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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Pa­der­born, Ur­teil vom 24.10.2014, 3 Ca 1013/14

   
Schlagworte: Fristlose Kündigung, Abmahnungserfordernis
   
Gericht: Arbeitsgericht Paderborn
Aktenzeichen: 3 Ca 1013/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.10.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Pa­der­born, 3 Ca 1013/14

 

Te­nor:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die frist­lo­se Kündi­gung vom 23. Ju­ni 2014 be­en­det wur­de.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss die­ses Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens ent­spre­chend den Be­din­gun­gen aus der Ände­rungskündi­gung vom 31. März 2014 wei­ter zu beschäfti­gen.

3. Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Be­klag­te.

4. Der Streit­wert wird auf 22.066,56 € fest­ge­setzt.

 

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen Kündi­gung

Der 1955 ge­bo­re­ne Kläger ist seit dem 01.10.1984 bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin als lei­ten­de Pfle­ge­kraft/Pfle­ge­dienst­lei­ter gemäß den Re­ge­lun­gen des Dienst­ver­tra­ges vom 27.01.1985 (vgl. Bl. 4 ff. d. A.) so­wie der Ergänzung zum Dienst­ver­trag vom 21.09.1989 (vgl. Bl. 8 f. d. A.) mit ei­nem durch­schnitt­li­chen Brut­to­mo­nats­ent­gelt in Höhe von 5.516,64 € beschäftigt.

Der Kläger übte sei­ne Tätig­keit als Pfle­ge­dienst­lei­ter zunächst im St. W-Hos­pi­tal in C aus. Im Jahr 2010 er­folg­te ei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Zu­sam­menführung der Kran­kenhäuser St. W in C, St. K in E, St. B in I und St. S in T. Über­ge­ord­ne­ter Pfle­ge­di­rek­tor in Per­so­nal­uni­on mit der Pfle­ge­dienst­lei­tung für die Häuser St. B und St. S wur­de Herr P. Zum 01.01.2013 fu­sio­nier­ten die vor­ge­nann­ten vier Kran­kenhäuser. Da­mit ein­her­ge­hend struk­tu­rier­te die Be­klag­te die Pfle­ge­dienst­lei­tung der­ge­stalt um, dass die Funk­ti­on ei­nes Pfle­ge­dienst­lei­ters für al­le vier Kran­kenhäuser ge­mein­sam ein­ge­rich­tet wur­de. Da der Mit­ar­bei­ter P zum 30.09.2012 kündig­te, war die Stel­le des Pfle­ge­dienst­lei­ters für al­le vier Häuser va­kant. Ab dem 01.10.2012 wur­de dem Kläger die­se Funk­ti­on gemäß § 18 der

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An­la­ge 31 zu den AVR pro­be­wei­se für ein Jahr über­tra­gen. Für die­se Zeit soll­te der Kläger ei­ne Zu­la­ge in Höhe des Un­ter­schieds­be­tra­ges zwi­schen der Ent­gelt­grup­pe 11 a und 12 der An­la­ge 31 zu den AVR er­hal­ten. Die Be­klag­te in­for­mier­te den Kläger mit Schrei­ben vom 02.08.2012 darüber, dass sie nach ei­nem Drei­vier­tel­jahr endgültig ent­schei­den wer­de, ob dem Kläger die­se Stel­le auf Dau­er über­tra­gen wer­de. Mit Schrei­ben vom 11.09.2013 teil­te die Be­klag­te dem Kläger mit, dass die pro­be­wei­se Über­tra­gung der Funk­ti­on des Pfle­ge­dienst­lei­ters für die vier Kran­kenhäuser um ein hal­bes Jahr bis zum 31.03.2014 verlängert wer­de. Die vom Kläger in die­ser Funk­ti­on aus­zuüben­den Tätig­kei­ten und Auf­ga­ben er­ge­ben sich aus der Funk­ti­ons­be­schrei­bung der Pfle­ge­dienst­lei­tung im Kran­ken­haus (vgl. Bl. 41 f. bzw. Bl. 43 d. A.). In ei­nem am 25.02.2014 geführ­ten Gespräch teil­te die Be­klag­te dem Kläger mit, dass ei­ne dau­er­haf­te Über­tra­gung der Auf­ga­ben als Pfle­ge­dienst­lei­tung für al­le vier Kran­kenhäuser nicht er­fol­gen wer­de. Mit Schrei­ben vom 31.03.2014 teil­te die Be­klag­te dem Kläger so­dann schrift­lich mit, dass die be­fris­tet über­tra­ge­ne Führungs­po­si­ti­on mit Ab­lauf des 31.03.2014 ent­fal­le und da­mit auch die dem Kläger nach § 18 Abs. 3 An­la­ge 31 AVR gewähr­te Zu­la­ge. Zu­gleich erklärte die Be­klag­te ge­genüber dem or­dent­lich unkünd­ba­ren Kläger die Kündi­gung des Dienst­verhält­nis­ses aus sons­ti­gen wich­ti­gen Gründen zum Zwe­cke der Her­ab­grup­pie­rung um ei­ne Ent­gelt­grup­pe zum Ab­lauf des 30.09.2014, hilfs­wei­se zum nächst zulässi­gen Ter­min und bot dem Kläger zu­gleich die Fort­set­zung des Dienst­verhält­nis­ses zu geänder­ten Ver­trags­be­din­gun­gen ab dem 01.10.2014 als Kran­ken­pfle­ger in der mo­bi­len Pfle­ge der Ca­ri­tas Pfle­ge­sta­ti­on im Be­reich Süd mit der Vergütungs­grup­pe KR 10 an (vgl. Bl. 99 ff. d. A.). Mit Schrei­ben vom 01.04.2014 (vgl. Bl. 102 d. A.) teil­te der Kläger der Be­klag­ten mit, dass er der Wei­sung der Be­klag­ten, als Kran­ken­pfle­ger in der mo­bi­len Pfle­ge tätig zu wer­den, nur un­ter Vor­be­halt Fol­ge leis­te. Zu­gleich nahm der Kläger das mit der Ände­rungskündi­gung un­ter­brei­te­te An­ge­bot un­ter dem Vor­be­halt der so­zia­len Recht­fer­ti­gung an. Ge­gen die Ände­rungskündi­gung er­hob der Verfügungskläger Ände­rungs­schutz­kla­ge beim Ar­beits­ge­richt Pa­der­born (Ak­ten­zei­chen: 1 Ca 545/14). Zu­dem mach­te der Kläger in ei­nem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren (Ak­ten­zei­chen: 2 Ga 4/14) im We­ge des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes gel­tend, wei­ter­hin als Pfle­ge­dienst­lei­ter für al­le vier Häuser beschäftigt zu wer­den. Mit Ur­teil vom 10.04.2014 wies die 2. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Pa­der­born den An­trag des Klägers auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zurück. Mit der Be­ru­fung ver­folg­te der Kläger sei­nen An­trag wei­ter (Ak­ten­zei­chen: 10 Sa Ga 16/14, LAG Hamm). Im Rah­men der Be­ru­fungs­be­gründung leg­te der Kläger ei­ne ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung vor (vgl. Bl. 86 ff. d. A.). Die letz­ten bei­den Absätze die­ser ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung lau­ten wie folgt:

„In der Per­so­nal­be­darfs­rech­nung der Verfügungs­be­klag­ten sind Ar­beit­neh­mer der Fir­ma E1 auf­geführt. Es han­delt sich um Ser­vice­kräfte als Hil­fen im Trans­port­dienst und der Aus­ga­be des Es­sens, die nicht in den or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ar­beits­ab­lauf der Pfle­ge ein­ge­glie­dert sind, da sie kei­ne pfle­ge­ri­sche Leis­tung ge­genüber Pa­ti­en­ten er­brin­gen. Es han­delt sich um Erfüllungs­ge­hil­fen im Rah­men ei­nes Dienst­leis­tungs­ver­trags mit ei­ner Fremd­fir­ma. Sie ent­las­ten die Pfle­ge­kräfte von außer­halb der Pfle­ge zu er­le­di­gen­den Rou­ti­ne­auf­ga­ben. Da die Mit­ar­bei­ter der Fremd­fir­men ih­re Vergütung von ih­rem Ar­beit­ge­ber er­hal­ten, han­delt es sich nicht um Per­so­nal­kos­ten, son­dern um Sach­kos­ten. Für den Ab­schluss der Ver­ein­ba­run­gen und den In­halt der Rechts­be­zie­hun­gen mit Fremd­fir­men ist die Ver­wal­tungs­lei­tung zuständig.

Ich ha­be we­der tatsächlich noch recht­lich ei­nen Ein­fluss auf die Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer ei­ner Fremd­fir­ma. Die Pfle­ge­dienst­lei­tung ist zuständig für die Ar­beit­neh­mer in der Pfle­ge (Me­di­zi­ni­sche Fach­an­ge­stell­te im Sta­ti­ons­dienst, As­sis­ten­ten in der Pfle­ge, Kran­ken­pfle­ge­hel­fer, Ge­sund­heits- und Kran­ken­pfle­ger, Fach­kran­ken­pfle­ger). Es muss sich um Ar­beit­neh­mer han­deln, die ei­ne pfle­ge­ri­sche Leis­tung ge­genüber den Pa­ti­en­ten er­brin­gen.

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Mit zwei Schrei­ben vom 13.06.2014 hörte die Be­klag­te die ge­mein­sa­me Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung der Kran­kenhäuser, der Zen­tral­ver­wal­tung und des MVZ Strah­len­the­ra­pie und On­ko­lo­gie (vgl. Bl. 48 ff. d. A.) so­wie vor­sorg­lich die ge­mein­sa­me Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung der Se­nio­renhäuser und der Ca­rit­as­pfle­ge­sta­tio­nen (vgl. Bl. 44 ff. d. A.) an.

Mit Schrei­ben vom 23.06.2014, dem Kläger am 23.06.2014 zu­ge­gan­gen, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger außer­or­dent­lich frist­los (vgl. Bl. 13 d. A.).

Mit der beim Ar­beits­ge­richt Pa­der­born am 03.07.2014 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge wen­det sich der Kläger ge­gen die aus­ge­spro­che­ne frist­lo­se Kündi­gung, die er für rechts­un­wirk­sam hält. Mit Kla­ge­er­wei­te­rung vom 26.08.2014 macht er zu­dem ei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch gel­tend. Er trägt vor, dass die von ihm ab­ge­ge­be­ne ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung vom 03.06.2014 nicht un­rich­tig sei. Er ha­be le­dig­lich den Per­so­nal­ein­satz der ihm fach­lich und or­ga­ni­sa­to­risch un­ter­stell­ten Pfle­ge­kräfte, die ei­nen Ar­beits­ver­trag mit dem Recht­sträger der Ein­rich­tung ha­ben, ge­plant. Nicht rich­tig sei, dass er in al­lei­ni­ger Ver­ant­wor­tung fest­ge­legt ha­be, ob Ser­vice­mit­ar­bei­ter der Fremd­fir­ma E1 in der Pfle­ge im Rah­men der Ausschöpfung von Zeit­kon­ten und Mehr­ar­beit aus ei­ge­nem Pool oder von ei­ner Dritt­fir­ma ein­ge­setzt wer­den. Er ha­be auch nicht re­gelmäßig auf­grund ei­ge­ner ko­or­di­na­ti­ver Pla­nung ent­schie­den, ob ei­ge­ne Mit­ar­bei­ter oder Mit­ar­bei­ter der Fremd­fir­ma ein­ge­setzt würden. Im Rah­men des einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens ha­be er mit sei­ner ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung erklärt, dass für den Ab­schluss der Ver­ein­ba­rung und den In­halt der Rechts­be­zie­hun­gen mit der Fremd­fir­ma die Ver­wal­tungs­lei­tung zuständig sei. Nach dem ob­jek­ti­ven Empfänger­ho­ri­zont ha­be sich der In­halt sei­ner Äußerung auf die Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer nach den Re­ge­lun­gen der Ver­ein­ba­run­gen be­zo­gen. Er ha­be le­dig­lich zum Aus­druck ge­bracht, dass die Ent­schei­dung über die Fest­le­gung der Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer ei­ner Fremd­fir­ma im Rah­men der Ge­stal­tung der Rechts­be­zie­hun­gen bei der Ver­wal­tungs­lei­tung ge­le­gen ha­be. Der un­trenn­ba­re sach­li­che Zu­sam­men­hang der Sätze ergäbe sich aus der Ver­wen­dung „tatsächlich noch recht­lich“, die den Hin­weis auf den Ab­schluss und den In­halt der Rechts­be­zie­hun­gen mit der Fremd­fir­ma ver­deut­lich­ten. Dass er als Pfle­ge­dienst­lei­ter nicht für den Ab­schluss und den In­halt der Ge­stal­tung der Rechts­be­zie­hun­gen mit der Fremd­fir­ma sach­lich und in­stan­zi­ell zuständig ge­we­sen sei, ent­spre­che der Ty­pi­zität der Or­ga­ni­sa­ti­on in ei­nem Kran­ken­haus. Die Mit­ar­bei­ter der Fremd­fir­ma sei­en als Erfüllungs­ge­hil­fen im Rah­men ei­nes Geschäfts­be­sor­gungs­ver­tra­ges durch die Fremd­fir­ma in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung der Fremd­fir­ma ein­ge­setzt wor­den. Al­lein dar­aus er­ge­be sich, dass die Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer durch den In­halt der Ver­ein­ba­rung des Recht­strägers der Ein­rich­tung mit der Fremd­fir­ma be­stimmt wor­den sei. Er als Pfle­ge­dienst­lei­ter sei bei Ab­schluss und Fest­le­gung des In­halts der Ver­ein­ba­rung mit der Fremd­fir­ma nicht be­tei­ligt ge­we­sen. Die durch die Fremd­fir­ma ein­ge­setz­ten Per­so­nen sei­en or­ga­ni­sa­to­risch der Ob­jekt­lei­tung der Fremd­fir­ma un­ter­stellt. Ein­stel­lung, Dienstein­tei­lung, Dienst­plan­ge­stal­tung, Ur­laubs­pla­nung er­fol­ge durch die Ob­jekt­lei­tung der Fremd­fir­ma. Er ha­be als Pfle­ge­dienst­lei­ter le­dig­lich die Ent­schei­dung zu tref­fen ge­habt, ob und wie die ihm fach­lich und or­ga­ni­sa­to­risch un­ter­stell­ten Pfle­ge­kräfte auf der Sta­ti­on bei Ab­we­sen­heit der Ser­vice­kräfte (z. B. bei Ar­beits­unfähig­keit oder Ur­laub) und feh­len­der Kom­pen­sa­ti­on durch die Fremd­fir­ma in Form ei­ner Er­satz­kraft de­ren Auf­ga­ben über­neh­men. Selbst wenn die ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung am­bi­va­lent sein soll­te und miss­verständ­lich in­ter­pre­tiert wer­den könn­te, ha­be er le­dig­lich fahrlässig ge­han­delt. Kei­nes­falls ha­be er vorsätz­lich ei­ne fal­sche ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung ab­ge­ge­ben. Ein frist­lo­ser Kündi­gungs­grund läge je­den­falls nicht vor. Ins­be­son­de­re feh­le es an ei­ner ne­ga­ti­ven Pro­gno­se. Auch sei die In­ter­es­sen­abwägung zu­guns­ten des Klägers zu tref­fen und ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung sei er­for­der­lich ge­we­sen. Sch­ließlich sei die Anhörung der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung nicht ord­nungs­gemäß er­folgt. Ins­be­son­de­re sei der

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Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung der In­halt der ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung nicht vollständig mit­ge­teilt wor­den. Auf die Nach­fra­gen der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung vom 20.06.2014 ha­be die Be­klag­te nicht vor Aus­spruch der Kündi­gung re­agiert. Oh­ne ergänzen­de Un­ter­rich­tung der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung sei die am 23.06.2014 erklärte Kündi­gung un­wirk­sam.

Der Kläger be­an­tragt,

1.
fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 23.06.2014 – zu­ge­gan­gen am 23.06.2014 – nicht auf­gelöst wor­den ist;

2.
die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, den Kläger bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss die­ses Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens ent­spre­chend den Be­din­gun­gen aus der Ände­rungskündi­gung vom 31. März 2014 wei­ter zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie ist der Auf­fas­sung, dass der Be­klag­te vorsätz­lich ei­ne fal­sche ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung ab­ge­ge­ben ha­be, was ei­nen frist­lo­sen Kündi­gungs­grund dar­stel­le. Der Kläger als Pfle­ge­dienst­lei­tung ha­be den Per­so­nal­be­darf ge­plant. Ihm hätte da­bei ein Mit­ar­bei­ter­kon­tin­gent von 400 Voll­zeit­pfle­ge- und Pfle­ge­hilfs­kräften aus ei­nem ei­ge­nen Mit­ar­bei­ter­be­stand und Mit­ar­bei­tern der Un­ter­neh­mens­grup­pe E1 zur Verfügung ge­stan­den. Aus sei­ner Per­so­nal­ein­satz­pla­nung ha­be sich die Not­wen­dig­keit er­ge­ben, Mit­ar­bei­ter ei­ner Fremd­fir­ma ein­zu­set­zen. Der Kläger ha­be in al­lei­ni­ger Ver­ant­wor­tung fest­ge­legt, ob Ser­vice­mit­ar­bei­ter in der Pfle­ge im Rah­men der Ausschöpfung von Zeit­kon­ten und Mehr­ar­beit aus ei­ge­nem Pool oder von ei­ner Dritt­fir­ma ein­ge­setzt würden. Re­gelmäßig ha­be er oh­ne Vor­ga­be auf­grund ei­ge­ner ko­or­di­na­ti­ver Pla­nung ent­schie­den, ob ei­ge­ne Mit­ar­bei­ter oder Mit­ar­bei­ter der Fremd­fir­ma ein­ge­setzt würden. Recht­lich ergäbe sich sein Ein­fluss aus der Funk­ti­ons­be­schrei­bung der Pfle­ge­dienst­lei­tung (vgl. Bl. 41 ff., 43 d. A.). Mit sei­ner ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung ha­be der Kläger glaub­haft ma­chen wol­len, dass er kei­nes­wegs im Rah­men ei­ner Er­pro­bung ge­schei­tert sei und tatsächlich hin­sicht­lich des Ein­sat­zes der Ser­vice­kräfte der Fremd­fir­ma kei­nen Ein­fluss ge­nom­men ha­be, was falsch sei. Mit sei­ner Erklärung ha­be der Kläger ins­be­son­de­re nicht le­dig­lich zum Aus­druck ge­bracht, dass die Ent­schei­dung über die Fest­le­gung der Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer ei­ner Fremd­fir­ma im Rah­men der Ge­stal­tung der Rechts­be­zie­hun­gen bei der Ver­wal­tung ge­le­gen ha­be. Kern der Erklärung des Klägers sei, dass die­ser nicht nur kei­ne Verträge mit der Leih­ar­beits­fir­ma ver­han­delt ha­be, son­dern auch kei­nen Ein­fluss auf die Zahl der von der Fremd­fir­ma ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer ge­habt ha­be. Tatsächlich sei der Kläger aber für den ko­or­di­na­ti­ven Ein­satz und die An­zahl der beschäftig­ten Pfle­ge­kräfte und so­mit für die Er­mitt­lung des Be­darfs aber ver­ant­wort­lich ge­we­sen. Der Kläger als Pfle­ge­dienst­lei­tung ha­be die Einsätze und da­mit die An­zahl der As­sis­ten­ten in der Pfle­ge ge­plant. Wenn er sich für die Ein­stel­lung ei­nes As­sis­ten­ten in der Pfle­ge ent­schie­den ha­be, so sei der Beschäfti­gungs­be­darf für ei­ne Ser­vice­kraft der Leih­ar­beits­fir­ma ent­fal­len und um­ge­kehrt. In­so­weit ha­be der Kläger Ein­fluss auf die An­zahl der Mit­ar­bei­ter der Fremd­fir­ma ge­habt. Die Ar­beit­neh­merüber­las­sung er­fol­ge bei der Be­klag­ten auf Grund­la­ge ei­ner Rah­men­ver­ein­ba­rung. Die­se Rah­men­ver­ein­ba­rung sei aus­gefüllt durch Kon­tin­gent­ver­ein­ba­run­gen, die quar­tals­wei­se ab­ge­schlos­sen würden. Die Ausschöpfung des Kon­tin­gents hänge da­von ab, wel­cher Be­darf vom Kläger als Pfle­ge­dienst­lei­tung

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ge­mel­det wor­den sei. Hin­sicht­lich des Pfle­ge­be­rei­ches sei das so ge­sche­hen, dass der Kläger dem Mit­ar­bei­ter L den Be­darf über­mit­telt ha­be und die­ser – wenn der Kläger nicht selbst Kon­takt mit der Fremd­fir­ma auf­ge­nom­men ha­be – den Be­darf an Leih­ar­beits­kräften der Fremd­fir­ma ge­mel­det ha­be, die so­dann ei­nen geänder­ten Kon­tin­gent­ver­trag vor­ge­legt ha­be. Die Ent­schei­dung, ob Ser­vice­mit­ar­bei­ter in der Pfle­ge im Rah­men der Ausschöpfung von Zeit­kon­ten und Mehr­ar­beit aus dem Mit­ar­bei­ter­pool der Be­klag­ten oder Leih­ar­beit­neh­mer ein­ge­setzt wer­den, ha­be mit­hin dem Kläger ob­le­gen. Dies er­ge­be sich dar­aus, dass der Kläger in sei­ner Funk­ti­on als Pfle­ge­dienst­lei­tung mit der Pla­nung des Per­so­nal­be­darfs be­fasst ge­we­sen sei und da­bei ent­schie­den ha­be, wel­che ei­ge­nen Ar­beit­neh­mer zum Ein­satz kom­men soll­ten und – als not­wen­di­ge Fol­ge – wel­che Tätig­kei­ten mit Leih­ar­beit­neh­mern zu er­le­di­gen wären. Un­rich­tig sei, dass die Ser­vice­kräfte durch die Ob­jekt­lei­tung der Fir­ma E1 or­ga­ni­siert sei­en und le­dig­lich im Rah­men ei­nes Geschäfts­be­sor­gungs­ver­tra­ges als Erfüllungs­ge­hil­fen ein­ge­setzt würden. Die Ser­vice­kräfte der Fremd­fir­ma sei­en der Pfle­ge­dienst­lei­tung un­ter­stellt ge­we­sen, was sich ins­be­son­de­re auch aus der Funk­ti­ons­be­schrei­bung (vgl. Bl. 41 ff. d. A.) er­ge­be. Gemäß die­ser Funk­ti­ons­be­schrei­bung ha­be der Pfle­ge­dienst­lei­ter so­wohl den Pfle­ge- als auch den Funk­ti­ons­dienst der Kran­kenhäuser fach­lich zu lei­ten und den Per­so­nal­ein­satz zu or­ga­ni­sie­ren. Die Erklärung des Klägers sei ob­jek­tiv un­rich­tig ge­we­sen und nicht le­dig­lich am­bi­va­lent. Mit sei­ner Erklärung ha­be der Kläger jeg­li­che Ein­fluss­nah­me in Ab­re­de ge­stellt. Von ei­ner bloß fahrlässi­gen Un­rich­tig­keit könne nicht aus­ge­gan­gen wer­den, zu­mal ein Hin­weis auf die Straf­bar­keit in der Erklärung ent­hal­ten ge­we­sen sei. Auf­grund sei­ner Ver­trau­ens­stel­lung und des er­heb­li­chen Miss­brauchs die­ser Ver­trau­ens­stel­lung sei die In­ter­es­sen­abwägung zu Las­ten des Klägers zu tref­fen. Das Ver­trau­en hätte nicht durch Aus­spruch ei­ner Ab­mah­nung wie­der her­ge­stellt wer­den können. Die Zwei­wo­chen­frist sei ein­ge­hal­ten wor­den. Der Be­klag­ten sei am 10.06.2014 ei­ne Ab­schrift der Be­ru­fungs­be­gründung im Ver­fah­ren 10 Sa Ga 16/14 zu­ge­gan­gen, der die ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung des Klägers bei­ge­le­gen ha­be. Die Kündi­gung sei in­ner­halb der Zwei­wo­chen­frist am 23.06.2014 aus­ge­spro­chen wor­den. Zu­vor sei die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung ord­nungs­gemäß mit Schrei­ben vom 13.06.2014 an­gehört wor­den. Dem Anhörungs­schrei­ben sei die kom­plet­te ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung des Klägers bei­gefügt ge­we­sen. Dass die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung am 20.06.2014 noch Fra­gen zur be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung ge­stellt ha­be, führe nicht zur Feh­ler­haf­tig­keit der
ord­nungs­gemäß er­folg­ten Anhörung. Die von der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung er­frag­ten ergänzen­den In­for­ma­tio­nen sei­en für die Be­ur­tei­lung der Kündi­gung nicht er­for­der­lich ge­we­sen. Die Be­klag­te sei da­her nicht ge­hal­ten ge­we­sen, die In­for­ma­tio­nen in ih­rem Anhörungs­schrei­ben ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung zu ergänzen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen ver­wie­sen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:  

Die zulässi­ge Kla­ge ist be­gründet. 

I. 

Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist nicht durch die außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten vom 23.06.2014 zum 23.06.2014 be­en­det wor­den, da die­se Kündi­gung rechts­un­wirk­sam ist.

1. 

Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 23.06.2014 ist un­wirk­sam, da der Be­klag­ten ein wich­ti­ger Grund im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB für die so­for­ti­ge

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Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht zur Sei­te stand.

a) 

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Ar­beits­verhält­nis von je­dem Ver­trags­teil aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht mehr zu­ge­mu­tet wer­den kann. Hier­nach ist bei al­len Kündi­gungs­gründen ei­ne Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und ei­ne Abwägung der je­wei­li­gen In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le er­for­der­lich. Die­ses Er­for­der­nis schließt es aus, be­stimm­te Tat­sa­chen oh­ne Rück­sicht auf die Be­son­der­heit des Ein­zel­fal­les stets als wich­ti­gen Grund zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung an­zu­er­ken­nen; es gibt im Rah­men des § 626 Abs. 1 BGB kei­ne ab­so­lu­ten Kündi­gungs­gründe (vgl. BAG, Ur­teil vom 15.11.1984, 2 AZR 613/83, zi­tiert nach ju­ris). Bei der Über­prüfung ei­nes wich­ti­gen Grun­des im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein be­stimm­ter Sach­ver­halt oh­ne die be­son­de­ren Umstände des Ein­zel­fal­les an sich ge­eig­net ist, ei­nen wich­ti­gen Kündi­gungs­grund ab­zu­ge­ben. Liegt ein sol­cher Sach­ver­halt vor, be­darf es der wei­te­ren Prüfung, ob die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter der Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zu­mut­bar ist oder nicht (vgl. Er­fur­ter Kom­men­tar, 12. Auf­la­ge, § 626 BGB, Rd­nr. 15, 40ff., m. w. N.).

In der Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te ist an­er­kannt, dass gro­be Ver­trau­ens­verstöße ei­nes Ar­beit­neh­mers, ins­be­son­de­re im Zu­sam­men­hang mit straf­ba­ren Hand­lun­gen, grundsätz­lich ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung nach § 626 BGB recht­fer­ti­gen können (vgl. BAG, Be­schluss vom 10.02.1999, 2 ABR 31/98; LAG Ber­lin, Ur­teil vom 05.03.2007, 10 Sa 2109/06; LAG München, Ur­teil vom 21.11.2012, 8 Sa 627/12, zi­tiert nach ju­ris). Ins­be­son­de­re kann die vorsätz­li­che Ab­ga­be ei­ner fal­schen ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung ei­nen Grund für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung dar­stel­len. Mit­hin ist die Ab­ga­be ei­ner ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung, die ei­ne un­wah­re Sach­ver­halts­dar­stel­lung enthält, im Pro­zess ge­gen die Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich ge­eig­net, ei­nen (ver­hal­tens­be­ding­ten) Kündi­gungs­grund dar­zu­stel­len (vgl. BAG, Ur­teil vom 20.11.1987, 2 AZR 266/87; LAG Ber­lin, Ur­teil vom 05.03.2007 a. a. O., LAG München, Ur­teil vom 21.11.2012, a. a. O.).

Ob und wie­weit sich der Ar­beit­neh­mer mit sei­nem Fehl­ver­hal­ten straf­bar ge­macht hat, ist da­bei für die Be­ur­tei­lung ei­nes wich­ti­gen Grun­des im Sin­ne des § 626 BGB oder für die so­zia­le Recht­fer­ti­gung ei­ner Kündi­gung nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht ent­schei­dend (vgl. BAG, Ur­teil vom 24.11.2005, 2 AZR 39/05). Maßgeb­lich ist der mit der Pflicht­ver­let­zung ggf. ver­bun­de­ne schwe­re Ver­trau­ens­bruch.

b)

Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Recht­spre­chungs­grundsätze er­weist sich die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 23.06.2014 man­gels ei­nes wich­ti­gen Grun­des im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB als un­wirk­sam. Ein wich­ti­ger Grund im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB steht der Be­klag­ten nicht zur Sei­te, da die ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung des Klägers vom 03.06.2014 schon kei­ne ob­jek­tiv un­zu­tref­fen­den Tat­sa­chen­an­ga­ben enthält, die da­zu führen, dass ei­ne fal­sche ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung vor­liegt.

aa) 

Bei der Be­ur­tei­lung / Be­wer­tung der bei­den letz­ten Absätze der ei­des­statt­li­chen 

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Ver­si­che­rung vom 03.06.2014 ge­langt die Kam­mer zu der Auf­fas­sung, dass der Kläger kei­ne be­wusst ob­jek­tiv fal­sche ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung ab­ge­ge­ben hat. Die letz­ten bei­den Absätze lau­ten:

„In der Per­so­nal­be­darfs­be­rech­nung der Verfügungs­be­klag­ten sind Ar­beit­neh­mer der Fir­ma E1 auf­geführt. Es han­delt sich um Ser­vice­kräfte als Hil­fen im Trans­port­dienst und der Aus­ga­be des Es­sens, die nicht in den or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ar­beits­ab­lauf der Pfle­ge ein­ge­glie­dert sind, da sie kei­ne pfle­ge­ri­sche Leis­tung ge­genüber Pa­ti­en­ten er­brin­gen. Es han­delt sich um Erfüllungs­ge­hil­fen im Rah­men ei­nes Dienst­leis­tungs­ver­tra­ges mit ei­ner Fremd­fir­ma. Sie ent­las­ten die Pfle­ge­kräfte von außer­halb der Pfle­ge zu er­le­di­gen­den Rou­ti­ne­auf­ga­ben. Da die Mit­ar­bei­ter der Fremd­fir­men ih­re Vergütung von ih­rem Ar­beit­ge­ber er­hal­ten, han­delt es sich nicht um Per­so­nal­kos­ten, son­dern um Sach­kos­ten.

Für den Ab­schluss der Ver­ein­ba­run­gen und den In­halt der Rechts­be­zie­hun­gen mit Fremd­fir­men ist die Ver­wal­tungs­lei­tung zuständig. Ich ha­be we­der tatsächlich noch recht­lich ei­nen Ein­fluss auf die Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer ei­ner Fremd­fir­ma. Die Pfle­ge­dienst­lei­tung ist zuständig für die Ar­beit­neh­mer in der Pfle­ge (me­di­zi­ni­sche Fach­an­ge­stell­te im Sta­ti­ons­dienst, As­sis­ten­ten in der Pfle­ge, Kran­ken­pfle­ge­hel­fer, Ge­sund­heits- und Kran­ken­pfle­ger, Fach­kran­ken­pfle­ger). Es muss sich um Ar­beit­neh­mer han­deln, die ei­ne pfle­ge­ri­sche Leis­tung ge­genüber den Pa­ti­en­ten er­brin­gen.“

Der von der Be­klag­ten für die Be­haup­tung der Ab­ga­be ei­ner fal­schen ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung her­an­ge­zo­ge­ne Satz „Ich ha­be we­der tatsächlich noch recht­lich ei­nen Ein­fluss auf die Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer ei­ner Fremd­fir­ma“ muss nach Auf­fas­sung der Kam­mer im Zu­sam­men­hang mit dem vor­her­ge­hen­den Satz und ins­be­son­de­re im Ge­samt­zu­sam­men­hang der letz­ten bei­den Absätze ge­se­hen wer­den. In die­sen letz­ten bei­den Absätzen hat der Kläger, nach­dem er zu­vor über meh­re­re Sei­ten sei­ne Tätig­kei­ten für die Be­klag­te ge­schil­dert hat, die von ihm zu er­brin­gen­de Per­so­nal­pla­nung hin­sicht­lich der beschäftig­ten Pfle­ge­fach­kräfte dar­ge­stellt. Auch hat er be­kun­det, dass bei der Be­klag­ten Ar­beit­neh­mer von Fremd­fir­men als Ser­vice­kräfte ein­ge­setzt wer­den, die kei­ne pfle­ge­ri­sche Leis­tung ge­genüber den Pa­ti­en­ten er­brin­gen, son­dern le­dig­lich Ser­vice­auf­ga­ben wie Aus­ga­be des Es­sens oder Hil­fen im
Trans­port­dienst.

bb) 

Die streit­ge­genständ­li­che Erklärung des Klägers ver­steht die Kam­mer so, dass der Kläger zum Aus­druck brin­gen woll­te, dass für den Ab­schluss der Ver­ein­ba­run­gen und den In­halt der Rechts­be­zie­hun­gen mit der Fremd­fir­ma nicht er zuständig sei, son­dern die Ver­wal­tungs­lei­tung. Er ha­be we­der tatsächlich noch recht­lich ei­nen Ein­fluss auf die Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer ei­ner Fremd­fir­ma be­zo­gen auf den Ab­schluss der Ver­ein­ba­run­gen. Der Kläger trägt schriftsätz­lich eben­falls vor, dass sei­ne Äußerung nur in die­sem Sin­ne ge­meint und ob­jek­tiv zu ver­ste­hen sei. Dem schließt sich die Kam­mer in­so­weit an, als zu­min­dest nicht in der er­for­der­li­chen Klar­heit fest­ge­stellt wer­den kann, dass der Kläger be­wusst ei­ne ob­jek­tiv wahr­heits­wid­ri­ge ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung ab­ge­ge­ben hat. Die Erklärung des Klägers kann durch­aus so ver­stan­den wer­den, dass der Kläger „nur“ zum Aus­druck brin­gen woll­te, dass die Ent­schei­dung über die Fest­le­gung der Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer der Fremd­fir­ma im Rah­men der Ge­stal­tung der Rechts­be­zie­hun­gen bei der Ver­wal­tungs­lei­tung und nicht bei ihm ge­le­gen hat. Der un­trenn­ba­re sach­li­che Zu­sam­men­hang der bei­den un­mit­tel­bar auf­ein­an­der fol­gen­den Sätze er­gibt sich aus der For­mu­lie­rung „tatsächlich noch recht­lich“, die den Hin­weis auf den Ab­schluss und den In­halt der Rechts­be­zie­hun­gen mit der Fremd­fir­ma ver­deut­licht. Dass der Kläger als Pfle­ge­dienst­lei­ter nicht für den Ab­schluss und den In­halt der Ge­stal­tung der Rechts­be­zie­hun­gen mit der Fremd­fir­ma oder den Fremd­fir­men

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sach­lich und in­stan­zi­ell zuständig ge­we­sen ist, ent­spricht der Ty­pi­zität der Or­ga­ni­sa­ti­on in ei­nem Kran­ken­haus und ist von der Be­klag­ten auch nicht be­haup­tet wor­den.

cc) 

In­so­weit hat selbst die Be­klag­te vor­ge­tra­gen, dass die Ar­beit­neh­merüber­las­sung hin­sicht­lich der Ser­vice­kräfte der Fir­ma E1 auf Grund­la­ge ei­ner Rah­men­ver­ein­ba­rung er­folgt, die die Ver­wal­tung mit der Fir­ma E1 ab­ge­schlos­sen hat. Die Rah­men­ver­ein­ba­rung wer­de aus­gefüllt durch Kon­tin­gent­ver­ein­ba­run­gen, die quar­tals­wei­se ab­ge­schlos­sen würden, wo­bei die Ausschöpfung des Kon­tin­gents da­von ab­hin­ge, wel­cher Be­darf von der Pfle­ge­dienst­lei­tung mit­hin dem Kläger ge­mel­det würde. Da­bei soll der Kläger als Pfle­ge­dienst­lei­tung dem Mit­ar­bei­ter L den Be­darf an Ser­vice­kräften über­mit­telt ha­ben und die­ser den Be­darf an die Leih­ar­beits­fir­ma ge­mel­det ha­ben, die so­dann ei­nen geänder­ten Kon­tin­gent­ver­trag vor­ge­legt ha­be. In­dem der Kläger in sei­ner Funk­ti­on als Pfle­ge­dienst­lei­ter mit der Pla­nung des Per­so­nal­be­darfs be­fasst ge­we­sen sei und da­bei auch ent­schie­den ha­be, wel­che ei­ge­nen Ar­beit­neh­mer zum Ein­satz kom­men und - als not­wen­di­ge Fol­ge - wel­che Tätig­kei­ten mit Leih­ar­beit­neh­mern zu er­le­di­gen sei­en, ha­be der Kläger sehr wohl ei­nen Ein­fluss auf die Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer ge­habt.

Der Be­klag­ten ist zwar zu­zu­ge­ben, dass es bei ei­ner sol­chen Be­trach­tung durch­aus möglich er­scheint, dass der Kläger zu­min­dest mit­tel­bar Ein­fluss auf die Zahl der ein­ge­setz­ten Ser­vice­kräfte der Fir­ma E1 ge­habt hat. Dass die vom Kläger ab­ge­ge­be­ne ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung vom 03.06.2014 in der er­for­der­li­chen Klar­heit aber tatsächlich wahr­heits­wid­rig ist, er­gibt sich dar­aus nach Auf­fas­sung der Kam­mer nicht. In­so­weit ist es – wie be­reits aus­geführt – durch­aus auch möglich, die Erklärung des Klägers „Ich ha­be we­der tatsächlich noch recht­lich ei­nen Ein­fluss auf die Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer“ so zu ver­ste­hen, dass sie le­dig­lich ei­ne sub­jek­ti­ve Einschätzung des Klägers zum Aus­druck bringt, wo­bei er den Be­griff „Ein­fluss“ so be­nutzt, dass nicht er, son­dern die Ver­wal­tungs­lei­tung die Ent­schei­dung über die Fest­le­gung der Zahl der ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer der Fremd­fir­ma im Rah­men der Ge­stal­tung der Rechts­be­zie­hun­gen ge­trof­fen hat. Die Kam­mer ist der Auf­fas­sung, dass der Be­griff „Ein­fluss“ ei­ne sol­che sub­jek­ti­ve In­ter­pre­ta­ti­on durch­aus zulässt. Es han­delt sich bei der ab­ge­ge­be­nen Erklärung des Klägers nicht um ei­ne ein­deu­tig fal­sche Kund­ga­be. Die Erklärung des Klägers lässt viel­mehr ei­nen In­ter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum zu. Die­ser In­ter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum führt da­zu, dass die Kam­mer nicht von ei­ner ob­jek­tiv wahr­heits­wid­ri­gen fal­schen ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung aus­geht, die ei­nen frist­lo­sen Kündi­gungs­grund recht­fer­ti­gen kann.

Nach Auf­fas­sung der Kam­mer han­delt es sich bei der streit­ge­genständ­li­chen Äußerung des Klägers ins­ge­samt um ei­ne mei­nungs­be­zo­ge­ne Tat­sa­chen­be­haup­tung hin­sicht­lich der Ein­fluss­nah­me auf den Ein­satz der Ar­beit­neh­mer der Fa. E1, die aus Sicht des Klägers da­hin geht, dass er ei­nen sol­chen Ein­fluss auf Zahl der Ar­beit­neh­mer nicht aus­geübt hat. Ei­ne sol­che mei­nungs­be­zo­ge­ne Tat­sa­chen­be­haup­tung ist ty­pi­scher­wei­se aus­le­gungsfähig und kann als Kund­ga­be sub­jek­ti­ver Emp­fin­dun­gen ent­spre­chend der vom Kläger vor­ge­nom­me­nen Aus­le­gung ver­stan­den wer­den.

Die Kam­mer ist da­von über­zeugt, dass der Kläger bei Ab­ga­be der ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung nicht be­wusst ei­nen Sach­ver­halt ob­jek­tiv falsch schil­dern woll­te, son­dern viel­mehr den Sach­ver­halt auch hin­sicht­lich die­ses Punk­tes so ge­schil­dert hat, wie er ihn sub­jek­tiv wahr­ge­nom­men hat.

b) 

Selbst wenn ei­ne sol­che fal­sche ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung ob­jek­tiv vor­ge­le­gen ha­ben soll­te, ist die Kam­mer der Auf­fas­sung, dass der Kläger ei­ne sol­che nicht vorsätz­lich

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ab­ge­ge­ben hat. Im Übri­gen aber las­sen die be­son­de­ren Umstände des Ein­zel­fal­les aber auch sonst ei­nen ge­ge­be­nen­falls vor­lie­gen­den wich­ti­gen Grund ent­fal­len.

aa)

Nach Auf­fas­sung der Kam­mer ist die Kündi­gung auch des­halb un­wirk­sam, weil der Kläger nicht zu­vor ein­schlägig ab­ge­mahnt wur­de.

bb) 

Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts gilt für ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung, so­wohl außer­or­dent­lich als auch or­dent­lich, das so­ge­nann­te Pro­gno­se­prin­zip. Der Zweck der Kündi­gung ist nicht die Sank­ti­on für ei­ne Ver­trags­pflicht­ver­let­zung, son­dern ei­ne Ver­mei­dung von wei­te­ren Ver­trags­pflicht­ver­let­zun­gen. Die ein­ge­tre­te­ne Pflicht­ver­let­zung muss sich auch zukünf­tig noch be­las­tend aus­wir­ken. Des­halb setzt ei­ne Kündi­gung we­gen ei­ner Ver­trags­pflicht­ver­let­zung re­gelmäßig ei­ne Ab­mah­nung vor­aus. Sie dient der Ob­jek­ti­vie­rung der Pro­gno­se. Die Ab­mah­nung ist zu­gleich auch Aus­druck des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes. Ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung ist nicht ge­recht­fer­tigt, wenn es an­de­re ge­eig­ne­te Mit­tel gibt, um ei­ne zukünf­ti­ge Ver­tragsstörung zu be­sei­ti­gen und zu ver­mei­den. Die­se An­sicht hat auch durch die ge­setz­li­che Re­ge­lung des § 314 Abs. 2 BGB ei­ne ge­setz­ge­be­ri­sche Bestäti­gung ge­fun­den. Ei­ne Ab­mah­nung ist un­ter Berück­sich­ti­gung des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes nur ent­behr­lich, wenn ei­ne Ver­hal­tensände­rung in Zu­kunft – trotz Ab­mah­nung – nicht er­war­tet wer­den kann oder es sich um ei­ne solch schwe­re Pflicht­ver­let­zung han­delt, de­ren Rechts­wid­rig­keit dem Ar­beit­neh­mer oh­ne wei­te­res er­kenn­bar ist und bei der ei­ne Hin­nah­me des Ver­hal­tens durch den Ar­beit­ge­ber of­fen­sicht­lich aus­ge­schlos­sen wer­den kann (vgl. BAG, Ur­teil vom 12.01.2006, 2 AZR 21/05) oder wenn die Ver­trau­ens­grund­la­ge der Rechts­be­zie­hung der­art erschüttert ist, dass sie auch durch die Ab­mah­nung nicht wie­der her­ge­stellt wer­den kann.

cc)

Bei An­le­gung die­ser Maßstäbe ist die Kam­mer da­von über­zeugt, dass ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung hier nicht ent­behr­lich ge­we­sen ist. Für die Kam­mer ist schon nicht fest­stell­bar, dass das Ver­trau­ens­verhält­nis un­wi­der­bring­lich er­heb­lich gestört ist. Der Kläger ist seit 30 Jah­ren bei der Be­klag­ten als lei­ten­de Pfle­ge­kraft beschäftigt und die Pro­ble­me im Ar­beits­verhält­nis ha­ben sich erst im Rah­men der Er­pro­bung des Klägers auf der höher­wer­ti­gen Stel­le als Pfle­ge­dienst­lei­tung er­ge­ben. Un­ter Berück­sich­ti­gung der sei­tens der Be­klag­ten aus­ge­spro­che­nen Ände­rungskündi­gung und der nicht un­er­heb­li­chen Her­ab­stu­fung des Klägers im Rah­men die­ser Ände­rungskündi­gung kam es zwi­schen den Par­tei­en zu dem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren, in dem der Kläger die ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung ab­ge­ge­ben hat. An­ge­sichts der nicht klar wahr­heits­wid­ri­gen ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung und der Grenz­wer­tig­keit zwi­schen Vor­satz und Fahrlässig­keit der ab­ge­ge­be­nen Erklärung so­wie dem Um­stand, dass das Ar­beits­verhält­nis jahr­zehn­te­lang be­an­stan­dungs­frei geführt wur­de, hält die Kam­mer ei­ne Aus­nah­me­si­tua­ti­on, die ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung ent­behr­lich macht, nicht für ge­ge­ben.

Auch man­gels vor­he­ri­ger Ab­mah­nung ist nach Auf­fas­sung der Kam­mer die aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung mit­hin un­wirk­sam.

2.

Ob die Be­triebs­rats­anhörung ord­nungs­gemäß durch­geführt wur­de oder nicht, kann­man­gels Vor­lie­gens ei­nes wich­ti­gen Grun­des da­hin­ge­stellt blei­ben.

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II. 

Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Wei­ter­beschäfti­gung ent­spre­chend den Ände­run­gen aus der Ände­rungskündi­gung vom 31.03.2014.

Ein sol­cher Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch er­gibt sich nach der Recht­spre­chung des Großen Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts. Da zum Zeit­punkt der An­trag­stel­lung die Kündi­gungs­frist hin­sicht­lich der aus­ge­spro­che­nen Ände­rungskündi­gung vom 31.03.2014 zum 30.09.2014 be­reits ab­ge­lau­fen war, hat der Kläger sei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch auf die im Rah­men der Ände­rungskündi­gung aus­ge­spro­che­ne geänder­te Tätig­keit be­grenzt. Zu­min­dest in­so­weit ist der Kläger durch die Be­klag­te da­her wei­ter zu beschäfti­gen.

III. 

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Als un­ter­lie­gen­de Par­tei hat die Be­klag­te die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Den Streit­wert hat das Ge­richt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Ur­teil fest­ge­setzt. Er wur­de für den Kündi­gungs­schutz­an­trag mit drei Brut­to­mo­nats­gehältern gemäß § 42 Abs. 2 GKG berück­sich­tigt. Für den Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag hat das Ge­richt ein wei­te­res Brut­to­mo­nats­ent­gelt berück­sich­tigt.

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