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LAG Hamm, Be­schluss vom 27.07.2016, 4 Ta 118/16

   
Schlagworte: Zeugnis: Geheimcode, Zeugnis: Unterschrift
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 4 Ta 118/16
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 27.07.2016
   
Leitsätze: 1. Es ist möglich, in einem Vergleich bestimmte Vorgaben an ein zu erteilendes Arbeitszeugnis festzulegen. Die Erfüllung dieser Vorgaben kann im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die fragliche Verpflichtung in anderen Teilen nicht dem Bestimmtheitserfordernis genügt.

2. Die Erteilung eines Arbeitszeugnisses unterliegt der gesetzlichen Schriftform. Die Unterschrift muss in der Weise erfolgen, wie der Unterzeichner auch sonst wichtige betriebliche Dokumente unterzeichnet. Weicht der Namenszug hiervon ab, liegt lediglich ein Handzeichen vor, das nach § 126 Abs.1 BGB der notariellen Beglaubigung oder nach § 129 Abs.2 BGB der notariellen Beurkundung bedarf. Es bleibt offen, ob Arbeitszeugnisse unter diesen Voraussetzungen wirksam mit einem Handzeichen unterzeichnet werden können.

3. Eine quer zum Zeugnistext verlaufende Unterschrift begründet regelmäßig Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit und verstößt damit gegen § 109 Abs.2 Satz 2 GewO. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Zwecksetzung des Unterzeichnenden an.

4. Eine einseitige Erledigungserklärung ist frei widerruflich, solange das Gericht noch keine Entscheidung über die Erledigung in der Hauptsache getroffen hat.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Iserlohn, Beschluss vom 12.02.2016, 5 Ca 1459/15
   

Ak­ten­zei­chen:
4 Ta 118/16
5 Ca 1459/15
ArbG Iser­lohn
Ent­schei­dung vom 27.07.2016

Te­nor:

Die so­for­ti­ge Be­schwer­de der Schuld­ne­rin ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Iser­lohn vom 12.02.2016 – 5 Ca 1459/15 – wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Gründe:

I.

Die Schuld­ne­rin wen­det sich ge­gen ei­nen Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Iser­lohn vom 12.02.2016, mit dem ge­gen sie Zwangs­mit­tel fest­ge­setzt wur­den.

Die Kläge­rin war bei der Be­klag­ten seit dem 1.11.1998 als tech­ni­sche und kaufmänni­sche Mit­ar­bei­te­rin beschäftigt und un­mit­tel­bar dem Geschäftsführer der Be­klag­ten un­ter­stellt. Im Rah­men ei­nes Kündi­gungs­schutz­rechts­streits, der vor dem Ar­beits­ge­richt Iser­lohn un­ter dem Ak­ten­zei­chen 5 Ca 2308/14 geführt wur­de, ei­nig­ten sich die Par­tei­en durch ge­richt­li­chen Ver­gleich auf ei­ne Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31.05.2015. Fer­ner ver­pflich­te­te sich die Be­klag­te, der Kläge­rin ein wohl­wol­len­des qua­li­fi­zier­tes Ar­beits­zeug­nis zu er­tei­len.

An­lass für das vor­lie­gen­de Ver­fah­ren war ne­ben ei­nem Streit über Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche der Um­stand, dass die Be­klag­te der Kläge­rin nach­fol­gend zwar ein Ar­beits­zeug­nis er­teil­te, des­sen In­halt zwi­schen den Par­tei­en auch nicht im Streit steht, das je­doch nicht vom Geschäftsführer der Be­klag­ten, son­dern von ih­rem Per­so­nal­re­fe­ren­ten un­ter­zeich­net wur­de.

Im Güte­ter­min am 01.10.2015 schlos­sen die Par­tei­en zur Er­le­di­gung des Rechts­streits ei­nen Ver­gleich, der in Zif­fer 2 fol­gen­de Be­stim­mung enthält:

Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, das der Kläge­rin un­ter dem 31.05.2015 er­teil­te Zeug­nis durch den Geschäftsführer der Be­klag­ten I un­ter­schrei­ben zu las­sen und so­dann der Kläge­rin aus­zuhändi­gen.

Am 19.10.2015 wur­de der Gläubi­ge­rin ei­ne voll­streck­ba­re Aus­fer­ti­gung er­teilt.

Nach Zu­stel­lung des Ver­gleichs stell­te die Gläubi­ge­rin mit Schrift­satz ih­rer Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 10.11.2015 Zwangs­mit­tel­an­trag. Zwi­schen­zeit­lich hat­te die Schuld­ne­rin ihr zwar ein neu­es Ar­beits­zeug­nis über­sandt, das mit dem Nach­na­men ih­res Geschäftsführers ge­zeich­net ist. Der Na­mens­zug ent­spricht aber un­strei­tig nicht des­sen übli­cher Un­ter­schrift, son­dern er­in­nert an ei­ne Art Kin­der­schrift. Die Schuld­ne­rin hat da­zu erklärt, die frag­li­che Un­ter­schrift stam­me von ih­rem Geschäftsführer und se­he nur des­halb et­was an­ders aus, weil die­ser zum Zeit­punkt der Un­ter­zeich­nung ei­nen Schlüssel­bein­bruch er­lit­ten ge­habt ha­be.

Am 12.02.2016, der Schuld­ne­rin zu­ge­stellt am 15.02.2016, er­ließ das Ar­beits­ge­richt Iser­lohn ei­nen Be­schluss mit fol­gen­dem Wort­laut:

Ge­gen die Schuld­ne­rin wird für die in Zif­fer 2 des ge­richt­li­chen Ver­glei­ches vom 01.10.2015 ent­hal­te­ne Ver­pflich­tung zur Un­ter­zeich­nung des der Gläubi­ge­rin un­ter dem 31.05.2015 er­teil­ten Zeug­nis­ses durch den Geschäftsführer der Schuld­ne­rin I und zur Aushändi­gung die­ses Zeug­nis­ses an die Gläubi­ge­rin ein Zwangs­geld in Höhe von 1.000,00 €, er­satz­wei­se für den Fall der Un­ein­bring­lich­keit des Zwangs­gel­des, für je 250,00 € ein Tag Zwangs­haft fest­ge­setzt, zu voll­stre­cken an dem Geschäftsführer der Schuld­ne­rin I.

...

Zur Be­gründung führt das Ar­beits­ge­richt aus, die Schuld­ne­rin könne sich nicht mit Er­folg auf ei­ne et­wai­ge Erfüllung ih­rer Ver­pflich­tung be­ru­fen. Sie sei dar­le­gungs- und be­weis­be­las­tet. Die auf dem Zeug­nis ent­hal­te­ne Un­ter­schrift sei gra­pho­lo­gisch sehr ein­fach. In­wie­weit ein Schlüssel­bein­bruch ei­ne ord­nungs­gemäße Un­ter­schrifts­leis­tung ver­hin­de­re, sei nicht nach­voll­zieh­bar. Selbst wenn es sich um ei­ne Art der Un­ter­schrift des Geschäftsführers der Schuld­ne­rin han­de­le, was nicht plau­si­bel dar­ge­legt und un­ter Be­weis­an­tritt vor­ge­tra­gen sei, läge kei­ne wirk­sa­me Erfüllung vor. Die Ver­pflich­tung aus dem Ver­gleich sei da­hin aus­zu­le­gen, dass der Geschäftsführer der Schuld­ne­rin so un­ter­zeich­nen müsse, wie er im Geschäfts­ver­kehr Do­ku­men­te un­ter­schrei­be. Bei der Höhe des Zwangs­gel­des sei zu berück­sich­ti­gen, dass die Schuld­ne­rin seit über drei Mo­na­ten ih­rer Ver­pflich­tung nicht nach­ge­kom­men sei.

Hier­ge­gen wen­det sich die Schuld­ne­rin mit ih­rer am 25.02.2016 ein­ge­gan­ge­nen so­for­ti­gen Be­schwer­de vom glei­chen Tag, mit der sie im We­sent­li­chen gel­tend macht, ihr Geschäftsführer sei be­reit, ei­des­statt­lich zu ver­si­chern, dass die Un­ter­schrift un­ter dem frag­li­chen Zeug­nis von ihm stam­me. Aus rein öko­no­mi­schen Gründen ha­be sie sich aber ent­schlos­sen, das Zeug­nis neu aus­zu­dru­cken und mit der ak­tu­el­len Un­ter­schrift zu ver­se­hen.

Das Ar­beits­ge­richt Min­den hat der so­for­ti­gen Be­schwer­de der Schuld­ne­rin durch Be­schluss vom 02.03.2016 nicht ab­ge­hol­fen.

Be­reits mit An­schrei­ben vom 26.02.2016 hat­te die Schuld­ne­rin ankündi­gungs­gemäß ein wei­te­res Ar­beits­zeug­nis an die Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Gläubi­ge­rin über­sandt. Die­ses trägt auch die übli­che Un­ter­schrift des Geschäftsführers der Schuld­ne­rin. Der Schrift­zug kreuzt aber in ei­nem Win­kel von ca. 30 Grad von links oben nach rechts un­ten den un­ter den Zeug­nis­text ma­schi­nen­schrift­lich ein­ge­setz­ten Fir­men­na­men so­wie nach zwei Leer­zei­len die Na­mens­wie­der­ga­be des Geschäftsführers der Schuld­ne­rin nebst Zu­satz „Geschäftsführung“.

Mit Schrift­satz vom 02.03.2015 hat­ten die Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Gläubi­ge­rin zunächst mit­ge­teilt, das Ver­fah­ren ha­be sich nun­mehr er­le­digt, da das Zeug­nis am 01.03.2016 mit der rich­ti­gen Un­ter­schrift ein­ge­gan­gen sei. Mit wei­te­rem Schrift­satz vom 11.03.2016 wur­de die Er­le­di­gungs­erklärung wi­der­ru­fen und gel­tend ge­macht, die Un­ter­schrift sei quer ge­leis­tet wor­den. Dies deu­te dar­auf hin, dass die Schuld­ne­rin mit der Leis­tung der Gläubi­ge­rin nicht zu­frie­den ge­we­sen sei. Die dia­go­nal ab­fal­len­de Un­ter­schrift brin­ge ei­ne deut­li­che Dis­tan­zie­rung zum Aus­druck. Der Geschäftsführer der Schuld­ne­rin müsse ei­ne ho­ri­zon­tal ver­lau­fen­de Un­ter­schrift leis­ten.

Die Schuld­ne­rin hat er­wi­dert, be­reits die ers­te Un­ter­schrift sei „rich­tig“. Ihr Geschäftsführer sei le­dig­lich ver­letzt ge­we­sen. Dies führe nicht zur Nich­terfüllung. Die Echt­heit ei­ner Un­ter­schrift hänge da­von ab, ob der Un­ter­zeich­nen­de die Un­ter­schrift persönlich leis­te. Nun­mehr wer­de que­ru­la­to­risch der Ver­lauf der Un­ter­schrift be­an­stan­det. Wenn die Gläubi­ge­rin die Un­ter­schrift nicht „schön ge­nug“ fin­de, führe dies nicht zu de­ren Un­wirk­sam­keit. Ei­ne Un­zu­frie­den­heit mit ih­ren Leis­tun­gen er­ge­be sich dar­aus nicht, zu­mal sie ein gu­tes Zeug­nis er­hal­ten ha­be.

II.

Die statt­haf­te, ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te so­for­ti­ge Be­schwer­de der Schuld­ne­rin (§§ 62 Abs. 2, 78 ArbGG, 567, 569, 793, 888 ZPO) ist zulässig, je­doch un­be­gründet.

Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men, dass die Schuld­ne­rin ih­rer Ver­pflich­tung aus dem Ver­gleich vom 1.10.2015 bis­her nicht ord­nungs­gemäß nach­ge­kom­men ist.

Der an­ge­foch­te­ne Zwangs­mit­tel­be­schluss des Ar­beits­ge­richts Iser­lohn vom 12.02.2016 be­ruht auf § 888 Abs. 1 ZPO. Die Schuld­ne­rin war aus Zif­fer 2 des ge­richt­li­chen Ver­gleichs vom 01.10.2015 ver­pflich­tet, der Gläubi­ge­rin ein von ih­rem Geschäftsführer un­ter­schrie­be­nes Zeug­nis aus­zuhändi­gen.

1. Die all­ge­mei­nen Vor­aus­set­zun­gen für die Ein­lei­tung der Zwangs­voll­stre­ckung (Ti­tel, Klau­sel, Zu­stel­lung) sind erfüllt. Die Schuld­ne­rin hat in­so­weit auch kei­ne Einwände vor­ge­bracht.

Die Ver­pflich­tung zur Aushändi­gung ei­nes vom Geschäftsführer der Schuld­ne­rin un­ter­schrie­be­nen Zeug­nis­ses ist hin­rei­chend be­stimmt. Da der Pro­zess­ver­gleich als Voll­stre­ckungs­ti­tel den In­halt und Um­fang der Zwangs­voll­stre­ckung fest­legt und der Schuld­ner staat­li­chen Zwang nur nach sei­ner Maßga­be zu dul­den hat, ist er nur dann voll­stre­ckungsfähig, wenn er den An­spruch des Gläubi­gers aus­weist und In­halt und Um­fang der Leis­tungs­pflicht be­zeich­net. Ob das mit der Voll­stre­ckung des Ver­gleichs be­auf­trag­te Voll­stre­ckungs­or­gan im We­ge der Aus­le­gung ei­nen ent­spre­chen­den In­halt er­mit­teln kann, rich­tet sich nach den für Ti­tel – nicht den für Verträge – gel­ten­den Grundsätzen. Da­nach müssen sich die für die ge­naue Be­stim­mung der Leis­tungs­pflicht maßgeb­li­chen Fak­to­ren aus dem Ti­tel selbst er­ge­ben oder er muss doch je­den­falls sämt­li­che Kri­te­ri­en für sei­ne Be­stimm­bar­keit ein­deu­tig fest­le­gen (Saarländi­sches OLG, Be­schluss vom 13.08.2013 - 5 W 79/15 = MDR 2013, 1311 f.). Bei der Prüfung, wel­che Ver­pflich­tun­gen durch den Voll­stre­ckungs­ti­tel fest­ge­legt wer­den, kann grundsätz­lich nur auf die­sen selbst, nicht da­ge­gen auf an­de­re Schriftstücke zurück­ge­grif­fen wer­den (BAG, Be­schluss vom 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 = NZA 2009, 917 ff.). Un­klar­hei­ten über den In­halt der Ver­pflich­tung dürfen nicht aus dem Er­kennt­nis­ver­fah­ren in das Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren ver­la­gert wer­den. Auf­ga­be des Voll­stre­ckungs­ver­fah­rens ist die Klärung der Fra­ge, ob der Schuld­ner ei­ner ti­tu­lier­ten Ver­pflich­tung nach­ge­kom­men ist, nicht aber die Fra­ge, wor­in die­se Ver­pflich­tung be­steht (LAG Hamm, Be­schluss vom 23.03.2011 - 1 Ta 62/11 - ju­ris).

In An­wen­dung die­ser Grundsätze er­gibt sich aus Zif­fer 2 des Ver­gleichs vom 01.10.2015 im We­ge der Aus­le­gung die Ver­pflich­tung der Schuld­ne­rin, der Gläubi­ge­rin ein vom Geschäftsführer der Schuld­ne­rin un­ter­schrie­be­nes Ar­beits­zeug­nis zu er­tei­len und an die­se her­aus­zu­ge­ben. Über den In­halt des Ar­beits­zeug­nis­ses be­steht zwi­schen den Par­tei­en kein Streit, so dass da­hin­ste­hen kann, ob auch die Be­zug­nah­me auf das der Gläubi­ge­rin un­ter dem 31.05.2015 be­reits er­teil­te Ar­beits­zeug­nis für sich ge­nom­men das Be­stimmt­heits­er­for­der­nis erfüllt. Es ist je­den­falls möglich, in ei­nem Ver­gleich be­stimm­te Vor­ga­ben an ein zu er­tei­len­des Ar­beits­zeug­nis fest­zu­le­gen. Die Erfüllung die­ser Vor­ga­ben kann im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung durch­ge­setzt wer­den (vgl. LAG Hamm, Be­schluss vom 04.08.2010 - 1 Ta 196/10 - ju­ris; LAG Schles­wig-Hol­stein, Be­schluss vom 19.09.2013 - 1 Ta 148/13 - ju­ris). Dar­um geht es hier. Die Par­tei­en strei­ten al­lein dar­um, ob der Geschäftsführer der Schuld­ne­rin das Ar­beits­zeug­nis der Gläubi­ge­rin ord­nungs­gemäß un­ter­zeich­net hat. In­so­weit hat Zif­fer 2 des Ver­gleichs vom 01.10.2015 ei­nen be­stimm­ten und da­mit voll­stre­ckungsfähi­gen In­halt.

Auch für die Be­ant­wor­tung der Fra­ge, wel­chen Vor­schrif­ten die Voll­stre­ckung ti­tu­lier­ter Ver­pflich­tun­gen un­ter­liegt, ist der Voll­stre­ckungs­ti­tel aus­zu­le­gen. Er­gibt die Aus­le­gung, dass im Ti­tel ein Her­aus­ga­be­an­spruch mit wei­te­ren sach­be­zo­ge­nen, die her­aus­zu­ge­ben­de Sa­che be­tref­fen­den Hand­lungs­pflich­ten ver­bun­den ist, so kommt - je nach Ge­gen­stand die­ser wei­te­ren Hand­lungs­pflich­ten - ei­ne un­ter­schied­li­che voll­stre­ckungs­recht­li­che Ein­ord­nung in Be­tracht (BGH, Be­schluss vom 07.01.2016 - I ZB 110/14 = NJW 2016, 645 f.). Sol­len et­wa be­reits er­stell­te Ar­beits­pa­pie­re le­dig­lich her­aus­ge­ge­ben wer­den, er­folgt die Zwangs­voll­stre­ckung nach § 883 ZPO. Er­gibt sich aus dem der Zwangs­voll­stre­ckung zu­grun­de lie­gen­den Ti­tel hin­ge­gen, dass auch die Ausfüllung der Ar­beits­pa­pie­re zu er­fol­gen hat, kann der Schuld­ner da­zu durch ei­nen Be­schluss im Sin­ne des § 888 ZPO an­ge­hal­ten wer­den, der zu­gleich dar­auf ge­rich­tet ist, die Her­aus­ga­be durch­zu­set­zen. (LAG Hamm, Be­schluss vom 08.08.2012 - 7 Ta 173/12 - Ju­ris).

Im vor­lie­gen­den Fall geht es um die (ord­nungs­gemäße) Un­ter­schrifts­leis­tung durch den Geschäftsführer der Schuld­ne­rin. Die­se ist nach § 888 Abs. 1 ZPO zu voll­stre­cken, denn bei der Un­ter­schrifts­leis­tung han­delt es sich um ei­ne höchst­persönli­che und da­mit un­ver­tret­ba­re Hand­lung. Dass nach dem In­halt des frag­li­chen Ver­gleichs das un­ter­schrie­be­ne Ar­beits­zeug­nis „so­dann“ an die Gläubi­ge­rin her­aus­zu­ge­ben ist, ver­mag dar­an nichts zu ändern.

2. Die Schuld­ne­rin hat ih­re Ver­pflich­tung aus Zif­fer 2 des Ver­gleichs vom 28.04.2015 bis­her nicht erfüllt.

a) Das ers­te der Gläubi­ge­rin er­teil­te und mit dem Na­mens­zug „I“ ver­se­he­ne Ar­beits­zeug­nis enthält kei­ne Un­ter­schrift des Geschäftsführers der Schuld­ne­rin. Für die zur Wah­rung der ge­setz­li­chen Schrift­form er­for­der­li­che ei­genhändi­ge Un­ter­schrift, wie sie für Ar­beits­zeug­nis­se § 109 Abs.1 Satz 1GewO i.V.m. § 126 Abs.1 BGB vor­schreibt, ist ein die Iden­tität des Un­ter­zeich­nen­den aus­rei­chend kenn­zeich­nen­der Schrift­zug er­for­der­lich, der in­di­vi­du­el­le und ent­spre­chend cha­rak­te­ris­ti­sche Merk­ma­le auf­weist, die ei­ne Nach­ah­mung er­schwe­ren (BAG, Ur­teil vom 06.09.2012 - 2 AZR 585/11 = NJW 2013, 2219 ff.). Die Un­ter­schrift soll die Iden­tität des Aus­stel­lers er­kenn­bar und die Echt­heit der Ur­kun­de gewähr­leis­ten und be­weis­bar ma­chen (Zu­ord­nungs­funk­ti­on) (Stau­din­ger/Her­tel (2012), BGB § 126 Rn. 125; MüKoBGB/Ein­se­le, 7. Aufl. 2015, § 126 BGB Rn. 10). So­bald die Schrift­zei­chen für Drit­te un­be­kannt oder un­verständ­lich sind, ist die Un­ter­schrift als Hand­zei­chen zu wer­ten (So­er­gel/He­f­er­mehl, BGB, 13. Aufl. 1999, § 126 Rn. 16). Ob ein Schrift­zei­chen ei­ne Un­ter­schrift dar­stellt, ist nach dem äußeren Er­schei­nungs­bild zu be­ur­tei­len. Der Wil­le des Un­ter­zeich­nen­den ist nur in­so­weit von Be­deu­tung, als er in dem Schrift­zug sei­nen Aus­druck ge­fun­den hat (BGH, Ur­teil vom 22.10.1993 - V ZR 112/92 = NJW 1994, 55). Die Un­ter­zeich­nung muss in der Wei­se er­fol­gen, wie der Un­ter­zeich­ner im Übri­gen wich­ti­ge be­trieb­li­che Do­ku­men­te un­ter­schreibt; er darf im Zeug­nis kei­ne Un­ter­zeich­nung wählen, die hier­von ab­weicht (Sch­leßmann, Das Ar­beits­zeug­nis, 21. Aufl. 2015, Rn. 483).

Ge­mes­sen dar­an ist das frag­li­che Ar­beits­zeug­nis nicht mit ei­ner Un­ter­schrift des Geschäftsführers der Schuld­ne­rin im Rechts­sin­ne ver­se­hen. Dies gilt auch dann, wenn man den Vor­trag der Schuld­ne­rin zu­grun­de legt und an­nimmt, der Schrift­zug stam­me tatsächlich von ih­rem Geschäftsführer und un­ter­schei­de sich nur des­halb von der sonst übli­chen Un­ter­schrift, weil ihn dar­an zum Zeit­punkt der Auf­brin­gung des Na­mens­zugs ein Schlüssel­bein­bruch ge­hin­dert ha­be. Der Na­mens­zug auf dem Ar­beits­zeug­nis weicht je­den­falls un­strei­tig von der sons­ti­gen Art und Wei­se der Un­ter­schrifts­leis­tung ab. Da­mit lässt sich nicht mehr ein­deu­tig die Iden­tität des Un­ter­zeich­ners fest­stel­len. Die im In­ter­es­se des Schut­zes im Rechts­ver­kehr not­wen­di­ge Echt­heits­ver­mu­tung steht da­mit in Fra­ge. Nach sei­nem äußeren Er­schei­nungs­bild liegt da­her ein sog. Hand­zei­chen vor (zur Ab­gren­zung: OLG Hamm, Be­schluss vom 15.05.2001 - 15 W 21/01 = DB 2001, 2037f.). Es be­darf hier kei­ner Ent­schei­dung, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ein Ar­beits­zeug­nis mit ei­nem Hand­zei­chen statt ei­ner Un­ter­schrift ab­ge­schlos­sen wer­den darf. Je­den­falls er­for­dert das Hand­zei­chen nach § 126 Abs. 1 BGB ei­ne no­ta­ri­el­le Be­glau­bi­gung bzw. nach § 129 Abs. 2 BGB ei­ne no­ta­ri­el­le Be­ur­kun­dung, an der es hier fehlt.

b) Auch das zwei­te der Gläubi­ge­rin mit Schrei­ben vom 26.02.2016 über­sand­te Ar­beits­zeug­nis führ­te nicht zur Erfüllung der Ver­pflich­tung der Schuld­ne­rin aus dem Ver­gleich vom 01.10.2015. Zwar ist in­so­weit un­strei­tig, dass die­ses Zeug­nis die Un­ter­schrift des Geschäftsführers der Schuld­ne­rin trägt und die Un­ter­zeich­nung auch mit dem sonst übli­chen Schrift­zug er­folgt ist. Zur Un­wirk­sam­keit der Un­ter­schrift führt aber hier der Um­stand, dass der Schrift­zug nicht par­al­lel zum ma­schi­nen­schrift­li­chen Zeug­nis­text auf das Zeug­nis ge­setzt wur­de, son­dern von links oben nach rechts un­ten ge­kippt wur­de.

Das Zeug­nis darf nach § 109 Abs. 2 Satz 2 Ge­wO kei­ne Merk­ma­le oder For­mu­lie­run­gen ent­hal­ten, die den Zweck ha­ben, ei­ne an­de­re als aus der äußeren Form oder aus dem Wort­laut er­sicht­li­che Aus­sa­ge über den Ar­beit­neh­mer zu tref­fen (vgl. ArbG Kiel, Ur­teil vom 18.04.2013 - 5 Ca 80b/13 = LA­GE § 630 BGB 2002 Nr. 7 zum „Smi­ley“ mit her­un­ter­ge­zo­ge­nem Mund­win­kel). Ei­ne Un­ter­zeich­nung ist da­her un­wirk­sam, wenn sie von der all­ge­mein übli­chen Ge­stal­tung si­gni­fi­kant ab­weicht (Sch­leßmann a.a.O.). Beim Le­ser des Ar­beits­zeug­nis­ses dürfen kei­ne Zwei­fel über die Ernst­haf­tig­keit des Zeug­nis­tex­tes auf­kom­men (LAG Nürn­berg, Be­schluss vom 29.07.2005 - 4 Ta 153/05 = DB 2005, 2476).

Die in­so­weit dar­le­gungs­be­las­te­te Schuld­ne­rin be­haup­tet selbst nicht, dass ihr Geschäftsführer sonst auf Ur­kun­den dia­go­nal un­ter­schreibt. Ei­ne der­ar­ti­ge Form der Un­ter­schrifts­leis­tung ist im Rechts­ver­kehr völlig unüblich. Ein Zeug­nis­le­ser wird dies auf den ers­ten Blick fest­stel­len und sich ver­an­lasst se­hen, sich über den Grund ei­ner der­ar­ti­gen Un­ter­schrifts­leis­tung Ge­dan­ken zu ma­chen. Die von der Gläubi­ge­rin befürch­te­te Möglich­keit, dass dies als ei­ne Dis­tan­zie­rung vom Zeug­nis­text ver­stan­den wird, ist da­bei na­he­lie­gend. Je­den­falls be­gründet die­se Art der Un­ter­schrift er­heb­li­che Zwei­fel an der Ernst­haf­tig­keit des Zeug­nis­tex­tes und ent­wer­tet die­sen vollständig. Die frag­li­che Un­ter­schrift verstößt so­mit ge­gen § 109 Abs. 2 Satz 2 Ge­wO, wo­bei nach Auf­fas­sung der Kam­mer im In­ter­es­se des Rechts­ver­kehrs nicht auf die sub­jek­ti­ve Zweck­set­zung des Un­ter­zeich­ners, son­dern al­lein auf den ob­jek­ti­vier­ten Ein­druck ei­nes durch­schnitt­li­chen Zeug­nis­le­sers ab­ge­stellt wer­den muss. Es ist da­her nicht er­for­der­lich, der Schuld­ne­rin nach­zu­wei­sen, dass sie mit der Art der Un­ter­schrifts­leis­tung tatsächlich den Zweck ver­folgt hat, das der Gläubi­ge­rin er­teil­te Ar­beits­zeug­nis zu ent­wer­ten.

3. Nach al­le­dem hat das Ar­beits­ge­richt zu Recht Zwangs­mit­tel ge­gen die Schuld­ne­rin fest­ge­setzt. Die Höhe der Zwangs­mit­tel wur­de von die­ser nicht ge­son­dert an­ge­grif­fen. Sie be­wegt sich im ge­setz­li­chen Rah­men und hält sich an­ge­sichts der Hartnäckig­keit, mit der sie sich ih­rer Ver­pflich­tung, der Gläubi­ge­rin ein ord­nungs­gemäßes Ar­beits­zeug­nis zu er­tei­len, ent­zieht, im un­ters­ten Be­reich des An­ge­mes­se­nen.

Die so­for­ti­ge Be­schwer­de der Schuld­ne­rin ge­gen den Zwangs­mit­tel­be­schluss des Ar­beits­ge­richts Iser­lohn vom 12.02.2016 war da­her zurück­zu­wei­sen.

Die Kam­mer war an die­ser Ent­schei­dung nicht durch die Er­le­di­gungs­erklärung der Gläubi­ge­rin vom 02.03.2015 ge­hin­dert. So­lan­ge sich die Ge­gen­sei­te der Er­le­di­gungs­erklärung noch nicht an­ge­schlos­sen und das Ge­richt kei­ne Ent­schei­dung über die Er­le­di­gung in der Haupt­sa­che ge­trof­fen hat, ist die (ein­sei­ti­ge) Er­le­di­gungs­erklärung frei wi­der­ruf­lich (BGH, Ur­teil vom 07.06.2001 - 1 ZR 157/98 = NJW 2002, 442 f.). Dies ist hier durch Schrift­satz der Ver­tre­ter der Gläubi­ge­rin vom 11.03.2016 ge­sche­hen.

Die Kos­ten­fol­ge er­gibt sich aus § 891 Satz 3, 97 Abs. 1 ZPO.

An­lass für die Zu­las­sung der Rechts­be­schwer­de be­steht nicht.

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