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LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 04.05.2011, 8 Sa 361/10

   
Schlagworte: Kündigung: Verhaltensbedingt, Kündigung: Beleidigung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen: 8 Sa 361/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 04.05.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 22.06.2010, 3 Ca 382/10
   

Ak­ten­zei­chen:
8 Sa 361/10
3 Ca 382/10
ArbG Mainz
Ent­schei­dung vom 04.05.2011

Te­nor:
Auf die Be­ru­fung des Be­kla­gen wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mainz vom 22.6.2010 - 3 Ca 382/10 - un­ter Zurück­wei­sung der Be­ru­fung im Übri­gen wie folgt teil­wei­se ab­geändert:
Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung des Be­klag­ten vom 10.5.2010 nicht zum 30.6.2010, son­dern erst zum 31.7.2010 auf­gelöst wor­den ist.
Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.
Der Kläger hat 82 % und der Be­klag­te 18 % der erst­in­stanz­li­chen Kos­ten zu tra­gen. Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens wer­den zu
67 % dem Kläger und zu 33 % dem Be­klag­ten auf­er­legt.
Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:
Die Par­tei­en strei­ten im vor­lie­gen­den Be­ru­fungs­ver­fah­ren noch über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung.

Der am 27.06.1952 ge­bo­re­ne Kläger war bei dem Be­klag­ten, der ei­nen Le­bens­mit­tel­markt be­treibt, seit dem 17.03.2003 als Sub­sti­tut beschäftigt. Der Be­klag­te beschäftigt in der Re­gel mehr als zehn Ar­beit­neh­mer aus­sch­ließlich der Aus­zu­bil­den.

Am 14.01.2010 stell­te der Kläger ei­nen An­trag auf An­er­ken­nung als schwer­be­hin­der­ter Mensch. Mit Be­scheid des Amts für so­zia­le An­ge­le­gen­hei­ten vom 24.02.2010 wur­de ihm ein GdB von 70 an­er­kannt.

Am 08.02.2010 ver­wei­ger­te der Kläger die An­nah­me ei­nes Schrei­bens, wel­ches den Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung be­inhal­te­te. Mit Schrei­ben sei­nes Rechts­an­walts vom 10.02.2010 kündig­te der Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis (er­neut) frist­los. Mit Be­scheid vom 15.04.2010 er­teil­te das In­te­gra­ti­ons­amt dem Be­klag­ten auf des­sen An­trag hin die Zu­stim­mung zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten or­dent­li­chen Kündi­gung. Ge­gen die­sen Be­scheid hat der Kläger Wi­der­spruch ein­ge­legt.

Mit Schrei­ben vom 25.04.2010 kündig­te der Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich zum 31.05.2010. Die­se Kündi­gung nahm der Be­klag­te mit Schrei­ben vom 10.05.2010 zurück, erklärte je­doch mit Schrei­ben sel­ben Da­tums ei­ne er­neu­te or­dent­li­che Kündi­gung zum 30.06.2010.

Der Be­klag­te hat erst­in­stanz­lich im Kam­mer­ter­min vom 22.06.2010 erklärt, dass er an kei­ner der vor dem 10.05.2010 aus­ge­spro­che­nen Kündi­gun­gen fest­hal­te. Die Par­tei­en ha­ben dar­auf­hin die Haupt­sa­che bezüglich der vom Kläger ge­gen die vom 10.05.2010 aus­ge­spro­che­nen Kündi­gun­gen er­ho­be­nen Kündi­gungs­schutz­kla­gen übe­rein­stim­mend für er­le­digt erklärt.

Der Kläger, der die vom Be­klag­ten vor­ge­tra­ge­nen Kündi­gungs­sach­ver­hal­te be­strit­ten hat, hat be­an­tragt:
Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch die or­dent­li­che Kündi­gung vom 10.05.2010 zum 30.06.2010 be­en­det wor­den ist, son­dern un­verändert über die­sen Ter­min hin­aus fort­be­steht.
Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger ei­nen Be­trag in Höhe von 4.100,00 EUR brut­to nebst 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz zu zah­len.
Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger zukünf­tig auf Ba­sis ei­ner Brut­to­vergütung von 2.650,00 EUR ab­zu­rech­nen und den sich hier­aus er­ge­ben­den Net­to­be­trag an den Kläger aus­zu­zah­len.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt,
die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te hat erst­in­stanz­lich u.a. vor­ge­tra­gen, der Kläger ha­be am 08.02.2010 ei­ne Mit­ar­bei­te­rin (die Zeu­gin A.) be­zich­tigt, an ei­nem Dieb­stahl be­tei­ligt ge­we­sen zu sein, der sich vor ei­ni­ger Zeit im Be­trieb er­eig­net ha­be und dass es dafür Zeu­gen ge­be. Die Na­men der be­tref­fen­den Zeu­gen ha­be der Kläger auf Nach­fra­ge der Mit­ar­bei­te­rin nicht ge­nannt. Dar­auf­hin sei die­se zu ihm - dem Be­klag­ten - ge­gan­gen und ha­be ihm von den Vor­hal­tun­gen des Klägers be­rich­tet. Der Be­klag­te ha­be den Kläger so­dann in sein Büro ge­be­ten und ihn eben­falls nach den Na­men von Zeu­gen ge­fragt. Nach­dem der Kläger auch ihm kei­ne Na­men ge­nannt ha­be, ha­be er dem Kläger erklärt, er sol­le das las­sen. Dar­auf­hin ha­be der Kläger sinn­gemäß ge­ant­wor­tet: "Herr B., Sie ha­ben gar nichts mehr zu sa­gen, Ih­re Zeit ist ab­ge­lau­fen."

Von der wei­ter­ge­hen­den Dar­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Sach- und Streit­stan­des wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab­ge­se­hen. In­so­weit wird Be­zug ge­nom­men auf den Tat­be­stand des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Mainz vom 22.06.2010 (Bl. 94 - 98 d.A.).

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kündi­gungs­schutz­kla­ge mit Ur­teil vom 22.06.2010 statt­ge­ge­ben und im Übri­gen die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Dar­stel­lung der maßgeb­li­chen Ent­schei­dungs­gründe wird auf die Sei­ten 7 - 13 die­ses Ur­teils (= Bl. 99 - 105 d.A.) ver­wie­sen.

Ge­gen das ihm am 01.07.2010 zu­ge­stell­te Ur­teil hat der Be­klag­te am 14.07.2010 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se zu­gleich be­gründet.

Der Be­klag­te macht im We­sent­li­chen gel­tend, ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts ha­be es vor Aus­spruch der streit­be­fan­ge­nen or­dent­li­chen Kündi­gung nicht ei­ner vor­he­ri­gen Ab­mah­nung be­durft. Ei­ne sol­che sei vor­lie­gend ent­behr­lich ge­we­sen. Durch das Ver­hal­ten des Klägers sei das Be­triebs­kli­ma für al­le Zeit ver­gif­tet ge­we­sen. Ein Ar­beit­ge­ber müsse sich von ei­nem Ar­beit­neh­mer nicht ge­fal­len las­sen, dass die­ser zu ihm sa­ge : "Sie ha­ben gar nichts mehr zu sa­gen, Ih­re Zeit ist ab­ge­lau­fen." Darüber hin­aus könne ei­ne vernünf­ti­ge Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen dem Kläger und der von die­sem ei­nes Dieb­stahls be­zich­tig­ten Kol­le­gen nicht mehr er­war­tet wer­den.

Zur Dar­stel­lung al­ler Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens des Be­klag­ten im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf des­sen Be­ru­fungs- und Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift vom 12.07.2010 (Bl. 113 f d.A.) so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 08.12.2010 (Bl. 158 ff d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Der Be­klag­te be­an­tragt,
das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ab­zuändern und die Kla­ge ins­ge­samt ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,
die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil nach Maßga­be sei­ner Schriftsätze vom 03.09.2010 (Bl. 144 - 148 d.A.) und vom 15.12.2010 (Bl. 176 d.A.), auf die Be­zug ge­nom­men wird.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat Be­weis er­ho­ben durch Ver­neh­mung der Zeu­gin A.. We­gen des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me wird auf die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 04.05.2011 (dort Sei­te 2 f = Bl. 226 f d.A.) ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe:
I. Die statt­haf­te Be­ru­fung ist so­wohl form- als auch frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Das hier­nach ins­ge­samt zulässi­ge Rechts­mit­tel hat in der Sa­che über­wie­gend er­folgt.

II. Die Kündi­gungs­schutz­kla­ge des Klägers ist nur zu ei­nem ge­rin­gen Teil be­gründet.

Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en hat in­fol­ge der streit­be­fan­ge­nen or­dent­li­chen Kündi­gung zwar nicht be­reits zum 30.06.2010, je­doch mit Ab­lauf der gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB maßgeb­li­chen Kündi­gungs­frist von zwei Mo­na­ten zum En­de ei­nes Ka­len­der­mo­nats, mit­hin zum 31.07.2010 ge­en­det. Die Kündi­gung ist durch Gründe, die im Ver­hal­ten des Klägers lie­gen, be­dingt und da­her so­zi­al ge­recht­fer­tigt (§ 1 Abs. 2 KSchG).

Im Un­ter­schied zu den in § 626 Abs. 1 BGB an ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung ge­stell­ten An­for­de­run­gen sind für ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te or­dent­li­che Kündi­gung sol­che im Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers lie­gen­den Umstände aus­rei­chend, die bei verständi­ger Würdi­gung in Abwägung der In­ter­es­sen der Ver­trags­par­tei­en und des Be­trie­bes die Kündi­gung als bil­li­gens­wert und an­ge­mes­sen er­schei­nen las­sen. Als ver­hal­tens­be­ding­ter Grund ist ins­be­son­de­re ei­ne rechts(ver­trags)wid­ri­ge Pflicht­ver­let­zung aus dem Ar­beits­verhält­nis ge­eig­net, wo­bei re­gelmäßig Ver­schul­den er­for­der­lich ist. In­so­fern genügt ein Um­stand, der ei­nen ru­hig und verständig ur­tei­len­den Ar­beit­ge­ber zur Kündi­gung be­stim­men kann (BAG v. 11.12.2003 - 2 AZR 667/02 - AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung, m.w.N.).

Nach all­ge­mei­ner und zu­tref­fen­der An­sicht stel­len gro­be Be­lei­di­gun­gen ei­nes Vor­ge­setz­ten oder ei­nes an­de­ren Ar­beits­kol­le­gen, die nach Form und In­halt ei­ne er­heb­li­che Ehr­ver­let­zung für den Be­trof­fe­nen be­deu­ten, ei­nen er­heb­li­chen Ver­s­toß des Ar­beit­neh­mers ge­gen sei­ne Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis dar und können da­her so­gar ei­ne außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung grundsätz­lich recht­fer­ti­gen (BAG v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - AP Nr. 180 zu § 626 BGB). Sol­che Be­lei­di­gun­gen sind da­her erst recht an sich ge­eig­net, ei­nen den Aus­spruch ei­ner or­dent­li­chen ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung recht­fer­ti­gen­den Grund zu bil­den. Der Ar­beit­neh­mer kann sich dann nicht er­folg­reich auf sein Recht auf freie Mei­nungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG be­ru­fen. Im gro­ben Maße un­sach­li­che An­grif­fe, die u.a. zur Un­ter­gra­bung der Po­si­ti­on von Vor­ge­setz­ten führen können, muss der Ar­beit­ge­ber nicht hin­neh­men. Da­bei ist die straf­recht­li­che Be­ur­tei­lung kündi­gungs­recht­lich nicht aus­schlag­ge­bend. Auch ei­ne ein­ma­li­ge Ehr­ver­let­zung ist be­reits kündi­gungs­re­le­vant (LAG Rhein­land-Pfalz v. 09.12.2009 - 8 Sa 260/09 -).

Nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me steht zur Über­zeu­gung des Be­ru­fungs­ge­richts fest, dass der Kläger den Be­klag­ten am 08.02.2010 be­lei­digt hat mit den Wor­ten : "Sie ha­ben hier nichts mehr zu sa­gen, Ih­re Zeit ist ab­ge­lau­fen". Dies hat die Zeu­gin A. bei ih­rer Ver­neh­mung glaub­haft und wi­der­spruchs­frei be­kun­det. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat hin­sicht­lich der Glaubwürdig­keit der Zeu­gin kei­ner­lei Zwei­fel.

Die be­tref­fen­de Äußerung des Klägers be­inhal­tet ei­ne gro­be Be­lei­di­gung, nämlich ei­ne er­heb­li­che Miss- bzw. Nicht­ach­tung des Be­klag­ten in sei­ner Stel­lung als Ar­beit­ge­ber. Gründe, die das Ver­hal­ten des Klägers in ir­gend­ei­ner Wei­se auch nur an­satz­wei­se recht­fer­ti­gen könn­ten, sind nicht er­sicht­lich. Der Be­klag­te war auch nicht ge­hal­ten, dem Kläger we­gen des­sen Fehl­ver­hal­tens zunächst le­dig­lich ei­ne Ab­mah­nung zu er­tei­len. Be­son­ders schwe­re Verstöße - wie vor­lie­gend - bedürfen nämlich kei­ner frühe­ren Ab­mah­nung, weil hier der Ar­beit­neh­mer von vorn­her­ein nicht mit ei­ner Bil­li­gung sei­nes Ver­hal­tens rech­nen kann und er sich be­wusst sein muss, dass er sei­nen Ar­beits­platz aufs Spiel setzt (Müller-Glöge, in: Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 11. Aufl., § 626 BGB Rd.Ziff. 29 m.N.a.d.R.). Bezüglich der gro­ben Be­lei­di­gung des Be­klag­ten konn­te der Kläger, da es sich hier­bei um ei­nen be­son­ders er­heb­li­chen Ver­s­toß ge­gen ar­beits­ver­trag­li­che Pflich­ten han­delt, in kei­ner Wei­se mit ei­ner Bil­li­gung sei­nes Ver­hal­tens rech­nen.

Die Wirk­sam­keit der or­dent­li­chen Kündi­gung schei­tert auch nicht an dem Er­geb­nis der bei je­der Kündi­gung durch­zuführen­den um­fas­sen­den In­ter­es­sen­abwägung. Zwar sind zu Guns­ten des Klägers die Dau­er sei­ner Be­triebs­zu­gehörig­keit (seit dem 17.03.2003), sein fort­ge­schrit­te­nes Le­bens­al­ter von 57 Jah­ren bei Kündi­gungs­aus­spruch so­wie sei­ne Schwer­be­hin­de­rung zu berück­sich­ti­gen. Zu Guns­ten des Be­klag­ten ist hin­ge­gen zu berück­sich­ti­gen, dass der Kläger sich mit sei­ner gra­vie­ren­den, ehr­ver­let­zen­den Ent­glei­sung auf ei­ne Ebe­ne be­ge­ben hat, die letzt­lich schlicht­weg nicht mehr hin­nehm­bar ist. Auch war der Kläger un­strei­tig vor sei­ner be­lei­di­gen­den Äußerung in kei­ner Wei­se pro­vo­ziert wor­den. Im Hin­blick auf die völlig grund­lo­se schwer­wie­gen­de Be­lei­di­gung kann der Be­klag­te auch nicht mit Si­cher­heit da­von aus­ge­hen, dass sich der Kläger zukünf­tig nicht zu ei­nem ähn­li­chen bzw. gleich ge­la­ger­ten Fehl­ver­hal­ten hin­reißen lässt. Das ar­beit­ge­ber­sei­tig er­for­der­li­che Ver­trau­en, dass der Kläger die Würde sei­nes Ar­beit­ge­bers aus­rei­chend re­spek­tiert, ist zerstört. Ins­ge­samt über­wiegt das In­ter­es­se des Be­klag­ten an ei­ner Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­genüber dem In­ter­es­se des Klägers an des­sen Fort­set­zung.

Die nach § 85 SGB IX er­for­der­lich vor­he­ri­ge Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes liegt vor. Der Be­klag­te hat die Kündi­gung auch in­ner­halb der Mo­nats­frist des § 88 Abs. 3 SGB IX nach Er­tei­lung der Zu­stim­mung erklärt. Un­er­heb­lich ist in die­sem Zu­sam­men­hang der Um­stand, dass der Be­klag­te be­reits am 25.04.2010, und so­mit nach der Ent­schei­dung des In­te­gra­ti­ons­am­tes vom 15.04.2010, ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus­ge­spro­chen hat­te. Ein "Ver­brauch" des Kündi­gungs­rechts tritt nämlich bei gleich­blei­ben­dem Kündi­gungs­sach­ver­halt nicht ein (BAG v. 08.11.2007 - 2 AZR 425/06 - AP Nr. 30 zu § 1 KSchG 1969 Per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung).

Zwar war der Be­scheid des In­te­gra­ti­ons­am­tes vom 15.04.2010 zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung noch nicht rechts­kräftig, da der Kläger hier­ge­gen Wi­der­spruch ein­ge­legt hat. Im Hin­blick auf das Be­schleu­ni­gungs­ge­bot der §§ 9 Abs. 1, 61 a ArbGG be­stand in­des­sen kein An­lass, den Rechts­streit bis zur rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über dem Zu­stim­mungs­be­scheid aus­zu­set­zen. Dem Kläger ver­bleibt in­so­weit u.U. die Möglich­keit ei­ner Re­sti­tu­ti­ons­kla­ge ana­log § 580 Nr. 6 bzw. Nr. 7 ZPO (BAG v. 24.11.2005, AP Nr. 43 zu § 1 KSchG 1969 Krank­heit).

III. Nach al­le­dem war un­ter teil­wei­ser Abände­rung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die streit­be­fan­ge­ne Kündi­gung nicht zum 30.06.2010, son­dern erst zum 31.07.2010 auf­gelöst wor­den ist; im Übri­gen war die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­stand im Hin­blick auf die in § 72 Abs. 2 ge­nann­ten Kri­te­ri­en kei­ne Ver­an­las­sung. Auf die Möglich­keit, die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on selbständig durch Be­schwer­de an­zu­fech­ten (§ 72 a ArbGG), wird hin­ge­wie­sen.

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