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LAG Mün­chen, Ur­teil vom 17.06.2009, 9 Sa 997/08

   
Schlagworte: Ausschlussfrist, Betriebsratsmitglied
   
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Aktenzeichen: 9 Sa 997/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.06.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht München, Urteil vom 07.10.2008, 21 Ca 17834/07
nachgehend:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.09.2010, 7 AZR 513/09
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt München

Im Na­men des Vol­kes

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

B.
B-Straße, B-Stadt

- Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:
Rechts­se­kretäre C. C-Straße, C-Stadt

ge­gen

Fir­ma D.
D-Straße, C-Stadt

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

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hat die 9. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts München auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 22. April 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Dunkl und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Stöcker und Traut­mann
für Recht er­kannt:

I. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 07.10.2008 un­ter Zurück­wei­sung der Be­ru­fung im Übri­gen teil­wei­se ab­geändert und wie folgt neu ge­fasst:

1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin € 19.650,54 (i. W.: neun­zehn­tau­send­sechs­hun­dertfünf­zig 54/100 Eu­ro) brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit 08.01.2008 zu zah­len.

2. Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

3. Von den Kos­ten des Rechts­streits hat die Kläge­rin 6 %, die Be­klag­te 94 % zu tra­gen.

4. Der Streit­wert wird auf € 20.797,28 fest­ge­setzt.

II. Die Re­vi­si­on wird für die Be­klag­te zu­ge­las­sen.

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Tat­be­stand:

Die Kläge­rin ver­langt von der Be­klag­ten Lohn­aus­gleich gem. § 37 Abs. 4 Be­trVG.

Sie ist seit 24.08.1965 bei der Be­klag­ten beschäftigt. Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en sind we­gen Ta­rif­bin­dung bei­der Par­tei­en die Ta­rif­verträge der Druck­in­dus­trie in Bay­ern an­wend­bar.

Die Kläge­rin war zunächst als tech­ni­sche Hilfs­kraft beschäftigt. Im Jah­re 1999 wech­sel­te sie in die Post­stel­le, nahm dort die Tätig­keit als Post­sach­be­ar­bei­te­rin auf und wur­de in die Ge­halts­grup­pe G 2/3 ein­grup­piert. In der Post­stel­le ist auch Frau S. als Post­sach­be­ar­bei­te­rin tätig. Die­se ist seit 01.04.1997 in die Ge­halts­grup­pe G 3/4 ein­grup­piert.

Seit dem Jah­re 2002 ist die Kläge­rin von der Ar­beit frei­ge­stellt, und zwar je zur Hälf­te we­gen Be­triebs­ratstätig­keit und als Mit­glied der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung.

Mit Wir­kung ab 01.07.2002 wur­de sie in die Ge­halts­grup­pe G 2/5 ein­grup­piert. Erst­mals im Jah­re 2007 mach­te die Kläge­rin gel­tend, dass sie ih­rer Auf­fas­sung nach zu nied­rig ein­grup­piert und für ih­re Ein­grup­pie­rung Frau S. als Ver­gleichs­per­son her­an­zu­zie­hen sei. Mit Schrei­ben vom 27.08.2007 hat die Be­klag­te die Kläge­rin ab 01.07.2007 in die Ge­halts­grup­pe G 3/1 ein­grup­piert. Hier­mit war die Kläge­rin nicht ein­ver­stan­den und mit Schrei­ben vom 10.12.2007 (Bl. 11 d. A.) hat die Be­klag­te ihr dann mit­ge­teilt, dass sie rück­wir­kend zum 01.01.2007 in die Ge­halts­grup­pe G 3/4 ein­grup­piert wird.

Mit Schrei­ben vom 20.12.2007 (Bl. 12/13 d. A.) hat die Kläge­rin ge­for­dert, dass ihr auf der Ba­sis der Ge­halts­grup­pe G 3/4 rück­wir­kend seit Ja­nu­ar 2004 das Ge­halt nach­be­zahlt wird. Dies hat die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 20.12.2007 (Bl. 14/15 d. A.) ver­wei­gert und sich hier­bei auf ta­rif­li­che Ver­fall­fris­ten be­ru­fen.

§ 17 des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges für An­ge­stell­te der Druck­in­dus­trie in Bay­ern (künf­tig: MTV) hat fol­gen­den Wort­laut:

„§ 17 Aus­schluss­fris­ten
1. Für die Gel­tend­ma­chung von ta­rif­li­chen Ansprüchen gel­ten fol­gen­de Fris­ten:

a) Ansprüche auf Zu­schläge für Mehr­ar­beit, Nacht­ar­beit, Sams­tags­ar­beit, in­ner­halb der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit, Sonn­tags- und Fei­er­tags­ar­beit so­wie An­tritts­gebühren sind in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach

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Vor­lie­gen der Ge­halts­ab­rech­nung, in der sie zu berück­sich­ti­gen ge­we­sen wären, gel­tend zu ma­chen.

b) Für die Gel­tend­ma­chung sons­ti­ger ta­rif­li­cher Ansprüche beträgt die­se Frist drei Mo­na­te nach ih­rer Fällig­keit.

2. Im Fal­le des Aus­schei­dens ei­nes An­ge­stell­ten müssen al­le ge­gen­sei­ti­gen Ansprüche spätes­tens ei­nen Mo­nat nach Be­en­di­gung des An­ge­stell­ten­verhält­nis­ses schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den. Ei­ne even­tu­el­le Ab­leh­nung muss schrift­lich er­fol­gen.

3. Wird die Erfüllung von Ansprüchen aus Zif­fer 1 und 2 ab­ge­lehnt, müssen die­se in­ner­halb ei­ner wei­te­ren Frist von drei Mo­na­ten ge­richt­lich gel­tend ge­macht wer­den.

4. Ei­ne Gel­tend­ma­chung nach Ab­lauf der vor­ste­hen­den Fris­ten ist aus­ge­schlos­sen.“

Die Kläge­rin for­dert von der Be­klag­ten ins­ge­samt € 20.797,28 brut­to als Ent­gelt­dif­fe­renz zwi­schen der Ge­halts­grup­pe G 2/5 und G 3/4 (zu­sam­men­ge­setzt aus Ge­halt, ta­rif­li­cher Jah­res­leis­tung und ta­rif­li­chem Ur­laubs­geld) für die Jah­re 2004, 2005 und 2006 und be­ruft sich hier­bei als An­spruchs­grund­la­ge auf § 37 Abs. 4 Be­trVG und trägt vor, sie sei mit Frau S. ver­gleich­bar und sei eben­so wie die­se zu vergüten.

Der gel­tend ge­mach­te Nach­zah­lungs­an­spruch sei noch nicht ver­fal­len, da die Aus­schluss­frist des MTV nur auf ta­rif­li­che Ansprüche ab­stel­le, nicht auf ge­setz­li­che Ansprüche. Der An­spruch aus § 37 Abs. 4 Be­trVG sei ein ge­setz­li­cher und kein ta­rif­li­cher An­spruch.

Die Kläge­rin be­an­trag­te im ers­ten Rechts­zug:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin € 20.797,28 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­dis­kont­satz der Deut­schen Bun­des­bank jähr­lich ab Rechtshängig­keit zu zah­len.

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Die Be­klag­te be­an­trag­te da­ge­gen

die Kla­ge­ab­wei­sung

und trug vor, die von der Kläge­rin für den Zeit­raum 01.01.2004 bis 31.12.2006 gel­tend ge­mach­te For­de­rung bezüglich des Dif­fe­renz­be­tra­ges der Ge­halts­grup­pe G 2/5 zur G 3/4 beim Ar­beits­ent­gelt, der ta­rif­li­chen Jah­res­leis­tung und dem zusätz­li­chen Ur­laubs­geld be­ste­he dem Grun­de und der Höhe nach nicht. Bei den kla­ge­wei­se gel­tend ge­mach­ten Ansprüchen hand­le es sich um ta­rif­li­che Ansprüche im Sin­ne des ein­schlägi­gen MTV. Die­se würden da­her ein­deu­tig un­ter die Aus­schluss­frist des § 17 Ziff. 1 MTV fal­len. Der Ge­setz­ge­ber ha­be in § 37 Abs. 4 Be­trVG le­dig­lich den Grund­satz von § 78 Satz 1 Be­trVG näher kon­kre­ti­siert. Die­ser all­ge­mei­ne Grund­satz be­sa­ge, dass Be­triebs­rats­mit­glie­der we­gen ih­rer Tätig­keit nicht be­nach­tei­ligt oder begüns­tigt wer­den dürfen. Der Ge­setz­ge­ber ha­be kei­ne ma­te­ri­ell-recht­li­che An­spruchs­grund­la­ge für Vergütungs­ansprüche von Be­triebs­rats­mit­glie­dern ge­schaf­fen, son­dern aus­sch­ließlich ein Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot und ei­ne Ar­beits­ent­gelt­ga­ran­tie nor­miert. Das Be­triebs­rats­mit­glied könne dem­nach aus § 37 Abs. 4 Be­trVG nur den be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen An­spruch gel­tend ma­chen, dass sein Ar­beits­ent­gelt dem­je­ni­gen ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer mit be­triebsübli­cher Ent­wick­lung lau­fend an­ge­passt wer­de. Die ma­te­ri­ell-recht­li­che An­spruchs­grund­la­ge für das Ent­gelt blei­be je­doch wei­ter­hin der Ar­beits­ver­trag, ggf. i. V. m. ei­nem an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trag. Rein vor­sorg­lich wer­de die Höhe der ein­ge­klag­ten For­de­rung be­strit­ten. Die Kläge­rin ma­che für den Zeit­raum 01.01.2004 bis 31.12.2006 für je­des Ka­len­der­jahr zu viel Ur­laubs­geld gel­tend, ins­ge­samt € 1.146,74 brut­to.

Das Ar­beits­ge­richt München hat durch En­dur­teil vom 07.10.2008 die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung aus­geführt, der gel­tend ge­mach­te An­spruch sei je­den­falls gem. § 17 MTV ver­fal­len. § 37 Abs. 4 Be­trVG reg­le le­dig­lich den Grund­satz, dass das Ar­beits­ent­gelt von Mit­glie­dern des Be­triebs­rats ein­sch­ließlich ei­nes Zeit­raums von ei­nem Jahr nach Be­en­di­gung der Amts­zeit nicht ge­rin­ger be­mes­sen wer­den dürfe als das Ar­bei­tent­gelt ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer mit be­triebsübli­cher be­ruf­li­cher Ent­wick­lung. Über die kon­kre­te Höhe der Zah­lungs­ansprüche er­ge­be sich aus § 37 Abs. 4 Be­trVG nichts. Zwar übe die Kläge­rin als frei­ge­stell­tes Be­triebs­rats­mit­glied kei­ne in den ta­rif­ver­trag­li­chen Ent­gelt­grup­pen und -stu­fen auf­geführ­te Tätig­keit aus, dies gel­te aber ge­ra­de nicht für die Tätig­kei­ten

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der von ihr her­an­ge­zo­ge­nen Frau S. . Vor­lie­gend be­ru­he der An­spruch auf Ge­halts­an­pas­sung so­mit auf § 611 BGB i. V. m. dem Ar­beits­ver­trag und den ta­rif­li­chen Vor­schrif­ten über Ein­grup­pie­rung und Ent­gel­te, so­mit im Er­geb­nis auf ei­nem ta­rif­li­chen An­spruch i. S. d. § 17 MTV. Da die Kläge­rin erst­mals mit Schrei­ben vom 20.12.2007 die Be­klag­te auf­ge­for­dert ha­be, be­reits ab 01.01.2004 das Ge­halt nach­zu­rech­nen und nach­zu­zah­len, ha­be sie die Gel­tend­ma­chung in­ner­halb der Aus­schluss­frist des § 17 Abs. 1 b MTV versäumt.

Bezüglich des Vor­brin­gens der Par­tei­en im ers­ten Rechts­zug und der recht­li­chen Erwägun­gen des Ar­beits­ge­richts im Ein­zel­nen wird auf den In­halt des En­dur­teils des Ar­beits­ge­richts München vom 07.10.2008 (Bl. 69 - 74 d. A.) ver­wie­sen.

Die Kläge­rin hat ge­gen die­ses Ur­teil, das ihr am 22.10.2008 zu­ge­stellt wur­de, am 21.11.2008 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 21.01.2009 in­ner­halb der verlänger­ten Frist auch be­gründet.

Sie ver­folgt die in der ers­ten In­stanz ab­ge­wie­se­nen Ansprüche in vol­lem Um­fang wei­ter.

Die Kläge­rin be­an­tragt im Be­ru­fungs­ver­fah­ren:

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 07.10.2008 wird ab­geändert und die Be­klag­te ver­ur­teilt, an die Kläge­rin € 20.797,28 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­dis­kont­satz der Deut­schen Bun­des­bank jähr­lich ab Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt da­ge­gen

die kos­ten­pflich­ti­ge Zurück­wei­sung der Be­ru­fung.

Bezüglich des Vor­brin­gens der Par­tei­en im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf den In­halt des Schrift­sat­zes der Kläge­rin vom 21.01.2009 (Bl. 110 - 112 d. A.) und auf den Schrift­satz der Be­klag­ten vom 20.02.2009 (Bl. 118 - 121 d. A.) und vom 14.05.2009 (Bl. 145 – 160 d. A.) ver­wie­sen.

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Ent­schei­dungs­gründe:

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 07.10.2008 ist zulässig und im über­wie­gen­den Um­fang auch be­gründet.

1. Die Kläge­rin hat gem. § 37 Abs. 4 Be­trVG und §§ 96 Abs. 4 Satz 1, 96 Abs. 2, 96 Abs. 3 Satz 1 SGB IX i. V. m. § 37 Abs. 4 Be­trVG An­spruch auf Ent­gelt­aus­gleich für die Jah­re 2004, 2005 und 2006.

Sie hat mit ih­rer Kla­ge kei­nen An­spruch auf Höher­grup­pie­rung in die Ge­halts­grup­pe G 3/4 gel­tend ge­macht, son­dern ih­ren Vergütungs­an­spruch aus­drück­lich auf § 37 Abs. 4 Be­trVG gestützt und vor­ge­tra­gen, die mit ihr ver­gleich­ba­re Frau S., mit der sie bis zu ih­rer Frei­stel­lung im Jah­re 2002 in der Post­stel­le beschäftigt war, sei be­reits seit länge­rem in die Ge­halts­grup­pe G 3/4 ein­grup­piert und des­halb ha­be auch sie als frei­ge­stell­tes Be­triebs­rats­mit­glied bzw. frei­ge­stell­tes Mit­glied der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung gem. § 37 Abs. 4 Be­trVG An­spruch auf An­glei­chung des Ar­beits­ent­gelts an das­je­ni­ge der ver­gleich­ba­ren Frau S..

Die Be­klag­te hat we­der vor­pro­zes­su­al mit Schrei­ben vom 20.12.2007 (in Ant­wort auf das For­de­rungs­schrei­ben der Kläge­rin) noch im Lau­fe des Rechts­streits den gel­tend ge­mach­ten An­spruch der Kläge­rin nach § 37 Abs. 4 Be­trVG dem Grun­de nach sub­stan­ti­iert be­strit­ten, son­dern sich le­dig­lich dar­auf be­ru­fen, dass die Nach­zah­lungs­for­de­rung für die Jah­re 2004, 2005 und 2006 nach § 17 MTV ver­fal­len sei. Die Be­klag­te hat zwar im Schrift­satz vom 31.03.2008 vor­ge­tra­gen, dass die für den Zeit­raum 01.01.2004 bis 31.12.2006 gel­tend ge­mach­te For­de­rung „dem Grun­de und der Höhe nach nicht be­steht“, hat sich dann hier­zu aber le­dig­lich un­ter Ziff. 1 auf das Versäum­en der ta­rif­li­chen Aus­schluss­frist be­ru­fen und un­ter Ziff. 2 bezüglich der For­de­rungshöhe gel­tend ge­macht, dass die Kläge­rin bezüglich des Ur­laubs­gel­des € 1.146,74 brut­to zu viel gel­tend ge­macht ha­be.

Mit dem Grund des An­spruchs hat sich die Be­klag­te aber nicht aus­ein­an­der­ge­setzt. Es fehlt ein sub­stan­ti­ier­ter Vor­trag, dass und war­um sie den An­spruch der Kläge­rin nach § 37 Abs. 4 Be­trVG, bei der Vergütung an die­je­ni­ge von Frau S. an­ge­gli­chen zu wer­den, dem Grun­de nach be­strei­tet.

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Dafür, dass die Be­klag­te den An­spruch der Kläge­rin dem Grun­de nach auch gar nicht be­strei­ten woll­te, spricht, dass sie die Kläge­rin selbst ent­spre­chend dem Schrei­ben vom 10.12.2007 rück­wir­kend zum 01.01.2007 nach der Ge­halts­grup­pe G 3/4 vergütet hat; dies ge­schah nicht im Rah­men ei­ner Höher­grup­pie­rung we­gen veränder­ter höher­wer­ti­ger Tätig­keit (die Kläge­rin ist seit dem Jah­re 2002 von der Ar­beit frei­ge­stellt), son­dern im Hin­blick auf die For­de­rung der Kläge­rin gem. § 37 Abs. 4 Be­trVG.

2. Der Nach­zah­lungs­an­spruch der Kläge­rin für den Zeit­raum 01.01.2004 bis 31.12.2006 beträgt € 19.650,54 brut­to.

Gem. § 37 Abs. 4 Be­trVG hat sie An­spruch, wie Frau S. nach Ge­halts­grup­pe G 3/4 vergütet zu wer­den. Der Dif­fe­renz­be­trag für die Jah­re 2004, 2005 und 2006 zwi­schen der be­zahl­ten Vergütung nach Ge­halts­grup­pe G 2/5 und G 3/4 beläuft sich un­strei­tig beim Ge­halt auf (€ 5.677,12 + € 5.716,82 + € 5.759,85 =) € 17.153,89 brut­to und bei der ta­rif­li­chen Jah­res­leis­tung auf (€ 452,59 + € 452,59 + € 457,12 =) € 1.362,30 brut­to.

Beim ta­rif­li­chen Ur­laubs­geld beträgt aber der An­spruch nicht (€ 757,93 + € 757,93 + € 765,51 =) € 2.281,37 brut­to, wie von der Kläge­rin gel­tend ge­macht, son­dern nur (€ 372,63 + € 378,96 + € 382,76 =) € 1.134,35 brut­to, wie von der Be­klag­ten be­rech­net. Die Kläge­rin hat bei der Be­rech­nung des Ur­laubs­gel­des nicht berück­sich­tigt, dass die­ses pro Ur­laubs­tag nur „50 % des ver­ein­bar­ten Mo­nats­ge­halts bzw. der Aus­bil­dungs­vergütung : 22“ (§ 11 Ziff. 1 b MTV) beträgt. Sie hätte da­her bei der mo­nat­li­chen Dif­fe­renz­vergütung für die Be­rech­nung des Ur­laubs­gel­des al­so nur die Hälf­te zu­grun­de le­gen dürfen; dies hat sie über­se­hen.

Ihr Nach­zah­lungs­an­spruch für die Jah­re 2004, 2005 und 2006 beläuft sich so­mit auf ins­ge­samt € 19.650,54 brut­to (Ge­halt € 17.153,89 + ta­rif­li­che Jah­res­leis­tung € 1.362,30 + ta­rif­li­ches Ur­laubs­geld € 1.134,35); in Höhe von € 1.146,74 brut­to war so­mit die Kla­ge nicht be­gründet.

3. Der Zah­lungs­an­spruch der Kläge­rin ist nicht nach § 17 MTV ver­fal­len.

a) § 17 Abs. 1 MTV un­ter­wirft nach Wort­laut und Auf­bau nur ta­rif­li­che Ansprüche der Ver­fall­frist. § 17 Abs. 1 MTV ist - ab­ge­se­hen von Ziff. 1 a bezüglich des Um­fangs von Zu­schlägen - wort­i­den­tisch mit der Aus­schluss­frist des Ta­rif­ver­tra­ges, die dem Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 10.12.1986

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(5 AZR 507/85 - AP Nr. 51 zu § 1 Fei­er­tags­lohn­zah­lungsG) zu­grun­de lag. Das Be­ru­fungs­ge­richt teilt die Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts in die­sem Ur­teil, dass sich die Re­ge­lung in Ziff. 1 nur auf ta­rif­li­che Ansprüche be­schränkt, während in Ziff. 2 sich die Re­ge­lung auf al­le ge­gen­sei­ti­gen Ansprüche be­zieht und da­mit er­kenn­bar zwei Grup­pen von Ansprüchen ge­genüber­ge­stellt und ver­schie­de­nen Fris­ten un­ter­wor­fen wer­den. Außer­dem können die ta­rif­li­chen For­de­run­gen während des Ar­beits­verhält­nis­ses nach Ziff. 1 in­ner­halb von drei Mo­na­ten form­los gel­tend ge­macht wer­den, während al­le Ansprüche nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses gem. Ziff. 2 während ei­nes Mo­nats schrift­lich zu er­he­ben sind. Aus die­ser un­ter­schied­li­chen Re­ge­lung für Ansprüche während und nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses muss zwangsläufig ent­nom­men wer­den, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en dem Wort­laut ent­spre­chend die Ver­fall­sklau­sel in Ziff. 1 während des Be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses tatsächlich auf ta­rif­li­che Ansprüche be­schränken und im Ge­gen­satz zur Ziff. 2 nicht auf al­le Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­deh­nen woll­ten. Die Be­schränkung auf ta­rif­li­che Ansprüche in Ziff. 1 hat zur Fol­ge, dass ver­trag­li­che und ge­setz­li­che Ansprüche nicht er­fasst wer­den.

b) Bei der For­de­rung der Kläge­rin nach § 37 Abs. 4 Be­trVG han­delt es sich nicht um ei­nen ta­rif­li­chen, son­dern um ei­nen ge­setz­li­chen An­spruch. Ent­schei­dend für die­se Fra­ge ist die Rechts­grund­la­ge (BAG AP Nr. 51 zu § 1 Fei­er­tags­lohn­zah­lungsG). Zwar be­stimmt sich die Höhe des Aus­gleichs­an­spruchs der Kläge­rin nach ei­ner ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lung, weil die ver­gleich­ba­re Frau S. Ta­rif­ge­halt be­zieht und die Kläge­rin An­spruch dar­auf hat, wie die­se vergütet zu wer­den; je­doch kann der Aus­gleichs­an­spruch der Kläge­rin nicht aus dem Ta­rif­ver­trag her­ge­lei­tet wer­den, son­dern er hat sei­ne Rechts­grund­la­ge al­lein in § 37 Abs. 4 Be­trVG. Erst wenn die An­spruchs­grund­la­ge des § 37 Abs. 4 Be­trVG erfüllt ist, ist die Höhe des An­spruchs zu er­mit­teln. Da­bei er­gibt sich die Höhe des An­spruchs nicht zwangsläufig aus ei­nem Ta­rif­ver­trag, son­dern nur dann, wenn der ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer mit be­triebsübli­cher be­ruf­li­cher Ent­wick­lung ta­rif­lich vergütet wird. Aber selbst wenn der ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer ta­rif-

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lich vergütet wird, wird die Ta­rif­vergütung nicht zur An­spruchs­grund­la­ge. An­spruchs­grund­la­ge ist und bleibt die ge­setz­li­che Re­ge­lung in § 37 Abs. 4 Be­trVG. Dies gilt selbst dann, wenn die Höhe der zu zah­len­den Vergütung ta­rif­lich ge­re­gelt ist (eben­so Weyand, Aus­schluss­fris­ten im Ta­rif­recht, S. 95 Rz. 44). Da­mit un­terfällt die­ser ge­setz­li­che An­spruch nicht der Aus­schluss­klau­sel in Ziff. 1 MTV, da die­se nur ta­rif­li­che Ansprüche er­fasst.

c) Auch aus den von der Be­klag­ten im Schrift­satz vom 14.5.2009 zi­tier­ten Ent­schei­dun­gen er­ge­ben sich kei­ne Ar­gu­men­te, um aus dem ge­setz­li­chen An­spruch des § 37 Abs. 4 Be­trVG ei­nen ein­zel­ver­trag­li­chen oder ta­rif­ver­trag­li­chen An­spruch zu ma­chen.

So­weit die Be­klag­te den Be­schluss des BAG vom 30.1.1973 AP Nr. 1 zu § 37 Be­trVG 1972 anführt, ging es in die­ser Ent­schei­dung dar­um, ob der An­spruch aus § 37 Abs. 2 Be­trVG im Ur­teils- oder Be­schluss­ver­fah­ren gel­tend zu ma­chen ist. Hier hat das BAG zu­tref­fend aus­geführt, dass ein der­ar­ti­ger An­spruch ei­ne bürger­li­che Rechts­strei­tig­keit aus dem Ar­beits­verhält­nis ist, da er als auf­recht­er­hal­ten­der Lohn­an­spruch nach wie vor sei­ne ursprüng­li­che Rechts­grund­la­ge im Ar­beits­verhält­nis hat. Dies be­deu­tet aber nicht, dass §§ 37 Abs. 2 Be­trVG im Rah­men des be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne ei­ge­ne An­spruchs­grund­la­ge schafft. Denn § 611 Abs. 1 BGB kann kei­ne An­spruchs­grund­la­ge auf Vergütung der für Be­triebs­ratstätig­keit auf­ge­wen­de­ten Ar­beits­zeit sein, da ein An­spruch aus § 611 Abs. 1 BGB Ar­beits­leis­tung (Sy­nal­lag­ma Lohn ge­gen Ar­beit) vor­aus­setzt. Soll al­so die Zeit vergütet wer­den, für die kei­ne Ar­beit er­bracht wird, ist hierfür zwin­gend ei­ne ge­setz­li­che Son­der­re­ge­lung er­for­der­lich, wie zum Bei­spiel § 37 Abs. 2 Be­trVG. Dies ver­kennt die Be­klag­te.

Dies be­trifft auch den Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch aus § 2 und § 3 EFZG. An­spruchs­grund­la­ge auf Fort­zah­lung des Ent­gel­tes im Fal­le ei­nes Fei­er­ta­ges oder ei­ner Ar­beits­unfähig­keit in Fol­ge Krank­heit ist nicht § 611 Abs. 1 BGB, weil es an ei­ner Ar­beits­leis­tung fehlt, son­dern § 2 bzw. § 3 EFZG. Aus der zi­tier­ten Ent­schei­dung des BAG vom 16.1.2002 5 AZR 430/00 er­gibt sich nichts an­de­res. Das BAG hat in die­ser Ent­schei­dung den Ent­gelt-

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fort­zah­lungs­an­spruch nur des­halb als ta­rif­li­chen An­spruch an­ge­se­hen, weil der Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch in dem be­tref­fen­den Fall nicht nur im EFZG, son­dern da­ne­ben auch im ein­schlägi­gen Man­tel­ta­rif­ver­trag ge­re­gelt war und da­mit ei­ne ta­rif­li­che Grund­la­ge für den An­spruch vor­han­den war. Der von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­te An­spruch aus § 37 Abs. 4 Be­trVG ist aber hin­ge­gen im vor­lie­gen­den Fal­le nicht in ei­nem ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­trag ge­re­gelt, son­dern er­gibt sich al­lei­ne aus § 37 Abs. 4 Be­trVG und hat da­mit sei­ne Grund­la­ge al­lein im Ge­setz. Der An­spruch der Kläge­rin auf Ent­gelt­si­che­rung be­ruht we­der auf dem Ar­beits­ver­trag (weil ei­ne ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung fehlt) noch auf ei­nem Ta­rif­ver­trag (es gibt kei­ne ta­rif­li­che Re­ge­lung auf Ent­gelt­si­che­rung und auch die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen ent­spre­chen­den Ein­grup­pie­rungs­an­spruch feh­len), son­dern er be­ruht nur auf der ge­setz­li­chen Re­ge­lung des § 37 Abs. 4 Be­trVG und ist so­mit ein rein ge­setz­li­cher An­spruch.

d) So­weit sich die Be­klag­te und das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts auf das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 19.01.2005 (7 AZR 208/04) be­ru­fen, über­se­hen sie, dass es bei die­ser Ent­schei­dung um ei­ne Aus­schluss­frist ging, nach wel­cher nicht ta­rif­li­che Ansprüche, son­dern „Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis“ in­ner­halb der Aus­schluss­frist gel­tend zu ma­chen wa­ren und das Bun­des­ar­beits­ge­richt des­halb hier zu Recht ent­schie­den hat, dass es sich bei § 37 Abs. 4 Be­trVG um ei­nen An­spruch aus dem Ar­beits­verhält­nis - in Ab­gren­zung zu Auf­wen­dun­gen für Be­triebs­ratstätig­kei­ten - han­delt. Die Aus­schluss­klau­sel für „Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis“ ist wei­ter und er­fasst auch ge­setz­li­che Ansprüche, die sich aus dem Be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses er­ge­ben.

4. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Dr. Dunkl
Stöcker
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