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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 09.04.2008, 4 AZR 164/07

   
Schlagworte: Betriebsübergang: Tarifvertrag, Tarifvertrag
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 4 AZR 164/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.04.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 27.01.2006, 1 Ca 101/05
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 26.01.2007, 10 Sa 408/06
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

4 AZR 164/07
10 Sa 408/06
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nie­der­sach­sen

 

 

Im Na­men des Vol­kes!

 

Verkündet am

9. April 2008

UR­TEIL

Frei­tag, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Vier­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 9. April 2008 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Be­p­ler, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Wol­ter und Creutz­feldt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Va­len­ti­en und Kie­fer für Recht er­kannt:
 


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1. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 26. Ja­nu­ar
2007 - 10 Sa 408/06 - wird zurück­ge­wie­sen.


2. Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um Lohn­ansprüche der Kläge­rin für die Mo­na­te No­vem­ber 2004 bis Au­gust 2005 so­wie Ok­to­ber und No­vem­ber 2005.


Die Kläge­rin war vom 26. März 2002 bis zum 30. April 2006 bei der Be­klag­ten und ih­rer Rechts­vorgänge­rin als Küchen­hil­fe beschäftigt. Sie ist Mit­glied der IG BAU.


Das Ar­beits­verhält­nis be­stand ursprüng­lich mit der H Dienst­leis­tungs-GmbH, die ins­ge­samt 170 Mit­ar­bei­ter in den Dienst­leis­tungs­be­rei­chen Rei­ni­gungs­dienst, Hol- und Bring­diens­te, Ver­an­stal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on und Küche beschäftig­te. Den Schwer­punkt der be­trieb­li­chen Tätig­keit bil­de­te die Rei­ni­gungstätig­keit mit ins­ge­samt 129 Rei­ni­gungs­kräften. Auf die Ar­beits­verhält­nis­se der Mit­ar­bei­ter fand da­her der all­ge­mein­ver­bind­li­che Rah­men­ta­rif­ver­trag für die ge­werb­li­chen Beschäftig­ten in der Gebäuderei­ni­gung vom 4. Ok­to­ber 2003, gültig ab 1. April 2004 (RTV Gebäuderei­ni­gung), An­wen­dung. Nach § 3 Nr. 3.7 RTV Gebäuderei­ni­gung sind Mehr-, Nacht-, Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit zu­schlags­pflich­tig.

Zum 1. Au­gust 2004 ging der Teil­be­trieb Küchen­dienst mit mehr als 20 Ar­beit­neh­mern, dar­un­ter der Kläge­rin, auf die Be­klag­te über. Die Be­klag­te beschäftigt ins­ge­samt 115 Ar­beit­neh­mer, von de­nen 96 als Küchen- bzw. Spül- oder Band­hil­fen so­wie fünf als Köche oder Küchen­lei­ter tätig sind. Mit die­sen Mit­ar­bei­tern be­rei­tet sie in der zum H, ei­nem Kran­ken­haus, gehören­den Küche Spei­sen zu, sorgt für de­ren Hin- und Rück­trans­port zu und von den Sta­tio­nen
 


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und rei­nigt die be­nutz­ten Uten­si­li­en. Zum Teil wird Per­so­nal der Be­klag­ten auch zum Ver­tei­len der Spei­sen an Pa­ti­en­ten ein­ge­setzt. Die Be­klag­te be­treibt zu­dem zwei Ta­gescafés auf dem Be­triebs­gelände des H, für die sie an­ders als für den Küchen­be­trieb je­weils ei­ne Gaststätten­er­laub­nis be­sitzt.


In ei­nem Schrei­ben vom 19. Mai 2004 hat­te die Be­klag­te die be­trof­fe­nen Beschäftig­ten über den be­ab­sich­tig­ten Teil­be­triebsüber­gang in­for­miert und dar­auf hin­ge­wie­sen, dass auf die Ar­beits­verhält­nis­se der „Ent­gelt- und der Man­tel­ta­rif­ver­trag für die Beschäftig­ten im Gast­ge­wer­be, Spar­te Ca­te­ring“, An­wen­dung fin­den wer­de. Wei­ter exis­tiert ein als Ver­ein­ba­rung be­zeich­ne­tes, nicht da­tier­tes und von bei­den Par­tei­en un­ter­schrie­be­nes Schrei­ben, in dem es heißt:

„...
Wie Ih­nen be­reits be­kannt ist, trat mit Wir­kung vom 01.04.2004 ein neu­er, mit der Ge­werk­schaft IG Bau ab­ge­schlos­se­ner, Rah­men­ta­rif­ver­trag und Lohn­ta­rif­ver­trag für das Gebäuderei­ni­ger­hand­werk in Kraft. Die­se für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Ta­rif­verträge fin­den auch auf Ihr ak­tu­el­les Ar­beits­verhält­nis ih­re An­wen­dung. Dies be­deu­tet, dass gemäß dem § 7 des Rah­men­ta­rif­ver­tra­ges sich die Ein­grup­pie­rung Ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses nach der Lohn­grup­pe 01 rich­tet und Ihr Ta­rif­stun­den­lohn so­mit mit Wir­kung vom 01.04.2004 EUR 7,68 brut­to beträgt. ...“

Tatsächlich zahl­te die Be­klag­te bis zum 31. De­zem­ber 2004 Zu­schläge für Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit gem. § 3 Nr. 3.7 RTV Gebäuderei­ni­gung. Ab dem 1. Ja­nu­ar 2005 wand­te die Be­klag­te, die nicht Mit­glied ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des ist, auf das Ar­beits­verhält­nis grundsätz­lich den all­ge­mein­ver­bind­li­chen Man­tel­ta­rif­ver­trag für das Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be in Nie­der­sach­sen (MTV Gaststätten­ge­wer­be) an, den die Ge­werk­schaft Nah­rung - Ge­nuß - Gaststätten (NGG) und der Ar­beit­ge­ber­ver­band DE­HO­GA Lan­des­ver­band Nie­der­sach­sen im DE­HO­GA e. V. am 28. Ju­ni 2000 ver­ein­bart hat­ten. Er sieht im Ge­gen­satz zum RTV Gebäuderei­ni­gung kei­ne Zu­schläge für Sonn­tag- und Fei­er­tags­ar­beit vor.

Mit ih­rer am 9. März 2005 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge so­wie meh­re­ren Kla­ge­er­wei­te­run­gen be­gehrt die Kläge­rin die Zah­lung von
 


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ins­ge­samt 1.021,20 Eu­ro brut­to so­wie 961,09 Eu­ro net­to als noch aus­ste­hen­den Lohn für die Mo­na­te No­vem­ber 2004 bis Au­gust 2005 so­wie für Ok­to­ber und No­vem­ber 2005. Die For­de­run­gen set­zen sich zu­sam­men aus Brut­to­lohn­ansprüchen we­gen nicht ab­ge­rech­ne­ter Ar­beits­stun­den für ein­zel­ne Mo­na­te, aus Ur­laubs­ent­gelt für den Mo­nat Mai 2005 so­wie aus Zu­schlägen für Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit.


Die Kläge­rin hat gel­tend ge­macht, der RTV Gebäuderei­ni­gung fin­de auch nach dem Teil­be­triebsüber­gang auf ihr Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung. Dies er­ge­be sich schon aus der nach dem Teil­be­triebsüber­gang ge­schlos­se­nen un­da­tier­ten Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en. Zu­dem un­ter­fal­le die Be­klag­te nicht dem fach­li­chen An­wen­dungs­be­reich des MTV Gaststätten­ge­wer­be. Die­ser gel­te nur für Gaststätten im Sin­ne des Gaststätten­ge­set­zes. Die Be­klag­te be­trei­be we­der ei­nen er­laub­nis­pflich­ti­gen noch ei­nen er­laub­nis­frei­en Be­trieb nach dem Gaststätten­ge­setz, son­dern ei­nen Ver­pfle­gungs- oder Ca­te­ring-be­trieb. Bei der Kran­ken­hausküche han­de­le es sich im Übri­gen nicht um ei­ne für je­der­mann oder ei­nen be­stimm­ten Per­so­nen­kreis zugäng­li­che Spei­se­wirt­schaft.


Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin für den Zeit­raum No­vem­ber 2004 bis März 2005 ei­nen Rest­vergütungs­an­spruch iHv. 663,90 Eu­ro brut­to so­wie 496,09 Eu­ro net­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz gem. § 247 BGB seit dem 16. April 2005 zu zah­len;


2. die Be­klag­te wei­ter­hin zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 32,00 Eu­ro net­to so­wie 16,00 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz gem. § 247 BGB seit dem 16. Mai 2005 zu zah­len;

3. die Be­klag­te wei­ter­hin zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 128,00 Eu­ro net­to so­wie 188,80 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz gem. § 247 BGB seit Rechtshängig­keit zu zah­len;

4. die Be­klag­te wei­ter­hin zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 48,00 Eu­ro brut­to so­wie 96,00 Eu­ro net­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis-
 


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zins­satz gem. § 247 BGB ab Zu­stel­lung der Kla­ge­er­wei­te­rung zu zah­len;

5. die Be­klag­te wei­ter­hin zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 59,50 Eu­ro brut­to so­wie 119,00 Eu­ro net­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz gem. § 247 BGB ab Zu­stel­lung der Kla­ge­er­wei­te­rung zu zah­len;

6. die Be­klag­te wei­ter­hin zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 45,00 Eu­ro brut­to so­wie 90,00 Eu­ro net­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz gem. § 247 BGB ab Zu­stel­lung der Kla­ge­er­wei­te­rung zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass der Kläge­rin ab dem 1. Ja­nu­ar 2005 kei­ne Ansprüche auf Zah­lung von Zu­schlägen für Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit mehr zu­ste­hen. Sol­che Zu­schläge se­he der MTV Gaststätten­ge­wer­be nicht vor. Die­ser all­ge­mein­ver­bind­li­che Ta­rif­ver­trag ha­be nach dem Teil­be­triebsüber­gang die vor­her gel­ten­den Re­ge­lun­gen des RTV Gebäuderei­ni­gung ab­gelöst. Als Be­trei­ber der Kran­ken­hausküche un­ter­fal­le sie dem fach­li­chen An­wen­dungs­be­reich des MTV Gaststätten­ge­wer­be, weil sie ei­ne Gaststätte im Sin­ne des Gaststätten­ge­set­zes be­trei­be.

Soll­te aber der MTV Gaststätten­ge­wer­be kei­ne An­wen­dung fin­den, so hätte die Kläge­rin die nach des­sen Re­ge­lun­gen ge­leis­te­ten Zah­lun­gen von Ur­laubs­geld und Weih­nachts­geld iHv. ins­ge­samt 461,70 Eu­ro brut­to rechts-grund­los er­langt, weil der dann maßgeb­li­che RTV Gebäuderei­ni­gung kei­ne ent­spre­chen­den Leis­tun­gen vor­se­he. Die Be­klag­te hat im Be­ru­fungs­ver­fah­ren des­halb hilfs­wei­se die Auf­rech­nung erklärt. Für den Fall der Un­zulässig­keit der Auf­rech­nung hat die Be­klag­te wi­der­kla­gend be­an­tragt,
die Kläge­rin zu ver­ur­tei­len, an die Be­klag­te 461,70 Eu­ro nebst Zin­sen von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 25. Ja­nu­ar 2007 zu zah­len.


Die Kläge­rin hat be­an­tragt, die Wi­der­kla­ge ge­ge­be­nen­falls zurück­zu­wei­sen. Sie hat be­haup­tet, dass sie als Ur­laubs­geld und Weih­nachts­geld nicht 461,70 Eu­ro brut­to, son­dern le­dig­lich 419,90 Eu­ro brut­to er­hal­ten ha­be. Im

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Übri­gen müsse sie al­len­falls den sich dar­aus er­ge­ben­den Net­to­be­trag zurück-zah­len. Auch da­zu sei sie in­des in kei­nem Fall ver­pflich­tet, weil die Zah­lun­gen nicht rechts­grund­los er­folgt sei­en; sie ha­be auch in den Jah­ren 2003 und 2004 Ur­laubs­geld so­wie in den Jah­ren 2002 und 2003 Weih­nachts­geld er­hal­ten. Et­wai­ge Rück­for­de­rungs­ansprüche sei­en zu­dem gem. § 22 des RTV Gebäuderei­ni­gung ver­fal­len.


Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge iHv. ins­ge­samt 912,20 Eu­ro brut­to abzüglich 102,41 Eu­ro net­to so­wie 940,00 Eu­ro net­to statt­ge­ge­ben und die Kla­ge im Übri­gen, dh. hin­sicht­lich ei­nes höhe­ren als 75 %igen Zu­schlags für die Weih­nachts­fei­er­ta­ge 2004 und den Os­ter­sonn­tag 2005 ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Es hat die sei­tens der Be­klag­ten erklärte Auf­rech­nung als un­wirk­sam an­ge­se­hen und die Wi­der­kla­ge als un­zulässig ab­ge­wie­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ih­re Anträge wei­ter. Die Kläge­rin be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist nicht be­gründet. Der Kläge­rin steht die ihr von den Vor­in­stan­zen zu­er­kann­te zusätz­li­che Vergütung nach dem RTV Gebäuderei­ni­gung zu. Trotz des Teil­be­triebsüber­gangs auf die Be­klag­te ist auf das Ar­beits­verhält­nis wei­ter­hin der RTV Gebäuderei­ni­gung an­wend­bar. Da­nach sind zwar die Leis­tun­gen der Be­klag­ten nach dem MTV Gaststätten­ge­wer­be (Ur­laubs­geld und Jah­res­son­der­leis­tung) oh­ne Rechts­grund er­folgt. Die in­so­weit erklärte Auf­rech­nung der Be­klag­ten ist aber un­wirk­sam und die auf den Brut­to­be­trag ge­rich­te­te Wi­der­kla­ge un­zulässig.

I. Hin­sicht­lich der gel­tend ge­mach­ten Ansprüche we­gen nicht ab­ge­rech­ne­ter Ar­beits­stun­den für ein­zel­ne Mo­na­te so­wie des An­spruchs auf rest­li­ches Ur­laubs­ent­gelt für den Mo­nat Mai 2005 ist die Re­vi­si­on schon des­halb un­be­gründet, weil die Be­ru­fung der Be­klag­ten in­so­weit un­zulässig war und

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es des­halb an ei­ner Pro­zess­fort­set­zungs­vor­aus­set­zung fehlt. Die Be­klag­te hat sich in ih­rer Be­ru­fungs­be­gründung nicht wie nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ge­bo­ten mit den auf die­sen Streit­ge­gen­stand be­zo­ge­nen Ur­teils­gründen aus­ein­an­der­ge­setzt (vgl. zu den An­for­de­run­gen an die Be­ru­fungs­be­gründung: BAG 10. Fe­bru­ar 2005 - 6 AZR 183/04 - EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 40).


II. Der Kläge­rin ste­hen auch die - rech­ne­risch un­strei­ti­gen - Zu­schläge iHv. 75 % für die Ar­beit an Sonn- und Fei­er­ta­gen nach § 3 Nr. 3.7 lit. g RTV Gebäuderei­ni­gung zu. Nach dem Teil­be­triebsüber­gang ist der RTV Gebäuderei­ni­gung nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB wei­ter auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en an­wend­bar. Ei­ne Ablösung durch den MTV Gaststätten­ge­wer­be nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ist nicht er­folgt, weil der Be­trieb der Be­klag­ten nicht un­ter den Gel­tungs­be­reich des MTV Gaststätten­ge­wer­be fällt.


1. Vor dem Teil­be­triebsüber­gang galt für das Ar­beits­verhält­nis der für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärte RTV Gebäuderei­ni­gung nach § 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 TVG un­mit­tel­bar und zwin­gend. Durch den Teil­be­triebsüber­gang ist zwar die­se Gel­tung ent­fal­len, weil der Be­trieb der Be­klag­ten nicht im Gel­tungs­be­reich des RTV Gebäuderei­ni­gung liegt. Nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB fin­det die­ser Ta­rif­ver­trag aber als In­halt des auf die Be­klag­te über­ge­gan­ge­nen Ar­beits­verhält­nis­ses wei­ter An­wen­dung.

2. Dem steht § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht ent­ge­gen, weil der Be­trieb der Be­klag­ten auch nicht un­ter den Gel­tungs­be­reich des MTV Gaststätten­ge­wer­be fällt.


a) Nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB gilt § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, wenn die Rech­te und Pflich­ten bei dem neu­en In­ha­ber durch Rechts­nor­men ei­nes an­de­ren Ta­rif­ver­tra­ges oder durch ei­ne an­de­re Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­re­gelt wer­den. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts setzt die Ablösung ei­nes vor dem Be­triebsüber­gang nor­ma­tiv gel­ten­den Ta­rif­ver­tra­ges durch ei­nen „an­de­ren Ta­rif­ver­trag“ nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB die kon­gru­en­te Ta­rif­ge­bun­den­heit des neu­en In­ha­bers und des Ar­beit­neh­mers


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vor­aus (Se­nat 30. Au­gust 2000 - 4 AZR 581/99 - BA­GE 95, 296). Nur dann wer­den die Rech­te und Pflich­ten im über­nom­me­nen Ar­beits­verhält­nis durch den be­tref­fen­den Ta­rif­ver­trag „ge­re­gelt“. Kon­gru­en­te Ta­rif­ge­bun­den­heit kann auf Grund Mit­glied­schaft in den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en (§ 3 Abs. 1 TVG, § 4 Abs. 1 TVG) oder auch auf Grund All­ge­mein­ver­bind­lich­keit des Ta­rif­ver­tra­ges (§ 5 Abs. 4 TVG) ge­ge­ben sein (vgl. Se­nat 29. Au­gust 2007 - 4 AZR 767/06 - DB 2008, 1270). Ne­ben der kon­gru­en­ten Ta­rif­ge­bun­den­heit setzt § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB vor­aus, dass „die Rech­te und Pflich­ten“ und da­mit der­sel­be Re­ge­lungs­ge­gen­stand bei dem neu­en In­ha­ber durch Rechts­nor­men ei­nes an­de­ren Ta­rif­ver­tra­ges ge­re­gelt wer­den (vgl. da­zu Se­nat 20. April 1994 - 4 AZR 342/93 - AP BGB § 613a Nr. 108 = EzA BGB § 613a Nr. 118; vgl. auch BAG 22. Ja­nu­ar 2003 - 10 AZR 227/02 - AP BGB § 613a Nr. 242 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 1).


b) Der MTV Gaststätten­ge­wer­be gilt schon des­halb nicht im Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, weil der Be­trieb der Be­klag­ten nicht un­ter den Gel­tungs­be­reich des MTV Gaststätten­ge­wer­be fällt un­abhängig da­von, ob die von der Be­klag­ten über­nom­me­ne Kran­ken­hausküche Teil ih­res Ca­te­ring­be­trie­bes ist oder or­ga­ni­sa­to­risch selbständig wei­ter­be­trie­ben wird.

aa) Nach sei­nem § 1 Nr. 2 gilt der MTV Gaststätten­ge­wer­be fach­lich für al­le Be­trie­be, die im Be­sitz ei­ner Er­laub­nis nach dem Gaststätten­ge­setz sind oder ei­nen nach dem Gaststätten­ge­setz er­laub­nis­frei­en Be­trieb führen.

bb) Als un­selbständi­ger Teil des Ca­te­ring­be­trie­bes fie­le die Kran­ken­hausküche nicht un­ter den fach­li­chen Gel­tungs­be­reich des MTV Gaststätten­ge­wer­be. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat des­sen § 1 Nr. 2 zu­tref­fend da­hin-ge­hend aus­ge­legt, dass der Ta­rif­ver­trag sei­nem Wort­laut nach an die Be­griff­lich­kei­ten des Gaststätten­ge­set­zes an­knüpft und nur Be­trie­be des Gaststätten­ge­wer­bes iSv. § 1 Abs. 1 Gaststätten­ge­setz (GastG) er­fasst, nicht aber Ca­te­ring- oder Ver­pfle­gungs­be­trie­be.
 


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(1) Die Aus­le­gung ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges durch das Be­ru­fungs­ge­richt ist in der Re­vi­si­ons­in­stanz in vol­lem Um­fang nach­zu­prüfen (Se­nat 7. Ju­ni 2006 - 4 AZR 316/05 - BA­GE 118, 232; BAG 22. Ok­to­ber 2002 - 3 AZR 664/01 - AP TVG § 1 Aus­le­gung Nr. 185). Die Aus­le­gung des nor­ma­ti­ven Teils ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges folgt nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts den für die Aus­le­gung von Ge­set­zen gel­ten­den Re­geln. Aus­zu­ge­hen ist zunächst vom Ta­rif­wort­laut. Zu er­for­schen ist der maßgeb­li­che Sinn der Erklärung, oh­ne am Buch­sta­ben zu haf­ten. Da­bei sind der wirk­li­che Wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en und da­mit der von ih­nen be­ab­sich­tig­te Sinn und Zweck der Ta­rif­norm mit zu berück­sich­ti­gen, so­weit er in den ta­rif­li­chen Nor­men sei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den hat. Auch auf den ta­rif­li­chen Ge­samt­zu­sam­men­hang ist ab­zu­stel­len. Ver­blei­ben noch Zwei­fel, können wei­te­re Kri­te­ri­en wie Ta­rif­ge­schich­te, prak­ti­sche Ta­rifübung und Ent­ste­hungs­ge­schich­te des je­wei­li­gen Ta­rif­ver­tra­ges oh­ne Bin­dung an ei­ne be­stimm­te Rei­hen­fol­ge berück­sich­tigt wer­den. Im Zwei­fel ist die Ta­rif­aus­le­gung zu wählen, die zu ei­ner vernünf­ti­gen, sach­ge­rech­ten, zweck­ori­en­tier­ten und prak­tisch brauch­ba­ren Lösung führt (zB Se­nat 30. Mai 2001 - 4 AZR 269/00 - BA­GE 98, 35, 38f.; 7. Ju­li 2004 - 4 AZR 433/03 - BA­GE 111, 204, 209).


(2) Schon nach dem Wort­laut des § 1 Nr. 2 MTV Gaststätten­ge­wer­be wer­den von des­sen Gel­tungs­be­reich un­zwei­fel­haft nur Gaststätten im Sin­ne des Gaststätten­ge­set­zes er­fasst. Der Ta­rif­ver­trag stellt dar­auf ab, ob ein Be­trieb im Be­sitz ei­ner Er­laub­nis nach dem Gaststätten­ge­setz ist oder ob es sich um ei­nen nach dem Gaststätten­ge­setz er­laub­nis­frei­en Be­trieb han­delt.

Gem. § 1 Gaststätten­ge­setz (GastG) in der Fas­sung vom 20. No­vem­ber 1998, wel­che vom 1. Ok­to­ber 1998 bis zum 30. Ju­ni 2005 in Kraft war, be­treibt ein Gaststätten­ge­wer­be im Sin­ne des Gaststätten­ge­set­zes, wer im ste­hen­den Ge­wer­be Ge­tränke zum Ver­zehr an Ort und Stel­le ver­ab­reicht (Schank­wirt­schaft), oder zu­be­rei­te­te Spei­sen zum Ver­zehr an Ort und Stel­le ver­ab­reicht (Spei­se­wirt­schaft) oder Gäste be­her­bergt (Be­her­ber­gungs­be­trieb), wenn der Be­trieb je­der­mann oder be­stimm­ten Per­so­nen­krei­sen zugäng­lich ist. Die seit dem 1. Ju­li 2005 gel­ten­de Neu­fas­sung des § 1 Abs. 1 GastG vom
 


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21. Ju­ni 2005 nahm die Be­her­ber­gungs­be­trie­be aus dem An­wen­dungs­be­reich des GastG her­aus.

§ 2 GastG re­gelt die Er­laub­nis­pflich­tig­keit im Gaststätten­ge­wer­be. Gem. § 2 Abs. 1 GastG be­darf der Er­laub­nis, wer ein Gaststätten­ge­wer­be be­trei­ben will. Gem. § 2 Abs. 2 GastG in der vom 1. Ok­to­ber 1998 bis zum 30. Ju­ni 2005 gel­ten­den Fas­sung be­durf­te der Er­laub­nis nicht, wer Milch, Milch­er­zeug­nis­se oder al­ko­hol­freie Milchmisch­ge­tränke ver­ab­reicht, un­ent­gelt­li­che Kost­pro­ben ver­ab­reicht oder al­ko­hol­freie Ge­tränke aus Au­to­ma­ten ver­ab­reicht. § 2 Abs. 2 GastG wur­de mit Wir­kung ab dem 1. Ju­li 2005 eben­falls neu ge­fasst. Dem­nach be­darf der Er­laub­nis nicht, wer al­ko­hol­freie Ge­tränke, un­ent­gelt­li­che Kost­pro­ben, zu­be­rei­te­te Spei­sen oder in Ver­bin­dung mit ei­nem Be­her­ber­gungs­be­trieb Ge­tränke und zu­be­rei­te­te Spei­sen an Hausgäste ver­ab­reicht.


(3) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten kann der MTV Gaststätten­ge­wer­be nicht da­hin aus­ge­legt wer­den, dass er un­abhängig da­von, ob sie dem An­wen­dungs­be­reich des Gaststätten­ge­set­zes un­ter­fal­len, auch Ver­pfle­gungs-und Ca­te­ring­be­trie­be er­fas­sen will.


(a) Sub­jek­ti­ve Vor­stel­lun­gen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en für die Aus­le­gung ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges sind le­dig­lich dann von Be­deu­tung, wenn sich für sie An­halts­punk­te im Ta­rif­wort­laut oder im Ta­rif­zu­sam­men­hang fin­den las­sen (Se­nat 23. Fe­bru­ar 1994 - 4 AZR 224/93 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Kir­chen Nr. 2; BAG 20. Au­gust 2002 - 9 AZR 235/01 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Luft­han­sa Nr. 28). Ein et­wa da­hin­ge­hen­der Wil­le, durch den MTV Gaststätten­ge­wer­be auch Ar­beits­verhält­nis­se im Ca­te­ring zu re­geln, hat im Wort­laut der Ta­rif­be­stim­mun­gen kei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den. Der Man­tel­ta­rif­ver­trag erwähnt Ca­te­ring­be­trie­be, Ver­pfle­gungs­be­trie­be oder Kan­ti­nen­be­trie­be an kei­ner Stel­le.


(b) Es kann oh­ne An­halts­punk­te im Wort­laut nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Ca­te­ring-, Ka­si­no- oder sons­ti­ge Ver-

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pfle­gungs­be­trie­be als Gaststätten im Sin­ne des Gaststätten­ge­set­zes an­se­hen woll­ten.

Für die Be­stim­mung des fach­li­chen Gel­tungs­be­reichs ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges sind die im Ar­beits- und Wirt­schafts­le­ben gel­ten­den Be­griffs­in­hal­te her­an­zu­zie­hen (BAG 25. April 1995 - 3 AZR 528/94 - BA­GE 80, 14, 18). Wer­den die von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­wen­de­ten Be­grif­fe nicht im Ta­rif-ver­trag selbst de­fi­niert, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass sie den Be­griff in dem Sin­ne ge­braucht ha­ben, der dem all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch und dem der be­tei­lig­ten Krei­se ent­spricht, wenn nicht si­che­re An­halts­punk­te für ei­ne ab-wei­chen­de Aus­le­gung ge­ge­ben sind (Se­nat 25. Ja­nu­ar 2006 - 4 AZR 622/04 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Großhan­del Nr. 22).

Un­ter „Ca­te­ring“ ist die Ver­sor­gung mit ver­zehr­fer­ti­gen Spei­sen, die auf in­dus­tri­el­le Wei­se vor- und zu­be­rei­tet sind, zu ver­ste­hen, wo­bei be­stimm­te Ein­rich­tun­gen (zB Kan­ti­nen, Kran­kenhäuser, Al­ten­hei­me etc.) oder be­stimm­te Per­so­nen­grup­pen (al­te Men­schen, „Es­sen auf Rädern“) be­lie­fert wer­den (Gab­ler Wirt­schafts­le­xi­kon 16. Aufl. Bd. A-D S. 583 „Ca­te­ring“). Da­bei steht die Lie­fe­rung von fer­ti­gen Spei­sen im Vor­der­grund (vgl. Brock­haus En­zy­klopädie 19. Aufl. Bd. 4 S. 366 „Ca­te­ring“). Der Be­griff des Ca­te­ring ist von dem herkömmli­chen Gaststätten­be­griff da­mit so weit ent­fernt, dass nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ab­wei­chend von dem all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch auch die Ca­te­ring­be­trie­be er­fas­sen woll­ten.

(c) Für die Nicht­ein­be­zie­hung der Ca­te­ring- und sons­ti­gen Ver­pfle­gungs­be­trie­be spricht auch, wor­auf das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend hin­ge­wie­sen hat, dass den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des MTV Gaststätten­ge­wer­be die Un­ter­schei­dung zwi­schen Gaststätten­be­trie­ben nach dem Gaststätten­ge­setz und Ca­te­ring­be­trie­ben be­kannt war und sie die­se zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des MTV Gaststätten­ge­wer­be am 28. Ju­ni 2000 ge­ra­de nicht ein­be­zie­hen woll­ten (vgl. BAG 24. Sep­tem­ber 2003 - 10 AZR 14/03 - EzA TVG § 4 Bäcker Nr. 2). Schon am 1. Ju­li 1996 ist ein Man­tel­ta­rif­ver­trag für Beschäftig­te von Be­triebsküchen, Ka­si­nos, Kan­ti­nen und sons­ti­gen Ver­pfle­gungs­be­trie­ben zwi­schen dem Bun­des­ver­band Be­triebs­gas­tro­no­mie e.V. (BVBG) und der
 


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Ge­werk­schaft NGG ab­ge­schlos­sen wor­den, der nach sei­nem § 1 Nr. 2 ua. al­le Küchen, Ka­si­nos und Kan­ti­nen in pri­va­ten und öffent­li­chen Be­trie­ben, An­stal­ten, Hei­men oder Sa­na­to­ri­en so­wie „Fern­ver­pfle­gungs­be­trie­be“ und Ca­te­ring­un­ter­neh­men er­fass­te. Mit der Ta­rif­ver­trag­li­chen Ar­beits­ge­mein­schaft der Lan­des­verbände im DE­HO­GA hat­te die Ge­werk­schaft NGG am 10. April 1997 ei­nen Man­tel­ta­rif­ver­trag für die Beschäftig­ten in der Sys­tem­gas­tro­no­mie ver­ein­bart. Des­sen fach­li­cher Gel­tungs­be­reich wur­de in ei­nem spe­zi­el­len Ta­rif­ver­trag über das Ver­fah­ren zur Fest­le­gung des fach­li­chen Gel­tungs­be­reichs des bun­des­wei­ten Spe­zi­al­ta­rif­ver­tra­ges für die Sys­tem­gas­tro­no­mie (Han­dels-, Ver­kehrs-, Fast-Food-Gas­tro­no­mie und Ca­te­ring) un­ter dem­sel­ben Da­tum fest­ge­legt. Bei­de Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des MTV Gaststätten­ge­wer­be, die Ge­werk­schaft NGG wie auch die DE­HO­GA, hat­ten so­mit be­reits vor dem Ab­schluss des hier streit­ge­genständ­li­chen MTV Gaststätten­ge­wer­be vom 28. Ju­ni 2000 für den Be­reich der Sys­tem­gas­tro­no­mie ein­sch­ließlich der Ca­te­ring­be­trie­be ei­genständi­ge Ta­rif­verträge ab­ge­schlos­sen; die­se soll­ten durch den MTV Gaststätten­ge­wer­be er­kenn­bar nicht ab­gelöst wer­den.


(d) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on kann auch aus dem zwi­schen den­sel­ben Ta­rif­ver­trags­par­tei­en im Mai 2002 ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trag über ei­ne ta­rif­li­che Al­ters­vor­sor­ge für das Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be in Nie­der­sach­sen nicht ge­schlos­sen wer­den, dass Ca­te­ring- oder sons­ti­ge Ver­pfle­gungs­be­trie­be auch von dem MTV Gaststätten­ge­wer­be um­fasst sind.

(aa) Der Ta­rif­ver­trag über die ta­rif­li­che Al­ters­vor­sor­ge gilt nach sei­nem § 1 Nr. 1 fach­lich für al­le nach dem Gaststätten­ge­setz er­laub­nis­pflich­ti­gen und er­laub­nis­frei­en Ho­tel- und Gaststätten­be­trie­be; in­so­weit ist ei­ne mit dem MTV Gaststätten­ge­wer­be im We­sent­li­chen gleich­lau­ten­de Re­ge­lung fest­zu­stel­len. Im Ta­rif­ver­trag über die Al­ters­vor­sor­ge wird darüber hin­aus aber auch aus­drück­lich ver­ein­bart, dass zu die­sen Be­trie­ben ua. auch Be­trie­be der Han­dels­gas­tro­no­mie, der Sys­tem­gas­tro­no­mie, der Ge­mein­schafts­ver­pfle­gung und der Ca­te­rer gehören sol­len.
 


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(bb) Dar­aus kann nicht ge­schlos­sen wer­den, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en das­sel­be Verständ­nis des Gel­tungs­be­reichs schon dem zwei Jah­re zu­vor ab­ge­schlos­se­nen Man­tel­ta­rif­ver­trag zu­grun­de ge­legt hätten.


Für die Aus­le­gung ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges kann zwar ei­ne späte­re Ta­ri­fent­wick­lung her­an­ge­zo­gen wer­den. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en können auch durch ta­rif­li­che Be­stim­mun­gen vor­an­ge­gan­ge­ne Ta­rif­verträge au­then­tisch in­ter­pre­tie­ren (vgl. da­zu BAG 19. Ok­to­ber 2004 - 9 AZR 411/03 - BA­GE 112, 203; 4. April 2001 - 4 AZR 180/00 - BA­GE 97, 271; 28. Ju­li 2005 - 3 AZR 14/05 - BA­GE 115, 304). Die Re­ge­lung des Gel­tungs­be­reichs des Ta­rif­ver­tra­ges über die ta­rif­li­che Al­ters­vor­sor­ge kann aber nicht als Klar­stel­lung oder Er­wei­te­rung des Gel­tungs­be­reichs des MTV Gaststätten­ge­wer­be ver­stan­den wer­den. Es han­delt sich um Ta­rif­verträge mit un­ter­schied­li­chen Re­ge­lungs­ge­genständen. Es kann nicht un­ter­stellt wer­den, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en für im An­wen­dungs­be­reich un­ter­schied­li­che Ta­rif­verträge trotz un­ter­schied­li­cher For­mu­lie­rung ei­nen Gleich­lauf woll­ten. Die Re­ge­lung in § 1 Nr. 1 des Ta­rif­ver­tra­ges über die ta­rif­li­che Al­ters­vor­sor­ge muss viel­mehr so ver­stan­den wer­den, dass nur bei die­sem Ta­rif­ver­trag mit sei­nem be­son­de­ren Re­ge­lungs­ge­gen­stand die ge­nann­ten Be­trie­be, zB der Sys­tem­gas­tro­no­mie und der Ca­te­rer, ein­be­zo­gen wer­den soll­ten, dass al­so für die all­ge­mein un­ter­schied­lich ge­re­gel­ten Ta­rif­be­rei­che ein­heit­li­che ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen zur be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung gel­ten sol­len.


(e) Ob, wie erst­mals in der Re­vi­si­on gel­tend ge­macht wird, nun­mehr bei­de Par­tei­en des MTV Gaststätten­ge­wer­be die For­mu­lie­rung des fach­li­chen Gel­tungs­be­reichs seit der letz­ten Ände­rung des Gaststätten­ge­set­zes zum 1. Ju­li 2005 „als über­holt an­se­hen“, kann da­hin­ge­stellt blei­ben. Wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nach Ta­rif­ab­schluss das Ge­re­gel­te für über­holt hal­ten, können sie es ändern. Wol­len sie ei­ne der neu­en Ge­set­zes­la­ge ent­spre­chen­de oder ihr an­ge­pass­te an­de­re ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lung, müssen sie sie ge­mein­sam schaf­fen. Bis da­hin gilt das Ver­ein­bar­te.


(f) Des­halb hat auch die von der Be­klag­ten er­ho­be­ne Ver­fah­rensrüge kei­nen Er­folg, wo­nach das Lan­des­ar­beits­ge­richt der Be­klag­ten vor der münd-
 


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li­chen Ver­hand­lung am 26. Ja­nu­ar 2007 kei­ne hin­rei­chen­de Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me ge­ge­ben ha­be, als es mit dem Be­schluss vom 18. Ja­nu­ar 2007 dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, dass - ent­ge­gen sei­ner bis­he­ri­gen Auf­fas­sung - auch zu prüfen sei, ob die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des MTV Gaststätten­ge­wer­be über­haupt Be­trie­be der von der Be­klag­ten be­trie­be­nen Art dem fach­li­chen Gel­tungs­be­reich des MTV Gaststätten­ge­wer­be hätten zu­ord­nen wol­len. Die von der Be­klag­ten bei ei­nem von ihr ge­for­der­ten frühe­ren Hin­weis vor­ge­brach­ten Ge­sichts­punk­te ins­be­son­de­re zu den Vor­stel­lun­gen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zum Gel­tungs­be­reich des MTV Gaststätten­ge­wer­be und zu der Ein­be­zie­hung von Ca­te­ring- und sons­ti­gen Ver­pfle­gungs­be­trie­ben in an­de­ren Ta­rif­wer­ken führen aus den dar­ge­leg­ten Gründen zu kei­nem ab­wei­chen­den Er­geb­nis.


cc) Der MTV Gaststätten­ge­wer­be ist nach sei­nem fach­li­chen Gel­tungs­be­reich auch dann nicht an­zu­wen­den, wenn die Kran­ken­hausküche or­ga­ni­sa­to­risch selbständig als Küche im Kran­ken­haus wei­ter be­trie­ben wor­den sein soll­te, was nach den vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen denk­bar er­scheint. Denn die Ver­pfle­gung der Pa­ti­en­ten des Kran­ken­hau­ses durch die Zu­be­rei­tung der Spei­sen und de­ren Ver­tei­lung auf die Sta­tio­nen ist nicht das Be­trei­ben ei­ner Spei­se­wirt­schaft im Sin­ne des Gaststätten­ge­set­zes.


Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GastG be­treibt ei­ne Spei­se­wirt­schaft, wer zu­be­rei­te­te Spei­sen zum Ver­zehr an Ort und Stel­le ver­ab­reicht, wenn der Be­trieb je­der­mann oder be­stimm­ten Per­so­nen­krei­sen zugängig ist. Dar­un­ter fällt die von der Be­klag­ten be­trie­be­ne Kran­ken­hausküche nicht.


(1) Zwei­fel­haft ist be­reits, ob der Be­trieb der Be­klag­ten zwar nicht „je­der­mann“, aber doch „ei­nem be­stimm­ten Per­so­nen­kreis“ zugäng­lich ist.


Der Be­griff des be­stimm­ten Per­so­nen­krei­ses iSd. § 1 Abs. 1 GastG ist ge­setz­lich nicht de­fi­niert. Ge­genüber dem Be­griff „je­der­mann“ schränkt er den Kreis der in Be­tracht kom­men­den Per­so­nen auf die­je­ni­gen ein, bei de­nen die je­wei­li­gen Grup­pen­merk­ma­le vor­lie­gen. Hier­un­ter fal­len zB An­gehöri­ge ei­ner be­stimm­ten ge­sell­schaft­li­chen Grup­pe, ei­nes Be­rufs­stan­des, Be­su­cher ei­nes Thea­ters und Fahrgäste ei­nes Schif­fes. Kenn­zeich­nend dafür ist, dass der Zu­gang auf die Per­so­nen be­schränkt ist, die das je­wei­li­ge Grup­pen­merk­mal
 


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erfüllen. Die­ses Be­griffs­merk­mal wird al­so zB bei ei­nem Be­trieb nicht erfüllt, an des­sen Beköstung nur in­di­vi­du­ell aus­gewähl­te Per­so­nen teil­neh­men. Ei­ne Spei­se­wirt­schaft im Sin­ne des Gaststätten­ge­set­zes liegt nur vor, wenn ei­nem nach abs­trak­ten Merk­ma­len be­stimm­ten Per­so­nen­kreis ein frei­er Zu­gang eröff­net ist.

Das trifft für die Kran­ken­hausküche nicht oh­ne wei­te­res zu. Zwar han­delt es sich bei den Kran­ken­haus­pa­ti­en­ten for­mal auch um ei­nen abs­trakt be­stimm­ten Per­so­nen­kreis. Die Zu­gehörig­keit zu die­sem Per­so­nen­kreis ist aber nicht durch die Be­klag­te be­stimmt son­dern durch die me­di­zi­ni­schen Gründe für den Kran­ken­haus­auf­ent­halt; es ist le­dig­lich die Kon­se­quenz die­ses Kran­ken­haus­auf­ent­hal­tes, dass auch für die Ver­pfle­gung ge­sorgt wer­den muss.

(2) Ge­gen die An­er­ken­nung der Kran­ken­hausküche der Be­klag­ten als Spei­se­wirt­schaft im Sin­ne des Gaststätten­ge­set­zes spricht da­mit im Zu­sam­men­hang ste­hend und letzt­lich ent­schei­dend, dass die Ver­pfle­gung der Pa­ti­en­ten kein Selbst­zweck ist, son­dern ein Teil der von dem Kran­ken­haus zu stel­len­den Leis­tun­gen während der Be­hand­lung. Die Ver­ab­rei­chung der zu­be­rei­te­ten Spei­sen gehört als eher un­ter­ge­ord­ne­tes Ele­ment zu den Leis­tun­gen des Kran­ken­hau­ses; die Art der Ver­pfle­gung ist, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt hat, zum Teil aus me­di­zi­ni­schen Gründen vor­ge­ge­ben. Dem­gemäß wird die Ver­pfle­gung von der Be­klag­ten auch nicht un­mit­tel­bar für die Pa­ti­en­ten zur Verfügung ge­stellt, son­dern sie er­folgt für das Kran­ken­haus, das sei­ner­seits für die Ver­pfle­gung der bei ihr un­ter­ge­brach­ten Pa­ti­en­ten zu sor­gen hat. Ob es da­ne­ben auch noch dar­auf an­kommt, dass die Be­klag­te man­gels di­rek­ter Ver­trags­be­zie­hun­gen zu den Pa­ti­en­ten von die­sen für die Ver­pfle­gung kei­ne Vergütung erhält, kann da­hin­ste­hen.


(3) Zu berück­sich­ti­gen ist darüber hin­aus die Re­ge­lung in § 25 Abs. 1 GastG, wo­nach das Ge­setz ua. auf Kan­ti­nen für Be­triebs­an­gehöri­ge, ver­schie­de­ne Be­treu­ungs­ein­rich­tun­gen so­wie für Ver­kehrs­un­ter­neh­men ver­schie­de­ner Art, in de­nen anläss­lich der Beförde­rung von Per­so­nen gast­ge­werb­li­che Leis­tun­gen er­bracht wer­den, kei­ne An­wen­dung fin­det. Es wäre ein Wer­tungs­wi­der­spruch, wenn dem­ge­genüber ei­ne Kran­ken­hausküche als
 


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Gaststätte an­ge­se­hen würde. Denn die Aus­nah­me­re­ge­lung in § 25 Abs. 1 GastG be­ruht auf der Erwägung, dass in die­sen Fällen mit dem Ein­tritt der dem Gaststätten­ge­wer­be ei­gentümli­chen Störun­gen re­gelmäßig nicht ge­rech­net zu wer­den braucht, weil der In­ha­ber des Be­triebs, in dem die Ab­ga­be der Le­bens­mit­tel er­folgt, ein vom Gaststätten­be­trieb un­abhängi­ges ei­ge­nes In­ter­es­se an der Verhütung sol­cher Ri­si­ken hat (Mi­chel/Kienz­le/Pau­ly Das Gaststätten­ge­setz 14. Aufl. § 25 Rn. 2). Die­se Erwägung gilt auch für Küchen in Kran­ken­haus­be­trie­ben. Wie zB bei Kan­ti­nen­be­trie­ben für Be­triebs­an­gehöri­ge ist die Über­wa­chung le­bens­mit­tel­recht­li­cher und hy­gie­ne­recht­li­cher Vor­schrif­ten auf Grund der ent­spre­chen­den Spe­zi­al­ge­set­ze gewähr­leis­tet, von de­ren Ein­hal­tung der Kran­ken­haus­träger nicht da­durch frei wird, dass er die Küche auf ei­nen an­de­ren selbständi­gen Be­trei­ber überträgt.

3. Da so­mit der RTV Gebäuderei­ni­gung nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB wei­ter auf das Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­det und sich aus ihm die streit-ge­genständ­li­chen Ansprüche er­ge­ben, kann of­fen­blei­ben, ob auch durch die un­da­tier­te ar­beits­ver­trag­li­che „Ver­ein­ba­rung“ des­sen An­wend­bar­keit be­gründet wor­den ist, wenn­gleich nach Wort­laut und Sinn­zu­sam­men­hang die­ser „Ver­ein­ba­rung“ viel für die ent­ge­gen­ge­setz­te Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts spricht, es sei dort nur die Ein­grup­pie­rung und die neue Höhe des Ta­rif­lohns im Gebäuderei­ni­ger­hand­werk an­ge­spro­chen wor­den, an wel­che die Be­klag­te nach § 613a Abs.1 Satz 2 BGB ge­bun­den ge­blie­ben ist, weil in­so­weit bei ihr kein an­de­rer Ta­rif­ver­trag gilt.

III. Dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ist auch in­so­weit zu fol­gen, als es ei­ne Auf­rech­nung der Be­klag­ten mit ih­rer For­de­rung auf Rück­zah­lung des ge-währ­ten Ur­laubs­gel­des und der Jah­res­son­der­zah­lung 2005 aus­ge­schlos­sen hat.

1. Der Be­klag­ten steht dem Grun­de nach ein An­spruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB ge­gen die Kläge­rin auf Her­aus­ga­be des durch die Zah­lung des Ur­laubs­gel­des und der Jah­res­son­der­zah­lung 2005 Er­lang­ten zu. Die Be­klag­te leis­te­te die­se Zah­lun­gen im Hin­blick auf § 15 MTV Gaststätten-ge­wer­be (Ur­laubs­geld) und § 18 MTV Gaststätten­ge­wer­be (Jah­res­son­der-

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zah­lung). Da der MTV Gaststätten­ge­wer­be je­doch kei­ne An­wen­dung fand, ist die Kläge­rin in­so­weit un­ge­recht­fer­tigt be­rei­chert. Der RTV Gebäuderei­ni­gung sieht sol­che Ansprüche nicht vor.


Ei­ne an­der­wei­ti­ge An­spruchs­grund­la­ge für die Zah­lung von Ur­laubs­geld oder ei­ner Jah­res­son­der­zah­lung im Sin­ne von Weih­nachts­geld hat die Kläge­rin nicht dar­ge­legt. Ein et­wai­ger An­spruch aus be­trieb­li­cher Übung würde auch dann nicht be­ste­hen, wenn die Kläge­rin ent­spre­chend ih­rer Be­haup­tung in den Jah­ren 2003 und 2004 Ur­laubs­geld so­wie in den Jah­ren 2002 und 2003 „Weih­nachts­geld“ er­hal­ten hätte. Für ei­ne an­spruchs­be­gründen­de be­trieb­li­che Übung wäre die vor­be­halt­lo­se Zah­lung über min­des­tens drei Jah­re er­for­der­lich (vgl. BAG 4. Mai 1999 - 10 AZR 290/98 - BA­GE 91, 283).
2. Der An­spruch der Be­klag­ten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB ist 50
auch nicht auf Grund § 22 RTV Gebäuderei­ni­gung ver­fal­len.


a) Gem. § 22 Abs. 1 RTV Gebäuderei­ni­gung ver­fal­len al­le bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und sol­che, die mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung ste­hen, wenn sie nicht in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Fällig­keit schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den. Be­rech­net ein Ar­beit­ge­ber die Vergütung feh­ler­haft, ob­wohl ihm die maßgeb­li­chen Be­rech­nungs­grund­la­gen be­kannt wa­ren oder hätten be­kannt sein müssen, ent­steht sein Rück­zah­lungs­an­spruch bei über­zahl­ter Vergütung im Zeit­punkt der Über­zah­lung und wird zu­gleich fällig. Auf die Kennt­nis des Ar­beit­ge­bers von sei­nem Rück­zah­lungs­an­spruch kommt es in ei­nem sol­chen Fall nicht an. Et­was an­de­res gilt al­ler­dings dann, wenn der Ar­beit­ge­ber die Über­zah­lung nicht er­ken­nen kann, weil die Feh­ler bei der Be­rech­nung in die Sphäre des Ar­beit­neh­mers fal­len (BAG 10. März 2005 - 6 AZR 217/04 - AP BAT § 70 Nr. 38).

b) Im vor­lie­gen­den Fall liegt kei­ne ver­se­hent­li­che Über­zah­lung vor. Die Be­klag­te hat die strei­ti­gen Zah­lun­gen auf der Grund­la­ge des Ta­rif­ver­tra­ges ge­leis­tet, den sie für an­wend­bar hielt. Ob die­se Ansprüche tatsächlich be­stan­den, konn­te von bei­den Par­tei­en erst mit der rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung bezüglich der An­wend­bar­keit des MTV Gaststätten­ge­wer­be be­ur­teilt wer­den
 


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(vgl. BAG 19. Ja­nu­ar 1999 - 9 AZR 405/97 - AP BAT-O § 70 Nr. 1). Es kann von der Be­klag­ten nicht ver­langt wer­den, dass sie sich vor die­ser recht­li­chen Klärung zu ih­rer ei­ge­nen Auf­fas­sung da­durch in Wi­der­spruch setzt, dass sie das Weih­nachts­geld bzw. die Jah­res­son­der­zah­lung zurück­for­dert.


3. Die Be­klag­te kann mit ih­ren Ge­gen­ansprüchen je­doch nicht auf­rech­nen. Dem steht das Auf­rech­nungs­ver­bot des § 394 Satz 1 BGB ent­ge­gen. Es kann da­her da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die Be­klag­te ne­ben dem Ur­laubs­geld iHv. un­strei­tig 183,92 Eu­ro brut­to 235,98 Eu­ro brut­to oder 277,78 Eu­ro brut­to als Jah­res­son­der­vergütung ge­leis­tet hat.

a) § 394 Satz 1 BGB schließt ei­ne Auf­rech­nung ge­gen ei­ne For­de­rung aus, so­weit die­se nicht der Pfändung un­ter­wor­fen ist. Bei Ar­beits­ein­kom­men be­stimmt sich der pfänd­ba­re Teil gem. § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßga­be der §§ 850a - 850i ZPO.

b) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat fest­ge­stellt, dass sich für die Kläge­rin nach der An­la­ge zu § 850c ZPO für die Zeit bis zum 30. Ju­ni 2005 ein Pfändungs­frei­be­trag von 1.479,99 Eu­ro net­to mo­nat­lich und für die Zeit ab dem 1. Ju­li 2005 ein Frei­be­trag von 1.569,99 Eu­ro er­gibt, und dass die Kläge­rin durch­ge­hend ein Net­to­ein­kom­men be­zo­gen hat, wel­ches un­ter den Gren­zen des pfänd­ba­ren Teils des Ar­beits­ein­kom­mens lag. Die dar­aus ab­ge­lei­te­te Kon­se­quenz, dass der Auf­rech­nung das Ver­bot des § 394 Satz 1 BGB ent­ge­gen­steht, hat die Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fen.

IV. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auch zu­tref­fend ent­schie­den, dass die Wi­der­kla­ge auf Rück­zah­lung des von der Be­klag­ten als Ur­laubs­geld und Jah­res­son­der­zah­lung oh­ne Rechts­grund be­zahl­ten Brut­to­be­tra­ges man­gels hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO un­zulässig ist.

1. Die ar­beits­recht­li­che Vergütungs­pflicht er­streckt sich nicht nur auf die Net­to­aus­zah­lung, son­dern um­fasst auch die Leis­tun­gen, die nicht in ei­ner un­mit­tel­ba­ren Aus­zah­lung an den Ar­beit­neh­mer be­ste­hen (BAG 7. März 2001 - GS 1/00 - BA­GE 97, 150). Da­zu zählen auch die Ar­beit­neh­mer­an­tei­le zur

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So­zi­al­ver­si­che­rung. Fehlt es an ei­nem Rechts­grund für die von dem Ar­beit­ge­ber ge­leis­te­te Vergütung, er­langt der Ar­beit­neh­mer nicht nur die Aus­zah­lung des ent­spre­chen­den Net­to­lohns und im Um­fang der ab­geführ­ten Steu­ern ei­ne ent­spre­chen­de Be­frei­ung ei­ner ge­genüber dem Fis­kus be­ste­hen­den Steu­er­schuld, son­dern auch durch die Abführung der Ar­beit­neh­mer­an­tei­le an die So­zi­al­ver­si­che­rung ei­ne Leis­tung oh­ne Rechts­grund (BAG 19. Fe­bru­ar 2004 - 6 AZR 664/02 - AP BAT-O § 70 Nr. 3 = EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 174; 29. März 2001 - 6 AZR 653/99 - AP SGB IV § 26 Nr. 1). Der Rück­zah­lungs­an­spruch ist so­mit auf die ge­leis­te­te Brut­to­vergütung ge­rich­tet (BAG 11. Ok­to­ber 2006 - 5 AZR 755/05 - AP Ent­geltFG § 5 Nr. 9). Hin­sicht­lich der So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge ist aber die Re­ge­lung des Er­stat­tungs­an­spruchs gem. § 26 SGB IV zu be­ach­ten. Der Ar­beit­neh­mer ist in Höhe des für ihn durch den Ar­beit­ge­ber ab­geführ­ten So­zi­al­ver­si­che­rungs­an­teils un­ge­recht­fer­tigt be­rei­chert, da ihm die­ser Vermögens­wert un­mit­tel­bar in der So­zi­al­ver­si­che­rung zu­gu­te kommt. Er­langt hat der Ar­beit­neh­mer in­des zunächst nach § 26 Abs. 2 SGB IV ei­nen Er­stat­tungs­an­spruch, der ihm nach § 26 Abs. 3 SGB IV al­lei­ne zu­steht. Dem­ent­spre­chend hat der Ar­beit­ge­ber ge­gen den Ar­beit­neh­mer nur ei­nen An­spruch auf Ab­tre­tung die­ses ge­gen den So­zi­al­ver­si­che­rungs­träger be­ste­hen­den An­spruchs. Ist des­sen Über­tra­gung auf den Ar­beit­ge­ber nicht möglich, weil dem Ar­beit­neh­mer von der Ein­zugs­stel­le die zu Un­recht ent­rich­te­ten So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge be­reits aus­ge­zahlt wur­den, hat er den Wert des An­spruchs zu er­set­zen. Nur in die­sem Fal­le ist ein Zah­lungs­an­trag be­gründet (BAG 19. Fe­bru­ar 2004 - 6 AZR 664/02 - aaO; 29. März 2001 - 6 AZR 653/99 - aaO; 11. Ok­to­ber 2006 - 5 AZR 755/05 - aaO).


2. Da­nach hat die Be­klag­te vor­lie­gend kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung der von ihr als Ur­laubs­geld und Jah­res­son­der­zah­lung gewähr­ten Brut­to­vergütung. Der An­spruch hin­sicht­lich der Ar­beit­neh­mer­an­tei­le zur So­zi­al­ver­si­che­rung kann nur auf Ab­tre­tung des Er­stat­tungs­an­spruchs der Kläge­rin ge­rich­tet sein. We­der dem Kla­ge­an­trag noch des­sen Be­gründung ist je­doch zu ent­neh­men, in wel­cher Höhe die Be­klag­te Ar­beit­neh­mer­an­tei­le zur So­zi­al­ver­si­che­rung ab­geführt hat. Die­ser Be­trag müss­te von dem ein­ge­klag­ten Be­trag in Ab­zug ge­bracht wer­den. Da der Be­trag nicht be­nannt wor­den ist, hat das
 


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Lan­des­ar­beits­ge­richt die Wi­der­kla­ge zu Recht als nicht hin­rei­chend be­stimmt ab­ge­wie­sen.

V. Die Be­klag­te hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten ih­rer er­folg­lo­sen Re­vi­si­on zu tra­gen.

Be­p­ler 

Wol­ter 

Creutz­feldt

Kie­fer 

Va­len­ti­en

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