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LAG Köln, Be­schluss vom 18.07.2019, 6 TaBV­Ga 3/19

   
Schlagworte: Betriebsratsmitglied, Betriebsrat
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 6 TaBVGa 3/19
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 18.07.2019
   
Leitsätze: 1. Die einseitige, durch die Arbeitgeberin erfolgte Äußerung der Rechtsauffassung, der Arbeitsvertrag eines Betriebsratsmitglieds sei nichtig, ist im Eilverfahren nur dann als Einwand gegen den im Übrigen unstreitigen Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf störungsfreie Amtsausübung zu berücksichtigen, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Betriebsrat im Hauptsacheverfahren unterliegt.

2. Allein wegen der Gegenseitigkeit des Arbeitsvertrages ist der Abschluss eines solchen, insbesondere die nachträgliche Befristung für die Zeit über die Regelaltersgrenze hinaus, keine Begünstigung eines Betriebsratsmitglied nach § 78 Satz 2 BetrVG, die in Verbindung mit § 134 BGB zur Nichtigkeit der Vereinbarung führen könnte.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bonn, Beschluss vom26.06.2019, 4 BVGa 9/19
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, 6 TaBV­Ga 3/19


Te­nor:

Auf die Be­schwer­de des An­trag­stel­lers wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Bonn vom 26.06.2019 – 4 Bv­Ga 9/19 – ab­geändert und der Be­tei­lig­ten zu 2 auf­ge­ge­ben,

1. zu dul­den, dass der An­trag­stel­ler über den 31.05.2019 hin­aus sei­ne Tätig­keit als frei­ge­stell­tes Be­triebs­rats­mit­glied im Be­trieb der Re­gi­on West ausübt;

2. dem An­trag­stel­ler über den 31.05.2019 hin­aus Zu­gang zu sei­nem Büro am Sitz der Be­tei­lig­ten zu 2 und al­len an­de­ren Be­triebsstätten der Be­tei­lig­ten zu 2 in der Re­gi­on West zu gewähren, in­dem sie es un­terlässt, den Dienst­aus­weis mit der persönli­chen Ken­nung des An­trag­stel­lers per Chip für das elek­tro­ni­sche Zu­gangs­sys­tem zu sper­ren;

3. dem An­trag­stel­ler auch über den 31.05.2019 hin­aus Zu­gang zu sei­nem Kon­to auf dem ser­ver­gestütz­ten EDV-Sys­tem der Be­tei­lig­ten

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zu 2 zu gewähren, in­dem sie sein dor­ti­ges Kon­to nicht sperrt;

4. dies al­les je­doch nicht länger, als bis zu der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts Bonn Az: 4 Ca 1039/19 über die von der Be­tei­lig­ten zu 2 be­haup­te­ten Nich­tig­keit des Ver­tra­ges vom 07.02.2018 und längs­tens bis zum 31.03.2020.

Der hierüber hin­aus­ge­hen­de An­trag wird zurück­ge­wie­sen.


G r ü n d e

1

I. Die Be­tei­lig­ten strei­ten um die Fra­ge, ob der An­trag­stel­ler trotz der von der Ar­beit­ge­be­rin be­haup­te­ten Nich­tig­keit des sie ver­bin­den­den Ar­beits­ver­tra­ges wei­ter als Be­triebs­rat tätig sein darf und Be­triebs­rat-Zu­griff auf die EDV-Sys­te­me ha­ben soll.

2
Der An­trag­stel­ler ist im Fe­bru­ar 1951 ge­bo­ren und seit April 1973 im S beschäftigt. Am 01.02.2007 ging das Ar­beits­verhält­nis im Rah­men ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges auf die Be­tei­lig­te zu 2 über. Die Be­tei­lig­te zu 2 ist ein IT-Dienst­leis­ter, die ih­re Diens­te Bun­des­behörden, ins­be­son­de­re der Bun­des­wehr zur Verfügung stellt. Seit der Be­triebs­rats­wahl im Jah­re 2008 war der An­trag­stel­ler bis ins Jahr 2018 Vor­sit­zen­der des Be­triebs­rats. Im Mai 2018 fand die vor­erst letz­te Be­triebs­rats­wahl statt. Auch die­ses Mal ist der An­trag­stel­ler gewählt wor­den und seit­dem stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Be­triebs­rats. Während der ge­sam­ten Zeit, al­so seit dem Jah­re 2008, war der An­trag­stel­ler von der Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt. 3
Nach den auf das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Be­tei­lig­ten zu 1 und 2 un­strei­tig an­wend­ba­ren all­ge­mei­nen An­stel­lungs­be­din­gun­gen en­det das Ar­beits­verhält­nis mit Er­rei­chen der Re­gel­al­ters­gren­ze. Der An­trag­stel­ler er­reich­te die­se Re­gel­al­ters­gren­ze zum (28.02.2016 + 3 Mo­na­te =) 31.05.2016. Im Ein­ver­neh­men mit der Be­tei­lig­ten zu 2 ar­bei­te­te der An­trag­stel­ler über den 01.06.2016 hin­aus wei­ter. Mit Ver­trags­ur­kun­de vom 21.07.2016 ver­ein­bar­ten die Be­tei­lig­ten zu 1 und 2 die Be­fris­tung die­ser Fort­beschäfti­gung zum 31.03.2018. Ei­ne wei­te­re Fort­set­zung des Ver­trags­verhält­nis­ses wur­de von den Be­tei­lig­ten zu 1 und 2 mit Ver­trag vom 07.02.2018 ver­ein­bart, die­ses Mal für die Zeit bis zum 31.03.2020. In den von der Ar­beit­ge­be­rin nach § 99 Be­trVG er­stell­ten Be­triebs­rats­anhörun­gen heißt es zur ers­ten Be­fris­tung: „Herr S möch­te auch wei­ter­hin für die B tätig sein. Aus be­trieb­li­cher Sicht be­ste­hen kei­ne Hin­de­rungs­gründe und wir würden ihm die Verlänge­rung der Beschäfti­gung ger­ne ermögli­chen.“ In der Anhörung zur zwei­ten Be­fris­tung heißt es: „Auf­grund der persönli­chen Si­tua­ti­on von Herrn S so­wie sei­nes Wun­sches auf Verlänge­rung und da ei­nem wei­te­ren Ein­satz von Herrn S von Sei­ten des Un­ter­neh­mens kei­ne Gründe ent­ge­gen­ste­hen, soll die­se Verlänge­rung vor­ge­nom­men wer­den." 4
Nach­dem in­tern In­for­ma­tio­nen be­kannt ge­wor­den wa­ren, die bei der Be­klag­ten die An­nah­me nähr­ten, dass es Com­p­li­an­ce-Verstöße und ins­be­son­de­re Un­re­gelmäßig­kei­ten bei der Vergütung von Gre­mi­en­mit­glie­dern ge­ge­ben ha­be, wur­de von der Be­tei­lig­ten zu 2 ein ex­ter­nes Gut­ach­ten in Auf­trag ge­ge­ben (Bl. 51 d.A.). Die­ses Gut­ach­ten kam mit Blick auf den An­trag­stel­ler - nach ei­ner nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich feh­ler­haf­ten Be­rech­nung der Re­gel­al­ters­gren­ze des An­trag­stel­lers („01.03.2016“) - zu dem Er­geb­nis, die­ser ha­be in der Ver­gan­gen­heit zu viel Ent­gelt er­hal­ten. Statt des zu­letzt be­zo­ge­nen Jah­res­ziel­ent­gelts in Höhe von 111.000,00 EUR sei un­ter Berück­sich­ti­gung der be­ruf­li­chen Ent­wick­lung bei den vom Gut­ach­ter er­kann­ten Ver­gleichs­mit­ar­bei­tern von ei­nem Jah­res­ziel­ent­gelt in Höhe von 105.283,75 EUR aus­zu­ge­hen. Nach die­ser Be­rech­nung ha­be der An­trag­stel­ler al­so ein um gut 5 % zu hoch be­mes­se­nes Ent­gelt er­hal­ten. Auf­grund die­ser Ana­ly­se hat die Ar­beit­ge­be­rin für den nicht­ver­fal­le­nen Zeit­raum ei­nen Be­trag in Höhe von ca. 3.000,00

 

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EUR brut­to vom Ent­gelt des An­trag­stel­lers ein­be­hal­ten. Ein­be­hal­ten hat sie auch ei­nen Be­trag in Höhe von gut 600,00 EUR für den Dienst­wa­gen, der dem An­trag­stel­ler al­ler­dings für den frag­li­chen Zeit­raum nicht mehr zur Verfügung ge­stan­den hat­te. Die­se Ein­be­hal­te sind zwi­schen den Be­tei­lig­ten zu 1 und 2 strei­tig. Wei­ter wird vom Gut­ach­ter die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Ver­ein­ba­rung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses über die Re­gel­al­ters­gren­ze hin­aus stel­le ei­ne un­zulässi­ge Be­vor­zu­gung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds dar. Das zu­letzt bis zum 31.03.2020 be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis sei „um­ge­hend zu be­en­den“.

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Mit Schrei­ben vom 06.05.2019, 16.05.2019 und 22.05.2019 teil­te die Be­tei­lig­te zu 2 mit, sie schließe sich den Wer­tun­gen des Gut­ach­ters an. Nach ih­rer Auf­fas­sung sei al­so zu­min­dest das zu­letzt be­fris­tet ver­ein­bar­te Ar­beits­verhält­nis we­gen ei­nes Ver­s­toßes ge­gen das Begüns­ti­gungs­ver­bot nach § 78 Satz 2 Be­trVG nich­tig. Mit dem Zu­gang die­ser Mit­tei­lung fin­de das Ar­beits­verhält­nis spätes­tens zum Ab­lauf des Mo­nats, al­so zum 31.05.2019, sein En­de. Die Ar­beit­ge­be­rin for­der­te den An­trag­stel­ler gleich­zei­tig auf, die Be­triebs­ratstätig­keit ein­zu­stel­len. Seit dem 01.06.2019 hat der An­trag­stel­ler kei­nen Zu­gang zum Be­trieb mehr und kei­nen Zu­gang zu den EDV-Sys­te­men der Ar­beit­ge­be­rin und des Be­triebs­rats.

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Die Fra­ge der Nich­tig­keit des letz­ten Ar­beits­ver­tra­ges ist Ge­gen­stand ei­ner Be­stands­strei­tig­keit vor dem Ar­beits­ge­richt Bonn 4 Ca 1039/19. Der Kam­mer­ter­min soll im Sep­tem­ber 2018 statt­fin­den.

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Mit dem seit dem 27.05.2019 beim Ar­beits­ge­richt Bonn anhängi­gen An­trag, hat der An­trag­stel­ler ei­ne einst­wei­li­ge Re­ge­lung be­gehrt, die ihm die wei­te­re Tätig­keit als Be­triebs­rat ermöglicht.

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Der An­trag­stel­ler hat vor­ge­tra­gen, der zu­letzt ab­ge­schlos­se­ne Ver­trag sei nicht nich­tig. Es lie­ge kein Fall der Begüns­ti­gung vor, mit­hin kein Ver­s­toß ge­gen § 78 Satz 2 Be­trVG. Bei der Ar­beit­ge­be­rin sei es nicht unüblich, dass über die Re­gel­al­ters­gren­ze hin­aus wei­ter ge­ar­bei­tet wer­de. Al­lei­ne in der Per­so­nal­ab­tei­lung ge­be es drei Fälle. Die ein­sei­ti­ge Erklärung der Ar­beit­ge­be­rin, das Ar­beits­verhält­nis sei nich­tig, könne nach sei­ner Auf­fas­sung nicht aus­rei­chen, ihm die Amts­ausübung unmöglich zu ma­chen.

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Der An­trag­stel­ler hat be­an­tragt, 10
der Be­tei­lig­ten zu 2 im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung auf­zu­ge­ben, 11

1. zu dul­den, dass der An­trag­stel­ler über den 31.05.2019 hin­aus sei­ne Tätig­keit als frei­ge­stell­tes Be­triebs­rats­mit­glied im Be­trieb der Re­gi­on West ausübt;

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2. dem An­trag­stel­ler über den 31.05.2019 hin­aus Zu­gang zu sei­nem Büro am Sitz der Be­tei­lig­ten zu 2 und al­len an­de­ren Be­triebsstätten der Be­tei­lig­ten zu 2 in der Re­gi­on West zu gewähren, in­dem sie es un­terlässt, den Dienst­aus­weis mit der persönli­chen Ken­nung des An­trag­stel­lers per Chip für das elek­tro­ni­sche Zu­gangs­sys­tem zu sper­ren;

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3. dem An­trag­stel­ler auch über den 31.05.2019 hin­aus Zu­gang zu sei­nem Kon­to auf dem ser­ver­gestütz­ten EDV-Sys­tem der Be­tei­lig­ten zu 2 zu gewähren, in­dem sie sein dor­ti­ges Kon­to nicht sperrt;

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Die Be­tei­lig­te zu 2 hat be­an­tragt, 15
den An­trag zurück­zu­wei­sen. 16

Sie ist der Auf­fas­sung, dass das Be­triebs­rats­amt des An­trag­stel­lers gemäß § 24 Nr. 3 Be­trVG we­gen der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses er­lo­schen sei. Die letz­te

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Be­fris­tung sei ent­ge­gen dem Begüns­ti­gungs­ver­bot aus § 78 Satz 2 Be­trVG ab­ge­schlos­sen wor­den und sei da­her nich­tig. So­weit der An­trag­stel­ler auf Mit­ar­bei­ter in der Per­so­nal­l­ab­tei­lung Be­zug neh­me, die über die Re­gel­al­ters­gren­ze hin­aus beschäftigt wor­den sei­en, sei dies ir­re­le­vant, da der An­trag­stel­ler nicht mit Mit­ar­bei­tern aus der Per­so­nal­ab­tei­lung ver­gleich­bar sei. Im Übri­gen könne sie kei­nen Verfügungs­grund er­ken­nen.

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Mit Be­schluss vom 26.06.2019 hat das Ar­beits­ge­richt Bonn die Anträge zurück­ge­wie­sen. Der Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses sei un­ge­wiss. Ge­nau­so un­ge­wiss sei es da­her, ob das Be­triebs­rats­amt fort­be­ste­he. Während des Rechts­streits über den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses sei ei­ne einst­wei­li­ge Verfügung zur Ermögli­chung der Fortführung des Am­tes un­zulässig. Et­was an­de­res könne nur gel­ten, wenn die Be­en­di­gung of­fen­sicht­lich nicht in Be­tracht kom­me. Die­se Grundsätze fänden nicht nur An­wen­dung bei Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren son­dern auch bei an­de­ren Be­stands­strei­tig­kei­ten, wie es sich aus der Ent­schei­dung des LAG Köln vom 12.12.2001 – 8 TaBv­Ga 72/01 er­ge­be. Da noch kei­ne erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung über den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses vor­lie­ge, kom­me ei­ne einst­wei­li­ge Verfügung nach dem Vor­ge­sag­ten nicht in Be­tracht.

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Ge­gen die­sen im am 27.06.2019 zu­ge­stell­ten Be­schluss hat der An­trag­stel­ler am 04.07.2019 Be­schwer­de ein­ge­legt und gleich­zei­tig be­gründet.

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Zur Be­gründung sei­ner Be­schwer­de trägt er vor, die Verlänge­rung des Ver­trags­verhält­nis­ses über die Re­gel­al­ters­gren­ze hin­aus sei kei­ne Begüns­ti­gung, erst recht kei­ne un­zulässi­ge. Viel­mehr blei­be er bei sei­nem erst­in­stanz­li­chen Vor­trag, dem zu­fol­ge ihm zu­min­dest in der Per­so­nal­ab­tei­lung drei Fälle be­kannt sei­en, bei de­nen die Ver­trags­verhält­nis­se über die Re­gel­al­ters­gren­ze hin­aus fort­ge­setzt wor­den sei­en. Er hal­te an sei­ner Rechts­auf­fas­sung fest, dass die ein­sei­ti­ge Erklärung des Ar­beit­ge­bers, der Ar­beits­ver­trag sei nich­tig, nicht aus­rei­chen könne, um ein Be­triebs­rats­amt zu ent­zie­hen. Es brau­che viel­mehr ei­ne (zu­min­dest erst­in­stanz­li­che) Ent­schei­dung über die Un­wirk­sam­keit des Ver­trags­verhält­nis­ses. An­de­ren­falls sei dem Miss­brauch Tür und Tor geöff­net. Das wie­ge mit Blick auf die be­son­de­re Schutz­bedürf­tig­keit des Be­triebs­rats­am­tes be­son­ders schwer.

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Der An­trag­stel­ler be­an­tragt, 21

den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Bonn vom 26.06.2019 – 4 Bv­Ga 9/19 – ab­zuändern und der An­trags­geg­ne­rin im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung auf­zu­ge­ben,

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1. zu dul­den, dass der An­trag­stel­ler über den 31.05.2019 hin­aus sei­ne Tätig­keit als frei­ge­stell­tes Be­triebs­rats­mit­glied im Be­trieb der Re­gi­on West ausübt;

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2. dem An­trag­stel­ler über den 31.05.2019 hin­aus Zu­gang zu sei­nem Büro am Sitz der Be­tei­lig­ten zu 2 und al­len an­de­ren Be­triebsstätten der Be­tei­lig­ten zu 2 in der Re­gi­on West zu gewähren, in­dem sie es un­terlässt, den Dienst­aus­weis mit der persönli­chen Ken­nung des An­trag­stel­lers per Chip für das elek­tro­ni­sche Zu­gangs­sys­tem zu sper­ren;

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3. dem An­trag­stel­ler auch über den 31.05.2019 hin­aus Zu­gang zu sei­nem Kon­to auf dem ser­ver­gestütz­ten EDV-Sys­tem der Be­tei­lig­ten zu 2 zu gewähren, in­dem sie sein dor­ti­ges Kon­to nicht sperrt;

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Die Be­tei­lig­te zu 2 be­an­tragt, 26
die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen. 27

Zur Be­gründung wie­der­holt und ver­tieft sie ih­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­trag. Ihr Ob­sie­gen im Be­stands­schutz­ver­fah­ren sei nicht über­wie­gend un­wahr­schein­lich. Ei­ne einst­wei­li­ge

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Verfügung kom­me da­her nicht in Be­tracht.

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Im Übri­gen wird Be­zug ge­nom­men auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze und ih­re An­la­ge. 29

II. Die zulässi­ge form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te und be­gründe­te Be­schwer­de des An­trag­stel­lers, hat­te in der Sa­che Er­folg.

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Nach den Maßstäben des auch im Be­schluss­ver­fah­ren gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG zulässi­gen Ver­fah­rens über den An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO hat der An­trag­stel­ler so­wohl ei­nen Verfügungs­an­spruch wie auch ei­nen Verfügungs­grund glaub­haft ge­macht.

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1. Der An­trag­stel­ler hat ei­nen Verfügungs­an­spruch glaub­haft ge­macht. 32

a. Als Be­triebs­rats­mit­glied hat der An­trag­stel­ler aus § 2 Abs. 1, § 36, § 37, § 78, § 80 Be­trVG i.V.m. § 611 BGB und dem strei­ti­gen Ar­beits­ver­trag ge­gen die Be­tei­lig­te zu 2 An­spruch auf Erfüllung der For­de­run­gen, die Ge­gen­stand der Anträge zu 1 bis 3 sind. Das ist recht­lich zu­tref­fend zwi­schen den Be­tei­lig­ten nicht strei­tig, so­fern ein be­ste­hen­der Ar­beits­ver­trag an­ge­nom­men wird. Den wirk­sa­men Ar­beits­ver­trag un­ter­stellt kann der An­trag­stel­ler in sei­ner Funk­ti­on als Be­triebs­rats­mit­glied von der Ar­beit­ge­be­rin al­so die Dul­dung sei­ner Be­triebs­ratstätig­keit, den Zu­tritt zu sei­nem Büro so­wie den Zu­gang zum EDV-Sys­tem ver­lan­gen.

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b. Der An­trag­stel­ler hat glaub­haft ge­macht, dass der Ein­wand der Ar­beit­ge­be­rin, der dem Ar­beits­verhält­nis zu­grun­de lie­gen­de Ar­beits­ver­trag sei nich­tig, und das Be­triebs­rats­amt des An­trags­stel­lers sei da­her gemäß § 24 Nr. 3 Be­trVG er­lo­schen, un­be­gründet ist. Die­ser Ein­wand wäre im Ver­fah­ren auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung al­len­falls dann zu berück­sich­ti­gen, wenn ei­ne über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit für das Un­ter­lie­gen des Be­triebs­rats im Be­stands­schutz­streit – ArbG Bonn 4 Ca 1039/19 - an­zu­neh­men wäre. Das Ge­gen­teil ist aber der Fall. 34

(1) Die ein­sei­ti­ge durch die Ar­beit­ge­be­rin er­folg­te Äußerung ei­ner Rechts­auf­fas­sung über die Wirk­sam­keit ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges ist nur dann als Ein­wand ge­gen den im Übri­gen un­strei­ti­gen An­spruch des Be­triebs­rats­mit­glieds zu berück­sich­ti­gen, wenn ei­ne über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit dafür be­steht, dass der Be­triebs­rat im Haupt­sa­che­ver­fah­ren un­ter­liegt. Die vor­lie­gen­de Fall­ge­stal­tung un­ter­schei­det sich schon in recht­li­cher Hin­sicht von den Fällen, in de­nen nach Zu­stim­mung oder nach Zu­stim­mungs­er­set­zung ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung als Ge­stal­tungs­erklärung im Rau­me steht oder sich die Be­en­di­gung des ursprüng­lich be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses un­mit­tel­bar aus dem ein­ver­nehm­lich ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trag selbst oder ei­ner von die­sem in Be­zug ge­nom­me­nen abs­trakt-ge­ne­rell wir­ken­den Be­triebs­ord­nung (vgl. LAG Köln 12.12.2001 – 8 TaBv 72/01) er­gibt. Wäre die bloße Rechts­be­haup­tung, der Ar­beits­ver­trag sei von vorn­her­ein un­wirk­sam, aus­rei­chend, um ein Be­triebs­rats­mit­glied zu sus­pen­die­ren und auf das Haupt­sa­che­ver­fah­ren zu ver­wei­sen, würden zwin­gen­de ge­setz­li­che Schutz­me­cha­nis­men um­gan­gen.

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Die Rechts­be­haup­tung, der Ver­trag sei nich­tig, kommt mit Blick auf die mögli­che Um­ge­hung des ge­setz­li­chen Schut­zes der Be­triebs­rats­ar­beit ei­ner ein­sei­ti­gen Su­s­pen­die­rung des Be­triebs­rats­mit­glieds gleich, die we­gen des be­sag­ten Schut­zes nur in ex­tre­men Aus­nah­mefällen zulässig ist (hier­zu und im Fol­gen­den mit wei­te­ren Nach­wei­sen: LAG Köln v. 02. 08.2005 – 1 Sa 952/05 –). Denn auch die ein­sei­ti­ge Su­s­pen­die­rung ist we­der ei­ne Ge­stal­tungs­erklärung, noch ei­ne ein­ver­nehm­li­che Re­ge­lung, noch ei­ne abs­trakt-ge­ne­rel­le Norm. Be­triebs­rats­mit­glie­der sind nicht nur in ih­rem Amt geschützt (§ 23 Abs. 1 Be­trVG: Aus­schluss aus dem Be­triebs­rat nur bei gro­ber Pflicht­ver­let­zung). Viel­mehr erfährt auch ihr Ar­beits­verhält­nis ei­nen be­son­de­ren Schutz. Sie sind grundsätz­lich nicht or­dent­lich künd­bar (Aus­nah­me: § 15 Abs. 4, 5 KSchG), und auch die außer­or­dent­li­che

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Kündi­gung ist nur un­ter er­schwer­ten Vor­aus­set­zun­gen durch­setz­bar. Die Beschäfti­gung von Be­triebs­rats­mit­glie­dern kann nicht wie bei "nor­ma­len" Ar­beit­neh­mern al­lein mit dem pri­vat­au­to­no­men Ge­stal­tungs­mit­tel der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung - zu­min­dest vorläufig - be­en­det wer­den, son­dern ihr Ar­beits­verhält­nis bleibt so lan­ge mit al­len Wir­kun­gen be­ste­hen, bis die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen die vom Be­triebs­rat ver­wei­ger­te Zu­stim­mung zur Kündi­gung nach § 103 Abs. 2 Be­trVG er­setzt und der Ar­beit­ge­ber da­nach die außer­or­dent­li­che Kündi­gung aus­ge­spro­chen hat. Da­mit will der Ge­setz­ge­ber dem Um­stand Rech­nung tra­gen, dass das Ar­beits­verhält­nis der Be­triebs­rats­mit­glie­der we­gen de­ren ex­po­nier­ter Stel­lung und des erhöhten Ri­si­kos von Kon­flik­ten mit dem Ar­beit­ge­ber gefähr­de­ter als das der sons­ti­gen Mit­ar­bei­ter ist. Ab­ge­se­hen von die­ser in­di­vi­du­al­recht­li­chen Ebe­ne ist aber auch die kol­lek­tiv­recht­li­che be­trof­fen. Der Ge­setz­ge­ber woll­te zusätz­lich die Funk­ti­onsfähig­keit der Be­triebs­ver­fas­sungs­or­ga­ne si­chern. Mo­tiv der Son­der­re­ge­lun­gen war zwar, das Be­triebs­rats­mit­glied vor "willkürli­chen" außer­or­dent­li­chen Kündi­gun­gen des Ar­beit­ge­bers zu schützen. Da je­doch die Gren­ze zwi­schen "willkürli­chen" und "nor­ma­len" außer­or­dent­li­chen Kündi­gun­gen schwer zu zie­hen ist, hat der Ge­setz­ge­ber den Schutz auf al­le außer­or­dent­li­chen Kündi­gung er­streckt und an­ge­ord­net, dass dann, wenn der Be­triebs­rat der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung nicht zu­ge­stimmt hat, das Be­triebs­rats­mit­glied in kei­nem Fall oh­ne vor­her rechts­kräftig ge­richt­lich fest­ge­stell­te Be­rech­ti­gung außer­or­dent­lich ent­las­sen wer­den darf. Die Re­ge­lung in § 103 Be­trVG enthält da­mit in der Tat ei­ne ge­woll­te "über­schies­sen­de Ten­denz". Die­ser ge­setz­ge­be­ri­sche Zweck, der bei Be­triebs­rats­mit­glie­dern ge­ra­de dem Fort­be­stand des wich­ti­gen Kon­tak­tes zwi­schen Be­triebs­rats­mit­glied und Be­leg­schaft durch tatsächli­che Beschäfti­gung bzw. Zu­gang zum Be­trieb dient, würde ver­fehlt, wenn man dem Ar­beit­ge­ber oh­ne wei­te­res er­lau­ben würde, in et­was an­de­rer Form, nämlich mit dem mil­de­ren Mit­tel der Frei­stel­lung ge­ra­de das zu er­rei­chen, was er mit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung erst nach rechts­kräfti­gem Ab­schluss des ge­richt­li­chen Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­rens be­wir­ken kann. Dass der Ge­setz­ge­ber mit § 103 Be­trVG nicht nur ein ge­richt­li­ches Vor­schalt­ver­fah­ren für die außer­or­dent­li­che Kündi­gung von Be­triebs­rats­mit­glie­dern ein­geführt hat, son­dern ge­ra­de auch den In­halt ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se schützen woll­te, zeigt das Be­triebs­ver­fas­sungs-Re­form­ge­setz vom 23.07.2001 (BGBl. I S. 1852). Das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz sieht seit­dem in Ab­satz 3 des § 103 Be­trVG das ge­richt­li­che Vor­schalt­ver­fah­ren auch für Ver­set­zun­gen vor, die zu ei­nem Ver­lust des Be­triebs­rats­am­tes führen würden. Der be­son­de­re Schutz so­wohl vor der Be­en­di­gung als auch der Verände­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses von Be­triebs­rats­mit­glie­dern macht deut­lich, dass die Su­s­pen­die­rung von Be­triebs­rats­mit­glie­dern nur un­ter er­heb­lich er­schwer­ten Vor­aus­set­zun­gen in Be­tracht kommt. Dar­in ist kei­ne ver­bo­te­ne Begüns­ti­gung der Mit­glie­der des Be­triebs­rats we­gen ih­rer Tätig­keit im Sin­ne des § 78 Satz 2 Be­trVG zu se­hen. Der Ge­setz­ge­ber selbst hat mit der Spe­zi­al­norm des § 103 Be­trVG den be­son­de­ren Schutz des Ar­beits­verhält­nis­ses von Be­triebs­rats­mit­glie­dern ge­schaf­fen, der mit Hil­fe ei­nes im Ge­setz nicht ge­re­gel­ten In­sti­tuts wie der Su­s­pen­die­rung nicht zu ei­nem be­acht­li­chen Teil un­ter­lau­fen wer­den darf. Nach al­lem kann der Ar­beit­ge­ber ein Be­triebs­rats­mit­glied während des Ver­fah­rens auf Zu­stim­mungs­er­set­zung nach § 103 Be­trVG nur dann von der Ar­beits­pflicht sus­pen­die­ren, wenn der Beschäfti­gung sol­che schutzwürdi­gen In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ent­ge­gen­ste­hen, die ei­ne Ver­hin­de­rung der Beschäfti­gung ge­ra­de­zu ge­bie­ten. Das ist vor al­lem dann der Fall, wenn mit der Beschäfti­gung des Be­triebs­rats­mit­glieds er­heb­li­che Ge­fah­ren für den Be­trieb oder die dort täti­gen Per­so­nen ob­jek­tiv be­ste­hen oder die durch kon­kre­te Tat­sa­chen be­gründe­te Be­sorg­nis be­steht, dass es zu Störun­gen des Be­triebs­frie­dens oder des be­trieb­li­chen Ab­laufs kommt. Grundsätz­lich müssen so­mit Umstände hin­zu­kom­men, die über den "wich­ti­gen Grund" für die be­ab­sich­tig­te außer­or­dent­li­che Kündi­gung hin­aus­ge­hen.

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Wer­den die vor­ge­nann­ten Grundsätze zur Su­s­pen­die­rung auf den Fall über­tra­gen, in dem die Ar­beit­ge­be­rin die Rechts­auf­fas­sung äußert, der Ar­beits­ver­trag, den sie mit dem Be­triebs­rats­mit­glied ge­schlos­sen ha­be, sei von An­fang an nich­tig, so er­gibt sich auch hier ein be­son­de­res Be­stands­in­ter­es­se des Gre­mi­ums und des

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Gre­mi­ums­mit­glieds. Die­sem Be­stands­in­ter­es­se kann nur dann Rech­nung ge­tra­gen wer­den, wenn sich die Rich­tig­keit der von der Ar­beit­ge­be­rin geäußer­ten Rechts­auf­fas­sung auf­drängt.

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(2.) Es ist nicht über­wie­gend wahr­schein­lich, dass die Be­tei­lig­te zu 2 im Haupt­sa­che­ver­fah­ren über den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses ob­siegt. Das Ge­gen­teil ist der Fall.

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aa. Dass die wei­te­re Ausübung der Be­triebs­ratstätig­keit durch den An­trag­stel­ler den Be­triebs­frie­den stören würde, oder in ei­ner an­de­ren Wei­se ein „wich­ti­ger Grund“ die­ser Be­triebs­ratstätig­keit ent­ge­gen­ste­hen könn­te, hat die Ar­beit­ge­be­rin nicht gel­tend ge­macht.

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bb. Nach dem der­zei­ti­gen Sach- und Streit­stand im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren über den Er­lass der be­an­trag­ten einst­wei­li­gen Verfügung (der nicht not­wen­dig dem Sach- und Streit­stand des Haupt­sa­che­ver­fah­rens über den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses ent­spre­chen muss) ist mit ei­ner ho­hen und über­wie­gen­den Wahr­schein­lich­keit von der Un­rich­tig­keit der Rechts­auf­fas­sung der Ar­beit­ge­be­rin, der Ar­beits­ver­trag sei nich­tig, aus­zu­ge­hen.

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Ei­ne Begüns­ti­gung des An­trag­stel­lers, die gemäß § 134 BGB und § 78 Satz 2 Be­trVG zur Nich­tig­keit des Ar­beits­ver­tra­ges vom 07.02.2018 führen könn­te, ist nicht er­sicht­lich.

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Die mögli­cher­wei­se um ca. 5 % überhöhte Be­mes­sung des Ent­gelts kann nicht zur Ge­samt­nich­tig­keit des Ver­tra­ges führen (das macht auch die Be­tei­lig­te zu 2 nicht gel­tend), son­dern le­dig­lich zu ei­nem teil­wei­se feh­len­den Rechts­grund. Die den­noch er­folg­ten Leis­tun­gen mögen gg­fls. nach den Re­ge­lun­gen des Be­rei­che­rungs­rechts ab­ge­wi­ckelt wer­den.

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Der Ab­schluss ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges als sol­cher ist kei­ne Begüns­ti­gung. Es han­delt sich um ein Aus­tausch­verhält­nis, im Rah­men des­sen der Vergütung auf der ei­nen Sei­te die (Be­triebs­rats-)Ar­beit auf der an­de­ren Sei­te ge­genüber­steht. Der Ar­beit­neh­mer erhält nicht nur Ent­gelt, son­dern er ver­pflich­tet sich im Ge­gen­zug zu ei­ner Leis­tung im Rah­men ei­nes Dau­er­schuld­verhält­nis­ses, die sei­ne persönli­che Le­bens­pla­nung in er­heb­li­chem Maße be­stimmt und – je nach persönli­cher Ein­stel­lung zum Un­ter­neh­men und zum kon­kre­ten Ar­beits­platz – ein­schränkt.

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Durch die mit Ver­trag vom 07.02.2018 ge­schlos­se­ne Ver­ein­ba­rung der Be­fris­tung ha­ben die Par­tei­en ei­ne den An­trag­stel­ler eher be­las­ten­de Re­ge­lung ge­trof­fen. In der Anhörung der Be­tei­lig­ten vor der er­ken­nen­den Kam­mer ist der Sach­ver­halt, der sich be­reits in den schriftsätz­li­chen Äußerun­gen an­ge­deu­tet hat­te, un­strei­tig ge­wor­den, dass nämlich der An­trag­stel­ler im Ein­ver­neh­men mit der Be­tei­lig­ten zu 2 über sei­ne Re­gel­al­ters­gren­ze am 31.05.2016 hin­aus wei­ter ge­ar­bei­tet hat und erst am 21.07.2016 der ers­te be­fris­te­te Ver­trag über die Wei­ter­beschäfti­gung ab­ge­schlos­sen wor­den ist. Vie­les spricht dafür, dass durch die Wei­ter­ar­beit über die Al­ters­be­fris­tung hin­aus ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis zu Stan­de ge­kom­men ist, § 15 Abs. 5 Tz­B­fG. Die ers­te Be­fris­tung war al­so ei­ne nachträgli­che Be­fris­tung ei­nes un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses. Mit Ver­ein­ba­rung der wei­te­ren Be­fris­tung durch Ver­trag vom 07.02.2018 hat der An­trag­stel­ler auf die Über­prüfung der Wirk­sam­keit der ers­ten Be­fris­tung ver­zich­tet. Der An­trag­stel­ler hat mit der Ar­beit­ge­be­rin nicht nur ein neu­es Ver­trags­verhält­nis be­gründet, dass ihn zur (Be­triebs­rats-)Ar­beits­leis­tung ver­pflich­tet, ihn al­so ge­genüber der Ar­beit­ge­be­rin in ei­ner Zeit zu Leis­tun­gen ver­pflich­tet, in der er oh­ne wei­te­res oh­ne Leis­tungs­er­brin­gung So­zi­al­ver­si­che­rungs­ren­te und – hier als selbst­verständ­lich un­ter­stellt – Be­triebs­ren­te aus den Mit­teln der Ar­beit­ge­be­rin hätte be­zie­hen können; viel­mehr ha­ben die Par­tei­en mit der zwei­ten Be­fris­tung ver­ein­bart, dass dem An­trag­stel­ler ei­ne Rechts­po­si­ti­on ge­nom­men

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wird, nämlich die Möglich­keit der ge­richt­li­chen Über­prüfung der ers­ten Be­fris­tung. Wenn in der Ge­samt­be­trach­tung die Ver­ein­ba­rung nicht als neu­tral be­trach­tet wird, dann spre­chen hier­nach die Tat­sa­chen über­wie­gend für ei­ne Be­nach­tei­li­gung des An­trag­stel­lers und nicht für de­ren Ge­gen­teil.

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Dass von ei­ner Begüns­ti­gung des An­trag­stel­lers nach der­zei­ti­gem Sach­stand kei­ne Re­de sein kann, zeigt ei­ne wei­te­re un­strei­ti­ge Tat­sa­che: Un­strei­tig wer­den in der Per­so­nal­ab­tei­lung der Be­tei­lig­ten zu 2 meh­re­re Mit­ar­bei­ter jen­seits der Al­ters­gren­ze beschäftigt. Der Ein­wand der Be­tei­lig­ten zu 2, die­se Mit­ar­bei­ter sei­en nicht ver­gleich­bar mit dem An­trag­stel­ler, geht an der zu prüfen­den Norm vor­bei. Bei der Fra­ge, ob die Be­gründung von Aus­tausch­verhält­nis­sen für die Ver­trags­par­tei­en güns­ti­ger oder ungüns­ti­ger sind, kommt es nicht auf die mit dem An­trag­stel­ler zu ver­glei­chen­den Ar­beit­neh­mer an, an de­nen die an­ge­mes­se­ne Vergütung er­mit­telt wird, son­dern auf die Üblich­keit im Un­ter­neh­men all­ge­mein. Ge­ra­de die Per­so­nal­ab­tei­lung als „Gesprächs­part­ner“ des Be­triebs­rats bie­tet sich hier be­son­ders gut als Ver­gleichs­be­reich an.

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Ab­sch­ließend muss an die Tat­sa­che er­in­nert wer­den, dass die Ar­beit­ge­be­rin, die hier das Be­triebs­rats­mit­glied an sei­ner Gre­mi­ums­ar­beit hin­dert, ih­re Rechts­auf­fas­sung da­mit be­gründet, sie selbst ha­be rechts­wid­rig ge­han­delt, in­dem sie den An­trag­stel­ler mit dem Ab­schluss der be­fris­te­ten Verträge begüns­tigt ha­be. Für die­se Be­haup­tung hätte es ei­nes deut­li­chen Tat­sa­chen­vor­tra­ges be­durft, wel­che rechts­wid­rig han­deln­den Per­so­nen hier mit wel­cher Ziel­rich­tung die Begüns­ti­gung des An­trag­stel­lers an­ge­strebt ha­ben sol­len. Aus den Anhörun­gen des Be­triebs­rats nach § 99 Be­trVG er­gibt sich zu ei­ner sol­chen Ziel­rich­tung je­den­falls nichts.

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2. Für den Er­lass der einst­wei­li­gen Verfügung be­stand auch ein Verfügungs­grund im Sin­ne der §§ 85 Abs. 2, 62 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO. Dass die von der er­ken­nen­den Kam­mer for­mu­lier­te Leis­tungs­verfügung zur zeit­wei­li­gen Be­frie­di­gung des An­spruchs des An­trag­stel­lers führt, ist unschädlich. Der An­trag­stel­ler ist dring­lich auf die einst­wei­li­ge Verfügung an­ge­wie­sen, weil ihm da­durch, dass ihn die Be­tei­lig­te zu 2 nicht auf das Be­triebs­gelände lässt, nicht nur we­gen des Zeit­ab­laufs endgülti­ger Rechts­ver­lust droht, son­dern auch sei­ne Stel­lung als gewähl­tes Be­triebs­rats­mit­glied im Be­trieb und – aber­mals gewähl­ter stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Gre­mi­ums - nicht un­er­heb­lich erschüttert wird. Dem An­trag­stel­ler würde als Be­triebs­rats­mit­glied frühzei­ti­ger Ver­lust des An­se­hens als Amts­träger und des aus der Zu­sam­men­ar­beit fließen­den wich­ti­gen Kon­tak­tes mit der Be­leg­schaft dro­hen. Dies reicht für den Verfügungs­grund. Höhe­re An­for­de­run­gen sind an ihn nicht zu stel­len, da die deut­lich über­wie­gen­den Ar­gu­men­te für sei­nen Verfügungs­an­spruch auf Ermögli­chung sei­ner Be­triebs­rats­ar­beit spre­chen (LAG Köln v. 02. 08.2005 – 1 Sa 952/05 –).

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Im Übri­gen sind die In­ter­es­sen der Be­tei­lig­ten zu 2 da­durch ge­wahrt, dass die Be­schwer­de­kam­mer die Wir­kung der einst­wei­li­gen Verfügung - wie aus dem Te­nor er­sicht­lich - im Hin­blick auf das anhängi­ge Haupt­sa­che­ver­fah­ren zeit­lich be­grenzt hat.

 

 

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