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Altersgrenze 60 für Geschäftsführer?
03.08.2017. Hat der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) einen so verantwortungsvollen und aufreibenden Job, dass er mit 60 Jahren schon zum alten Eisen gehört und daher vorzeitig wegen seines vorgerückten Alters gekündigt werden kann, vorausgesetzt, der Vertrag sieht eine solche Kündigungsmöglichkeit vor?
Bei Arbeitnehmern wäre eine solche Kündigung nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung diskriminierend, aber für Geschäftsführerkündigungen sind im Normalfall die ordentlichen Gerichte zuständig, d.h. die Landgerichte, Oberlandesgerichte und der Bundesgerichtshof. Und nach deren Rechtsprechung sind GmbH-Fremdgeschäftsführer, d.h. Geschäftsführer ohne GmbH-Anteile, keine Arbeitnehmer.
In einem aktuellen Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm die altersbedingte Kündigung eines 61-jährigen Geschäftsführers abgesegnet: OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2017, 8 U 18/17 (Pressemeldung des Gerichts).
- Können Geschäftsführerverträge eine Altersgrenze 60 enthalten und/oder eine altersbedingte Kündigungsmöglichkeit vorsehen?
- Der Streitfall des OLG Hamm: Fremdgeschäftsführer wird auf vertraglicher Grundlage mit 60 Jahren abberufen und mit 61 Jahren gekündigt
- OGL Hamm: Vertragsklauseln, die ein Sonderkündigungsrecht bei Erreichen des 60. Lebensjahres vorsehen, sind wirksam, wenn der gekündigte Geschäftsführer eine Betriebsrente erhält
Können Geschäftsführerverträge eine Altersgrenze 60 enthalten und/oder eine altersbedingte Kündigungsmöglichkeit vorsehen?
Bereits vor gut fünf Jahren hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein GmbH-Fremdgeschäftsführer, dessen Anstellungsvertrag wegen seines fortgeschrittenen Alters nicht verlängert wird, eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung verlangen kann (BGH, Urteil vom 23.04.2012, II ZR 163/10, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/167 Geschäftsführer und Altersdiskriminierung).
Das BGH-Urteil war juristisch nicht wirklich überraschend, denn § 6 Abs.3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sieht vor, dass die Diskriminierungsverbote des AGG im Prinzip auch zugunsten von Geschäftsführern und anderen Mitgliedern von Vertretungsorganen juristischer Personen gelten, allerdings nicht in vollem Umfang, sondern nur beim Berufszugang und beim beruflichen Aufstieg. § 6 Abs.3 AGG lautet:
„Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände, entsprechend.“
Vom Diskriminierungsschutz gemäß § 6 Abs.3 AGG nicht erfasst ist die Entlassung von Geschäftsführern. Der AGG-Diskriminierungsschutz bei Entlassungen gilt nur für Arbeitnehmer, Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen (§ 6 Abs.1 AGG in Verb. mit § 2 Abs.1 Nr.2 AGG).
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon vor einigen Jahren klargestellt, dass auch weibliche Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft unter die EU-Mutterschutz-Richtlinie fallen, wenn sie in die Gesellschaft eingegliedert sind, für sie gegen Geld Leistungen erbringen und wenn sie Weisungen unterliegen oder zumindest der Aufsicht eines anderen Gesellschaftsorgans (EuGH, Urteil vom 11.11.2010, C-232/09 - Danosa).
Dieses EuGH-Urteil gilt auch für Fremdgeschäftsführer(innen) einer deutschen GmbH, wenn es um die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs in arbeitnehmerschützenden EU-Richtlinien geht. Und da das AGG die Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG umsetzen soll, spricht viel dafür, Fremdgeschäftsführer einer GmbH bei der Anwendung des AGG als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes anzusehen, sie also in vollem Umfang dem gesetzlichen Diskriminierungsschutz zu unterstellen, d.h. auch bei Entlassungen. Diese Frage hat der BGH allerdings bislang noch nicht entschieden.
Falls sich GmbH-Fremdgeschäftsführer auf den AGG-Diskriminierungsschutz bei Entlassungen berufen könnten, wären Rentenaltersklauseln trotzdem rechtens, wenn sie z.B. die Befristung des Geschäftsführervertrags mit dem Renteneintrittsalter vorsehen würden, denn eine solche „Zwangspensionierung“ ist durch § 10 Satz 3 Nr.5 AGG gedeckt und auch von der Rechtsprechung abgesegnet worden (wir berichteten u.a. in Arbeitsrecht aktuell: 10/217 EuGH erklärt in Tarifverträgen enthaltene Rentenaltersklauseln für rechtens).
Fraglich ist allerdings, ob auch die Kündigung eines Geschäftsführers wegen seines Rentenalters oder seiner Rentennähe rechtens wäre, denn von einer rentenaltersbedingten Kündigung ist in § 10 Satz 3 Nr.5 AGG nicht die Rede, sondern vielmehr von Vertragsbefristungen. Daher hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Jahre 2015 entschieden, dass die altersbedingte Kündigung eines rentennahen Arbeitnehmers diskriminierend ist (BAG, Urteil vom 23.07.2015, 6 AZR 457/14, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/204 Kündigung wegen Rente durch den Arbeitgeber).
Wenn überhaupt, könnten ein altersbedingtes Sonderkündigungsrecht in einem Geschäftsführervertrag und eine darauf beruhende Kündigung durch die allgemeinen Rechtfertigungsvorschriften des § 10 Sätze 1 und 2 AGG gerechtfertigt sein. Dann aber müsste die altersbedingte Entlassung eines Geschäftsführers „objektiv und angemessen“ und „durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt“ sein. Außerdem müssten die Mittel zur Zielerreichung „angemessen und erforderlich“ sein.
Der Streitfall des OLG Hamm: Fremdgeschäftsführer wird auf vertraglicher Grundlage mit 60 Jahren abberufen und mit 61 Jahren gekündigt
Im Streitfall war ein im März 1955 geborener Geschäftsführer im Jahre 2015 als Geschäftsführer abberufen und im Juni 2016 ordentlich zum Jahresende 2016 gekündigt worden. Grundlage der Abberufung und der späteren Kündigung des Geschäftsführervertrags war eine Klausel im Geschäftsführervertrag, der zufolge der (eigentlich bis zum 31.08.2018 befristete) Vertrag bei Vollendung des 60. Lebensjahres mit sechsmonatiger Frist zum Jahresende ordentlich gekündigt werden konnte.
Der gekündigte Geschäftsführer klagte gegen die Wirksamkeit der Kündigung, allerdings nicht vor dem Arbeitsgericht, sondern vor dem Landgericht Hagen. Sein Argument: Die Vertragsklausel und Kündigung seien altersdiskriminierend und daher unwirksam. Das Landgericht Hagen sah das anders und wies die Klage ab (Urteil vom 13.12.2016, 21 O 79/16).
OGL Hamm: Vertragsklauseln, die ein Sonderkündigungsrecht bei Erreichen des 60. Lebensjahres vorsehen, sind wirksam, wenn der gekündigte Geschäftsführer eine Betriebsrente erhält
Das OLG Hamm wies die Berufung des Klägers zurück. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des Gerichts heißt es zur Begründung:
Ob der Kläger als GmbH-Geschäftsführer unter den vollen Anwendungsbereich des AGG fällt oder nicht, wollte das OLG nicht entscheiden, denn selbst wenn sich der Kläger auf gesetzlichen Schutz vor diskriminierenden Entlassungen berufen könnte, wäre hier im Streitfall alles mit rechten Dingen zugegangen. Denn die streitige Kündigung war gemäß § 10 Sätze 1 und 2 AGG gerechtfertigt, so das OLG.
Die Vereinbarung einer Altersgrenze unterhalb des gesetzlichen Renteneintrittsalters für GmbH-Geschäftsführer ist nämlich nach Ansicht des OLG zulässig, wenn dem Geschäftsführer nach seiner Entlassung eine betriebliche Altersversorgung zusteht. Denn das „Anforderungsprofil für Unternehmensleiter“ ist laut OLG Hamm „regelmäßig besonders hoch“. Vor diesem Hintergrund kann sich
„aus betriebs- und unternehmensbezogenen Interessen ein Bedürfnis für die Vereinbarung einer Altersgrenze ergeben, die unter dem gesetzlichen Renteneintrittsalter liege.“
Eine GmbH könne ein
„legitimes Interesse daran haben, frühzeitig einen Nachfolger in der Unternehmensleitung zu installieren.“
Wenn der vorzeitig entlassene Geschäftsführer sofort nach seinem Ausscheiden eine Betriebsrente erhält, ist „seinen Interessen an einer sozialen Absicherung Rechnung getragen“.
Unter diesen Voraussetzungen ist eine vertragliche Altersgrenze nach Ansicht des OLG Hamm mit dem AGG vereinbar, auch wenn die Altersgrenze „deutlich unterhalb des gesetzlichen Renteneintrittsalters“ liegt.
Kritisch ist anzumerken, dass der deutsche Gesetzgeber mit § 10 Sätze 1 und 2 AGG die nahezu wortgleichen Vorgaben des Art.6 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG umsetzen wollte. Diese Vorschrift, die bei der Auslegung von § 10 Sätze 1 und 2 AGG zu berücksichtigen ist, lautet:
„Ungeachtet (…) können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.“
Auf dieser Grundlage hat der EuGH mehrfach entschieden, dass legitime Ziele im Sinne dieser Vorschrift wegen der hier beispielhaft genannten Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung Ziele aus dem Bereich der Sozialpolitik sind (EuGH Urteil vom 13.09.2011, C-447/09 (Prigge), Rn. 81).
Das wiederum heißt, dass rein individuelle bzw. „egoistische“ Ziele eines einzelnen Arbeitgebers nicht als Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von § 10 Sätze 1 und 2 AGG gelten können. Die hier vom OLG Hamm genannten Ziele sind demzufolge, auch wenn sie aus Sicht des Gerichts „legitim“ sein mögen, keine Ziele im Sinne von § 10 Sätze 1 und 2 AGG.
Fazit: Das OLG Hamm hat die Revision zum BGH zugelassen, die der Kläger mittlerweile auch eingelegt hat (Aktenzeichen des BGH: II ZR 244/17). Wenn sich der BGH an der Rechtsprechung des EuGH orientiert, müsste er anders entscheiden als das OLG Hamm. Im Zweifel müsste er den Fall dem EuGH vorlegen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 19.06.2017, 8 U 18/17 (Pressemeldung des Gerichts)
- Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 19.06.2017, 8 U 18/17
- Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.04.2012, II ZR 163/10
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.07.2015, 6 AZR 457/14
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13.09.2011, C-447/09 (Prigge)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11.11.2010, C-232/09 (Danosa)
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliche Altersversorgung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Allgemein
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Erlaubte Benachteiligungen
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Rechte Betroffener
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Handbuch Arbeitsrecht: Geschäftsführer (GmbH)
- Handbuch Arbeitsrecht: Geschäftsführeranstellungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Geschäftsführerkündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 19/136 Geschäftsführer als Arbeitnehmer im Sinne des AGG
- Arbeitsrecht aktuell: 15/204 Kündigung wegen Rente durch den Arbeitgeber
- Arbeitsrecht aktuell: 15/201 Bei Massenentlassungen zählen Geschäftsführer als Arbeitnehmer
- Arbeitsrecht aktuell: 13/012 Die zehn wichtigsten Entscheidungen zum Arbeitsrecht 2012
- Arbeitsrecht aktuell: 12/167 Geschäftsführer und Altersdiskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/054 Altersgrenze für Sachverständige?
- Arbeitsrecht aktuell: 11/183 Geschäftsführer: Diskriminierung durch Stellenausschreibung
- Arbeitsrecht aktuell: 10/217 EuGH erklärt in Tarifverträgen enthaltene Rentenaltersklauseln für rechtens
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das OLG Hamm seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des OLG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 11. Juni 2019
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