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ArbG Stutt­gart, Ur­teil vom 25.02.2010, 9 Ca 416/09

   
Schlagworte: Betriebsänderung, Interessenausgleich, Namensliste, Kündigung: Betriebsbedingt
   
Gericht: Arbeitsgericht Stuttgart
Aktenzeichen: 9 Ca 416/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 25.02.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

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Te­nor

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 29.6.2009 nicht zum 31.12.2009 be­en­det wur­de.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger als Ver­sand­ar­bei­ter wei­ter zu beschäfti­gen.

3. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

4. Der Streit­wert wird auf 7800,- € fest­ge­setzt.

Tat­be­stand

Mit der am 09.07.2009 beim Ar­beits­ge­richt Stutt­gart, Kam­mern Aa­len, ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge, wen­det sich der Kläger ge­gen ei­ne or­dent­li­che, be­triebs­be­ding­te Kündi­gung der Be­klag­ten vom 29.06.2009 zum 31.12.2009.

Der am xx.xx.1959 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te Kläger ist seit Ju­li 1990 bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin als Ver­sand­ar­bei­ter beschäftigt. Der Kläger er­ziel­te zu­letzt ei­ne durch­schnitt­li­che Brut­to­mo­nats­vergütung von 2 600,00 €. Die Be­klag­te fer­tigt in H. ins­be­son­de­re Kon­den­sa­to­ren für die Elek­tro- und Elek­tro­nik­in­dus­trie, wo­bei sich auf Grund ei­ner Rei­he von Per­so­nal­ab­bau­maßnah­men die Be­leg­schaft in den letz­ten Jah­ren um mehr als die Hälf­te re­du­ziert hat.

Am 17.05.2006 schlos­sen die Be­klag­te und der bei ihr ge­bil­de­te Be­triebs­rat ei­nen „In­ter­es­sen­aus­gleich, So­zi­al­plan und Stand­ort­si­che­rung“ (Blatt 34 bis 42 der Ak­te). In die­sem In­ter­es­sen­aus­gleich wur­den be­reits fest­ste­hen­de Per­so­nal­ab­bau­maßnah­men ge­re­gelt und mögli­che wei­te­re Ab­bau­maßnah­men an­ge­spro­chen. Da­zu heißt es im In­ter­es­sen­aus­gleich aus­zugs­wei­se:

„2.4 Mögli­cher wei­te­rer Per­so­nal­ab­bau DOC 14A ("Ab­baufall DOC 14A") Mit dem Aus­lau­fen der Fer­ti­gung des Mul­ti­me­dia­gehäuses DOC 14A ent­fal­len die dies­bezügli­chen Ar­beitsplätze. Der Zeit­punkt des Weg­falls hängt von der Ent­wick­lung der Kun­den­aufträge ab und kann sich ggf. auch über ei­nen länge­ren Zeit­raum er­stre­cken.

So­weit den be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­tern kei­ne ih­rer je­wei­li­gen Qua­li­fi­ka­ti­on ent­spre­chen­de Wei­ter­beschäfti­gung am Stand­ort H. , z.B. über Nach­fol­ge- oder Er­satz­pro­duk­te oder an an­de­ren frei­en Ar­beitsplätzen, an­ge­bo­ten wer­den kann, ist die Fir­ma be­rech­tigt, bis zu 35 Mit­ar­bei­ter ab­zu­bau­en.

2.5 Mögli­cher wei­te­rer Per­so­nal­ab­bau UC ("mögli­cher Ab­baufall UC")

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Die Fir­ma kann bis zu 35 wei­te­re Mit­ar­bei­ter ab­bau­en, soll­te sich die Geschäfts­ent­wick­lung bei UC wei­ter­hin ver­schlech­tern und die Fir­ma sich des­halb ge­zwun­gen se­hen, die­se Ak­ti­vitäten zu re­du­zie­ren oder ganz ein­zu­stel­len.
Vor­aus­set­zung dafür ist, dass ei­ne der je­wei­li­gen Qua­li­fi­ka­ti­on der ein­zel­nen Mit­ar­bei­ter ent­spre­chen­de Wei­ter­beschäfti­gung am Stand­ort H. , z.B. über Nach­fol­ge- oder Er­satz­pro­duk­te oder an an­de­ren frei­en Ar­beitsplätzen, nicht möglich ist.
Der Zeit­punkt des mögli­chen Ab­baus, der sich eben­falls über ei­nen länge­ren Zeit­raum er­stre­cken kann, steht der­zeit noch nicht fest.

3. Durchführung des Per­so­nal­ab­baus im Drei-Stu­fen-Mo­dell

3.1 Be­schrei­bung des Drei-Stu­fen-Mo­dells
Der Per­so­nal­ab­bau für die in den Zif­fern 1.2.3 - 1.2.5 ge­nann­ten "Ab­baufälle" soll vor­ran­gig auf frei­wil­li­ger Ba­sis statt­fin­den und wird wie folgt um­ge­setzt:

1. Stu­fe: In ei­nem von den Be­triebs­par­tei­en ein­ver­nehm­lich fest­ge­leg­ten Zeit­raum er­hal­ten die Mit­ar­bei­ter eben­falls ein­ver­nehm­lich fest­ge­leg­te spe­zi­el­le An­ge­bo­te zur Ver­set­zung oder frei­wil­li­gen Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses. Die­se An­ge­bo­te rich­ten sich zwar grundsätz­lich an al­le Mit­ar­bei­ter des Stand­or­tes H. ; die Fir­ma kann je­doch ein­zel­ne Mit­ar­bei­ter, de­ren Wei­ter­beschäfti­gung - ins­be­son­de­re we­gen ih­rer Kennt­nis­se, Fähig­kei­ten und Leis­tun­gen oder zur Si­che­rung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur des Be­trie­bes - im be­rech­tig­ten be­trieb­li­chen In­ter­es­se liegt, aus dem Gel­tungs­be­reich des An­ge­bots aus­sch­ließen. Außer­dem sind sich die Be­triebs­par­tei­en ei­nig, dass die­se spe­zi­el­len An­ge­bo­te nur so­lan­ge gel­ten, bis die für den je­wei­li­gen "Ab­baufall" ein­ver­nehm­lich fest­ge­leg­te Höchst­zahl er­reicht ist.

2. Stu­fe: Wenn in der 1. Stu­fe nicht genügend frei­wil­li­ge Ver­ein­ba­run­gen zu­stan­de ge­kom­men sein soll­ten, um den gem. Zif­fern 1.2.3 bzw. 1.2.4 bzw. 1.2.5 er­for­der­li­chen Per­so­nal­ab­bau zu gewähr­leis­ten, erhält ei­ne un­ter Berück­sich­ti­gung der für den Stand­ort H. ver­ein­bar­ten So­zi­al­aus­wahl­kri­te­ri­en ein­ver­nehm­lich fest­ge­leg­te Grup­pe von Mit­ar­bei­tern, die in ei­ner Be­trof­fe­nen­lis­te auf­geführt wer­den, über Ein­zel­gespräche ei­ne wei­te­re Chan­ce, ei­ne der frei­wil­li­gen Maßnah­men an­zu­neh­men. An den Ein­zel­gesprächen soll auch ein Be­triebs­rats­mit­glied be­tei­ligt sein, wo­bei dies je nach Fall al­lei­ne mit dem be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­ter und/oder zu­sam­men mit der Führungs­kraft bzw. ei­nem Mit­ar­bei­ter der Per­so­nal­ab­tei­lung ge­sche­hen kann. In den Ein­zel­gesprächen ist der Mit­ar­bei­ter dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die 3. Stu­fe an­ge­wen­det wer­den muss, wenn in der 2. Stu­fe nicht genügend frei­wil­li­ge Ver­ein­ba­run­gen zu­stan­de kom­men. Die Be­triebs­par­tei­en le­gen für je­den "Ab­baufall" ein­ver­nehm­lich fest, wie lan­ge die 2. Stu­fe dau­ern soll.

3. Stu­fe: Wenn auch am En­de der 2. Stu­fe nicht genügend frei­wil­li­ge Ver­ein­ba­run­gen zu­stan­de ge­kom­men sind, er­hal­ten in der 3. Stu­fe, de­ren End­ter­min eben­falls ein­ver­nehm­lich fest­ge­legt wird, die­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter aus der in der 2. Stu­fe ver­ein­bar­ten Be­trof­fe­nen­lis­te, die kei­ne frei­wil­li­ge Ver­ein­ba­rung ab­ge­schlos­sen ha­ben, als "letz­tes Mit­tel" ei­ne be­triebs­be­ding­te Be­en­di­gungskündi­gung.“

Be­reits im Jahr 2007 ergänzen die Be­triebs­par­tei­en die­sen In­ter­es­sen­aus­gleich mit wei­te­ren „Be­trof­fe­nen­lis­ten“, die Ba­sis von wei­te­ren Per­so­nal­ab­bau­maßnah­men wa­ren.

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Am 04.06.2008 ver­ein­bar­ten die Be­triebs­par­tei­en ei­ne „1. Ergänzung zum In­ter­es­sen­aus­gleich, So­zi­al­plan und Stand­ort­si­che­rung vom 17.05.2006 (1. Teil des „Ab­baufalls DOC 14 A“)“ (Bl. 31¬33 d. Ak­te). Dar­in ist ver­ein­bart:

„2. Weg­fall von Ar­beitsplätzen
Auf­grund der Ent­wick­lung der Kun­den­aufträgen bei Mul­ti­me­di­akun­den sind die in H. zu fer­ti­gen­den Stück­zah­len für SAW DOC 14 A von der ursprüng­li­chen Nor­mal­aus­las­tung in Höhe von ca. 250 000 Stück pro Wo­che seit An­fang Ok­to­ber 2007 kon­ti­nu­ier­lich auf ein Ni­veau von ca. 140 000 Stück pro Wo­che zurück­ge­gan­gen und wer­den sich auf Grund des Aus­lau­fens die­ser Pro­dukt­rei­he vor­aus­sicht­lich auch nicht wie­der erhöhen.
Die­se Fer­ti­gungsstück­zahl er­for­dert auf Grund der
Aus­las­tungs­fest­stel­lung nur noch 25 Ar­beitsplätze, so­dass in ei­nem ers­ten Teil des „Ab­baufalls DOC 14 A“ zunächst 10 Mit­ar­bei­ter ab­ge­baut wer­den müssen.“

Wei­te heißt es:

„3.3 Ergänzen­de Ver­ein­ba­run­gen zum „Ab­baufall DOC 14A“
Darüber hin­aus tref­fen die Be­triebs­par­tei­en zum „Ab­baufall DOC 14 A“ fol­gen­den ergänzen­de Ver­ein­ba­run­gen:

(1) Die 25 Ar­beitsplätze, die in der Ab­tei­lung SAW DOC 14 A bis zum endgülti­gen Aus­lau­fen die­ser Pro­dukt­rei­he be­ste­hen blei­ben, gel­ten wei­ter­hin als „Ab­baufälle DOC 14 A“.

(2) Auch die 9 Ver­set­zun­gen, die gemäß Zif­fer 3.2 die­ses ergänzen­den In­ter­es­sen­aus­gleichs durch­zuführen sind, wer­den grundsätz­lich wei­ter als „Ab­baufall DOC 14 A“ be­han­delt. Da­von wer­den al­ler­dings die 2 Aus­trit­te ab­ge­zo­gen, die im Zeit­raum von Ok­to­ber 2007 bis zur Un­ter­zeich­nung die­ses ergänzen­den In­ter­es­sen­aus­gleich per Auf­he­bungs­ver­trag im Geschäfts­be­reich IN er­folgt sind, weil die­se Aus­trit­te so be­han­delt wer­den sol­len, als wenn sie im Rah­men des Drei-Stu­fen-Mo­dells ab­ge­schlos­sen wor­den wären. Die 7 wei­ter­hin als „Ab­baufall DOC 14 A“ gel­ten­den Ar­beitsplätze sind in An­la­ge 2 ent­spre­chend ge­kenn­zeich­net.

(3) So­bald die gemäß den Absätzen (1) und (2) wei­ter­hin als „Ab­baufälle DOC 14 A“ gel­ten­den 32 Ar­beitsplätze dau­er­haft weg­fal­len, wird der Ab­bau nach Re­ge­lun­gen im „In­ter­es­sen­aus­gleich, So­zi­al­plan und Stand­ort­si­che­rung vom 17.05.2006“ durch­geführt. Für die Ein­zel­hei­ten der Durchführung, ins­be­son­de­re zum „Drei-Stu­fen-Mo­dell“ (Zif­fer 3.1) und zu den „Spe­zi­el­len An­ge­bo­ten“ (Zif­fer 3.2), ver­pflich­tet sich die Be­triebs­par­tei­en, je­weils wei­te­re Ergänzun­gen zum In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 zu ver­ein­ba­ren. So­weit nach dem „Drei-Stu­fen-Mo­dell“ er­for­der­lich, um­fas­sen die­se Ergänzun­gen auch ei­ne Be­trof­fe­nen­lis­te.

(4) Für den Fall, dass ein Mit­ar­bei­ter nach dem dau­er­haf­ten Weg­fall sei­nes als „Ab­baufall DOC 14 A“ gel­ten­den Ar­beits­plat­zes noch für ei­nen be­fris­te­ten Zeit­raum auf ei­nem an­de­ren Ar­beits­platz am Stand­ort H. ein­ge­setzt wer­den kann, soll bei ei­ner vor­aus­sicht­li­chen Ein­satz­dau­er von mehr als zwei Mo­na­ten als mil­de­res Mit­tel ei­ne ent­spre­chen­de Ver­set­zung vor­ge­nom­men

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wer­den. Da­mit nicht für je­de sol­che Ver­set­zung wei­te­re Ergänzun­gen zum In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 ver­ein­bart wer­den müssen, ist in der je­wei­li­gen Ver­set­zungs­mel­dung (§ 99 Be­trVG) zu do­ku­men­tie­ren, dass der be­fris­te­te neue Ar­beits­platz als „Ab­baufall DOC 14 A“ be­han­delt wird. Die­ses Ver­fah­ren gilt auch bei mehr­fa­chen Ver­set­zun­gen auf ei­nen be­fris­te­ten neu­en Ar­beits­platz.“

Wei­ter fer­tig­ten die Be­triebs­par­tei­en ei­ne „Pro­to­koll­no­tiz zur 1. Ergänzung zum In­ter­es­sen­aus­gleich, So­zi­al­plan und Stand­ort­si­che­rung vom 17.05.2006“ (Bl. 44 d. Ak­te), in der es heißt: „Von dem in Punkt 3.3 (3) der o. g. „1. Ergänzung zum In­ter­es­sen­aus­gleich, So­zi­al­plan und Stand­ort­si­che­rung vom 17.05.2006“ auf­geführ­ten 32 Ar­beitsplätze des Ab­baufalls DOC 14 A wer­den nur ma­xi­mal 30 Ar­beitsplätze per ein­ver­nehm­li­cher fest­zu­le­gen­der Be­trof­fe­nen­lis­te gem. 3.3 (2) der ursprüng­li­chen Be­triebs­ver­ein­ba­rungIn­ter­es­sen­aus­gleich, So­zi­al­plan und Stand­ort­si­che­rung vom 17.05.2006“ ab­ge­baut.“

Mit Schrei­ben vom 19.05.2009 (Blatt 45 der Ak­te) teil­te die Be­klag­te dem Be­triebs­rat mit, dass die Fer­ti­gung des Mul­ti­me­di­a­fil­ters DOC 14 A in den nächs­ten sechs bis sie­ben Mo­na­ten ein­ge­stellt wer­de und, nach­dem Er­satz­ar­beitsplätze nicht an­ge­bo­ten wer­den könn­ten, der Ar­beit­ge­ber mit dem Be­triebs­rat ei­ne wei­te­re Be­trof­fe­nen­lis­te be­spre­chen möch­te. Gleich­zei­tig wur­de ei­ne Ge­samt­lis­te zur So­zi­al­aus­wahl für den ge­sam­ten Be­trieb Stand 18.05.2009 über­ge­ben.

Im Wei­te­ren zeig­te die Be­klag­te die ge­plan­ten Ent­las­sun­gen von 30 Ar­beit­neh­mern ge­genüber der Agen­tur für Ar­beit am 28.05.2009 an. Mit Be­scheid vom 09.06.2009 (Blatt 51/52 der Ak­te) teil­te die Agen­tur für Ar­beit der Be­klag­ten mit, dass die An­zei­ge am 08.06.2009 vollständig bei der Agen­tur für Ar­beit ein­ge­gan­gen sei und setz­te den Ab­lauf der Ent­las­sungs­sper­re auf den 08.07.2009 fest. Nach Gesprächen über die Na­mens­lis­te am 08.06.2009, 10.06.2009, 15. und 16.06.2009 ei­nig­ten sich die Be­triebs­par­tei­en schließlich am 19.06.2009 auf ei­ne Na­mens­lis­te, die mit „Be­trof­fe­nen­lis­ten zum Ab­baufall DOC 14 A gemäß In­ter­es­sen­aus­gleich, So­zi­al­plan und Stand­ort­si­che­rung vom 17.05.2006“ über­schrie­ben ist, ausführt, dass die­se Be­trof­fe­nen­lis­te mit ih­rer Un­ter­zeich­nung in­te­gra­ler Be­stand­teil des In­ter­es­sen­aus­gleich, So­zi­al­plan und Stand­ort­si­che­rung vom 17.05.2006 wird und ne­ben 25 wei­te­ren Ar­beit­neh­mern auch den Kläger na­ment­lich be­nennt. Bei der So­zi­al­aus­wahl wen­de­ten die Be­triebs­par­tei­en ein Punk­te­sche­ma (Bl. 29 d. Ak­te) an, bei dem der Kläger 79 Punk­te er­reich­te.

Eben­so am 19.06.2009 un­ter­zeich­ne­ten die Be­triebs­par­tei­en ei­ne Ver­ein­ba­rung vom 18.06.2009 zur „Vor­ge­hens­wei­se zur Um­set­zung der Maßnah­men gemäß der Be­trof­fe­nen­lis­te (Stand 18.06.2009) zum Ab­baufall DOC 14 A gemäß In­ter­es­sen­aus­gleich, So­zi­al­plan und Stand­ort­si­che­rung vom 17.05.2006 (Zif­fer I,2.4)“. Dort heißt es:

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„Die Be­trof­fe­nen­lis­te kann hin­sicht­lich des Aus­tau­sches der Na­men der Be­trof­fe­nen wie folgt verändert und bis ma­xi­mal 30 Per­so­nen ergänzt wer­den:

1. Kreis der Mit­ar­bei­ter, die in­ner­halb der Be­trof­fe­nen­lis­te ge­tauscht wer­den

Ent­spre­chend der An­zahl aus dem Kreis der Mit­ar­bei­ter, die sich auf­grund der „Mit­ar­bei­ter­in­for­ma­ti­on zur be­vor­ste­hen­den Per­so­nal­an­pas­sung im Be­reich SAW O DOC 14A H.“ vom 27.05.09 bei der Per­so­nal­ab­tei­lung ge­mel­det ha­ben und ei­ne frei­wil­li­ge Ver­ein­ba­rung un­ter den un­ter Punkt 2. auf­geführ­ten Be­din­gun­gen ab­sch­ließen, wer­den in der un­ter Punkt 3. auf­geführ­ten Rei­hen­fol­ge Mit­ar­bei­ter in­ner­halb der Be­trof­fe­nen­lis­te ge­tauscht. Die­sen Mit­ar­bei­tern wird ent­we­der die Rück­nah­me der Auf­he­bungs­ver­ein­ba­rung/BQG-Ver­trag an­ge­bo­ten oder die Rück­nah­me ei­ner ggfs. aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung.

2. Be­din­gun­gen für den Ab­schluss ei­ner frei­wil­li­gen Ver­ein­ba­rung und der Her­un­ter­nah­me von Per­so­nen von der Per­so­nen von der Be­trof­fe­nen­lis­te

Mit­ar­bei­ter, die sich in der Per­so­nal­ab­tei­lung ge­mel­det ha­ben und bis zum 19.06.2009 ei­ne frei­wil­li­ge Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung in Form ei­nes Auf­he­bungs- oder BQG-Ver­tra­ges ab­sch­ließen, ermögli­chen grundsätz­lich an­de­ren Mit­ar­bei­tern, von der Be­trof­fe­nen­lis­te her­un­ter­ge­nom­men zu wer­den, wenn die Mit­ar­bei­ter ei­ne in DOC14A vor­han­de­ne, ver­gleich­ba­re Tätig­keit ausüben (z.B. Ein­rich­ter, Ma­schi­nen­be­die­ner, Ser­vice­elek­tro­ni­ker). Der Mit­ar­bei­ter, der dann die­se Maßnah­me an­nimmt wird an­stel­le des bis­he­ri­gen Mit­ar­bei­ters auf die Be­trof­fe­nen­lis­te ge­setzt.
Mit­ar­bei­ter, die sich bis 19.06.09 in der Per­so­nal­ab­tei­lung ge­mel­det ha­ben und ei­ne frei­wil­li­ge Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung in Form ei­ner Frühpen­sio­nie­rungs­re­ge­lung (v.B-Re­ge­lung) ab­sch­ließen wol­len, ermögli­chen grundsätz­lich an­de­ren Mit­ar­bei­tern von der Be­trof­fe­nen­lis­te her­un­ter­ge­nom­men zu wer­den, wenn die Mit­ar­bei­ter ei­ne in DOC14A vor­han­de­ne, ver­gleich­ba­re Tätig­keit ausüben (z.B. Ein­rich­ter, Ma­schi­nen­be­die­ner, Ser­vice­elek­tro­ni­ker). Da­bei muss sich der in Fra­ge kom­men­de Mit­ar­bei­ter bis En­de 31. Ju­li 2009 ent­schie­den ha­ben, ob er die v.B-Re­ge­lung an­nimmt, es sein denn, dass er nach­weis­lich ei­nen Ren­ten­be­ra­tungs­ter­min erst nach dem 31.7.09 er­hal­ten kann. Der Mit­ar­bei­ter, der dann die­se Maßnah­me an­nimmt wird an­stel­le des bis­he­ri­gen Mit­ar­bei­ters auf die Be­trof­fe­nen­lis­te ge­setzt.

3. Rei­hen­fol­ge, wie die Mit­ar­bei­ter von der Be­trof­fe­nen­lis­te her­un­ter­ge­nom­men wer­den

Soll­ten mehr als 4 Mit­ar­bei­ter, die sich bis 19.06.2009 in der Per­so­nal­ab­tei­lung für ei­ne Frühpen­sio­nie­rungs­re­ge­lung ge­mel­det ha­ben, sol­che Maßnah­men ent­spre­chend der un­ter Punkt 2. ge­nann­ten Ter­min­be­din­gun­gen an­neh­men, wird die über 4 Mit­ar­bei­ter hin­aus­ge­hen­de An­zahl da­zu her­an­ge­zo­gen, Mit­ar­bei­ter von der Be­trof­fe­nen­lis­te her­un­ter­zu­neh­men. Dem­ent­spre­chend wer­den die Mit­ar­bei­ter in der Rei­hen­fol­ge, wie sich Mit­ar­bei­ter für ei­ne Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung ent­schei­den und ent­spre­chend der Tätig­keits­ka­te­go­rie (Fach­ar­bei­ter bzw. Mon­ta­ge­per­so­nal/Sons­ti­ge) von der Be­trof­fe­nen­lis­te ge­nom­men und durch Mit­ar­bei­ter gem. der un­ter Punkt 2. ge­nann­ten Maßnah­men er­setzt. Wer durch wen in­ner­halb der Be­trof­fe­nen­lis­te er­setzt wird, wird mit dem Be­triebs­rat ab­ge­stimmt. Die Be­trof­fe­nen­lis­te wird ent­spre­chend er­wei­tert bzw. ab­geändert.“

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Mit Schrei­ben vom 23.06.2009 lei­te­te die Be­klag­te die Anhörung des Be­triebs­ra­tes zur be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung des Klägers ein (Blatt 46, 47 der Ak­te). In die­sem Schrei­ben ist ne­ben der Nen­nung der So­zi­al­da­ten des Klägers aus­geführt: „Mit Schrei­ben vom 19.05.2009 und in ab­sch­ließen­den Gesprächen wur­de Ih­nen be­reits mit­ge­teilt, dass die Fer­ti­gung für Mul­ti­me­di­a­fil­ter in H. we­gen Auf­trags­man­gel En­de Ok­to­ber 2009 ein­ge­stellt wird. Da­durch wird der be­reits ver­ein­bar­te Per­so­nal­ab­bau gemäß „In­ter­es­sen­aus­gleich, So­zi­al­plan und Stand­ort­si­che­rung vom 17.05.2006“ Punkt I/2.4 er­for­der­lich. Ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung der Be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­ter am Stand­ort H. ist nicht möglich. Über die über den ge­sam­ten Stand­ort durch­zuführen­de So­zi­al­aus­wahl ist, wie mit Ih­nen ausführ­lich münd­lich be­spro­chen und erörtert, Herr L. vom Per­so­nal­ab­bau be­trof­fen (sie­he die mit Ih­nen am 19.06.2009 be­schlos­se­ne Be­trof­fe­nen­lis­te). Die der So­zi­al­aus­wahl zu­grun­de lie­gen­den Mit­ar­bei­ter­lis­ten mit den ak­tu­el­len So­zi­al­da­ten stan­den Ih­nen zur Verfügung. Un­ser An­ge­bot zum Ab­schluss ei­nes BQG-Ver­tra­ges wur­de nicht an­ge­nom­men.“

Am 25.06.2009 nahm der Be­triebs­rat zur be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung in der Wei­se Stel­lung, dass der Be­triebs­rat die Kündi­gung zur Kennt­nis nahm.

Mit Schrei­ben vom 29.06.2009 (Blatt 5 der Ak­te) kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger or­dent­lich zum 31.12.2009. Hier­ge­gen rich­tet sich die Kla­ge vom 09.07.2009.

Nach Aus­spruch der Kündi­gung schie­den min­des­tens 7 Ar­beit­neh­mer bei der Be­klag­ten frei­wil­lig aus. Im Zu­ge des­sen ver­ein­bar­ten die Be­triebs­par­tei­en am 21.09.2009 ei­ne Ergänzungs­na­mens­lis­te (Blatt 86 der Ak­te), auf die ei­ner­seits drei von der ursprüng­li­chen Na­mens­lis­te zu löschen­de Ar­beit­neh­mer und an­de­rer­seits die frei­wil­lig aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mer (als auf die ursprüng­li­che Na­mens­lis­te neu auf­zu­neh­men­de Be­trof­fe­ne) ge­setzt wur­den.

Der Kläger rügt im We­sent­li­chen die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge, die Be­triebs­rats­anhörung und ver­tritt die Rechts­an­sicht, dass die Na­mens­lis­te vom 19.06.2009 schon auf Grund des großen zeit­li­chen Ab­stands zum In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 kei­ne ein­heit­li­che Ur­kun­de mit die­sem bil­de. Ins­ge­samt sei der In­ter­es­sen­aus­gleich mit Na­mens­lis­te nicht ge­eig­net, die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 1 Abs. 5 KSchG zu be­gründen. Auch ha­be sich die Sach­la­ge seit Ab­schluss des In­ter­es­sen­aus­gleichs im We­sent­li­chen geändert, so dass auch in­so­weit kei­ne aus­rei­chen­de Grund­la­ge im Sin­ne von § 1 Abs. 5 KSchG be­ste­he. Auch würden ak­tu­ell im ge­sam­ten Be­trieb Über­stun­den ge­leis­tet. Sch­ließlich sei auch die So­zi­al­aus­wahl feh­ler­haft. Ins­be­son­de­re ha­be Herr M. der mit dem Kläger ver­gleich­bar sei, nur 76,33 Punk­te er­reicht, die­sem sei da­her vor­ran­gig zu kündi­gen ge­we­sen.

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Der Kläger be­an­tragt:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis­sen durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 29.06.2009 nicht zum 31.12.2009 auf­gelöst wird, son­dern zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen darüber hin­aus fort­be­steht.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen als Ver­sand­ar­bei­ter wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te be­haup­tet un­ter Be­zug­nah­me auf den mit dem Be­triebs­rat ver­ein­bar­ten In­ter­es­sen­aus­gleich mit Na­mens­lis­te im We­sent­li­chen, dass es im Be­reich „DOC 14 A“ seit Frühjahr 2008 ei­nen deut­li­chen Auf­tragsrück­gang ge­ge­ben ha­be, so dass im April 2009 die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung ge­trof­fen wor­den sei, die Pro­duk­ti­on in die­sem Be­reich bis En­de Ok­to­ber 2009 ein­zu­stel­len. Da­her sei mit dem Be­triebs­rat in der Fol­ge vie­ler Ver­hand­lun­gen die Na­mens­lis­te zum be­reits im In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 an­ge­leg­ten Ab­baufall DOC 14 A ver­ein­bart wor­den. Im Rah­men der So­zi­al­aus­wahl ha­be man ein Punk­te­sche­ma an­ge­wandt und den Kläger mit Ma­schi­nen­be­die­nern und sons­ti­gen Ar­beit­neh­mern ver­gli­chen. Hier­zu nimmt die Be­klag­te auf die Lis­te al­ler mit dem Kläger für ver­gleich­bar ge­hal­te­nen Ar­beit­neh­mern (Blatt 30 der Ak­te) Be­zug. Im Rah­men der Be­triebs­rats­anhörung ha­be die Be­klag­te dem Be­triebs­rat nicht noch­mals sämt­li­che aus dem ständi­gen Ver­hand­lun­gen be­reits be­kann­ten Umstände vor­tra­gen müssen, son­dern ha­be auf die­se Ver­hand­lun­gen und Kennt­nis­se Be­zug neh­men dürfen. So sei am 03.06.2009 be­reits ein ers­ter Ent­wurf ei­ner Na­mens­lis­te dem Be­triebs­rat über­ge­ben wor­den, der am 08.06.2009 ausführ­lich be­spro­chen wor­den sei. Wei­te­re Be­spre­chun­gen ha­be es nach der Überg­a­be ei­ner wei­te­ren Na­mens­lis­te am 10.06.2009, am 15.06. und 16.06.2009 ge­ge­ben, be­vor am 19.06.2009 schließlich die Na­mens­lis­te ver­ein­bart wor­den sei. Gemäß der Ver­ein­ba­rung vom 19.06.2009 zur mögli­chen Ände­rung der Na­mens­lis­te ha­be man im Sep­tem­ber 2009 drei Ar­beit­neh­mer von der ursprüng­li­chen Na­mens­lis­te ge­stri­chen und die an­der­wei­tig aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mer auf die­se auf­ge­nom­men.

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Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en im Ein­zel­nen wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf die Pro­to­kol­le der münd­li­chen Ver­hand­lun­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

A.

Die Kla­ge hat Er­folg

I.

Nach ge­bo­te­ner Aus­le­gung des noch ge­stell­ten Fest­stel­lungs­an­trags zu Zif­fer 1 be­ste­hen ge­gen des­sen Zulässig­keit kei­ner­lei Be­den­ken. Bei die­sem han­delt es sich aus­sch­ließlich um ei­nen An­trag nach § 4 KSchG, für den sich das Rechts­schutz­bedürf­nis be­reits aus § 7 KSchG er­gibt. Dies er­gibt sich mit Ein­deu­tig­keit dar­aus, dass der bis­he­ri­ge Fest­stel­lungs­an­trag Zif­fer 2 aus der Kla­ge­schrift ei­nen zusätz­lich ge­stell­ten An­trag nach § 256 ZPO dar­stel­len soll­te. Wo­bei die­ser am Kam­mer­ter­min vom 25.02.2010 zurück­ge­nom­men wur­de.

II.

Die Kla­ge ist auch be­gründet. Die Kündi­gung vom 29.06.2009 be­en­det das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht. Die Kündi­gung er­weist sich als rechts­un­wirk­sam.

1. Die Kla­ge wur­de in­ner­halb der Drei­wo­chen­frist er­ho­ben (§ 4 KSchG), so dass die Kündi­gung nicht gemäß § 7 KSchG als rechts­wirk­sam gilt.

2. Die Kündi­gung schei­tert aber noch nicht an ei­ner et­waig un­ter­las­se­nen oder feh­ler­haf­ten Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge (§ 17 KSchG). Die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge muss zwar vor Aus­spruch der Kündi­gung er­folgt sein (vgl. BAG vom 28.05.2009, 8 AZR 273/08, NZA 2009, 1267 ff. mwN; BAG vom 12.07.2007, 2 AZR 448/05, NZA 2008, 425 ff.) und ins­be­son­de­re dem sog. „Muss-In­halt“ ge­recht wer­den (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG), wo­bei der Ar­beit­ge­ber im Kündi­gungs­schutz­pro­zess, wenn der Ar­beit­neh­mer zunächst die tatsächli­chen Vor­aus­set­zun­gen zur Durchführung ei­ner Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge dar­ge­legt und ord­nungs­gemäß gerügt hat (vgl. Lembke/Ober­win­ter, NJW 2007, 721, 723), dies dar­le­gen muss (vgl. BAG vom 24.02.2005, NZA 2005, 766 ff.), wor­an es vor­lie­gend fehlt. Al­ler­dings ist be­reits vor Aus­spruch der Kündi­gung ein - zwi­schen­zeit­lich be­stands­kräfti­ger - Be­scheid

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durch die Agen­tur für Ar­beit am 09.06.2009 er­gan­gen, mit dem in­zi­dent fest­steht, dass ei­ne wirk­sa­me Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge er­stat­tet wur­de, denn die Agen­tur für Ar­beit hat den Ab­lauf der Ent­las­sungs­sper­re auf den 08.07.2009 fest­ge­setzt. Die Ar­beits­ge­rich­te sind in ei­nem sol­chen Fall ver­pflich­tet - so­lan­ge kei­ne nich­ti­ger Ver­wal­tungs­akt vor­liegt - be­stands­kräfti­ge, ge­ge­be­nen­falls auch rechts­wid­ri­ge Ver­wal­tungs­ak­te zu be­ach­ten; die Ar­beits­ge­richt sind dann ge­hin­dert, im Kündi­gungs­schutz­pro­zess die Ent­schei­dung der Ar­beits­ver­wal­tung nach­zu­prüfen (vgl. BAG vom 24.10.1996, 2 AZR 895/95; BAG vom 13.04.2000, 2 AZR 215/99; LAG Hamm vom 24.04.2002, 2 Sa 1847/01; KR - Wei­gand, 9. Auf­la­ge 2009, § 20 KSchG, Rnd­nr. 73). Ein Ent­schei­dungs- und Über­prüfungs­recht der Ar­beits­ge­rich­te be­steht an­ge­sichts des­sen im Kündi­gungs­rechts­streit zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber und dem Ar­beit­neh­mer nur in­so­weit, als nicht der­ar­ti­ge be­stands­kräfti­ge Ent­schei­dun­gen der Agen­tur für Ar­beit vor­lie­gen. So­weit be­stands­kräfti­ge Ent­schei­dun­gen der Agen­tur für Ar­beit vor­lie­gen, die zum In­halt ha­ben, dass Sperr­fris­ten zu be­stimm­ten Zeit aus­lau­fen bzw. Ent­las­sun­gen zu be­stimm­ten Zei­ten wirk­sam wer­den, gibt es für die Ar­beits­ge­rich­te nichts nach­zu­prüfen, un­abhängig da­von, wel­che Vor­fra­gen die Agen­tur für Ar­beit bei ih­rer Ent­schei­dung rich­tig oder un­zu­tref­fend ent­schie­den hat (vgl. Moll, in: Ascheid/Preis/Schmidt, 3. Aufl. 2007, § 20 KSchG, Rnd­nr. 41). Folg­lich schei­tert die Kündi­gung vor­lie­gend nicht an § 17 KSchG, da für das Ar­beits­ge­richt ei­ne ord­nungs­gemäße Mas­se­ent­las­sungs­an­zei­ge in­zi­dent und bin­dend fest­steht.

3. Die Kündi­gung schei­tert auch nicht an § 102 Abs. 1 Be­trVG, denn aus den Dar­le­gun­gen des Ar­beit­ge­bers er­gibt sich ei­ne aus­rei­chen­de Anhörung des Be­triebs­ra­tes.

a) Auch bei Vor­lie­gen ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs mit Na­mens­lis­te iSd. § 1 Abs. 5 KSchG ist der Ar­beit­ge­ber nicht von der Pflicht zur Anhörung des Be­triebs­rats zur Kündi­gung ent­bun­den. Die Be­triebs­rats­anhörung un­ter­liegt kei­nen er­leich­ter­ten An­for­de­run­gen (vgl. BAG vom 22.01.2004, 2 AZR 111/02, AP Be­trVG 1972 § 112 Na­mens­lis­te Nr. 1 = EzA KSchG § 1 In­ter­es­sen­aus­gleich Nr. 11; 20.05.1999, 2 AZR 532/98, BA­GE 91, 341, 344). Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG hat der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat die Gründe für die Kündi­gung mit­zu­tei­len, d.h. der Ar­beit­ge­ber muss schrift­lich oder münd­lich dem Be­triebs­rat ne­ben nähe­ren In­for­ma­tio­nen über die Per­son des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers die Art und den Zeit­punkt der Kündi­gung und die sei­ner An­sicht nach maßgeb­li­chen Kündi­gungs­gründe mit­tei­len (BAG vom 15.11.1995, 2 AZR 974/94, AP Be­trVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 89). Der für den Ar­beit­ge­ber maßge­ben­de Sach­ver­halt ist un­ter An­ga­be der Tat­sa­chen, aus de­nen der Kündi­gungs­ent­schluss her­ge­lei­tet wird, näher so zu be­schrei­ben, dass der Be­triebs­rat oh­ne zusätz­li­che ei­ge­ne Nach­for­schun­gen in die La­ge ver­setzt wird, die Stich­hal­tig­keit der Kündi­gungs­gründe zu

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prüfen und sich über ei­ne Stel­lung­nah­me schlüssig zu wer­den (vgl. BAG vom 6.02.1997, 2 AZR 265/96, AP Be­trVG 1972 § 102 Nr. 85 = EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 96). Kommt der Ar­beit­ge­ber die­sen An­for­de­run­gen an sei­ne Mit­tei­lungs­pflicht nicht oder nicht rich­tig nach und un­ter­lau­fen ihm in­so­weit bei der Durchführung der Anhörung Feh­ler, ist die Kündi­gung un­wirk­sam (BAG vom 27.06.1985, 2 AZR 412/84, BA­GE 49, 136, 142). Al­ler­dings ist die Mit­tei­lungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers sub­jek­tiv de­ter­mi­niert. An sie sind nicht die­sel­ben An­for­de­run­gen zu stel­len wie an die Dar­le­gungs- und Be­weis­last des Ar­beit­ge­bers im Kündi­gungs­schutz­pro­zess. Es müssen dem Be­triebs­rat al­so nicht al­le ob­jek­tiv kündi­gungs­recht­lich er­heb­li­chen Tat­sa­chen, son­dern vom Ar­beit­ge­ber nur die von ihm für die Kündi­gung als aus­schlag­ge­bend an­ge­se­he­nen Umstände mit­ge­teilt wer­den (st. Rspr., bspw. BAG vom 6.07.2006, 2 AZR 520/05, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 68; 24.06.2004, 2 AZR 461/03, AP BGB § 620 Kündi­gungs­erklärung Nr. 22 = EzA Be­trVG 2001 § 102 Nr. 9; 6.11.2003, 2 AZR 690/02, BA­GE 108, 269, 280). Da­ge­gen führt ei­ne aus Sicht des Ar­beit­ge­bers be­wusst un­rich­ti­ge oder un­vollständi­ge und da­mit ir­reführen­de Dar­stel­lung zu ei­ner feh­ler­haf­ten Anhörung des Be­triebs­rats (vgl. BAG vom 6.10.2005, 2 AZR 316/04, AP Be­trVG 1972 § 102 Nr. 150 = EzA Be­trVG 2001 § 102 Nr. 16; 22.09. 2004, 2 AZR 31/94, BA­GE 78, 39, 47 f.; 13.05.2004, 2 AZR 329/03, BA­GE 110, 331 , 334).
Ei­ner nähe­ren Dar­le­gung der Kündi­gungs­gründe durch den Ar­beit­ge­ber be­darf es al­ler­dings dann nicht, wenn der Be­triebs­rat bei Ein­lei­tung des Anhörungs­ver­fah­rens be­reits über den er­for­der­li­chen Kennt­nis­stand verfügt, um zu der kon­kret be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung ei­ne sach­ge­rech­te Stel­lung­nah­me ab­ge­ben zu können (vgl. BAG vom 23.10.2008, 2 AZR 163/07 mwN). Die­sen Kennt­nis­stand kann der Be­triebs­rat ins­be­son­de­re in den Ver­hand­lun­gen zum Ab­schluss des In­ter­es­sen­aus­gleichs mit Na­mens­lis­te er­langt ha­ben (vgl. BAG vom 21.02.2002, EzA § 1 KSchG In­ter­es­sen­aus­gleich Nr. 10). Dass der Be­triebs­rat Vor­kennt­nis­se hat­te, muss der Ar­beit­ge­ber im Pro­zess kon­kret dar­le­gen und ggf. be­wei­sen (vgl. BAG vom 20.05.1999, 2 AZR 532/98). Legt der Ar­beit­ge­ber dies bzw. die Umstände dar, aus de­nen die Ord­nungs­gemäßheit der Anhörung folgt, darf sich der Ar­beit­neh­mer nicht dar­auf be­schränken, die ord­nungs­gemäße Be­triebs­rats­anhörung pau­schal zu be­strei­ten. Viel­mehr hat der Ar­beit­neh­mer dann nach § 138 Abs. 1, 2 ZPO vollständig und im Ein­zel­nen dar­zu­le­gen, ob der Be­triebs­rat ent­ge­gen der Be­haup­tung des Ar­beit­ge­bers über­haupt nicht an­gehört wor­den sei oder in wel­chen Punk­ten er die tatsächli­chen Erklärun­gen des Ar­beit­ge­bers über die Be­triebs­rats­anhörung für falsch oder für un­vollständig hält (vgl. BAG vom 24.04.2008, 8 AZR 268/07, NZA 2008, Sei­te 1314 ff.; BAG vom 18.05.2006, 2 AZR 245/05, EzA § 1 KSchG Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung

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Nr. 148).

b) Dies berück­sich­ti­gend hat die Be­klag­te dar­ge­legt, dass be­reits im Jahr 2006 der In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 mit der Möglich­keit des zukünf­ti­gen wei­te­ren Per­so­nal­ab­baus ver­ein­bart wur­de und durch den Ab­schluss der Ergänzung zum In­ter­es­sen­aus­gleich vom 04.06.2008 der Wil­le zum wei­te­ren Per­so­nal­ab­bau be­kräftigt und ak­tua­li­siert wur­de. In die­ser Ergänzung ist auch der wirt­schaft­li­che Hin­ter­grund der not­wen­di­gen Per­so­nal­an­pas­sung fest­ge­hal­ten. Wei­ter hat die Be­klag­te dar­ge­legt, dass sie mit­tels Schrei­bens vom 19.05.2009 ih­re Ab­sicht zum wei­te­ren Per­so­nal­ab­bau wei­ter kon­kre­ti­siert und den Hin­ter­grund näher erläutert hat. So ist dort ins­be­son­de­re die Fer­ti­gungs­ein­stel­lung des Mul­ti­me­di­a­fil­ters DOC 14 A in den nächs­ten sechs bis sie­ben Mo­na­ten fest­ge­hal­ten. Wei­ter wur­de dem Be­triebs­rat mit die­sem Schrei­ben ei­ne Ge­samt­per­so­nal­lis­te zur So­zi­al­aus­wahl über­ge­ben. Sch­ließlich hat die Be­klag­te den wei­te­ren Gang des Ver­fah­rens, be­gin­nend mit der Über­sen­dung ei­nes ers­ten Ent­wurfs zur Na­mens­lis­te am 03.06.2009, bis hin zur ab­sch­ließen­den Ver­ein­ba­rung der Na­mens­lis­te am 19.06.2009, dar­ge­legt. Da­mit ist für das Ge­richt nach­voll­zieh­bar, dass der Be­triebs­rat im Zeit­punkt der Ein­lei­tung des in­di­vi­du­el­len Anhörungs­ver­fah­rens am 23.06.2009 be­reits über Vor­kennt­nis verfügt hat, die es ihm un­ter Berück­sich­ti­gung der Be­zug­nah­men im Anhörungs­schrei­ben vom 23.06.2009 er­laub­ten, sich oh­ne ei­ge­ne wei­te­re Nach­for­schun­gen ein Bild von der Stich­hal­tig­keit der Kündi­gung zu ma­chen. Die dar­auf­hin vom Kläger nur pau­schal er­ho­be­nen Rügen zur Be­triebs­rats­anhörung sind dem­ge­genüber un­be­acht­lich.

4. Die Kündi­gung schei­tert aber vor­lie­gend am an­zu­wen­den­den Kündi­gungs­schutz­ge­setz (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG). Denn die Kündi­gung ist nicht durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se be­dingt, die ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers über den Ab­lauf der Kündi­gungs­frist, ent­ge­gen­ste­hen (§ 1 Abs. 2 KSchG).

a) Die drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­se wer­den zunächst nicht gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG in Ver­bin­dung mit § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 495, 292 ZPO ver­mu­tet. Denn der Kläger ist, als Ar­beit­neh­mer, dem gekündigt wer­den soll, nicht in ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleich nach § 1 Abs. 5 KSchG zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat na­ment­lich be­zeich­net. Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last dafür, dass der Ar­beit­neh­mer ord­nungs­gemäß in ei­nem wirk­sa­men In­ter­es­sen­aus­gleich be­nannt wur­de, trägt der Ar­beit­ge­ber (vgl. BAG vom 07.05.1998, NZA 1998 S. 933).

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aa) Nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG ist ein In­ter­es­sen­aus­gleich über ei­ne ge­plan­te Be­triebsände­rung schrift­lich nie­der­zu­le­gen und vom Un­ter­neh­mer und vom Be­triebs­rat zu un­ter­schrei­ben. Auf das ge­setz­li­che Schrift­for­mer­for­der­nis sind die §§ 125, 126 BGB an­wend­bar. Das Schrift­for­mer­for­der­nis ist nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht al­lein des­halb ver­letzt, weil die Na­mens­lis­te nicht im In­ter­es­sen­aus­gleich selbst, son­dern in ei­ner An­la­ge ent­hal­ten ist. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG spricht zwar da­von, die na­ment­li­che Be­zeich­nung müsse "in ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleich" er­fol­gen. Das Er­for­der­nis ist aber erfüllt, wenn In­ter­es­sen­aus­gleich und Na­mens­lis­te ei­ne Ur­kun­de bil­den (vgl. BAG vom 22.01.2004, EzA § 1 KSchG In­ter­es­sen­aus­gleich Nr. 11; BAG vom 21.02.2002, EzA § 1 KSchG In­ter­es­sen­aus­gleich Nr. 10). Wird die Na­mens­lis­te ge­trennt vom In­ter­es­sen­aus­gleich er­stellt, reicht es aus, wenn sie von den Be­triebs­par­tei­en un­ter­zeich­net ist und in ihr oder im In­ter­es­sen­aus­gleich auf sie Be­zug ge­nom­men ist (vgl. BAG vom 22.01.2004, a.a.O.). Aber auch dann, wenn die Na­mens­lis­te selbst nicht un­ter­schrie­ben ist, kann die Un­ter­schrift un­ter dem In­ter­es­sen­aus­gleich die Na­mens­lis­te noch als Teil des In­ter­es­sen­aus­gleichs de­cken. Aus­rei­chend ist es je­den­falls, wenn die Hauptur­kun­de un­ter­schrie­ben ist, in ihr auf die nicht un­ter­schrie­be­ne An­la­ge aus­drück­lich Be­zug ge­nom­men ist und Hauptur­kun­de und nach­fol­gen­de An­la­ge mit­tels Heft­ma­schi­ne körper­lich der­art zu ei­ner ein­heit­li­chen Ur­kun­de ver­bun­den sind, dass ei­ne Lösung nur durch Ge­walt­an­wen­dung (lösen der Heft­klam­mer) möglich ist (vgl. BAG vom 06.12.2001, EzA § 1 KSchG In­ter­es­sen­aus­gleich Nr. 9). Dem­ge­genüber ist das Er­for­der­nis der Ein­heit der Ur­kun­de, dass als Vor­aus­set­zung der Schrift­form dem in § 126 Abs. 2 BGB vor­ge­se­he­nen Re­gel­fall ei­nes Schriftstücks zu ent­neh­men ist, nicht be­reits dann erfüllt, wenn ei­ne bloß ge­dank­li­che Ver­bin­dung (Be­zug­nah­me) zur Hauptur­kun­de be­steht. Viel­mehr muss die Ver­bin­dung auch äußer­lich und durch tatsächli­che Beifügung der in Be­zug ge­nom­me­nen Ur­kun­de zur Hauptur­kun­de in Er­schei­nung tre­ten (vgl. BGH vom 13.11.1963, BGHZ 40, 255, 263; BAG vom 06.07.2006, NZA 2007, Sei­te 266 ff.). Des­halb müssen im Au­gen­blick der Un­ter­zeich­nung die Schriftstücke als ein­heit­li­che Ur­kun­de äußer­lich er­kenn­bar wer­den (vgl. BAG vom 06.07.2006, NZA 2007, Sei­te 266 m.w.N.). Die Ergänzung ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs um ei­ne Na­mens­lis­te ist nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts darüber hin­aus nur dann möglich, wenn dies zeit­nah er­folgt (vgl. BAG v. 22.01.2004, a.a.O.; BAG v. 06.07.2006, a.a.O.; LAG Köln v. 22.02.2007, Az.: 6 Sa 974/06). Wann ei­ne zeit­na­he Ergänzung des In­ter­es­sen­aus­gleichs vor­liegt, kann al­ler­dings nicht durch ei­ne star­re Re­gel­frist be­stimmt wer­den. Ent­schei­dend sind die Umstände des Ein­zel­falls. Aus­gangs­punkt

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ist der in § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ver­deut­lich­te Wil­le des Ge­setz­ge­bers, wo­nach sich In­ter­es­sen­aus­gleich und Na­mens­lis­te als ein­heit­li­che Ur­kun­de dar­stel­len müssen. Die An­for­de­rung ei­ner zeit­na­hen Ergänzung soll da­her eben­so wie das Er­for­der­nis ei­ner in­halt­li­chen Be­zug­nah­me si­cher­stel­len, dass ein hin­rei­chen­der Zu­sam­men­hang zwi­schen der Na­mens­lis­te und dem In­ter­es­sen­aus­gleich be­steht. Die­ser Zu­sam­men­hang kann sich in zeit­li­cher Hin­sicht bei­spiels­wei­se aus fort­dau­ern­den Ver­hand­lun­gen der Be­triebs­par­tei­en über die Er­stel­lung ei­ner Na­mens­lis­te er­ge­ben. Die Gren­ze bil­det der Aus­spruch der Kündi­gung (vgl. BAG vom 26.03.2009, 2 AZR 296/07, NZA 2009, 1151 ff.; Kiel, in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 1 KSchG, Rnd­nr. 797; ErfK/Gall­ner 10. Aufl. § 125 In­sO, Rnd­nr. 2).

bb) Hier­nach fehlt es beim In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 und der Na­mens­lis­te vom 19.06.2009 nicht am Merk­mal der Ur­kun­den­ein­heit. Denn die Na­mens­lis­te vom 19.06.2009 nimmt aus­drück­lich auf den In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 Be­zug und erklärt, dass die­se in­te­gra­ler Be­stand­teil des In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 mit de­ren Un­ter­zeich­nung wird. Auch stellt sich die große zeit­li­che Dif­fe­renz von mehr als drei Jah­ren zwi­schen Ab­schluss des In­ter­es­sen­aus­gleichs und Ver­ein­ba­rung der Na­mens­lis­te als unschädlich dar, da zwar von ei­ner „zeit­na­hen“ Ergänzung kaum mehr die Re­de sein kein, dem Merk­mal der „Zeitnähe“ aber kei­ne ei­genständi­ge Be­deu­tung, wel­ches über die Prüfung der Ur­kun­den­ein­heit hin­aus­gin­ge, zu­kommt. Ent­schei­dend ist der in­ne­re Zu­sam­men­hang zwi­schen In­ter­es­sen­aus­gleich und Na­mens­lis­te, der hier durch die Be­zug­nah­me und die über die Jah­re geführ­ten, fort­lau­fen­den Ver­hand­lun­gen her­ge­stellt ist. Vor al­lem ha­ben die Be­triebs­par­tei­en noch im Jahr 2008 ei­ne Ergänzung zum In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 ver­ein­bart, mit der sie zum Aus­druck ge­bracht ha­ben, dass der be­reits im In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 vor­ge­se­he­ne, mögli­che wei­te­re Per­so­nal­ab­bau „DOC 14 A“ not­wen­dig sein wird. Vor die­sem Hin­ter­grund und die­sem Ge­sche­hens­ab­lauf be­ste­hen hin­sicht­lich des Merk­mals der Ur­kun­den­ein­heit kei­ne Be­den­ken.

cc) Gleich­wohl kann sich die Be­klag­te vor­lie­gend nicht auf die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG be­ru­fen, denn der ver­ein­bar­te Vor­be­halt ei­ner Ände­rung der Na­mens­lis­te vom 19.06.2009 dis­qua­li­fi­ziert die ver­ein­bar­te Be­trof­fe­nen­lis­te als Na­mens­lis­te im Sin­ne von § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG.
Da­bei ist die Ver­ein­ba­rung zur mögli­chen Ände­rung der Na­mens­lis­te mit Un­ter­zeich­nung durch die Be­triebs­par­tei­en selbst In­halt und Be­stand­teil der Ur­kun­de „In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006“ ge­wor­den, denn im Schrei­ben vom

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18.06./19.06.2009 (Bl. 48/49 d. Ak­te) wird auf den In­ter­es­sen­aus­gleich vom 17.05.2006 kon­kret Be­zug ge­nom­men. Die ver­ein­bar­te Möglich­keit zur Ände­rung der Na­mens­lis­te wi­der­spricht der Re­ge­lung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG. Der Zweck der Re­ge­lung des § 1 Abs. 5 KSchG be­steht vor al­lem dar­in, bei be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen ei­ner größeren Zahl von Ar­beit­neh­mern die So­zi­al­aus­wahl für al­le Be­tei­lig­ten rechts­si­cher zu ge­stal­ten (vgl. BT - Drucks. 15/1204 Sei­te 11). Mit Blick auf die­ses Bedürf­nis hielt es der Ge­setz­ge­ber für an­ge­zeigt, dass die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen die Sachnähe der Be­triebs­par­tei­en in ge­wis­sem Um­fang an­er­ken­nen und hat den von ih­nen ge­trof­fe­nen Ein­zel­fall­ent­schei­dun­gen die Ver­mu­tung der Rich­tig­keit zu­ge­bil­ligt. Der Ge­setz­ge­ber ging für den Nor­mal­fall da­von aus, dass sich die Be­triebs­par­tei­en über al­le Per­so­nen verständi­gen würden, de­ren Ar­beits­verhält­nis be­en­det wer­den soll. Le­dig­lich um der rechts­si­che­ren Um­set­zung von Kündi­gun­gen im Zu­sam­men­hang mit Be­triebsände­run­gen Wil­len hat der Ge­setz­ge­ber den Be­triebs­par­tei­en die Möglich­keit ein­geräumt, durch die Ver­ein­ba­rung ei­ner Na­mens­lis­te den pro­zes­sua­len Prüfungs­maßstab im Kündi­gungs­rechts­streit zu ver­en­gen. Dies bleibt insb. bei der Fra­ge nach der An­er­ken­nung so­ge­nann­ter „Teil- Na­mens­lis­ten“ zur berück­sich­ti­gen, wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der jüngs­ten Ent­schei­dung vom 26.03.2009 (2 AZR 296/07, NZA 2009, 1151 ff.) aus­geführt hat. Re­gelmäßig wird nur aus ei­ner die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung ins­ge­samt er­fas­sen­den Lis­te deut­lich, wie sich die dem In­ter­es­sen­aus­gleich zu Grun­de lie­gen­den Be­triebsände­rung aus Sicht der Be­triebs­par­tei­en auf die kon­kre­ten Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten der Ar­beit­neh­mer im Be­trieb ins­ge­samt aus­wirkt, wel­che Ar­beit­neh­mer un­ter Be­ach­tung so­zia­ler Aus­wahl­ge­sichts­punk­te gekündigt wer­den müssen (und wel­che nicht) und ob die Be­triebs­part­ner bei der so­zia­len Aus­wahl ein von ih­nen zu Grun­de ge­leg­tes Sys­tem, vor al­lem was die Bil­dung von Ver­gleichs­grup­pen an­be­langt, durchgängig ein­ge­hal­ten ha­ben (vgl. BAG vom 26.03.2009, 2 AZR 296/07, NZA 2009, 1151 ff.).
Hier­aus folgt, dass der Vor­be­halt ei­ner Ände­rung der ver­ein­bar­ten Na­mens­lis­te grundsätz­lich schädlich ist, um in den Ge­nuss der Ver­mu­tungs­wir­kung des § 1 Abs. 5 KSchG zu kom­men. Denn im Zeit­punkt der Kündi­gung be­steht für den ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer ge­ra­de kei­ne Rechts­si­cher­heit, ob er nicht doch von der Lis­te noch ge­nom­men wer­den wird bzw. schließlich noch auf der geänder­ten Lis­te er­schei­nen wird. Zu­mal nach der Ver­ein­ba­rung vom 18.06./19.06.2009 die ein­zel­ne Strei­chung und Er­set­zung auf der Na­mens­lis­te erst zwi­schen den Be­triebs­par­tei­en „ab­ge­stimmt“ wer­den muss. Ei­ne Sinn und Zweck des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ent­spre­chen­de, rechts­si­che­re Ge­stal­tung, bei der der ein­zel­ne, be­trof­fe­ne

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Ar­beit­neh­mer nach Un­ter­zeich­nung der Na­mens­lis­te un­schwer er­ken­nen kann, was für ihn gel­ten soll, ist da­mit nicht möglich und er­reich­bar. Dies zeigt sich ge­ra­de auch am vor­lie­gen­dem Fall, denn die Be­triebs­par­tei­en ha­ben ca. drei Mo­na­te nach Ab­fas­sung der Na­mens­lis­te vom 19.06.2009 drei Ar­beit­neh­mer von die­ser ge­stri­chen und wei­te­re sie­ben Ar­beit­neh­mer auf die­se ge­setzt, wo­bei die­se sie­ben Ar­beit­neh­mer oh­ne­hin durch frei­wil­li­ge Ver­ein­ba­run­gen bzw. frei­wil­lig aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den sind. Da­mit wa­ren die­se sie­ben Ar­beit­neh­mer oh­ne­hin nicht auf die Na­mens­lis­te zu set­zen. In ei­ne Na­mens­lis­te dürfen nach der Recht­spre­chung des BAG, der auch die er­ken­nen­de Kam­mer folgt, aus­sch­ließlich Ar­beit­neh­mer auf­ge­nom­men wer­den, die aus der Sicht der Be­triebs­par­tei­en auf Grund der im In­ter­es­se­aus­gleich zu Grun­de lie­gen­den Be­triebsände­rung zu kündi­gen sind (vgl. BAG vom 26.03.2009, 2 AZR 296/07, a.a.O.). Wie die Be­triebs­par­tei­en bei der Strei­chung der drei Ar­beit­neh­mer vor­ge­gan­gen sind, ist un­klar, letzt­lich aber auch un­er­heb­lich, denn be­reits der Vor­be­halt der Ände­rung der Na­mens­lis­te in ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleich steht der an­ge­streb­ten Ver­mu­tungs­wir­kung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ent­ge­gen.

b) Der Vor­trag der Be­klag­ten nach § 1 Abs. 5 KSchG wird vor­lie­gend auch nicht den nach § 1 Abs. 2 KSchG für ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung zu stel­len­den An­for­de­run­gen ge­recht.

aa) Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts können sich drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se im Sin­ne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG aus in­ner­be­trieb­li­chen oder außer­be­trieb­li­chen Gründen er­ge­ben. Aus in­ner­be­trieb­li­chen Gründen ist ei­ne Kündi­gung ge­recht­fer­tigt, wenn sich der Ar­beit­ge­ber im Un­ter­neh­mens­be­reich zu ei­ner or­ga­ni­sa­to­ri­schen Maßnah­me ent­schließt, bei de­ren in­ner­be­trieb­li­chen Um­set­zung das Bedürf­nis für die Wei­ter­beschäfti­gung ei­nes oder meh­re­rer Ar­beit­neh­mer entfällt (vgl. zu al­le­dem z. B. BAG vom 17.06.1999, 2 AZR 141/99 = EzA § 1 KSchG Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 102 = NZA 1999, Sei­te 1098 ff.; BAG vom 17.06.1999, 2 AZR 522/98 = EzA § 1 KSchG Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 101; BAG vom 17.06.1999, 2 AZR 456/98 = EzA § 1 KSchG Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 103; BAG vom 10.10.2002, 2 AZR 598/01 = EzA § 1 KSchG Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 122). Ei­ne sol­che un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung un­ter­liegt gemäß der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nur ei­ner Miss­brauchs­kon­trol­le. Sie ist le­dig­lich dar­auf­hin zu über­prüfen, ob sie of­fen­bar un­vernünf­tig oder willkürlich ist und ob sie tatsächlich ursächlich für den vom Ar­beit­ge­ber gel­tend ge­mach­ten Beschäfti­gungs­weg­fall ist. In

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vol­lem Um­fang ge­richt­lich über­prüfbar ist aber die Fra­ge, ob die vom Ar­beit­ge­ber ge­trof­fe­ne Un­ter­neh­mer­ent­schei­dung tatsächlich vor­liegt und sich im be­trieb­li­chen Be­reich da­hin aus­wirkt, dass für die Wei­ter­beschäfti­gung des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers kein Bedürf­nis mehr be­steht (vgl. KR-Grie­be­ling, § 1 KSchG, Rnd­nr. 534). Läuft die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung dar­auf hin­aus, den Per­so­nal­be­stand auf Dau­er zu re­du­zie­ren, ver­bun­den mit ei­ner Neu­ver­tei­lung der dem be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer oder den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern bis­her zu­ge­wie­se­nen Auf­ga­ben, be­darf es der Kon­kre­ti­sie­rung die­ser Ent­schei­dung hin­sicht­lich ih­rer or­ga­ni­sa­to­ri­schen Durchführ­bar­keit und hin­sicht­lich des Be­griffs "Dau­er", um dem Ge­richt im Hin­blick auf die ge­setz­lich dem Ar­beit­ge­ber auf­er­leg­te Dar­le­gungs­last (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG) ei­ne Über­prüfung zu ermögli­chen (BAG vom 17.06.1999, 2 AZR 141/99 a. a. O.; BAG vom 10.10.2002, 2 AZR 598/01 a. a. O.). Je näher da­bei die ei­gent­li­che Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dung an den Kündi­gungs­ent­schluss rückt, um­so mehr muss der Ar­beit­ge­ber durch Tat­sa­chen­vor­trag ver­deut­li­chen, dass ein Beschäfti­gungs­bedürf­nis für den Ar­beit­neh­mer ent­fal­len ist (vgl. BAG vom 17.06.1999, NZA 1999, Sei­te 1098 ff.). Da­bei darf sich der Ar­beit­ge­ber nicht auf ei­ne schlag­wort­ar­ti­ge Um­schrei­bung be­schränken; er muss sei­ne tatsächli­chen An­ga­ben viel­mehr so im Ein­zel­nen dar­le­gen (sub­stan­ti­ie­ren), dass sie vom Ar­beit­neh­mer mit Ge­gen­tat­sa­chen be­strit­ten und vom Ge­richt über­prüft wer­den können. Bei Kündi­gun­gen aus in­ner­be­trieb­li­chen Gründen muss der Ar­beit­ge­ber al­so dar­le­gen, wel­che or­ga­ni­sa­to­ri­schen oder tech­ni­schen Maßnah­men er an­ge­ord­net hat und wie sich die von ihm be­haup­te­ten Umstände un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar auf die Beschäfti­gungsmöglich­keit für den oder die gekündig­ten Ar­beit­neh­mer aus­wir­ken, d. h. in wel­chem Um­fang die bis­her vom Ar­beit­neh­mer aus­geübten Tätig­kei­ten zukünf­tig im Ver­gleich zum bis­he­ri­gen Zu­stand ent­fal­len (BAG vom 17.06.1999, 2 AZR 141/99 a. a. O.; BAG vom 10.10.2002, 2 AZR 598/01 a. a. O.). Der Ar­beit­ge­ber muss auf­grund sei­ner un­ter­neh­me­ri­schen Vor­ga­ben die zukünf­ti­ge Ent­wick­lung der Ar­beits­men­ge an­hand ei­ner näher kon­kre­ti­sier­ten Pro­gno­se dar­stel­len und an­ge­ben, wie die an­fal­len­den Ar­bei­ten vom ver­blie­be­nen Per­so­nal oh­ne über­ob­li­ga­to­ri­sche Leis­tung er­le­digt wer­den können (BAG vom 27.09.2001, 2 AZR 176/00 = EzA Kündi­gungs­schutz­ge­setz § 14 Nr. 6; BAG vom 10.10.2002, 2 AZR 598/01 a. a. O.). So­lan­ge sol­che un­zu­mut­ba­ren An­stren­gun­gen nicht ver­langt wer­den und das un­ter­neh­me­ri­sche Kon­zept nicht ge­set­zes-, ta­rif- oder ver­trags­wid­rig ist, liegt ei­ne bin­den­de Un­ter­neh­mer­ent­schei­dung vor (vgl. Ha­Ko-Gall­ner, 3. Aufl. 2007, § 1 KSchG, Rnd­nr. 642).

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bb) An­hand des vom Ar­beit­ge­ber nach § 1 Abs. 5 KSchG ge­hal­te­nen Sach­vor­trags ist für das Ge­richt nicht an­satz­wei­se nach­voll­zieh­bar, in wel­chem Um­fang auf Grund der Sch­ließung der Ab­tei­lung „DOC 14 A“ Beschäfti­gungs­be­darf tatsächlich entfällt.

5. Sch­ließlich schei­tert die Kündi­gung aber auch an § 1 Abs. 3 KSchG, nach­dem die vor­ge­nom­me­ne So­zi­al­aus­wahl - man­gels ein­ge­tre­te­ner Ver­mu­tungs­wir­kung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG - nicht le­dig­lich auf gro­be Feh­ler­haf­tig­keit (§ 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG) zu über­prüfen ist. Denn die Be­klag­te hat Ar­beit­neh­mern, die sie selbst für ver­gleich­bar ge­hal­ten hat (Blatt 30 der Ak­te) und die we­ni­ger Punk­te nach dem an­ge­wand­ten Punk­te­sche­ma er­reicht ha­ben nicht vor­ran­gig gekündigt. Bei­spiel­haft hat die Be­klag­te den Ar­beit­neh­mer M., ob­wohl die­ser mit 76,33 Punk­ten we­ni­ger Punk­te als der Kläger er­reicht hat, wei­ter­beschäftigt. Dass Gründe vor­lie­gen, die es recht­fer­ti­gen, von der durch An­wen­dung des Punk­te­sche­mas ein­ge­tre­te­nen Selbst­bin­dung des Ar­beit­ge­bers ab­zu­wei­chen, hat die Be­klag­te nicht vor­ge­tra­gen. Der Ar­beit­ge­ber genügt zwar sei­ner Pflicht, die ge­setz­li­chen Kri­te­ri­en aus­rei­chend bzw. nicht grob feh­ler­haft zu berück­sich­ti­gen, be­reits dann, wenn das Aus­wahl­er­geb­nis ob­jek­tiv aus­rei­chend bzw. nicht grob feh­ler­haft ist (vgl. BAG vom 17.01.2008, 2 AZR 405/06, DB 2008, 1688; BAG vom 18.10.2006, 2 AZR 473/05, NZA 2007, 505). Dass dies - un­abhängig von der kon­kre­ten Punk­te­ver­ga­be - vor­lie­gend der Fall ist, hat die Be­klag­te aber nicht an­satz­wei­se dar­ge­legt.

III.

1. Auch der ge­stell­te Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag ist zulässig, wo­bei die­ser da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen war, dass dem Zu­satz „zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen“ kei­ne ei­genständi­ge Be­deu­tung zu­kommt, da die Ar­beits­be­din­gun­gen zwi­schen den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en nicht strei­tig sind.

2. Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag ist auch be­gründet.

a) Außer­halb der Re­ge­lung der §§ 102 Abs. 5 Be­trVG, 79 Abs. 2 BPers­VG hat der gekündig­te Ar­beit­neh­mer nach der zu­tref­fen­den Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ei­nen ar­beits­ver­trag­li­chen An­spruch auf ver­trags­gemäße Beschäfti­gung über den Ab­lauf der Kündi­gungs­frist oder bei ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung über den Zu­gang hin­aus bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses, wenn die Kündi­gung un­wirk­sam ist und über­wie­gen­de schutz­wer­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ei­ner sol­chen Beschäfti­gung nicht ent­ge­gen­ste­hen. Außer im Fal­le ei­ner of­fen­sicht­lich un­wirk­sa­men Kündi­gung be­gründet

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die Un­ge­wiss­heit über den Aus­gang des Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses ein schutz­wer­tes In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Nicht­beschäfti­gung des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers für die Dau­er des Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses. Die­ses über­wiegt in der Re­gel das Beschäfti­gungs­in­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers bis zu dem Zeit­punkt, in dem im Kündi­gungs­pro­zess ein die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung fest­stel­len­des Ur­teil er­geht. So­lan­ge ein sol­ches Ur­teil be­steht, kann die Un­ge­wiss­heit des Pro­zess­aus­gangs für sich al­lein ein über­wie­gen­des Ge­gen­in­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers nicht mehr be­gründen. Hin­zu­kom­men müssen dann viel­mehr zusätz­li­che Umstände, aus de­nen sich im Ein­zel­fall ein über­wie­gen­des In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers er­gibt, den Ar­beit­neh­mer nicht zu beschäfti­gen. Zu den­ken ist hier­bei et­wa an sol­che Umstände, die auch im streit­los be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis den Ar­beit­ge­ber zur vorläufi­gen Su­s­pen­die­rung des Ar­beit­neh­mers be­rech­ti­gen (vgl. BAG, Großer Se­nat, Be­schluss vom 27.02.1985, NZA 1985, Sei­te 702 ff. (708)). Dies können nur sol­che Umstände sein, die ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung beim Ar­beit­ge­ber un­zu­mut­bar er­schei­nen las­sen, was et­wa dann ge­ge­ben sein kann, wenn durch die wei­te­re Mit­ar­beit für den Be­trieb er­heb­li­cher Scha­den zu er­war­ten ist (vgl. KR-Et­zel, 9. Aufl. 2009, § 102 Be­trVG, Rnd­nr. 275). Der Ar­beit­ge­ber ist hierfür dar­le­gungs- und be­weis­be­las­tet (vgl. Ka­nia, in: Kütt­ner, Per­so­nal­buch, Beschäfti­gungs­an­spruch, Rnd­nr. 7). Die­se "zusätz­li­chen Umstände" sind sol­che, die nicht be­reits Ge­gen­stand der Prüfung der Rechtmäßig­keit der Kündi­gung nach § 626 BGB oder § 1 KSchG sind. Maßgeb­lich sind viel­mehr sol­che Umstände, die ne­ben den für die Vor­aus­set­zung zur Recht­fer­ti­gung der Kündi­gung vor­zu­tra­gen­den Tat­sa­chen die In­ter­es­sen­la­ge der Be­tei­lig­ten prägen. Hier­bei sind die­je­ni­gen In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers den­je­ni­gen des Ar­beit­neh­mers ge­genüber­zu­stel­len (vgl. LAG Hes­sen v. 15.12.2006, NZA-RR 2007, 192 ff.).

b) Nach­dem die Be­klag­te kei­ne nach dem Vor­ste­hen­den maßgeb­li­chen Gründe vor­ge­tra­gen hat, war sie zur Wei­ter­beschäfti­gung zu ver­ur­tei­len.

B.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 495, 269 Abs. 3 Satz 2,
92 Abs. 2 Num­mer 1 ZPO ana­log, nach­dem der Kläger im Kam­mer­ter­min den er­wei­ter­ten Fest­stel­lungs­an­trag zurück­ge­nom­men und im Übri­gen vollständig ob­siegt hat.

Die Streit­wert­fest­set­zung be­ruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, drei Brut­to­mo­nats­vergütun­gen lie­gen zu Grun­de (§ 42 Abs. 3 GKG).

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