ei­ne St­un­de Ar­beits­zeit auf­ge­schrie­ben, oh­ne hierfür ge­ar­bei­tet zu ha­ben. Der Kläger ha­be die Tank­stel­le je­den­falls um 10:00 Uhr auf­ge­sucht und den Be­triebs­hof erst um

 

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11:00 Uhr er­reicht. Wenn er Ma­gen­pro­ble­me ge­habt ha­be, so ha­be er die sich ge­genüber der Tank­stel­le be­find­li­che Fi­lia­le der Be­klag­ten auf­su­chen können; dies wäre je­den­falls na­he­lie­gend ge­we­sen. Die Dar­stel­lung des Klägers sei des­we­gen un­glaubwürdig, in­so­weit sei ei­ne Be­weis­last­um­kehr ein­ge­tre­ten. Die Un­glaubwürdig­keit der Ausführung des Klägers er­ge­be sich auch dar­aus, dass er in sei­ner Anhörung am 08.04.2011 so­wohl den Auf­ent­halt an der Tank­stel­le be­strit­ten und schließlich von ei­ner Not­durft nichts erwähnt ha­be. Es sei rich­tig, dass bei der Be­klag­ten kei­ne schrift­li­chen Vor­ga­ben für die Fah­rer im Hin­blick auf die Ein­tra­gung von Pau­sen bestünden. Münd­lich sei­en die­se aber bei der Ein­stel­lung auf die Not­wen­dig­keit der Auf­zeich­nung hin­ge­wie­sen wor­den. Ei­ni­ge Fah­rer hätten auch of­fen­bar gar kei­ne Pau­sen ge­macht, um mehr Geld zu ver­die­nen. Teil­wei­se sei­en auch ge­son­der­te Zet­tel im Hin­blick auf die Ein­le­gung von Pau­sen an das Büro ge­ge­ben wor­den. Die Be­klag­te sei sich be­wusst ge­wor­den, dass hier auf ih­rer Sei­te ei­ne aus­gie­bi­ge Auf­ar­bei­tung statt­zu­fin­den ha­be. Das be­deu­te aber an­de­rer­seits nicht, dass sich der Kläger auf Kos­ten der Be­klag­ten ha­be be­rei­chern dürfen. Das Ver­hal­ten des Klägers wie­ge schwer, weil er nur neun Mo­na­te vor­her ei­ne Ab­mah­nung we­gen ei­nes gleich­ar­ti­gen Vor­fal­les er­hal­ten ha­be. Auch sei er nur drei Ta­ge vor dem Kündi­gungs­vor­fall noch ein­mal auf ei­nen ähn­li­chen Vor­fall an­ge­spro­chen wor­den. Der Be­klag­ten sei im Nach­hin­ein oh­ne­hin be­kannt ge­wor­den, dass der Kläger täglich in ei­ner der Fi­lia­len sich Kaf­fee und Brötchen ge­nom­men und Zei­tung ge­le­sen ha­be. Zu­min­dest die frist­gemäße Kündi­gung sei ge­recht­fer­tigt.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 17.08.2011 die Kla­ge ins­ge­samt ab­zu­wei­sen.

Der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Er ver­tritt die Auf­fas­sung, die Be­ru­fungs­schrift ent­hal­te nur di­ver­se Ver­mu­tun­gen oh­ne Be­weis­an­trit­te. Der Vor­wurf des Ar­beits­zeit­be­tru­ges sei we­der zu­tref­fend noch durch die Be­klag­te be­legt. Die hier frag­li­che Don­ners­tags­tour sei für ihn

 

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je­den­falls länger ge­we­sen, dies ins­be­son­de­re auch des­we­gen, weil sein Fahr­zeug als ei­nes der letz­ten be­la­den wor­den sei. Er ha­be in den Fi­lia­len noch war­ten müssen, bis Leer­gut wie­der auf den Trans­por­ter ver­bracht wor­den sei. Die Be­klag­te ha­be kei­nen Be­weis über die Dau­er sei­nes Auf­ent­hal­tes an der Tank­stel­le; er ha­be kei­ne fal­schen Ein­tra­gun­gen zu sei­nen Guns­ten vor­ge­nom­men. Es sei rich­tig, dass in der Fi­lia­le ge­genüber der Tank­stel­le ei­ne Toi­let­te vor­han­den sei, die­se sei je­doch nicht vollständig ab­ge­schlos­sen, so dass er da­von ab­ge­se­hen ha­be, im Hin­blick auf sei­ne Ma­gen­pro­ble­me dort­hin zu ge­hen. Ihm sei bei sei­ner Ein­stel­lung ge­ra­de nicht ge­sagt wor­den, dass Pau­sen­zei­ten auf die Ar­beits­zet­tel zu no­tie­ren sei­en. Es ha­be gar kein Ein­stel­lungs­gespräch mit der Per­so­nal­lei­te­rin ge­ge­ben.

Er wer­de nun­mehr von Kol­le­gen ge­mobbt, bei­spiels­wei­se von dem Kol­le­gen, der als Zeu­ge ge­gen ihn auf­ge­tre­ten sei. Die Be­klag­te ha­be auch mehr­fach erklärt, er wer­de bei ihr nicht mehr ar­bei­ten.

Der Kläger be­an­tragt des­we­gen wei­ter,

das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung auf­zulösen, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, aber die Sum­me von 15.000,00 € nicht un­ter­schrei­ten sol­le.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

den Auflösungs­an­trag zurück­zu­wei­sen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des zweit­in­stanz­li­chen Par­tei­vor­brin­gens wird auf den Schrift­satz der Be­klag­ten und Be­ru­fungskläge­rin vom 05.10.2011 (Bl. 64 ff. d. A.) und auf den­je­ni­gen des Klägers und Be­ru­fungs­be­klag­ten vom 11.11.2011 (Bl. 86 ff. d. A.) Be­zug ge­nom­men.

 

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Ent­schei­dungs­gründe


1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG, 511 ZPO statt­haf­te Be­ru­fung ist form- und frist­ge­recht im Sin­ne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Die Be­ru­fung ist da­her zulässig.

2. Die Be­ru­fung hat­te in der Sa­che Er­folg.

Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 08.04.2011 mit so­for­ti­ger Wir­kung auf­gelöst wor­den. Der Be­klag­ten stand ein wich­ti­ger Grund zur Sei­te, der ihr die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses auch nur bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist als un­zu­mut­bar er­schei­nen las­sen durf­te.

2.1 Es ist im Grund­satz da­von aus­zu­ge­hen, dass gemäß § 626 Abs. 1 BGB das Ar­beits­verhält­nis aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den kann, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sach­ver­halt oh­ne sei­ne be­son­de­ren Umstände „an sich“, d. h. ty­pi­scher­wei­se als wich­ti­ger Grund ge­eig­net ist. Als­dann be­darf es der Prüfung, ob dem Kündi­gen­den die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Umstände des Fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le je­den­falls bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zu­mut­bar ist oder nicht. Ein wich­ti­ger Grund im Sin­ne von § 626 Abs. 1 BGB ist nur ge­ge­ben, wenn das Er­geb­nis die­ser Ge­samtwürdi­gung die Fest­stel­lung der Un­zu­mut­bar­keit ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers auch nur bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist ist (BAG vom 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 – NZA 2011, 1027).

Der vorsätz­li­che Ver­s­toß ei­nes Ar­beit­neh­mers ge­gen sei­ne Ver­pflich­tung, die ab­ge­leis­te­te, vom Ar­beit­ge­ber nur schwer zu kon­trol­lie­ren­de Ar­beits­zeit kor­rekt zu do­ku­men­tie­ren, ist an sich ge­eig­net, ei­nen wich­ti­gen Grund zur

 

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außer­or­dent­li­chen Kündi­gung im Sin­ne von § 626 Abs. 1 BGB dar­zu­stel­len (BAG vom 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 – NZA 2011, 1227; BAG vom 24.11.2005 – 2 AZR 39/05 – NZA 2006, 484). Dies gilt für ei­nen vorsätz­li­chen Miss­brauch ei­ner Stem­pel­uhr eben­so wie für das wis­sent­li­che und vorsätz­li­che fal­sche Aus­stel­len ent­spre­chen­der For­mu­la­re. Da­bei kommt es nicht ent­schei­dend auf die straf­recht­li­che Würdi­gung an, son­dern auf den mit der Pflicht­ver­let­zung ver­bun­de­nen schwe­ren Ver­trau­ens­bruch. Der Ar­beit­ge­ber muss auf ei­ne kor­rek­te Do­ku­men­ta­ti­on der Ar­beits­zeit von am Gleit­zeit­mo­dell teil­neh­men­den Ar­beit­neh­mern ver­trau­en können. Überträgt er den Nach­weis der ge­leis­te­ten Ar­beits­zeit den Ar­beit­neh­mern selbst und füllt ein Ar­beit­neh­mer die dafür zur Verfügung ste­hen­den For­mu­la­re wis­sent­lich oder vorsätz­lich falsch aus, so stellt dies in al­ler Re­gel ei­nen schwe­ren Ver­trau­ens­miss­brauch dar.

2.2 Ge­mes­sen an die­sen vom Bun­des­ar­beits­ge­richt auf­ge­stell­ten Grundsätzen er­wies sich die streit­ge­genständ­li­che frist­lo­se Kündi­gung als ge­recht­fer­tigt.

2.2.1 Das Be­ru­fungs­ge­richt ist da­von aus­ge­gan­gen, dass – wie es das Ar­beits­ge­richt zu Recht fest­ge­stellt hat – der Kläger am 07.04.2011 min­des­tens für ei­nen Zeit­raum von 27 Mi­nu­ten. mögli­cher­wei­se aber für ei­nen Zeit­raum von 45 – 50 Mi­nu­ten während der Ar­beits­zeit sich an der E.-Tank­stel­le in der R.Straße auf­ge­hal­ten hat. Er hat in die­ser Zeit nicht ge­ar­bei­tet, son­dern ist erst ge­gen 11:00 Uhr in den Be­triebs­hof ein­ge­fah­ren, hat sei­nen Wa­gen ent­la­den und sei­ne Ar­beits­zeit um 11:30 Uhr be­en­det und ent­spre­chen­des auf den Ar­beits­zet­tel ge­schrie­ben. Er hat da­mit do­ku­men­tiert, in die­ser Zeit aus­sch­ließlich Ar­beits­leis­tung er­bracht zu ha­ben, ob­gleich er für den ge­nann­ten Zeit­raum an der Tank­stel­le in der R.Straße aufhältig war und dort ge­ra­de kei­ne Ar­beits­leis­tung er­brach­te.

Auch wenn das Be­ru­fungs­ge­richt – wie be­reits das Ar­beits­ge­richt – da­von aus­geht, dass der Be­klag­ten er­heb­li­che Versäum­nis­se bei der Er­fas­sung der Ar­beits- und ins­be­son­de­re der Pau­sen­zei­ten vor­zu­hal­ten sind, steht doch im Er­geb­nis fest, dass der Kläger sei­ner­seits die Be­klag­te darüber getäuscht hat, dass er in der Zeit von 10:00 Uhr bis min­des­tens 10:27 Uhr, mögli­cher­wei­se

 

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darüber hin­aus­ge­hend Ar­beits­leis­tun­gen er­bracht hat, ob­wohl dies in Wirk­lich­keit nicht der Fall war.

Legt ein Ar­beit­neh­mer, der sei­ne Ar­beit außer­halb der Be­triebsstätte zu er­brin­gen hat, Pau­sen ein, die er nicht do­ku­men­tiert, so dass aus vom Grund­satz her un­be­zahl­ten Pau­sen be­zahl­te Pau­sen wer­den, so täuscht er den Ar­beit­ge­ber über die tatsächlich ge­leis­te­te Ar­beit und über die Vergütungs­pflicht, die den Ar­beit­ge­ber nur für die­se Ar­beit trifft. Der Sa­che nach ist die­se Fall­ge­stal­tung ver­gleich­bar mit der­je­ni­gen, die das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­nen ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen zu­grun­de ge­legt hat, nämlich der fal­schen Auf­zeich­nung von Ar­beits­zei­ten auf ei­nem Gleit­zeit­bo­gen.

Dass der Kläger die auf dem Gelände der Tank­stel­le R.Straße ver­brach­te Zeit zulässi­ger­wei­se als „Pau­se“ ge­nutzt hätte, ist nicht zu er­ken­nen. Der Kläger hat sich hier­auf in sei­ner ei­ge­nen Ein­las­sung am Fol­ge­tag je­den­falls nicht be­zo­gen. Der Kläger hat in sei­ner Ein­las­sung am Fol­ge­tag viel­mehr zunächst be­strit­ten, sich über­haupt an der Tank­stel­le R.Straße auf­ge­hal­ten zu ha­ben. Erst als ihm ein Tat­zeu­ge ent­ge­gen­ge­stellt wor­den ist, hat er den Um­stand schließlich ein­geräumt und sich in die­sem Zu­sam­men­hang auf „Ma­gen­pro­ble­me“ be­ru­fen. Die­ser Dar­stel­lung des Klägers ist das Be­ru­fungs­ge­richt un­ter Berück­sich­ti­gung von § 286 ZPO nicht na­he­ge­tre­ten. Hätte der Kläger tatsächlich „Ma­gen­pro­ble­me“ ge­habt, hätte er dies oh­ne Wei­te­res bei dem Gespräch einräum­en können. Dass er sich dafür „geschämt“ ha­ben will, ist nicht na­he­lie­gend. Ins­be­son­de­re ist sei­ne dies­bezügli­che Ein­las­sung nicht schlüssig, weil er sich in die­sem Fal­le un­mit­tel­bar und so­fort hätte dar­auf be­ru­fen können.
Das Be­ru­fungs­ge­richt ist in­so­weit vom Vor­lie­gen ei­nes Ar­beits­zeit­be­tru­ges durch den Kläger im Um­fan­ge von min­des­tens 27, mögli­cher­wei­se je­doch 45 – 50 Mi­nu­ten aus­ge­gan­gen. Dies stellt nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ei­nen Kündi­gungs­grund „an sich“ dar.

2.2.2 Die so­dann vor­zu­neh­men­de In­ter­es­sen­abwägung im Ein­zel­fall fällt zu­las­ten des Klägers aus. Da­bei ist das Be­ru­fungs­ge­richt zunächst da­von aus­ge­gan­gen, dass für die Ar­beits­zeit­un­ter­bre­chung am 07.04.2011 kein er­kenn­ba­rer Grund vor­han­den war. Der Kläger hat sich dies­bezüglich zwar auf „Ma­gen­pro­ble­me“ be­ru­fen; aus den so­eben dar­ge­leg­ten Gründen ver­moch­te die

 

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Kam­mer dem je­doch nicht näher­zu­tre­ten. Ein der­ar­ti­ges Fehl­ver­hal­ten im Be­reich der Ar­beits­zeit­do­ku­men­ta­ti­on wiegt schwer, weil der Ar­beit­ge­ber ge­ra­de dann, wenn die Ar­beitstätig­keit nicht in der Be­triebsstätte aus­geführt wird, auf die un­be­ding­te Zu­verlässig­keit der Ar­beit­neh­mer und der von ih­nen ver­an­lass­ten Do­ku­men­ta­ti­on der Ar­beits­zeit an­ge­wie­sen ist. Der Ar­beit­ge­ber kann die Ein­hal­tung der Ar­beits­zeit in sol­chen Fällen eben nicht „in ei­ge­ner Re­gie“, al­so durch Maßnah­men an und in der Be­triebsstätte kon­trol­lie­ren. Er ist auf die un­be­ding­te Ehr­lich­keit der Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer an­ge­wie­sen, die ih­re Ar­beits­zeit außer­halb des Be­triebs­geländes er­brin­gen. Ei­ne Täuschungs­hand­lung ei­nes Ar­beit­neh­mers in die­sem Be­reich führt zu ei­nem schwe­ren Ver­trau­ens­ver­lust.

Von be­son­de­rem Ge­wicht zu­las­ten des Klägers war für das Be­ru­fungs­ge­richt ins­be­son­de­re der Um­stand, dass er den Auf­ent­halt an der Tank­stel­le in dem Gespräch mit der Per­so­nal­lei­te­rin und dem Ju­ni­or­chef am Fol­ge­ta­ge zunächst gänz­lich ge­leug­net und erst auf Vor­halt ei­ner Zeu­gen­aus­sa­ge ein­geräumt hat.

Nach der frühe­ren langjähri­gen Recht­spre­chung des Zwei­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts war das „Nach-Tat-Ver­hal­ten“ des Ar­beit­neh­mers, al­so sei­ne Ein­las­sun­gen nach der Pflicht­ver­let­zung und vor Aus­spruch der Kündi­gung, von ho­hem Ge­wicht für die vor­zu­neh­men­de In­ter­es­sen­abwägung. Ins­be­son­de­re das Ver­hal­ten im Zu­sam­men­hang mit ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Aufklärungs­maßnah­men konn­te sich durch­aus und in er­heb­li­chem Um­fang be­las­tend im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung aus­wir­ken. So hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts noch in der Ent­schei­dung vom 24.11.2005 (2 AZR 39/05 – NZA 2006, 484)) aus­geführt, dass das Lan­des­ar­beits­ge­richt in dem dor­ti­gen Fall zu­tref­fend berück­sich­tigt ha­be, dass der Kläger sei­nen Pflich­ten­ver­s­toß zunächst ge­leug­net und dann mehr­fach vorsätz­lich die Un­wahr­heit ge­sagt ha­be. Es hal­te sich im Be­ur­tei­lungs­spiel­raum der Tat­sa­chen­in­stanz, wenn das Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­sichts sol­cher Umstände da­von aus­ge­gan­gen sei, das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses über­wie­ge das In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers am Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses. Al­ler­dings hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts in sei­ner Ent­schei­dung vom 10.06.2010 (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – Pfand­bon) den Um­stand, dass auch die dor­ti­ge

 

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Kläge­rin bei den Aufklärungs­maßnah­men des Ar­beit­ge­bers mehr­fach und be­harr­lich ge­lo­gen hat­te, nicht in die von ihm als Re­vi­si­ons­ge­richt dann selbst vor­ge­nom­me­ne In­ter­es­sen­abwägung ein­be­zo­gen. Er hat dort – un­ter Be­ru­fung auf ei­ne Ent­schei­dung aus dem Jah­re 1955 – nur fest­ge­stellt, dass das Pro­zess­vor­brin­gen der dor­ti­gen Kläge­rin nicht auf den Kündi­gungs­grund zurück­wir­ken könne. Dar­um geht es aber in Fall­ge­stal­tun­gen wie den vor­lie­gen­den nicht. Denn das hier in Re­de ste­hen­de Ver­hal­ten spielt sich nach Be­ge­hung der Pflicht­wid­rig­keit, aber ge­ra­de vor Aus­spruch der Kündi­gung ab; es hat al­so mit „pro­zes­sua­lem Ver­tei­di­gungs­vor­brin­gen“ gar nichts zu tun, wohl aber mit den Umständen, die ei­nen Ar­beit­ge­ber, der ein Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers nach Pflicht­wid­rig­keit bei der Aufklärung der­sel­ben zu würdi­gen hat, in sei­nen Kündi­gungs­ent­schluss ein­stel­len muss. Es muss da­her da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts sei­ne dies­bezügli­chen Ausführun­gen in der ent­spre­chen­den Ent­schei­dung vom 10.06.2010 auf die spe­zi­el­len und be­son­de­ren Umstände des dort ent­schie­de­nen Fal­les be­zo­gen hat. Das Be­ru­fungs­ge­richt geht je­den­falls da­von aus, dass das Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers nach der Pflicht­wid­rig­keit, ins­be­son­de­re das Ver­hal­ten im Zu­sam­men­hang mit vom Ar­beit­ge­ber vor­ge­nom­me­nen Aufklärungs­maßnah­men, nach wie vor Ge­gen­stand der In­ter­es­sen­abwägung im Ein­zel­fall sein können, und dass sie sich hier in er­heb­li­chem Maße und be­son­ders schwer­wie­gend zu­las­ten des Klägers aus­wir­ken.

2.2.3 Die frist­lo­se Kündi­gung er­weist sich auch nicht des­we­gen als un­wirk­sam, weil dem Ar­beit­ge­ber mil­de­re Re­ak­ti­onsmöglich­kei­ten zu­mut­bar ge­we­sen wären (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – NZA 2010, 1227). Mil­de­re Re­ak­tio­nen, ins­be­son­de­re ei­ne Ab­mah­nung oder ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung, kom­men dann als al­ter­na­ti­ve Ge­stal­tungs­mit­tel in Be­tracht, wenn schon sie ge­eig­net sind, den mit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ver­folg­ten Zweck – die Ver­mei­dung des Ri­si­kos künf­ti­ger Störun­gen – zu er­rei­chen (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – NZA 2010, 1227). Nach dem Verhält­nismäßig­keits­grund­satz ist ei­ne Kündi­gung je­den­falls nicht ge­recht­fer­tigt, wenn es mil­de­re Mit­tel ge­ge­ben hat, ei­ne Ver­tragsstörung für die Zu­kunft zu be­sei­ti­gen (BAG vom 24.03.2011 – 2 AZR 282/10 – NZA 2011, 1029). Die­se Aus­sa­ge des Zwei­ten Se­nats des Bunds­ar­beits­ge­richts ist miss­verständ­lich: Es geht nicht dar­um, ei­ne Ver­tragsstörung zukünf­tig zu „be­sei­ti­gen“, viel­mehr geht

 

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es dar­um, ei­ner Ver­tragsstörung für die Zu­kunft „vor­zu­beu­gen“. In die­sem Sin­ne kann ei­ne Ab­mah­nung als mil­de­res Mit­tel im Zu­sam­men­hang mit dem das Kündi­gungs­recht prägen­den Pro­gno­se­prin­zip an­ge­se­hen wer­den.

Des Aus­spruchs ei­ner ent­spre­chen­den Ab­mah­nung im Streit­fal­le be­durf­te es in­des nicht. Denn der Kläger war be­reits am 10.07.2010 ein­schlägig ab­ge­mahnt wor­den; ins­be­son­de­re ist zu berück­sich­ti­gen, dass er nur zwei Ta­ge vor dem Vor­fall von dem Fuhr­park­lei­ter ex­akt auf ei­nen Vor­fall an­ge­spro­chen wor­den ist, der dem Kündi­gungs­vor­fall gleich­zu­set­zen ist. Wie­der­um ging es dar­um, dass der Kläger während der Ar­beits­zeit an der auch den Kündi­gungs­vor­fall kenn­zeich­nen­den E.-Tank­stel­le in der R.Straße an­ge­trof­fen wor­den war und hierüber dem Ar­beit­ge­ber kei­ne Mit­tei­lung ge­macht hat­te. In­so­fern muss­te da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass sich der Kläger die­se Umstände nicht als War­nung hat die­nen las­sen; un­ge­ach­tet der An­spra­che durch den Fuhr­park­lei­ter hat er zwei Ta­ge später ex­akt das­je­ni­ge Ver­hal­ten er­neut ge­zeigt, was die­ses Mal zur Kündi­gung geführt hat. Das Be­ru­fungs­ge­richt ist da­her da­von aus­ge­gan­gen, dass sich der Kläger hier nicht hat „be­leh­ren“ las­sen und dass auch die je­wei­li­gen Vor­hal­te durch den Ar­beit­ge­ber ge­ra­de nicht da­zu geführt ha­ben, dass der Kläger in der Zu­kunft sein Ver­hal­ten geändert hätte. Dass dies im kon­kre­ten Fall an­ders wäre, ist nicht zu er­ken­nen.

Auch die zu­guns­ten des Klägers in die In­ter­es­sen­abwägung ein­zu­be­zie­hen­den Umstände ver­moch­ten da­bei das Über­ge­wicht der In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers an der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht zu über­spie­len. Si­cher ist rich­tig, dass die fa­mi­liären Verhält­nis­se des Klägers zu sei­nen Guns­ten zu berück­sich­ti­gen wa­ren; eben­so der Um­stand, dass das Ar­beits­verhält­nis mitt­ler­wei­le mehr als 14 Jah­re be­stan­den hat. Zwar hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt im Zu­sam­men­hang mit der schon erwähn­ten Ent­schei­dung vom 10.06.2010 (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – NZA 2010, 1227) da­von ge­spro­chen, dass sich mit zu­neh­men­der Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses ein „Ver­trau­en­s­ka­pi­tal“ an­sam­meln könn­te; in fol­gen­den Ent­schei­dun­gen, bei­spiels­wei­se in der Ent­schei­dung vom 16.12.2010 (BAG vom 16.12.2010 – 2 AZR 485/08 – NZA 2011, 571) hat es die­sen Ge­dan­ken aber nicht mehr auf­ge­grif­fen, ob­wohl auch die dor­ti­ge Kläge­rin ei­ne Be­triebs­zu­gehörig­keit von rund 13 Jah­ren auf­ge­wie­sen hat­te. An­ge­sichts der schwer­wie­gen­den

 

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Pflicht­ver­let­zung des Klägers im Streit­fal­le ver­moch­ten die zu sei­nen Guns­ten spre­chen­den Umstände das Ge­wicht nicht auf sei­ne Sei­te zu ver­la­gern.

3. Er­wies sich die frist­lo­se Kündi­gung als wirk­sam, so muss­te das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hin ent­spre­chend ab­geändert wer­den. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 ZPO.

4. Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Be­tracht, da die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen bei dem vor­lie­gen­den Ein­zel­fall nicht ge­ge­ben wa­ren.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

Der Kläger wird auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de gemäß § 72 a ArbGG hin­ge­wie­sen.

 

Dr. B.

H.

J.

 

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