HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Schles­wig-Hol­stein, Be­schluss vom 19.03.2010, 4 TaBV­Ga 5/10

   
Schlagworte: Betriebsratswahl, Einstweilige Verfügung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 4 TaBVGa 5/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 19.03.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Flensburg, Beschluss vom 17.03.2010, 1 BVGa 10/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 4 TaBV­Ga 5/10
1 BV­Ga 10/10 ArbG Flens­burg
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 19.03.2010

als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Be­schluss

Im Na­men des Vol­kes

Im Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

pp.

hat die 4. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die Anhörung der Be­tei­lig­ten am 19.03.2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt ... als Vor­sit­zen­den und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer und d. eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin ... als Bei­sit­ze­rin

b e s c h l o s s e n:

Auf die Be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin­nen wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Flens­burg vom 17.03.2010 – 1 BV­Ga 10/10 – ab­geändert:

Dem An­trags­geg­ner wird auf­ge­ge­ben, die für den 24.03.2010 ge­plan­te Be­triebs­rats­wahl bei den An­trag­stel­le­rin­nen zu 1) und 2) ab­zu­bre­chen.

Gründe:

I.

Die An­trag­stel­le­rin­nen (Be­tei­lig­te zu 1. nach­fol­gend „V. GmbH“; Be­tei­lig­te zu 2. nach-fol­gend „B. AG“) be­geh­ren im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung, es dem An­trags-

 

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geg­ner (nach­fol­gend „Wahl­vor­stand“) auf­zu­ge­ben, die für den 24. März 2009 ge­plan­te Wahl ei­nes Be­triebs­ra­tes im ver­meint­lich ge­mein­sa­men Be­trieb von B. AG und V. GmbH ab­zu­bre­chen.

Un­ter dem 24. Ju­ni 1992 schloss die da­ma­li­ge Ge­werk­schaft H. un­ter an­de­rem mit der B. AG, der V. GmbH & Co. KG und der B. GmbH ei­nen Ta­rif­ver­trag nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Be­trVG mit der Maßga­be, dass un­ter an­de­rem für die Be­triebsstätten der B. Ak­ti­en­ge­sell­schaft, der V. GmbH & Co. KG und der B. GmbH ein ge­mein­sa­mer Be­triebs­rat ge­bil­det wird. We­gen der Ein­zel­hei­ten die­ses Ta­rif­ver­tra­ges wird auf die zur Ak­te ge­reich­te Ko­pie Be­zug ge­nom­men (Bl. 59 – 60 d. A.). Aus­weis­lich der Pro­to­koll­no­tiz zu die­sem Ta­rif­ver­trag vom 7. De­zem­ber 2000 (Bl. 64, 65 d. A.) be­stand zwi­schen den ver­trags­sch­ließen­den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Ein­ver­neh­men darüber, dass auf­grund meh­re­rer ge­sell­schafts­recht­li­cher Verände­run­gen der Ta­rif­ver­trag mit der Maßga­be an­zu­pas­sen ist, dass er fach­lich gilt für die Be­triebsstätten der Un­ter­neh­men B. AG, V. GmbH und B. GmbH.

Die Geschäfts­lei­tun­gen der drei ge­nann­ten Fir­men kündig­ten die­sen Ta­rif­ver­trag zum Ab­lauf der ge­genwärti­gen Amts­pe­ri­ode des Be­triebs­ra­tes, die am 12. April 2010 en­den wird. Der auf­grund die­ser ta­rif­recht­li­chen Re­ge­lung gewähl­te und noch am­tie­ren­de Be­triebs­rat be­schloss auf sei­ner Sit­zung vom 24. No­vem­ber 2009, ei­nen Wahl­vor­stand für die an­ste­hen­den Wah­len zu be­stel­len, und zwar mit fol­gen­den Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern:

1. H. beschäftigt bei der V. GmbH,
2. L., beschäftigt bei der B. AG,
3. P., beschäftigt bei der B. AG,
4. O., beschäftigt bei der B. GmbH,
5. Ba., beschäftigt bei der B. GmbH.

Aus­weis­lich des Pro­to­kolls der Sit­zung des Be­triebs­ra­tes vom 24. No­vem­ber 2009 (Bl. 125 – 128 d. A.) schlug der da­ma­li­ge Sit­zungs­lei­ter P. ei­nen fünfköpfi­gen Wahl­vor­stand vor, und zwar im Hin­blick auf die un­ter­schied­li­chen Wahl­ver­fah­ren für die AG, das Ver­sand­haus und den Ein­zel­han­del.

 

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Mit Schrei­ben vom 21. De­zem­ber 2009 (Bl. 31 d. A.) in­for­mier­te der Be­triebs­rat die Be­leg­schaft über die Ein­set­zung ei­nes ge­mein­sa­men Wahl­vor­stan­des für die an­ste­hen­den Wah­len und wies in die­sem Schrei­ben dar­auf hin, es be­deu­te für die Beschäftig­ten der AG und des Ver­sand­hau­ses aber, dass sie wohl ih­ren ei­ge­nen Be­triebs­rat wählen müss­ten.

Die­ser so ge­bil­de­te Wahl­vor­stand or­ga­ni­siert nun zwei Wah­len, und zwar die Wahl des Be­triebs­ra­tes der B. GmbH und die Wahl ei­nes ge­mein­sa­men Be­triebs­ra­tes der B. AG und der V. GmbH.

Mit Wahl­aus­schrei­ben vom 5. Fe­bru­ar 2010 setz­te der ge­bil­de­te Wahl­vor­stand die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter da­von in Kennt­nis, dass er – Wahl­vor­stand – zur Wahl ei­nes Be­triebs­ra­tes im ge­mein­sa­men Be­trieb von B. AG und dem V. GmbH in sei­ner Sit­zung vom 5. Fe­bru­ar 2010 den Er­lass ei­nes Wahl­aus­schrei­bens be­schlos­sen ha­be, wo­bei die Be­triebs­rats­wahl am 24. März 2010 statt­fin­den wer­de (Bl. 129 – 130 d. A.).

Eben­falls mit Wahl­aus­schrei­ben vom 5. Fe­bru­ar 2010 setz­te die­ser Wahl­vor­stand die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter da­von in Kennt­nis, dass er zur Wahl ei­nes Be­triebs­ra­tes im Be­trieb der B. GmbH (nach Be­triebs­ver­ein­ba­rung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a Be­trVG vom 29.01.2010) in sei­ner Sit­zung vom 5. Fe­bru­ar 2010 den Er­lass ei­nes Wahl­aus­schrei­bens be­schlos­sen ha­be, und zwar für die Wahl am 23. März 2010 (Bl. 131, 132 d. A.).

Die B. AG und die V. GmbH be­geh­ren im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung den Ab­bruch der für den 24. März 2010 ge­plan­ten Wahl ei­nes Be­triebs­ra­tes für den an­geb­lich ein­heit­li­chen Be­trieb ih­rer Un­ter­neh­men.


Die bei­den Ar­beit­ge­be­rin­nen ha­ben die Auf­fas­sung ver­tre­ten, sie bil­de­ten kei­nen ein­heit­li­chen Be­trieb. Es feh­le be­reits am ein­heit­li­chen be­triebs­be­zo­ge­nen Lei­tungs­ap­pa­rat. In­so­weit be­ste­he kei­ne per­so­nel­le Iden­tität. Vom In­halt der Tätig­kei­ten bei­der Un­ter­neh­men ge­be es auch kei­ne Ge­mein­sam­kei­ten. Es ge­be kei­nen ge­mein­sa­men Ein­satz der Mit­ar­bei­ter, eben­falls kei­ne ge­mein­sa­me Be­triebsstätte und auf

 

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die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Be­trVG könne sich der Wahl­vor­stand auch nicht be­ru­fen. We­gen der Ein­zel­hei­ten sei­nes Tat­sa­chen­vor­trags und sei­ner Ar­gu­men­ta­ti­on wird Be­zug ge­nom­men auf den In­halt der An­trags­schrift vom 08.03.2010 (Bl. 22 – 29 d. A.). Zu­dem sei der Wahl­vor­stand of­fen­sicht­lich falsch be­setzt. Frau Ba. und Herr O. sei­en als Mit­ar­bei­ter der B. GmbH nicht wahl­be­rech­tigt für die be­ab­sich­tig­te Wahl ei­nes Be­triebs­ra­tes in dem ver­meint­lich ge­mein­sa­men Be­trieb der B. AG und der V. GmbH.

Die Ar­beit­ge­be­rin­nen ha­ben be­an­tragt,

den An­trags­geg­ner zu ver­pflich­ten, für sie – Ar­beit­ge­be­rin­nen – je­weils ge­trenn­te Wah­len zur Wahl des Be­triebs­ra­tes durch­zuführen; hilfs­wei­se die ein­ge­lei­te­te Wahl ab­zu­bre­chen.

Der An­trags­geg­ner hat be­an­tragt,

die Anträge zurück­zu­wei­sen.

Der An­trags­geg­ner hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die V. GmbH und die Fir­ma B. AG bil­de­ten in F... ei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb, für den ein ein­heit­li­cher Be­triebs­rat zu wählen sei. We­gen des dies­bezügli­chen Tat­sa­chen­vor­trags des Wahl­vor­stan­des wird Be­zug ge­nom­men auf den In­halt sei­nes Schrift­sat­zes vom 12.03.2010 (Bl. 51 – 56 d. A.). Im Übri­gen sei der Wahl­vor­stand nicht feh­ler­haft be­setzt wor­den. Es könne kei­nen Un­ter­scheid ma­chen, ob der al­te Be­triebs­rat meh­re­re Wahl­vorstände in iden­ti­scher Zu­sam­men­set­zung be­stel­le oder ei­nen Wahl­vor­stand mit der Auf­ga­be, je nach be­triebs­ratsfähi­gen Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten Be­triebs­rats­wah­len ein­zu­lei­ten. Der Be­triebs­rat ha­be ei­nen Wahl­vor­stand be­stellt und da­bei deut­lich ge­macht, dass die­ser die un­ter­schied­li­chen Be­din­gun­gen der Be­triebs­rats­wah­len in den Un­ter­neh­men zu be­ach­ten ha­be. We­sent­lich sei auch, dass der Be­triebs­rat zuständig sei für die drei Un­ter­neh­men auf­grund ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges gemäß § 3 Be­trVG. Der Wahl­vor­stand sei von dem Be­triebs­rat des gemäß § 3 Be­trVG bis­lang ein­heit­li­chen Be­trie­bes zu be­stel­len. Im Übri­gen könne nicht an­ge­nom­men wer­den, dass die be­ab­sich­tig­te Wahl

 

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si­cher nich­tig sein wer­de. Nur un­ter die­ser Vor­aus­set­zung kom­me über­haupt der Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung mit dem Ziel des Ab­bruchs der Wahl in Be­tracht.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Be­schluss vom 17. März 2010 den An­trag der Ar­beit­ge­be­rin­nen zurück­ge­wie­sen. Da­ge­gen ha­ben die Ar­beit­ge­be­rin­nen am 17. März 2010 mit Fax­schrift­satz und mit Ori­gi­nal­schrift­satz Be­schwer­de ein­ge­legt und die­se so­gleich be­gründet.

Die bei­den Ar­beit­ge­be­rin­nen ver­tre­ten wei­ter­hin die Auf­fas­sung, der Wahl­vor­stand sei feh­ler­haft be­setzt wor­den. Für die be­ab­sich­tig­te Wahl ei­nes Be­triebs­ra­tes, be­zo­gen auf den an­geb­lich ein­heit­li­chen Be­trieb bei­der Un­ter­neh­men, dürf­ten kei­ne be­triebs­frem­den Per­so­nen der B. GmbH in den Wahl­vor­stand ent­sen­det wer­den. Dies ver­s­toße ge­gen § 16 Abs. 1 Be­trVG. Der so be­ste­hen­de si­che­re An­fech­tungs­grund recht­fer­ti­ge auch den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung mit dem Ziel des Ab­bru­ches der Wahl. Zu­dem ha­be der Wahl­vor­stand den Be­triebs­be­griff grob ver­kannt und willkürlich zwei ge­trenn­te Be­trie­be zu­sam­men­ge­fasst, um ei­nen ge­mein­sa­men Be­triebs­rat zu wählen. We­gen der dies­bezügli­chen Ein­zel­hei­ten wird Be­zug ge­nom­men auf den Vor­trag der Ar­beit­ge­be­rin­nen in ih­rer Be­schwer­de­schrift vom 08.03.2010 (Bl. 121 – 122 d. A.).

Die Ar­beit­ge­be­rin­nen be­an­tra­gen,

den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Flens­burg vom 17.03.2010 – 1 BV­Ga 10/10 – ab­zuändern und die ein­ge­lei­te­te Wahl ab­zu­bre­chen.

Der An­trags­geg­ner be­an­tragt,

die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

Er ver­tritt die Auf­fas­sung, der Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zum Ab­bruch ei­ner Wahl sei nur dann zulässig, wenn die be­ab­sich­tig­te Wahl si­cher nich­tig sein wer­de. Da­von könne aber hin­sicht­lich der strei­ti­gen Be­ur­tei­lung des Be­triebs­be­griffs und der an­geb­lich feh­ler­haf­ten Be­set­zung des Wahl­vor­stan­des kei­ne Re­de sein. Dies

 

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sei­en al­len­falls Gründe zur An­fech­tung der Wahl, wo­bei der Sa­che nach aber auch in­so­weit An­fech­tungs­gründe nicht bestünden. So­weit es um die Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des ge­he, sei zu be­ach­ten, dass aus § 16 Be­trVG nicht fol­ge, dass in ei­ner Kon­stel­la­ti­on, in der – wie hier – ein gemäß § 3 Be­trVG ge­bil­de­ter Be­trieb auf­gelöst wer­de und nach En­de der Amts­zeit des am­tie­ren­den Be­triebs­rats neue Be­trie­be bestünden, der am­tie­ren­de Be­triebs­rat in den oder in die Wahl­vorstände für die neu ein­zu­lei­ten­den Wah­len nur Ar­beit­neh­mer ent­sen­den dürfe, die der zukünf­tig neu­en Ein­heit an­gehörten. Die­se Fra­ge sei – so­weit er­sicht­lich – von der Recht­spre­chung nicht ent­schie­den und in der Kom­men­tar­li­te­ra­tur auch nicht dis­ku­tiert. Von ei­ner in­so­weit si­che­ren An­fecht­bar­keit könne nicht aus­ge­gan­gen wer­den.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten in der Be­schwer­de­instanz wird Be­zug ge­nom­men auf den In­halt der dort ge­wech­sel­ten Schriftsätze.

II.

Die Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin­nen ist zulässig. Sie ist statt­haft und frist- und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den. In der Sa­che hat sie auch Er­folg. Dem Wahl­vor­stand ist auf­zu­ge­ben, die für die V. GmbH und die Fir­ma B. AG am 24. März 2010 ge­plan­te ge­mein­sa­me Wahl ei­nes Be­triebs­ra­tes ab­zu­bre­chen. In­so­weit können sich die Ar­beit­ge­be­rin­nen so­wohl auf ei­nen Verfügungs­an­spruch als auch auf ei­nen Verfügungs­grund be­ru­fen. Der Verfügungs­an­spruch folgt dar­aus, dass die Wahl, wenn sie dann am 24. März 2010 statt­fin­den würde, we­gen feh­ler­haf­ter Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des si­cher gemäß § 19 Abs. 1 Be­trVG an­fecht­bar wäre (da­zu nach­fol­gend 1.). Auch auf ei­nen Verfügungs­grund können sich die Ar­beit­ge­be­rin­nen be­ru­fen. Die­ser folgt be­reits aus dem Um­stand, dass die Wahl un­mit­tel­bar be­vor­steht (da­zu nach­fol­gend 2.).

1. Der Verfügungs­an­spruch für den Ab­bruch der ge­plan­ten Wahl folgt dar­aus, dass die Wahl si­cher mit Er­folg an­fecht­bar wäre, weil der Wahl­vor­stand nicht ord­nungs­gemäß be­setzt wur­de und durch die­sen Ver­s­toß ge­gen ei­ne we­sent­li­che Vor­schrift des Wahl­ver­fah­rens (§ 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG) das Wahl­er­geb­nis geändert oder be­ein­flusst wer­den könn­te.

 

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a. Grundsätz­lich ist heu­te die Möglich­keit ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zum Ab­bruch der Wahl an­er­kannt (Kreutz/GK-Be­trVG, § 18 Rn. 79). Da­bei han­delt es sich um ei­ne so­ge­nann­te Leis­tungs­verfügung. Sie ermöglicht den not­wen­di­gen ef­fek­ti­ven Rechts­schutz und kann in ih­ren Ab­stu­fun­gen den In­ter­es­sen der Be­tei­lig­ten aus­ge­wo­gen Rech­nung tra­gen. Dass mit der Leis­tungs­verfügung (vorläufig) voll­ende­te Tat­sa­chen ge­schaf­fen wer­den, muss im Rah­men ei­ner Ge­samt­abwägung für das Für und Wi­der hin­ge­nom­men wer­den, weil an­dern­falls der Wahl­vor­stand sei­ner­seits durch sei­ne Ent­schei­dun­gen und Maßnah­men voll­ende­te Tat­sa­chen schaf­fen könn­te, die ir­re­pa­ra­bel wären, so­weit es ins­be­son­de­re um die Ver­let­zung we­sent­li­cher Wahl­vor­schrif­ten oder des ak­ti­ven und pas­si­ven Wahl­rechts ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer geht (Kreutz, a. a. O., § 18 Be­trVG Rn. 76).

Al­ler­dings be­ste­hen in der Li­te­ra­tur und in der zweit­in­stanz­li­chen Recht­spre­chung un­ter­schied­li­che An­sich­ten darüber, ob ei­ne sol­che einst­wei­li­ge Verfügung vor­aus­setzt, dass der an­ge­grif­fe­ne Ver­s­toß ge­gen we­sent­li­che Wahl­vor­schrif­ten mit Si­cher­heit die Nich­tig­keit der Wahl zur Fol­ge hätte oder ob es genügt, dass ein sol­cher Ver­s­toß mit Si­cher­heit die An­fecht­bar­keit der gleich­wohl wei­ter­geführ­ten Be­triebs­rats­wahl be­gründet (vgl. da­zu Kreutz, a. a. O., § 18 Rn. 79 mit Hin­wei­sen auf die un­ter­schied­li­che Recht­spre­chung der ver­schie­de­nen Lan­des­ar­beits­ge­rich­te).

Nach Auf­fas­sung der Be­schwer­de­kam­mer reicht es für den vor­zei­ti­gen Ab­bruch der Wahl aus, wenn der fest­ge­stell­te Rechts­man­gel nicht kor­ri­gier­bar ist und die Wei­terführung der Wahl mit Si­cher­heit ei­ne er­folg­rei­che An­fech­tung zur Fol­ge hätte (so auch Fit­ting u. a., Be­trVG, 24. Aufl., § 18 Rn. 42; Thüsing/Ri­char­di, Be­trVG, 12. Aufl., § 18 Rn. 21; Kreutz/GK-Be­trVG, § 18 Be­trVG Rn. 80).

Ent­schei­dend dafür ist Fol­gen­des:

Das Be­schwer­de­ge­richt ver­kennt zunächst nicht, dass an das Vor­lie­gen ei­nes Verfügungs­an­spru­ches stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len sind. Die bloße Wahr­schein­lich­keit des Ver­s­toßes – auch über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit – reicht nicht aus für den Er­lass ei­ner Ab­bruch­verfügung. Wird aber nach Über­zeu­gung des Ge­richts die

 

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an­ste­hen­de Wahl mit Si­cher­heit an­fecht­bar sein, so muss es zulässig sein, die­se Wahl auch vor­ab zu stop­pen. Denn es ist zu be­ach­ten, dass ein sol­cher Be­triebs­rat, der se­hen­den Au­ges bei ei­ner mit Si­cher­heit an­fecht­ba­ren Wahl zunächst gewählt wird, ein er­heb­li­ches Le­gi­ti­ma­ti­ons­de­fi­zit hat. Es ist nicht ein­zu­se­hen, war­um ein sol­cher Be­triebs­rat, des­sen Wahl mit Si­cher­heit nicht auf ein ord­nungs­gemäßes Wahl­ver­fah­ren gestützt wer­den kann, zunächst gewählt wer­den darf. Selbst­verständ­lich ist in­so­weit zu be­ach­ten, dass nicht je­der Ord­nungs­feh­ler zum Wahl­ab­bruch führen darf. Dem wird aber be­reits mit dem Maßstab des § 19 Abs. 1 Be­trVG ent­ge­gen­ge­wirkt, der vor­aus­setzt die Ver­let­zung ei­ner we­sent­li­chen Ver­fah­rens­vor­schrift bei ent­spre­chen­der Kau­sa­lität für das Wahl­er­geb­nis. Nicht nach­voll­zieh­bar ist auch das Ar­gu­ment, es be­ste­he in­so­weit ei­ne ge­wis­se Blo­cka­de­ge­fahr. Si­cher­lich ist das Wahl­ver­fah­ren an­ge­sichts der kom­pli­zier­ten Wahl­vor­schrif­ten feh­ler­anfällig. Zu be­ach­ten ist aber, dass der Ab­bruch ei­nes an­ge­lau­fe­nen Wahl­ver­fah­rens we­gen des Maßsta­bes des § 19 Abs. 1 Be­trVG nur bei we­sent­li­chen Feh­lern droht, so­fern die­se nicht durch ei­ne An­ord­nung des Ge­richts kor­ri­giert wer­den können.

Im Übri­gen schließt sich die­se Be­schwer­de­kam­mer nicht der Ar­gu­men­ta­ti­on des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg an, das aus­weis­lich der Pres­se­mit­tei­lung vom 10. März 2010 im Be­schluss vom 9. März 2010 (15 TaBV­Ga 1/10) die An­sicht ver­tritt, ein Ab­bruch der Wahl kom­me nur im Fal­le si­che­rer Nich­tig­keit der nach­fol­gen­den Wahl in Fra­ge, weil sonst ein Be­tei­lig­ter un­ter Be­ru­fung auf die An­fecht­bar­keit im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung mehr er­rei­chen könne als in dem für sol­che Fälle vor­ge­se­he­nen An­fech­tungs­ver­fah­ren gemäß § 19 Be­trVG nach Ab­schluss der Wahl. Zu­tref­fend wei­sen in­so­weit Rieb­le/Tris­ka­tis (NZA 2006, 235) und Kreutz (GK-Be­trVG, § 18 Be­trVG Rn. 80) dar­auf hin, dass der Ein­wand nicht zu­tref­fe, wo­nach der Wahl­ab­bruch im Wer­tungs­wi­der­spruch zur Wahl­an­fech­tung ste­he. Denn bei dem vor­ge­schal­te­ten Wahl­ab­bruch­ver­fah­ren han­delt es sich um ei­nen an­de­ren Streit­ge­gen­stand als je­nen bei der nachträgli­chen Wahl­an­fech­tung. Die­se ist nicht „die Haupt­sa­che“ für die Verfügung im Wahl­ver­fah­ren (Rieb­le/Tris­ka­tis, a.a.O.). Wer den Wahl­akt durch vorläufi­gen Rechts­schutz ver­hin­dert, be­sei­tigt ihn nicht und steht da­mit nicht im Wi­der­spruch zu § 19 Be­trVG. Ma­te­ri­ell­recht­lich geht es al­so um vor­he­ri­gen Un­ter­las­sungs­rechts­schutz und nachträgli­chen Be­sei­ti­gungs­rechts­schutz, wo­bei bei­de von un­ter­schied­li­chen ma­te­ri­el­len Vor­aus­set­zun­gen abhängen können.

 

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Deut­lich wird dies mit dem Hin­weis von Rieb­le/Tris­ka­tis dar­auf, dass nie­mand auf die Idee kom­me, we­gen der Ver­schul­dens­abhängig­keit des Scha­den­er­satz­an­spru­ches die Un­ter­las­sungs­verfügung zu be­schnei­den oder we­gen der Be­stands­kräftig­keit der Be­am­te­ner­nen­nung die ge­gen die­se Er­nen­nung ge­rich­te­te Kon­kur­ren­ten­verfügung für un­zulässig zu hal­ten.

Aus § 19 Be­trVG ist des­halb nicht zu fol­gern, dass auch ei­ne si­cher an­fecht­ba­re Wahl zunächst hin­zu­neh­men ist. § 19 Be­trVG stellt nur auf ei­ne im Er­geb­nis an­fecht­ba­re Wahl ab. Dies ist ein an­de­rer Maßstab als der oben auf­ge­zeig­te für den Er­lass der einst­wei­li­gen Verfügung zum Ab­bruch der Wahl, der si­che­re An­fecht­bar­keit ver­langt. Ist aber die Wahl schon vor­ab er­kenn­bar si­cher an­fecht­bar, so fehlt dem später den­noch gewähl­ten Be­triebs­rat von vorn­her­ein si­cher die Le­gi­ti­ma­ti­on, wes­halb in­so­weit auch vor­beu­gen­der Rechts­schutz gewährt wer­den muss.

Sch­ließlich ist zu be­ach­ten, dass ein et­wai­ger Wahl­ab­bruch auch nicht da­zu führen muss, dass über ei­nen lan­gen Zeit­raum im Be­trieb ein Be­triebs­rat nicht exis­tiert. Dies zeigt ge­ra­de die­ses Ver­fah­ren. Ge­schieht nämlich im Wahl­ver­fah­ren ein nicht mehr kor­ri­gier­ba­rer Feh­ler, so kann ein Stop­pen der Wahl mit­tels Ab­bruch er­rei­chen, dass die­ser Feh­ler ver­mie­den, den­noch aber kurz­fris­tig das Wahl­ver­fah­ren er­neut ord­nungs­gemäß ein­ge­lei­tet wird und mit nur ge­rin­ger Verzöge­rung dann der Be­triebs­rat ord­nungs­gemäß gewählt wer­den kann. Es kann al­so kei­ne Re­de da­von sein, dass je­der Wahl­ab­bruch be­zie­hungs­wei­se Ein­griff in das Wahl­ver­fah­ren zu ei­nem nicht hin­nehm­ba­ren lan­gen vorüber­ge­hen­den Zeit­raum der „Be­triebs­rats­lo­sig­keit“ führen muss. Im Ge­gen­teil: Die Ab­bruch­verfügung kann ge­ra­de ge­eig­net sein, dar­auf hin­zu­wir­ken, dass kurz­fris­tig un­ter Be­ach­tung der Wahl­vor­schrif­ten ord­nungs­gemäß ein Be­triebs­rat gewählt wird und es nicht hin­ge­nom­men wer­den muss, dass se­hen­den Au­ges zunächst ein Be­triebs­rat im Amt ist, wo­bei aber schon si­cher ist, dass die An­fech­tung be­gründet sein wird. Es ist nicht ein­sich­tig, war­um ein sol­cher Be­triebs­rat bei ei­ner an­zu­neh­men­den Ver­fah­rens­dau­er für zwei In­stan­zen von et­wa ei­nem Jahr und für drei In­stan­zen so­gar für zwei Jah­re zunächst trotz si­che­rer An­fecht­bar­keit sei­ner Wahl am­tie­ren darf.

 

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b. Un­ter Berück­sich­ti­gung des Maßsta­bes, dass für den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung – auch be­zo­gen auf den Ab­bruch der Wahl – die si­che­re An­fecht­bar­keit der an­ste­hen­den Wahl aus­reicht, ist vom Vor­lie­gen ei­nes Verfügungs­an­spru­ches aus­zu­ge­hen. Denn der Wahl­vor­stand für die be­ab­sich­tig­te Wahl ist un­ter Ver­let­zung des § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG be­stellt wor­den.

aa. Gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG be­stellt spätes­tens zehn Wo­chen vor Ab­lauf sei­ner Amts­zeit der Be­triebs­rat ei­nen aus drei Wahl­be­rech­tig­ten be­ste­hen­den Wahl­vor­stand und ei­nen von ih­nen als Vor­sit­zen­den. Das Ge­setz stellt al­so dar­auf ab, dass Mit­glied des Wahl­vor­stan­des nur der­je­ni­ge sein kann, der auch wahl­be­rech­tigt ist. Mit­glie­der des Wahl­vor­stan­des müssen al­so das ak­ti­ve Wahl­recht ha­ben (Thüsing/Ri­char­di, Be­trVG, § 16 Rn. 11).

Der Be­triebs­rat hat je­doch für die be­ab­sich­tig­te Wahl bei der B. AG und der V. GmbH ei­nen Wahl­vor­stand ge­bil­det, dem auch zwei Mit­ar­bei­ter der B. GmbH an­gehören, die un­strei­tig nicht wahl­be­rech­tigt sind für die hier streit­ge­genständ­li­che Wahl. Da­mit ist die­ser Wahl­vor­stand si­cher feh­ler­haft be­setzt.

Grundsätz­lich ist da­von aus­zu­ge­hen, dass maßge­ben­der Zeit­punkt für die Be­ur­tei­lung der Wahl­be­rech­ti­gung der Tag der Be­stel­lung ist, nicht je­doch der Tag der Stimm­ab­ga­be (Kreutz/GK-Be­trVG, § 16 Rn. 28). Dies be­deu­tet aber nicht, dass – weil zum Zeit­punkt der Be­stel­lung noch von ei­nem ein­heit­li­chen Be­trieb im Hin­blick auf § 3 Be­trVG aus­zu­ge­hen war – dem Wahl­vor­stand für die Wahl bei der B. AG und der V. GmbH auch Mit­ar­bei­ter der B GmbH an­gehören durf­ten. Zwar ist es rich­tig, dass die bei­den Mit­glie­der des Wahl­vor­stan­des, die Mit­ar­bei­ter der B. GmbH sind, zum Zeit­punkt ih­rer Be­stel­lung An­gehöri­ge ei­nes ge­mein­sa­men Be­trie­bes der B. AG, der B. GmbH und der Be. GmbH wa­ren. Dies folgt aus § 3 Be­trVG und dem in­so­weit ver­ein­bar­ten Ta­rif­ver­trag, der noch bis zum En­de der Amts­pe­ri­ode des der­zeit noch am­tie­ren­den Be­triebs­ra­tes Gültig­keit hat.

Aus § 3 Be­trVG und dem dar­auf be­zo­gen ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trag folgt aber nicht, dass für die dann später be­ab­sich­tig­ten ge­trenn­ten Wah­len auch dann be-

 

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triebs­frem­de Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter An­gehöri­ge des Wahl­vor­stan­des wer­ten dürfen.

Denn maßge­bend bleibt § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG. Die dor­ti­ge Re­ge­lung ist völlig ein­deu­tig. Mit­glie­der des Wahl­vor­stan­des dürfen nur wahl­be­rech­tig­te Ar­beit­neh­mer sein. Die Wahl­be­rech­ti­gung kann sich natürlich nur auf die an­ste­hen­de Wahl in der be­stimm­ten Ein­heit be­zie­hen, nämlich hier auf die an­ste­hen­de Wahl bei der B. AG und der Be. GmbH. § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG stellt nicht ab auf ei­ne zum Zeit­punkt der Be­stel­lung noch be­ste­hen­de Be­triebs­zu­gehörig­keit zu ei­nem wie auch im­mer ge­ar­te­ten Be­trieb. § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG er­for­dert viel­mehr, dass die Wahl­be­rech­ti­gung zu prüfen und zu mes­sen ist an der be­trieb­li­chen Ein­heit, für die die Wahl statt­fin­den soll.

An­de­res folgt nicht aus § 3 Be­trVG. We­gen § 3 Be­trVG ist le­dig­lich der noch am­tie­ren­de Be­triebs­rat le­gi­ti­miert, für die nach­fol­gen­den ge­trenn­ten Be­triebs­rats­wah­len je­weils Wahl­vorstände ein­zu­set­zen. Da­bei hat er aber dar­auf zu ach­ten, dass § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG nicht ver­letzt wird. Dem Be­triebs­rat war be­wusst, dass ge­trenn­te Wah­len durch­geführt wer­den. Je­den­falls hat­te er in­so­weit mit sei­nen bei­den Wahl­aus­schrei­ben vom 5. Fe­bru­ar 2009 deut­lich ge­macht, dass ei­ner­seits für die B. GmbH und an­de­rer­seits für die B. AG und die Be.GmbH je­weils ge­trenn­te Wah­len durch­geführt wer­den sol­len. Er hätte dann bei der Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des auch dar­auf ach­ten müssen und auch oh­ne wei­te­res ach­ten können, dass je­weils für die ge­trenn­ten Wah­len auch nur sol­che Per­so­nen in den Wahl­vor­stand ge­lan­gen, die für die je­wei­li­gen Wah­len wahl­be­rech­tigt sind. Es gibt über­haupt kei­nen recht­li­chen An­satz­punkt für die An­nah­me, aus § 3 Be­trVG könn­te sich et­was an­de­res er­ge­ben. Der Wahl­vor­stand ver­kennt in­so­weit nämlich, dass es nicht um die er­neu­te Wahl ei­nes ein­heit­li­chen Be­triebs­ra­tes für die drei Un­ter­neh­men geht, son­dern um nun­mehr ge­trenn­te Wah­len, die nach Kündi­gung des Ta­rif­ver­tra­ges er­for­der­lich wa­ren. Wenn der Wahl­vor­stand in­so­weit in sei­ner Be­schwer­de­schrift dar­auf hin­weist, es han­de­le sich um ei­ne of­fe­ne Rechts­fra­ge, so folgt das Be­schwer­de­ge­richt dem nicht. Mit wel­cher Be­gründung sol­len be­triebs­frem­de Per­so­nen für ei­nen Wahl­vor­stand be­stellt wer­den, die dort kei­ne Wahl­be­rech­ti­gung ha­ben? Es gibt dafür kei­nen nach­voll­zieh­ba­ren oder ver­tret­ba­ren An­satz. Denn § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG ist ein­deu­tig.

 

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bb. Bei § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG han­delt es sich auch um ei­ne we­sent­li­che Vor­schrift be­zo­gen auf das Wahl­ver­fah­ren.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat be­reits mit Be­schluss vom 14. Sep­tem­ber 1988 (7 ABR 93/87, zi­tiert nach Ju­ris Rn. 22) aus­geführt, beim da­ma­li­gem § 16 Abs. 1 S. 5 Be­trVG (Be­tei­li­gung der Grup­pe der Ar­bei­ter und der Grup­pe der An­ge­stell­ten) han­de­le es sich um ei­ne we­sent­li­che Vor­schrift über das Wahl­ver­fah­ren i. S. v. § 19 Abs. 1 Be­trVG. Wenn dies schon für die­se Vor­schrift gilt, so muss dies erst recht gel­ten für die Vor­schrift des § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG, wo­nach der Wahl­vor­stand nur aus Wahl­be­rech­tig­ten be­ste­hen darf.

cc. Der Ver­s­toß ge­gen die­se we­sent­li­che Vor­schrift des § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG ist auch für den si­che­ren Er­folg der An­fech­tung re­le­vant, denn es kann nicht an­ge­nom­men wer­den, dass durch die Ver­let­zung des § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG das Wahl­er­geb­nis nicht geändert oder be­ein­flusst wer­den würde.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat sich be­reits mit Be­schluss vom 14. Sep­tem­ber 1988 (7 ABR 93/87; zi­tiert nach Ju­ris Rn. 22 ff.) ausführ­lich mit der Fra­ge be­fasst, wel­chen Ein­fluss die feh­ler­haf­te Zu­sam­men­set­zung des Wahl­vor­stan­des auf das Wahl­er­geb­nis hat. Be­reits in die­sem Be­schluss führt das Bun­des­ar­beits­ge­richt aus, ein Ver­s­toß ge­gen die zwin­gen­de Vor­schrift der Zu­sam­men­set­zung des Wahl­vor­stan­des las­se den Schluss nicht zu, dass hier­durch das Wahl­er­geb­nis ob­jek­tiv nicht geändert oder be­ein­flusst wer­den konn­te. Der Rechts­auf­fas­sung, dass der bloße Ver­s­toß ge­gen die zwin­gen­den Re­ge­lun­gen über die Zu­sam­men­set­zung des Wahl­vor­stan­des für sich al­lei­ne nicht ge­eig­net sei, die An­fecht­bar­keit der Wahl zu be­gründen, konn­te sich der Se­nat nicht an­sch­ließen.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt be­tont in die­sem Be­schluss aus­drück­lich, dass es nicht dar­auf an­kom­me (Rn. 23), dass der nicht be­tei­lig­te Grup­pen­ver­tre­ter im Fall sei­ner tatsächli­chen Be­tei­li­gung hätte über­stimmt wer­den können. Folg­lich ist es un­er­heb­lich, dass bei dem hier fünfköpfi­gen Wahl­vor­stand die bei­den be­triebs­frem­den Mit­glie­der des Wahl­vor­stan­des theo­re­tisch hätten über­stimmt wer­den können. Ent-

 

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schei­dun­gen des Wahl­vor­stan­des können bei an­de­rer per­so­nel­ler Zu­sam­men­set­zung ver­schie­den aus­fal­len mit der Fol­ge, dass nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kann, dass das Wahl­er­geb­nis durch die feh­ler­haf­te Zu­sam­men­set­zung des Wahl­vor­stan­des geändert oder be­ein­flusst wer­den kann.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt weist in obi­ger Ent­schei­dung auch dar­auf hin, dass der Wahl­vor­stand kei­nes­wegs nur streng ge­bun­den die Vor­schrif­ten des Be­trVG und der Wahl­ord­nung aus­zuführen ha­be. Viel­mehr sei ihm von Ge­set­zes we­gen in vie­len Punk­ten ein Er­mes­sens­spiel­raum ein­geräumt wor­den.

In ei­ner nach­fol­gen­den Ent­schei­dung (Be­schluss vom 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 -) hat sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt noch­mals mit die­ser Fra­ge be­fasst und deut­lich zum Aus­druck ge­bracht, dass es trotz der in Schrift­tum geäußer­ten Kri­tik kei­nen An­lass zur Ände­rung der Se­nats­recht­spre­chung ge­be (Rn. 52). Denn die Aus­ge­stal­tung der Wahl­an­fech­tungs­vor­schrift des § 19 Abs. 1 S. 1 letz­ter Halb­satz Be­trVG neh­me Rück­sicht dar­auf, dass in ei­ner Viel­zahl an Fällen die Be­ein­flus­sung durch ei­nen Ver­s­toß ge­gen we­sent­li­che Wahl­vor­schrif­ten nicht po­si­tiv fest­ge­stellt wer­den könne, sich aber den­noch la­tent auf das Wahl­ver­hal­ten aus­wir­ke. Des­halb müsse ei­ne ver­fah­rens­feh­ler­haf­te Be­triebs­wahl nur dann nicht wie­der­holt wer­den, wenn sich kon­kret fest­stel­len las­se, dass bei ei­ner Ein­hal­tung ent­spre­chen­der Vor­schrif­ten zum Wahl­ver­fah­ren kein an­de­res Wahl­er­geb­nis er­zielt wor­den wäre. Könne die­se Fest­stel­lung nicht ge­trof­fen wer­den, blei­be es bei der Un­wirk­sam­keit der Wahl. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt weist in die­ser Ent­schei­dung dann noch­mals auf die dem Wahl­vor­stand zu­ste­hen­den Er­mes­sens­ent­schei­dun­gen hin, die je nach sei­ner per­so­nel­len Zu­sam­men­set­zung un­ter­schied­lich aus­fal­len und sich auf das Wahl­er­geb­nis aus­wir­ken können (Rn. 51).

An die­ser ein­deu­ti­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts gilt es fest­zu­hal­ten, so­dass kein An­lass für die An­nah­me be­steht, durch den Ver­s­toß ge­gen die Wahl­vor­schrift hätte das Wahl­er­geb­nis nicht geändert oder be­ein­flusst wer­den können.

 

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Nach al­le­dem steht zur Über­zeu­gung des Be­schwer­de­ge­richts fest, dass die an­ste­hen­de Wahl we­gen Ver­let­zung des § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG mit Si­cher­heit wirk­sam an­zu­fech­ten ge­we­sen wäre. Ob darüber hin­aus die Ver­let­zung des § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG so­gar zur Nich­tig­keit der Wahl führen könn­te, weil die feh­ler­haf­te Be­set­zung ei­nes Wahl­vor­stan­des wie ei­ne Wahl oh­ne Wahl­vor­stand zu be­trach­ten sei (so mögli­cher­wei­se LAG München, Be­schluss vom 16.06.2008 – 11 TaBV 50/08 –), kann da­hin­ge­stellt blei­ben, weil aus den oben dar­ge­leg­ten Gründen be­reits die si­che­re An­fecht­bar­keit aus­reicht.

dd. Im Übri­gen trägt auch nicht das Ar­gu­ment des Wahl­vor­stan­des, wenn er dar­auf hin­weist, mit der Ar­gu­men­ta­ti­on der Ge­gen­sei­te wäre auch der Wahl­vor­stand für die Wahl des Be­triebs­ra­tes bei der B. GmbH feh­ler­haft be­stellt wor­den. Was für die Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des für die hier streit­ge­genständ­li­che Wahl gilt, trifft natürlich grundsätz­lich auch für die Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des der B. GmbH zu. Dar­aus kann aber nicht ab­ge­lei­tet wer­den, dass der Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung hier un­verhält­nismäßig wäre, weil sich die B. GmbH nicht auf die­sen Ver­fah­rens­feh­ler stützt. Zum ei­nen ist zu be­ach­ten, dass es sich in­so­weit um ver­schie­de­ne Ge­sell­schaf­ten und da­mit un­ter­schied­li­che Be­tei­lig­te han­delt. Zum an­de­ren ist für den Aus­gang des An­fech­tungs­ver­fah­rens gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Be­trVG zu be­ach­ten, dass das Ge­richt im Rah­men des ge­stell­ten An­trags von Amts we­gen al­le er­kenn­ba­ren An­fech­tungs­gründe bei der Ent­schei­dung zu berück­sich­ti­gen hat (§ 83 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Auch wenn Wahl­verstöße nicht gel­tend ge­macht wer­den, hat das Ar­beits­ge­richt sie zu berück­sich­ti­gen (Thüsing in Ri­car­di, Be­trVG, 12.Aufl., § 19 Rn. 57 m. H. a. R.).

ee. Letzt­lich ist auch noch dar­auf hin­zu­wei­sen, dass es ge­genüber der Ab­bruch­verfügung kein mil­de­res Mit­tel gibt. Si­cher­lich muss vor Er­lass ei­ner sol­chen Verfügung zum Wahl­ab­bruch zunächst ge­prüft wer­den, ob der Ver­fah­rens­feh­ler im lau­fen­den Ver­fah­ren noch kor­ri­gier­bar ist. Auch da­zu ist das einst­wei­li­ge Verfügungs­ver­fah­ren ge­eig­net. Hier ist je­doch fest­zu­stel­len, dass die feh­ler­haf­te Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des nicht mehr kor­ri­gier­bar ist. Ein sol­cher Wahl­vor­stand kann nicht per­so­nell aus­ge­tauscht wer­den und das Ver­fah­ren fortführen. Viel­mehr ist un­ter Berück­sich­ti­gung des § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG ein neu­er Wahl­vor­stand zu be­stel­len. Da­zu ist das

 

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Ge­richt aber nicht mit­tels ei­nes kor­ri­gie­ren­den Ein­griffs in das Wahl­ver­fah­ren be­fugt. Viel­mehr ist der Wahl­vor­stand neu nach Maßga­be der Vor­schrif­ten des Be­trVG zu be­stel­len.

Nach al­le­dem ist der Verfügungs­an­spruch be­gründet, weil we­gen Ver­let­zung des § 16 Abs. 1 S. 1 Be­trVG die an­ste­hen­de Wahl si­cher an­fecht­bar wäre. Dem Be­schwer­de­ge­richt stellt sich da­her nicht die Fra­ge, ob auch we­gen an­geb­li­cher Ver­let­zung des Be­triebs­be­griffs die Wahl ab­zu­bre­chen wäre. Dar­auf kommt es für die­se Ent­schei­dung nicht an.

2. An­ge­sichts der un­mit­tel­bar be­vor­ste­hen­den Wahl ist auch Ei­le ge­bo­ten, wes­halb auch der Verfügungs­grund ge­ge­ben ist.

Ge­gen die­sen Be­schluss fin­det ein Rechts­mit­tel nicht statt, § 542 Abs. 2 ZPO, § 92 Abs. 2 ArbGG.

 

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