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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/007

Zeug­nis mit Wunsch­for­mel

Ein Zeug­nis muss ab­schlie­ßen­de gu­te Wün­sche für die Zu­kunft ent­hal­ten, wenn sich der Ar­beit­ge­ber zu ei­nem dem Fort­kom­men för­der­li­chen Zeug­nis ver­pflich­tet hat: Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Ur­teil vom 08.09.2011, 8 Sa 509/11
Zeugnis mit Stempel, Datum und Unterschrift
06.01.2012. Bei Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­ver­hält­nise kön­nen Ar­beit­neh­mer ein Ar­beits­zeug­nis ver­lan­gen. Ein qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis muss An­ga­ben über die Ar­beits­in­hal­te so­wie über Leis­tung und Ver­hal­ten tref­fen. Da­bei muss ei­ner­seits ver­ständ­lich und wahr, an­de­rer­seits aebr auch wohl­wol­lend ab­ge­fasst sein. Dies folgt aus § 109 Ge­wer­be­ord­nung (Ge­wO).

Ob ein Zeug­nis dem Ge­setz ent­spricht und da­her "wohl­wol­lend" ist, auch wenn es die heu­te üb­li­chen ab­schlie­ßen­den Höf­lich­keits­flos­keln nicht ent­hält, ist in der Recht­spre­chung um­strit­ten. Ei­ne sol­che den Zeug­nis­text ab­schlie­ßen­de Dan­kes- und Wunsch­for­mel kann z.B. lau­ten: "Wir dan­ken Herrn / Frau X. für die ge­leis­te­te Ar­beit und wün­schen ihm/ihr für sei­nen/ih­ren wei­te­ren Be­rufs­weg al­les Gu­te und viel Er­folg." Ei­ni­ge Ge­rich­te mei­nen, der Ar­beit­neh­mer kön­ne ei­ne sol­che "Wunsch­for­mel" ver­lan­gen, an­de­re Ge­rich­te se­hen das an­ders.

Aber kann der Ar­beit­neh­mer zu­min­dest dann gu­te Wün­sche für sei­nen wei­te­ren Wer­de­gang ver­lan­gen, wenn sich der Ar­beit­ge­ber in ei­nem Ge­richts­ver­gleich ver­pflich­tet hat, ihm ein dem be­ruf­li­chen Fort­kom­men för­der­li­ches Zeug­nis zu er­tei­len? Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm meint ja: LAG Hamm, Ur­teil vom 08.09.2011, 8 Sa 509/11.

Ist ein Zeug­nis oh­ne Wunsch­for­mel wohl­wol­lend oder enthält es ei­ne ver­deck­te Ab­wer­tung?

Ob­wohl das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­nem länger zurück­lie­gen­den Ur­teil ent­schie­den hat, dass der ge­setz­li­che Zeug­nis­an­spruch ei­ne sol­che For­mu­lie­rung nicht be­inhal­tet (BAG, Ur­teil vom 20.02.2001, 9 AZR 44/00), se­hen vie­le Ge­rich­te dies in den letz­ten Jah­ren an­ders. Denn ei­ne sol­che ab­sch­ließen­de Flos­kel heu­te so weit ver­brei­tet, dass ihr Feh­len als still­schwei­gen­des Ne­ga­tiv­si­gnal an­ge­se­hen wer­den kann (die­ser Mei­nung ist z.B. das LAG Düssel­dorf, Ur­teil vom 03.11.2010, 12 Sa 974/10 - wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/121 Zeug­nis: Be­dau­erns­for­mel, Dan­kes­for­mel, Wunsch­for­mel).

Aber auch dann, wenn man hier an der al­ten BAG-Recht­spre­chung aus dem Jah­re 2001 festhält, könn­te sich der An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf ei­ne Wunsch­for­mel aus ei­ner ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung er­ge­ben. So könn­te man zu­min­dest ei­ne Ver­ein­ba­rung aus­le­gen, die den Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, ein dem be­ruf­li­chen Fort­kom­men förder­li­ches Zeug­nis zu er­tei­len.

LAG Hamm: Ein Zeug­nis muss ei­ne Wunsch­for­mel ent­hal­ten, um dem be­ruf­li­chen Fort­kom­men förder­lich zu sein.

Im Streit­fall hat­te sich der Ar­beit­ge­ber in ei­nem Vor­pro­zess durch ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­gleich da­zu ver­pflich­tet, dem Ar­beit­neh­mer ein wohl­wol­len­des Zeug­nis zu er­tei­len. Kon­kret hat­te er in die­sem Ver­gleich die Ver­pflich­tung über­nom­men, der aus­schei­den­den Ar­beit­neh­me­rin ein wohl­wol­len­des, qua­li­fi­zier­tes Ar­beits­zeug­nis zu er­tei­len, wel­ches ih­rem wei­te­ren be­ruf­li­chen Wer­de­gang förder­lich ist und als Be­wer­tung die Ge­samt­no­te "gut" enthält.

In der Fol­ge ver­lang­te die Ar­beit­neh­me­rin vom Ar­beit­ge­ber, in ihr Zeug­nis fol­gen­de ab­sch­ließen­de Wunsch­for­mel auf­zu­neh­men: "Für ih­re wei­te­re be­ruf­li­che und pri­va­te Zu­kunft wünschen wir Frau S1 al­les Gu­te." Das lehn­te der Ar­beit­ge­ber ab, wes­halb es zu ei­nem er­neu­ten Ge­richts­pro­zess kam, in dem über die Ergänzung des Ar­beits­zeug­nis­ses bzw. über die­se ab­sch­ließen­de For­mu­lie­rung ge­strit­ten wur­de. Das Ar­beits­ge­richt Min­den ver­ur­teil­te den Ar­beit­ge­ber zur Auf­nah­me der strei­ti­gen Flos­kel (Ur­teil vom 10.02.2011, 3 Ca 678/10). Und auch das LAG Hamm ent­schied so.

Denn die im Ver­gleich über­nom­me­ne Ver­pflich­tung zur Er­tei­lung ei­nes dem Wer­de­gang "förder­li­chen" Zeug­nis­ses wird nur erfüllt, wenn das Zeug­nis die strei­ti­ge Wunsch­for­mel enthält, so das LAG. Ei­ne sol­che Ver­pflich­tung geht laut LAG über den ge­setz­li­chen Zeug­nis­an­spruch hin­aus. Mit die­ser Be­gründung um­geht das LAG die Streit­fra­ge, ob Ar­beit­neh­mer schon auf der Grund­la­ge des Ge­set­zes (§ 109 Ge­wO), d.h. oh­ne ge­son­der­te ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung, ei­ne sol­che Wunsch­for­mel ver­lan­gen können.

Fa­zit: Das LAG Hamm wer­tet ei­ne in ge­richt­li­chen Ver­glei­chen übli­che For­mu­lie­rung er­heb­lich auf, in­dem es be­haup­tet, die­ser zeug­nis­be­zo­ge­ne "Text­bau­stein" hätte ei­nen über § 109 Ge­wO hin­aus­ge­hen­den In­halt. Dafür spricht, dass man al­lein auf ge­setz­li­cher Grund­la­ge nur ein "wohl­wol­len­des qua­li­fier­tes" Zeug­nis ver­lan­gen kann.

Ver­pflich­tet sich der Ar­beit­ge­ber zu­dem aus­drück­lich, ein dem be­ruf­li­chen Wer­de­gang förder­li­ches Zeug­nis zu er­tei­len, will er den Ar­beit­neh­mer ver­mut­lich (noch) bes­ser stel­len, als er sich auf der Grund­la­ge von § 109 Ge­wO be­reits steht. Ar­beit­neh­mer und ih­re Anwälte soll­ten da­her, wenn sich der Ar­beit­ge­ber im Pro­zess nicht auf ei­ne kon­kre­te Zeug­nis­fas­sung ein­las­sen will, zu­min­dest die hier gewähl­te For­mu­lie­rung des Zeug­nis­an­spruchs ver­lan­gen.

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Letzte Überarbeitung: 1. November 2018

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