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Provisionsanspruch während des Urlaubs
09.01.2014. Viele Arbeitnehmer erhalten neben ihrem Festgehalt erfolgsabhängige Verkaufs-, Abschluss- oder Umsatzprovisionen als Teil ihres laufenden Gehalts.
Machen solche Arbeitnehmer Urlaub, hat ihre Urlaubsabwesenheit meistens erst einmal keine Auswirkungen aufs Portemonnaie, aber dafür einige Monate später, nämlich als Provisionslücke.
Denn wer während seines Urlaubs keine provisionspflichtigen Geschäfte abschließt, bekommt einige Monate später weniger Geld. Das ist mit den Vorgaben des Europarechts aber nicht vereinbar, so der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Yves Bot in einem aktuellen Gutachten: Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Yves Bot vom 05.12.2013, Rs. C-539/12 (Lock gg. British Gas).
- Wie sind Provisionen bei der Berechnung der Urlaubsvergütung bzw. des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen?
- Der Streitfall Lock gegen British Gas: Gasverkäufer verlangt finanziellen Ausgleich für urlaubsbedingten Ausfall von provisionspflichtigen Geschäften
- EuGH-Anwalt Yves Bot: Die durch den Urlaub entgangenen Provisionen sind in die Berechnung des Urlaubsentgelts einzubeziehen, z.B. auf der Grundlage eines Zwölfmonatsdurchschnitts
Wie sind Provisionen bei der Berechnung der Urlaubsvergütung bzw. des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen?
Gemäß § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) haben Arbeitnehmer in Deutschland pro Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, und zwar für die Mindestdauer von vier Wochen (§ 3 BUrlG).
Das während des Urlaubs zu zahlende Gehalt, d.h. das Urlaubsentgelt, bemisst sich gemäß § 11 Abs.1 Satz 1 BUrlG nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor Beginn des Urlaubs erhalten hat.
Zu diesem Arbeitsverdienst gehören nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte auch Verkaufs-, Abschluss- oder Umsatzprovisionen, wenn sie als Teil des regulären Gehalts laufend abgerechnet und ausbezahlt werden.
Dagegen bleiben Bestands- oder Gebietsprovisionen sowie jährlich zu zahlende Umsatz- oder Gewinnbeteiligungen bei der Berechnung des Urlaubsentgelts außen vor. Das gilt auch für andere Einmalzahlungen wie Gratifikationen, Jahresboni, Gewinnbeteiligungen ("Tantiemen"), Weihnachtsgelder oder jährliche Zielvereinbarungsprämien. Sie gehen nur dann in die Berechnung des Urlaubsentgelts ein, wenn mit ihnen die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers während der letzten 13 Wochen vor dem Urlaubsantritt bezahlt werden soll.
Geht ein Vertriebsmitarbeiter, der laufende Provisionen für seine Arbeitsleistung erhält, in seinen wohlverdienten Urlaub, hat er davon meistens erst einmal keine finanziellen Nachteile, weil die von ihm vor seinem Urlaub erzielten Abschlüsse ja meist erst zeitversetzt einige Wochen oder Monate später abgerechnet werden. Viele Arbeitgeber machen sich daher gar nicht erst die Mühe, das Urlaubsentgelt gemäß § 11 Abs.1 Satz 1 BUrlG auf der Grundlage des Gehalts der letzten 13 Wochen abzurechnen, sondern rechnen das Gehalt für die Urlaubszeit einfach ganz normal so ab, als wäre der Arbeitnehmer gar nicht im Urlaub, da ja immer Provisionen "in der Pipeline" sind.
Der eigentliche finanzielle Nachteil, den provisionsberechtigte Arbeitnehmer infolge seines Urlaubs erleiden, macht sich dann erst zeitversetzt, d.h. einige Zeit nach dem Urlaub bemerkbar: Denn da der Arbeitnehmer während seines Urlaubs ja keine neuen provisionspflichtigen Geschäfte abschließt, erhält er einige Monate später weniger Geld.
Zu diesem Problem schweigen sich die Kommentare, Handbücher und Gerichtsurteile zum BUrlG aus, was im Ergebnis heißt, dass es für provisionsberechtigte Arbeitnehmer eben nicht mehr Geld gibt als das Urlaubsentgelt, das sich auf der Grundlage der in § 11 Abs.1 Satz 1 BUrlG vorgegebenen Berechnungsweise ergibt.
Das aber könnte gegen die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung verstoßen, genauer gesagt gegen Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG. Denn in Absatz 1 dieser Vorschrift heißt es:
"Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind."
Denn möglicherweise werden provisionsberechtigte Arbeitnehmer durch die oben beschriebene, in Deutschland übliche Urlaubsvergütung auf der Grundlage von § 11 Abs.1 Satz 1 BUrlG nicht in einer der Richtlinie entsprechenden, d.h. ausreichenden Weise "bezahlt".
Der Streitfall Lock gegen British Gas: Gasverkäufer verlangt finanziellen Ausgleich für urlaubsbedingten Ausfall von provisionspflichtigen Geschäften
In dem aus England stammenden Streitfall verklagte ein angestellter "Internal Energy Sales Consultant", Herr Lock, seinen Arbeitgeber, die British Gas Trading Ltd., auf einen finanziellen Ausgleich für den Ausfall neuer provisionspflichtiger Geschäfte, die er während eines Urlaubs vom 19.12.2011 bis zum 03.01.2012 nicht abschließen konnte.
Die Vergütung für die Zeit des Urlaubs selbst war dabei zunächst nicht Streit. Denn im Dezember 2011 erhielt er Provisionen in Höhe von 2.350,31 GBP, während er im Durchschnitt des Jahres 2011 "nur" monatliche Provisionen in Höhe von 1.912,67 GBP bezog. Neben diesen Provisionen bekam Herr Lock ein laufendes Grundgehalt von 1.222,50 GBP, d.h. die Provisionen waren deutlich höher als sein Grundgehalt.
Da er während seines Urlaubs keine Möglichkeit hatte, Provisionen zu verdienen, und weil sich dies nachteilig auf das Gehalt auswirkte, das er in den Monaten nach seinem Urlaub erhielt, reichte Herr Lock beim Employment Tribunal, Leicester, Klage auf weitere Urlaubsvergütung für seinen Urlaub ein, d.h. er betrachtete die während seines Urlaubs erhaltenen Provisionen für unzureichend, da er diese ja bereits vor seinem Urlaub erarbeitet bzw. verdient hatte.
Das mit der Lohnklage befasste Employment Tribunal setzte das Verfahren aus und fragte den EuGH, ob die von British Gas vorgenommene Berechnung des Urlaubsentgelts mit Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG vereinbar ist, da ja der hier klagende Arbeitnehmer "während des Jahresurlaubs keine Arbeit verrichtet, die einen Anspruch auf solche Provisionen begründet, und dementsprechend in dieser Zeit keine Provisionen verdient".
EuGH-Anwalt Yves Bot: Die durch den Urlaub entgangenen Provisionen sind in die Berechnung des Urlaubsentgelts einzubeziehen, z.B. auf der Grundlage eines Zwölfmonatsdurchschnitts
Der Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen vom 05.12.2013 zu dem Ergebnis, dass die hier von British Gas vorgenommene Berechnung der Urlaubsvergütung unzureichend war.
Dabei lautet das entscheidende Argument, dass Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG jeden finanziellen Anreiz verhindern will, der Arbeitnehmer vom Urlaub abhalten könnte. Da aber der hier im Streitfall offensichtliche finanzielle Folgeschaden des Urlaubs ein Anreiz für den Arbeitnehmer sein könnte, auf seinen Urlaub zu verzichten, muss es einen finanziellen Ausgleich für die während des Urlaubs entgangenen provisionspflichtigen Geschäftsabschlüsse geben, so der Generalanwalt.
Die dagegen von British Gas vorgebrachten Argument bewertete der Generalanwalt als nicht stichhaltig.
Zum einen hatte British Gas argumentiert, dass der Kläger doch während seines Urlaubs sein gewöhnliches Arbeitsentgelt erhalte, so dass er nicht von der Ausübung seines Urlaubsrechts abgehalten werde. Dieses Argument, so Bot, beruht aber auf einem Trugschluss. Denn die während des Urlaubs von British Gas gezahlten Provisionen wurde ja
"ausschließlich als eine Folge zuvor abgeschlossener Verträge gezahlt. Diese Nichtzahlung des variablen Teils des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers für den Zeitraum des Jahresurlaubs wird sich negativ auf die Höhe des Arbeitsentgelts auswirken, das dieser Arbeitnehmer in den Monaten erhält, die sich an diesen Urlaubszeitraum anschließen. Ein Arbeitnehmer wie Herr Lock wird sich infolge der Inanspruchnahme eines Jahresurlaubs daher in einer ungünstigeren Lage befinden, als wenn er gearbeitet hätte. Die Ausübung seines Rechts auf bezahlten Jahresurlaub wird für ihn zu einem - zwar zeitlich verzögerten, aber doch tatsächlichen - finanziellen Nachteil führen." (Schlussanträge, Randnummer 38)
Auch ein weiteres Argument von British Gas überzeugte den Generalanwalt nicht. British Gas zufolge waren die Provisionssätze als Bestandteil der zu erwartenden Jahresgehälter so kalkuliert, dass die Urlaubsabwesenheiten bereits eingepreist waren. Anders gesagt: Herr Lock erhielt bereits durch seine laufenden "erhöhten" Provisionen einen finanziellen Ausgleich für die urlaubsbedingten Ausfälle. Dagegen wandte der Generalanwalt ein, dass eine über das Jahr verteilte Auszahlung des Urlaubsentgelts unzulässig sei, da sie letztlich doch einen Anreiz für den Arbeitnehmer schaffen würde, seinen Urlaub nicht anzutreten.
Ergänzend bezieht sich der Generalanwalt auf das Urteil des EuGH vom 15.09.2011 (C-155/10 - Williams gg. British Airways), mit dem Gerichtshof bereits entschieden hat, dass zur Urlaubsvergütung von Linienpiloten auch ein Ausgleich für die variablen Gehaltskomponenten gehören muss, die die Piloten neben ihrem Grundgehalt für die von ihnen geflogenen Zeiten erhalten und die sie während eines Urlaubs nicht ableisten können.
Fazit: Da der EuGH in den meisten Fällen den Entscheidungsvorschlägen seiner Generalanwälte folgt, ist zu erwarten, dass Gerichtshof die Benachteiligung von provisionsberechtigten Arbeitnehmern durch den Ausfall neuer provisionspflichtiger Geschäfte während des Urlaubs demnächst in Form eines Urteils in dieser Streitsache als Verstoß gegen Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG bewerten wird.
Vor diesem Hintergrund ist § 11 Abs.1 Satz 1 BUrlG künftig richtlinienkonform so auszulegen und anzuwenden, dass provisionsberechtigte Arbeitnehmer einen Ausgleich für urlaubsbedingt wegfallende Provisionen erhalten müssen.
Dieser Ausgleich kann
- entweder durch eine Stellvertreterlösung erfolgen, d.h. durch einen Urlaubsvertreter, der für den urlaubsabwesenden Arbeitnehmer auf dessen Rechnung gehende Neugeschäfte abschließt (denn die Vorlagefrage des Employment Tribunal bezieht sich ausdrücklich auf den Fall, dass der Arbeitnehmer während seines Urlaubs keine provisionspflichtigen Geschäfte abschließt und daher "keine Provisionen verdient"),
- oder durch eine zusätzliche "fiktive" Provisionsvergütung, die zusätzlich zu den regulär während des Urlaubs abgerechneten Provisionen zu zahlen ist und die z.B. auf der Grundlage eines zwölfmonatigen oder sechsmonatigen Provisionsdurchschnitts berechnet werden kann.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Yves Bot vom 05.12.2013, Rs. C-539/12 (Lock gg. British Gas)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 15.09.2011, C-155/10 (Williams gg. British Airways)
- Handbuch Arbeitsrecht: Bonus
- Handbuch Arbeitsrecht: Gratifikation
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohn und Gehalt
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohnklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Provision
- Handbuch Arbeitsrecht: Tantieme
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub, Urlaubsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Weihnachtsgeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Zielvereinbarung
- Gesetze zum Arbeitsrecht: Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/187 Urlaubsvergütung und Provisionsausgleich
- Arbeitsrecht aktuell: 12/041 Das Europarecht schreibt einen Mindesturlaub von vier Wochen vor - ohne jährliche Mindestarbeitszeit
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat der Europäische Gerichtshof über diesen Fall entschieden und im Sinne der Rechtsauffassung des Klägers, Herrn Locks, entschieden. Das Urteil des Gerichtshofs und eine Urteilsanmerkung finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.05.2014, C-539/12 (Lock gg. British Gas)
- Arbeitsrecht aktuell: 14/187 Urlaubsvergütung und Provisionsausgleich
Letzte Überarbeitung: 4. Juni 2019
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