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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 10.07.2015, 8 Sa 531/15

   
Schlagworte: Abfindung, Sozialplan
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 8 Sa 531/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.07.2015
   
Leitsätze: Keine generelle Anspruchskonkurrenz zwischen Sozialplanabfindung und Abfindung nach § 1 a KSchG
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt/Oder, Urteil vom 04.03.2015, 5 Ca 1616/14
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ber­lin-Bran­den­burg

Verkündet

am 10.07.2015

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
8 Sa 531/15

5 Ca 1616/14
Ar­beits­ge­richt Frank­furt (Oder)  

S., RHS
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 8. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 10. Ju­li 2015
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt A. als Vor­sit­zen­de
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Dr. M. und Herrn B.
für Recht er­kannt:

I. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt (Oder) vom 4. März 2015 - 5 Ca 1616/14 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

A.  

Dr. M.  

B.

 

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Tat­be­stand

Der Kläger nimmt die Be­klag­te, bei der er seit 1974 beschäftigt war, auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung nach § 1 a KSchG in Höhe von 86.300,00 Eu­ro in An­spruch, nach­dem er ge­gen die be­triebs­be­ding­te Kündi­gung der Be­klag­ten mit dem Schrei­ben vom 10. Fe­bru­ar 2014 (An­la­ge K 1, Bl. 4 – 5 d. A.) kei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben hat und die Be­klag­te an ihn ei­ne Ab­fin­dung aus ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleich vom 15. Ja­nu­ar 2014 (An­la­ge K 3, Bl. 7 – 10 d. A.) in glei­cher Höhe ge­zahlt hat. Von der wei­te­ren Dar­stel­lung des Sach- und Streit­stan­des ers­ter In­stanz wird un­ter Be­zug­nah­me auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ab­ge­se­hen.

Durch das Ur­teil vom 4. März 2015 hat das Ar­beits­ge­richt Frank­furt (Oder) die Be­klag­te an­trags­gemäß und kos­ten­pflich­tig zur Zah­lung von 86.300,00 Eu­ro nebst Zin­sen ver­ur­teilt und zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt, dem Kläger ste­he nach § 1 a KSchG ei­ne Ab­fin­dung in un­strei­ti­ger Höhe zu, denn die Kündi­gung vom 10. Fe­bru­ar 2014 sei auf drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe gestützt und ha­be den Hin­weis ent­hal­ten, dass der Ar­beit­neh­mer ei­ne Ab­fin­dung be­an­spru­chen könne, wenn er in­ner­halb der Frist gem. § 4 Satz 1 KSchG kei­ne Kla­ge er­he­be. Das Kündi­gungs­schrei­ben ent­hal­te auch kein hin­rei­chend ein­deu­ti­ges, von § 1 a Abs. 2 KSchG ab­wei­chen­des Ab­fin­dungs­an­ge­bot, denn die Be­klag­te ha­be im Kündi­gungs­schrei­ben ein­deu­tig den Wort­laut des § 1 a KSchG ver­wen­det und kei­nen Hin­weis auf ei­ne Ab­fin­dung nach dem In­ter­es­sen­aus­gleich vom 15. Ja­nu­ar 2014 vor­ge­nom­men, An­halts­punk­te für ei­ne ab­wei­chen­de ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung sei nicht er­sicht­lich. Die Be­klag­te ha­be zwar mögli­cher­wei­se tatsächlich nur ei­ne Ab­fin­dung – nämlich die aus dem In­ter­es­sen­aus­gleich – zah­len wol­len, dies je­doch im Kündi­gungs­schrei­ben nicht deut­lich ge­macht und ha­be ih­re Erklärun­gen nach Zu­gang der Kündi­gung nicht rückgängig mach können. Die Be­triebs­ver­ein­ba­rung ent­hal­te auch kei­ne mögli­che An­rech­nungs­klau­sel. We­gen der wei­te­ren Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils (Bl. 66 – 70 d. A.) ver­wie­sen.

Ge­gen das der Be­klag­ten am 13. März 2015 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die am 30. März 2015 bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg ein­ge­gan­ge­ne

 

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Be­ru­fung, die die Be­klag­te mit ei­nem am 30. April 2015 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin rügt, dass Ar­beits­ge­richt ha­be nicht berück­sich­tigt, dass der Hin­weis in dem Kündi­gungs­schrei­ben auf nur ei­nen Ab­fin­dungs­be­trag ge­rich­tet ge­we­sen sei, denn so­wohl der In­ter­es­sen­aus­gleich als auch das Kündi­gungs­schrei­ben ge­he von ei­nem An­spruch „nach § 1 a KSchG“ aus. Bei­de Erklärun­gen sei­en in­so­weit wort­gleich und für sie, die Be­klag­te, iden­tisch hin­sicht­lich der Ab­sicht, ei­nen Ab­fin­dungs­be­trag der Höhe gem. § 1 a Abs. 2 KSchG ent­we­der aus dem In­ter­es­sen­aus­gleich oder aus ei­nem et­wai­gen Ver­fah­ren zu zah­len. Die­se „ent­we­der – oder Erklärung“ do­ku­men­tie­re sich auch im Rah­men der For­mu­lie­rung im Kündi­gungs¬schrei­ben. Auch so­weit auf den ob­jek­ti­ven Empfänger­ho­ri­zont ab­zu­stel­len sei, sei ein­deu­tig, dass dem Kläger le­dig­lich ein ein­heit­li­cher Ab­fin­dungs­be­trag ha­be ge­zahlt wer­den sol­len, was dem Kläger auch in ei­nem persönli­chen Gespräch mit ih­rem Geschäftsführer deut­lich ge­macht wor­den sei. Es sei auch frag­lich, ob nicht die feh­len­de Mit­be­stim­mung des Be­triebs­ra­tes be­zo­gen auf den In­halt der Kündi­gungs­erklärung im kläge­ri­schen Sin­ne zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung führe. Die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts set­ze sich nicht aus­rei­chend mit dem Norm­zweck ei­nes Ab­fin­dungs¬be­tra­ges aus­ein­an­der, der ei­ne Ab­puf­fe­rung so­zia­ler und tatsäch­li­cher Ein­schränkun­gen durch den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes aus­glei­chen sol­le. Der Ge­setz­ge­ber könne nicht wol­len, dass der Kläger mit ei­ner dop­pel­ten Ab­fin­dungs­zah­lung – wie erst­in­stanz­lich be­rech­net – bes­ser ge­stellt sei als oh­ne Aus­spruch der Kündi­gung und Fortführung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ren­ten­al­ter. Es ha­be dem Kläger auch ein ernst­li­cher Wil­le zur Kla­ge­er­he­bung ge­fehlt, da ihm recht­lich klar ge­we­sen sei, dass ihm mit der Kla­ge­ein­rei­chung die Ab­fin­dung aus dem In­ter­es­sen­aus­gleich ab­han­den kom­me und ei­ne et­wai­ge Ab­fin­dung im ge­richt­li­chen Ver­fah­ren va­ge sei. Sch­ließlich be­ste­he ei­ne An­spruchs­kon­kur­renz zwi­schen dem An­spruch aus dem In­ter­es­sen­aus­gleich und dem An­spruch aus § 1 a KSchG.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt (Oder) zum Geschäfts­zei­chen 5 Ca 1616/14 – ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

 

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Der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen

und ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der Be­ru­fungs­be­gründung vom 29. April 2015 (Bl. 88 – 94 d. A.) und der Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung vom 21. Mai 2015 (Bl. 103 – 105 d. A.) ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung der Be­klag­ten ist form- und frist­ge­recht i. S. d. §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

II.
Die Be­ru­fung hat je­doch in der Sa­che kei­nen Er­folg.

Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt die Be­klag­te zur Zah­lung der der Höhe nach un­strei­ti­gen Ab­fin­dung ver­ur­teilt und da­bei so­wohl im Kündi­gungs­schrei­ben vom 10. Fe­bru­ar 2014 ein An­ge­bot der Be­klag­ten gem. § 1 a Abs. 1 KSchG ge­se­hen als auch ei­ne An­spruchs­kon­kur­renz zur Ab­fin­dung aus dem In­ter­es­sen­aus­gleich vom 15. Ja­nu­ar 2014 ver­neint. Das Be­ru­fungs­ge­richt schließt sich den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts in dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil so­wohl im Er­geb­nis als auch in der Be­gründung an und sieht von ei­ner Wie­der­ho­lung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die An­grif­fe der Be­ru­fung sind nicht ge­eig­net die Rechts­la­ge an­ders zu be­ur­tei­len.

1. Der Kläger kann ei­ne Ab­fin­dung nach § 1 a Abs. 1 KSchG be­an­spru­chen, denn die Be­klag­te hat das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit dem Schrei­ben vom

 

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10. Fe­bru­ar 2014 we­gen drin­gen­der be­trieb­li­cher Gründe gekündigt und die Kündi­gung mit dem Hin­weis nach § 1 a Abs. 1 Satz 1 KSchG ver­bun­den. Nach­dem der Kläger kei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben hat, steht ihm die Ab­fin­dung zu, de­ren Höhe sich nach § 1 a Abs. 2 KSchG be­rech­net, die zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig ist.

1.1 Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten hat das Ar­beits­ge­richt dem Kündi­gungs­schrei­ben zu Recht ei­nen Hin­weis der Be­klag­ten nach § 1 a Abs. 1 Satz 2 KSchG ent­nom­men, denn es enthält un­ter der Über­schrift „Hin­wei­se“ un­ter an­de­rem fol­gen­den Satz: „Las­sen Sie die­se Frist ver­strei­chen, oh­ne ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge beim Ar­beits­ge­richt zu er­he­ben, ha­ben Sie nach § 1 a KSchG An­spruch auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe ei­nes hal­ben Mo­nats­ver­diens­tes für je­des vol­le Beschäfti­gungs­jahr“. Da­mit wie­der­holt die Be­klag­te sinn­gemäß die Re­ge­lun­gen in § 1 a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 KSchG, so dass der Empfänger des Schrei­bens die Erklärung als ein Ver­spre­chen nach § 1 a KSchG an­se­hen muss­te. So­weit die Be­klag­te gel­tend macht, durch die Erwähnung des In­ter­es­sen­aus­gleichs im Kündi­gungs­schrei­ben und ein Gespräch mit dem Kläger nach Er­halt der Kündi­gung ha­be der Kläger er­ken­nen müssen, dass ihm nur ei­ne Ab­fin­dung ha­be ver­spro­chen wer­den sol­len, so kann auch das Be­ru­fungs­ge­richt aus dem dar­ge­stell­ten Sach­ver­halt die­se Rechts­fol­ge nicht her­lei­ten.

Aus dem Kündi­gungs­schrei­ben er­gibt sich der Wil­le der Be­klag­ten, dem Kläger ein von den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ab­wei­chen­des An­ge­bot un­ter­brei­ten zu wol­len, nicht ein­deu­tig und un­miss­verständ­lich (vgl. BAG, Ur­teil vom 13.12.2007 – 2 AZR 807/09 – EzA – SD 2008 Nr. 9, 3 – 4). Der For­mu­lie­rung im Kündi­gungs­schrei­ben: „Der Be­triebs­rat ist in die­ser An­ge­le­gen­heit an­gehört wor­den, er hat der Kündi­gung zu­ge­stimmt und mit der Geschäftsführung ein In­ter­es­sen­aus­gleich zum Aus­gleich der Nach­tei­le aus der be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung ab­ge­schlos­sen.“ kann we­gen des fol­gen­den, mit „Hin­wei­se“ über­schrie­be­nen, oben zi­tier­ten Tex­tes nicht ent­nom­men wer­den, dass die Be­klag­te dem Kläger da­mit – ei­gent­lich – kein An­ge­bot gem. § 1 a KSchG un­ter­brei­ten woll­te, denn da­ge­gen spricht ihr vor­be­halt­lo­ser Hin­weis auf die ge­setz­li­che Ab­fin­dungs­re­ge­lung.

 

- 7 -

So­weit die Be­klag­te sich wei­ter­hin auf ein Gespräch mit dem Kläger be­ruft, in dem ihm deut­lich ge­macht wor­den sein soll, dass er kei­ne dop­pel­te Ab­fin­dung be­an­spru­chen könne, so hat das Ar­beits­ge­richt die Be­klag­te be­reits zu Recht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie sich durch ei­ne nach Zu­gang der Kündi­gung ab­ge­ge­be­ne Erklärung von ih­rem vor­be­halt­los ab­ge­ge­be­nen An­ge­bot nicht hat lösen können.

1.2 Selbst wenn der Kläger – wie die Be­klag­te meint – kei­nen ernst­haf­ten Wil­len zur Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge ge­habt ha­ben soll­te, so ist dies für sei­nen An­spruch recht­lich un­er­heb­lich, da er mit der Un­ter­las­sung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge die – ob­jek­ti­ven – An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen gem. § 1 a KSchG erfüllt hat, ei­ne Kla­ge­be­reit­schaft ist so­weit nicht An­spruchs­vor­aus­set­zung.

1.3 Die Be­klag­te hat den An­spruch des Klägers auch nicht be­reits durch tatsächli­che Leis­tung erfüllt, denn sie hat die an den Kläger ge­leis­te­te Zah­lung aus­drück­lich auf die Erfüllung des An­spruchs aus dem In­ter­es­sen­aus­gleich und nicht auf ei­ne mögli­che For­de­rung aus § 1 a KSchG ge­rich­tet. Dem­ent­spre­chend hat der Kläger sei­ne Kla­ge – hilfs­wei­se – auf die For­de­rung aus § 1 a KSchG gestützt. So­weit die Be­klag­te meint, dem Kläger nur ei­ne Ab­fin­dung ver­spro­chen zu ha­ben, so könn­te sie al­len­falls von ei­ner An­rech­nung des An­spruchs aus dem In­ter­es­sen­aus­gleich auf den An­spruch nach § 1 a KSchG aus­ge­hen, da der ge­setz­li­che An­spruch nicht dis­po­ni­bel ist (vgl. BAG, Ur­teil vom 19.06.2007 – 1 AZR 340/06 – NZA 2007, 1357, Rz. 34). Für ei­ne sol­che An­rech­nung fehlt es aber an ei­ner An­rech­nungs­klau­sel im In­ter­es­sen­aus­gleich.

1.4 Nicht ge­folgt wer­den kann der Be­klag­ten dar­in, dass die Kündi­gung we­gen feh­len­der Mit­be­stim­mung des Be­triebs­ra­tes be­zo­gen auf den In­halt der Kündi­gungs­erklärung un­wirk­sam sein könne, denn ein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­ra­tes in Be­zug auf ein An­ge­bot nach § 1 a KSchG be­steht nicht.

1.5 Die Be­klag­te über­sieht auch, dass der In­ter­es­sen­aus­gleich kei­ne sog. An­rech­nungs­klau­sel enthält, nach der Ab­fin­dun­gen nach § 1 a KSchG auf Ab­fin­dun­gen aus dem In­ter­es­sen­aus­gleich an­ge­rech­net wer­den könn­ten (vgl. da­zu BAG, Ur­teil vom 19.06.2007, a. a. O., Rz. 34 ff.).

 

- 8 -

1.6 Recht­lich un­er­heb­lich sind die Ausführun­gen der Be­klag­ten da­zu, dass der Kläger mit ei­ner dop­pel­ten Ab­fin­dungs­zah­lung bes­ser ge­stellt sei als oh­ne Aus­spruch der Kündi­gung, da die­se Über­le­gun­gen nicht ge­eig­net sind, den ge­setz­li­chen An­spruch des Klägers aus­zu­sch­ließen. Auch dürfen – ent­ge­gen der von der Be­klag­ten of­fen­bar ver­tre­te­nen Auf­fas­sung – So­zi­al­plan­leis­tun­gen nicht vom Ver­zicht auf die Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge abhängig ge­macht wer­den (ständi­ge höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung vgl. nur BAG, Ur­teil vom 31.05.2005 – 1 AZR 254/04 – NZA 2005, 997), über­dies enthält der In­ter­es­sen­aus­gleich ei­ne sol­che Re­ge­lung nicht.

1.7 Zu Un­recht rügt die Be­ru­fung schließlich, dass Ar­beits­ge­richt ha­be sich nicht aus­rei­chend mit dem Norm­zweck der Ab­fin­dungs­re­ge­lung in § 1 a KSchG aus­ein­an­der­ge­setzt. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht und in Übe­rein­stim­mung mit der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung (vgl. BAG, Ur­teil vom 19.06.2007, a. a. O., Rz. 37 m. w. N.) aus­geführt, dass der Ge­setz­ge­ber mit der Re­ge­lung in § 1 a KSchG ne­ben der Mil­de­rung wirt­schaft­li­cher Nach­tei­le des Ar­beit­neh­mers durch den be­triebs­be­ding­ten Ver­lust des Ar­beits­plat­zes auch Kündi­gungs­schutz­kla­gen ver­mei­den und Pla­nungs­si­cher­heit für den Ar­beit­ge­ber her­stel­len und ihm das Ri­si­ko ei­nes für ihn nach­tei­li­gen Aus­gangs ei­nes Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses und der dar­aus re­sul­tie­ren­den recht­li­chen Fol­gen er­spa­ren woll­te. Da auch ei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung über das Verhält­nis des An­spruchs nach § 1 a KSchG zu ei­nem An­spruch aus ei­nem So­zi­al­plan fehlt, kann an­ge­sichts des wei­te­ren Ge­set­zes­zwecks ei­ne ge­ne­rel­le An­spruchs­kon­kur­renz nicht an­ge­nom­men wer­den (vom BAG of­fen ge­las­sen im Ur­teil vom 19.06.2007, a. a. O., Rz. 33, vgl. Rolfs in Beck OK, ArbR, Kündi­gungs­schutz­ge­setz § 1 a Rz. 65 ff., m. w. N., Her­genröder, RdA 2008 364 III 1, m. w. N. Fußno­te 49, Holt­hau­sen in Hümme­rich Ar­beits­recht Rnr. 34 zu § 1 a KSchG m. w. N.), so dass ei­ne An­spruchs­kon­kur­renz nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts im So­zi­al­plan ge­re­gelt wer­den muss.

II. Der Zins­an­spruch be­ruht auf §§ 286, 288 BGB.

III. Die Be­klag­te hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten ih­res er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen.

 

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IV. Die Re­vi­si­on war gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­zu­las­sen, da die Kam­mer der Fra­ge der An­spruchs­kon­kur­renz grundsätz­li­che Be­deu­tung bei­ge­mes­sen hat.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der Be­klag­ten bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt,
Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt
(Post­adres­se: 99113 Er­furt),

Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

schrift­lich beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als sol­che sind außer Rechts­anwälten nur fol­gen­de Stel­len zu­ge­las­sen, die zu­dem durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln müssen:

• Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
• ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der

 

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oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Für d. Kläger ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments i. S. d. § 46 c ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de.

A.  

Dr. M.  

B.

Hin­weis der Geschäfts­stel­le
Das Bun­des­ar­beits­ge­richt bit­tet, sämt­li­che Schriftsätze in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.

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