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BAG, Ur­teil vom 19.10.2005, 7 AZR 32/05

   
Schlagworte: Wiedereinstellungsklausel, Wiedereinstellungsanspruch
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 AZR 32/05
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.10.2005
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Ludwigshafen, Urteil vom 26.04.2004 - 8 Ca 71/04
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.11.2004 - 7 Sa 415/04
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT Ur­teil vom 19.10.2005, 7 AZR 32/05

 

Te­nor

Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zu 2) wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Rhein­land-Pfalz vom 15. No­vem­ber 2004 - 7 Sa 415/04 - auf­ge­ho­ben.

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten zu 2) wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Lud­wigs­ha­fen vom 26. April 2004 - 8 Ca 71/04 - ab­geändert:

Die Kla­ge wird ins­ge­samt ab­ge­wie­sen.

Die Kläge­rin hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zu 2) (im Fol­gen­den: Be­klag­te) zur Neu­be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Kläge­rin.

Die Kläge­rin war seit dem 1. April 1965 bei der Be­klag­ten beschäftigt, zu­letzt als kaufmänni­sche An­ge­stell­te im Be­triebs­teil M des Be­triebs L. Zum 1. Ja­nu­ar 1991 glie­der­te die Be­klag­te ih­re Ma­gnet­pro­dukt­ak­ti­vitäten in die B M GmbH (im Fol­gen­den als B M [I] be­zeich­net) aus. Aus die­sem An­lass schlos­sen die Be­klag­te und die Be­triebsräte der Wer­ke L bzw. W/E un­ter dem 4. De­zem­ber 1990 ei­ne Ver­ein­ba­rung (im Fol­gen­den: V 1990), die aus­zugs­wei­se wie folgt lau­tet:

“1. Die B M GmbH mit Sitz in M wird ne­ben dem bis­he­ri­gen Ma­gnet­band­be­trieb A in Mü den aus der B AG aus­ge­glie­der­ten Be­triebs­teil in M, die Ma­gnet­pro­duk­te-Ak­ti­vitäten des Wer­kes W und das Werk E um­fas­sen.

...

4. Je­der Mit­ar­bei­ter, der ei­ne Mit­tei­lung gemäß Zif­fer 3 er­hal­ten hat, kann dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 31.12.90 schrift­lich wi­der­spre­chen. Der Wi­der­spruch hat zur Fol­ge, daß das mit der B AG be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis nicht auf die B M GmbH über­geht.
Im Fal­le ei­nes Wi­der­spruchs ist die B AG ver­pflich­tet, dem wi­der­spre­chen­den Mit­ar­bei­ter im Rah­men der be­ste­hen­den Möglich­kei­ten und un­ter Berück­sich­ti­gung der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ei­nen vor­han­de­nen adäqua­ten Ar­beits­platz an­zu­bie­ten.

...

5. Bezüglich der ar­beits­ver­trag­li­chen Rech­te und Pflich­ten der Mit­ar­bei­ter der B AG, de­ren Ar­beits­verhält­nis­se am 01.01.91 auf die B M GmbH über­ge­hen, gilt fol­gen­des:

...

5.2 Die mit der B AG ab­ge­schlos­se­nen Ar­beits­verträge ge­hen zum 01.01.91 voll­in­halt­lich auf die B M GmbH über. Dies gilt auch für die in Teil­zeit beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter.

5.3 Al­le in der B AG in den Wer­ken W und E so­wie dem Be­triebs­teil M des Wer­kes L zum Zeit­punkt des Be­triebsüber­gangs be­ste­hen­den kol­lek­ti­ven Re­ge­lun­gen (Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen, Re­ge­lungs­ab­re­den, be­trieb­li­che Übun­gen), aus de­nen sich Rech­te und Pflich­ten der Mit­ar­bei­ter er­ge­ben, wer­den ent­spre­chend dem Beschäfti­gungs­ort mit Wir­kung vom 01.01.91 Be­stand­teil der je­wei­li­gen Ein­zel­ar­beits­verträge der in die B M GmbH über­wech­seln­den B-Mit­ar­bei­ter in den Wer­ken W, E und M (§ 613a BGB).

...

Un­be­scha­det des­sen wer­den vor Ab­lauf des Jah­res 1995 für die­se Mit­ar­bei­ter nach­tei­li­ge Verände­run­gen die­ser Re­ge­lun­gen nicht vor­ge­nom­men.

...

5.4 Die zum 01.01.91 über­tre­ten­den B-Mit­ar­bei­ter können die gemäß An­la­ge 2 auf­geführ­ten Leis­tun­gen/Ein­rich­tun­gen auch nach dem Be­triebsüber­gang je­weils nach den in der B AG gel­ten­den Re­ge­lun­gen wei­ter­hin in An­spruch neh­men.

...

8. So­weit Mit­ar­bei­ter Mie­ter ei­ner G -Woh­nung sind oder ein zins­lo­ses oder ver­zins­li­ches Dar­le­hen der B AG oder der Pen­si­ons­kas­se er­hal­ten ha­ben, wer­den die Rech­te und Pflich­ten der Mit­ar­bei­ter (Miet­ver­trag, Dar­le­hens­be­din­gun­gen) durch den Über­tritt in die B M GmbH nicht berührt.

Die B AG wird si­cher­stel­len, daß den über­tre­ten­den Mit­ar­bei­tern wie bis­her ent­spre­chend den all­ge­mei­nen Be­stim­mun­gen der Pen­si­ons­kas­se Hy­po­the­ken­dar­le­hen und ent­spre­chend der Pra­xis in der B AG Ar­beit­ge­ber­dar­le­hen gewährt wer­den.

...

12. Die über­tre­ten­den Mit­ar­bei­ter können sich bis ein­sch­ließlich 1994 zu den bei der B AG gel­ten­den Be­din­gun­gen an der in­ter­nen Stel­len­aus­schrei­bung be­tei­li­gen. Da­nach gel­ten die Re­geln für die BASF-Grup­pe Deutsch­land.

13....

Fort- und Wei­ter­bil­dungs­maßnah­men der B AG können zu den je­weils für Grup­pen­ge­sell­schaf­ten gel­ten­den all­ge­mei­nen Be­din­gun­gen von Mit­ar­bei­tern der B M GmbH in An­spruch ge­nom­men wer­den (z. B. Sprach- und Fach­kur­se, S-Se­mi­na­re).

14. Bis ein­sch­ließlich 1993 er­hal­ten die von der B AG in die B M GmbH über­wech­seln­den Mit­ar­bei­ter ei­ne Jah­res­prämie in Höhe der B AG-Jah­res­prämie. B Ak­ti­en können für die Net­to-Jah­res­prämie von Mit­ar­bei­tern zu den glei­chen Kon­di­tio­nen wie in der B AG in An­spruch ge­nom­men wer­den. Dies gilt auch über 1993 hin­aus, zu den in der B Grup­pe übli­chen Be­din­gun­gen.

15. Die Erhöhung der wan­del­ba­ren Son­der­zu­la­ge/Be­triebs­zu­la­ge bei Ta­rif­mit­ar­bei­tern er­folgt bis ein­sch­ließlich 1993 nach den jähr­lich in der B AG gel­ten­den Re­ge­lun­gen.

16....

Bis zum Jah­re 1993 wird sich die Ge­halts­re­gu­lie­rung für AT-Mit­ar­bei­ter an den in der B AG gel­ten­den Rah­men ori­en­tie­ren.

17. Den zum 01.01.91 über­wech­seln­den Mit­ar­bei­tern wird, so­fern ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung in­ner­halb der B M GmbH aus be­trieb­li­chen Gründen nicht mehr möglich ist, ei­ne Rück­kehrmöglich­keit zu­ge­sagt, so­weit freie und adäqua­te Ar­beitsplätze in der B AG vor­han­den sind.

...”

Die in Nr. 5.4 ge­nann­te An­la­ge 2 lau­tet wie folgt:

“In­an­spruch­nah­me fol­gen­der Leis­tun­gen/Ein­rich­tun­gen:

1. Werksärzt­li­cher Dienst der B AG

2. Rah­men­leis­tun­gen des So­zi­al­we­sens für Pfle­ge­fall­ver­si­cher­te, ein­sch­ließlich In­kas­so­vor­tei­len

3. Leis­tun­gen der Br-Stif­tung ent­spre­chend der Sat­zung

4. Werkbüche­rei in L

5. Pri­vat­ab­ga­be­stel­len (mit Aus­nah­me des tech­ni­schen La­gers/Schrott­la­ger)

6. Be­leg­schafts­ra­batt im Ver­kaufs­cen­ter (Z 23) mit Außen­stel­len W/E

7. Der­zei­ti­ges Kan­ti­nen­an­ge­bot bzw. Es­sens­geld­zu­schußzah­lung (M)

8. Frei­zeit- und Abend­kurs­an­ge­bot in L”

Die gleich­falls un­ter dem 4. De­zem­ber 1990 un­ter­zeich­ne­te Pro­to­koll­no­tiz zur V 1990 lau­tet aus­zugs­wei­se:

“Die Un­ter­neh­mens­lei­tung geht da­von aus, dass die Ma­gnet­pro­duk­te-Ak­ti­vitäten durch den Er­werb des A-Geschäfts und die Zu­sam­men­fas­sung in der B M GmbH ge­si­chert wer­den und auf ei­ne den Er­for­der­nis­sen der Zu­kunft so­li­de Ba­sis ge­stellt wer­den.
...”

Die Kläge­rin wech­sel­te zum 1. Ja­nu­ar 1991 von der Be­klag­ten zur B M (I). Zum 1. No­vem­ber 1995 wur­de der inländi­sche Geschäfts­be­trieb der B M (I) auf ei­ne neu­ge­gründe­te B M GmbH (im Fol­gen­den: B M [II]) über­tra­gen. Die bis­he­ri­ge B M (I) nahm in der Fol­ge­zeit kon­zern­lei­ten­de Funk­tio­nen wahr. Aus die­sem An­lass ver­ein­bar­ten die Un­ter­neh­mens­lei­tung der B M (I), der Ge­samt­be­triebs­rat so­wie die Ein­zel­be­triebsräte un­ter dem 19. Ok­to­ber 1995 die un­veränder­te Fort­gel­tung der V 1990.

Zum 1. Ja­nu­ar 1997 wur­de die B M (II) an ei­ne südko­rea­ni­sche In­ves­to­ren­grup­pe ver­kauft und schied zu die­sem Zeit­punkt aus dem B-Kon­zern­ver­bund aus. Seit­her fir­mier­te die B M (II) als E M GmbH (im Fol­gen­den: E). Die­se Ge­sell­schaft wur­de im Sep­tem­ber 1998 an ein bri­ti­sches Fi­nanz­in­ves­to­ren­kon­sor­ti­um veräußert.

Am 1. April 2003 wur­de über das Vermögen der E das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Mit Schrei­ben vom 18. De­zem­ber 2003 kündig­te der In­sol­venz­ver­wal­ter das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin aus be­triebs­be­ding­ten Gründen zum 31. März 2004.

Die Kläge­rin hat erst­in­stanz­lich Kündi­gungs­schutz­kla­ge ge­gen die Kündi­gung des In­sol­venz­ver­wal­ters vom 18. De­zem­ber 2003 er­ho­ben und hilfs­wei­se ge­genüber der jet­zi­gen Be­klag­ten ei­nen An­trag auf Wie­der­ein­stel­lung ge­stellt. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kündi­gungs­schutz­kla­ge rechts­kräftig ab­ge­wie­sen.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt,

die Be­klag­te zu 2) zu ver­ur­tei­len, mit der Kläge­rin ab dem 1. April 2004 ei­nen un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag ab­zu­sch­ließen und die­se als kaufmänni­sche An­ge­stell­te ent­spre­chend der Ge­halts­grup­pe E 12 des Bun­des­ent­gelt­ta­rif­ver­trags der Che­mi­schen In­dus­trie ein­zu­stel­len und zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Be­klag­te zur Neu­be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Kläge­rin ver­ur­teilt. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ih­ren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter, während die Kläge­rin die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on be­an­tragt.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist be­gründet und führt zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils, zur teil­wei­sen Abände­rung der ar­beits­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung und zur vollständi­gen Ab­wei­sung der Kla­ge. Die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags. Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Wie­der­ein­stel­lung nach der al­lein als An­spruchs­grund­la­ge in Be­tracht kom­men­den Nr. 17 V 1990 sind nicht erfüllt.

I. Die Kla­ge ist zulässig. Auf Grund der ge­bo­te­nen Aus­le­gung ist der An­trag da­hin zu ver­ste­hen, dass die Be­klag­te zur An­nah­me ei­nes in der Kla­ge ent­hal­te­nen An­ge­bots der Kläge­rin auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags ver­ur­teilt wer­den soll (st. Rspr., vgl. BAG 28. Ju­ni 2000 - 7 AZR 904/98 - BA­GE 95, 171 = AP KSchG 1969 § 1 Wie­der­ein­stel­lung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch Nr. 5, zu I A 1 a der Gründe mwN) .

II. Die Kla­ge ist je­doch nicht be­gründet. Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen ge­gen die Be­klag­te ge­rich­te­ten An­spruch der Kläge­rin auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags lie­gen nicht vor. Die in Nr. 17 V 1990 ent­hal­te­ne Rück­kehrmöglich­keit er­streckt sich nicht auf den Weg­fall der
Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten bei der E. Ob bei der Be­klag­ten am 1. April 2004 freie und ge­eig­ne­te Ar­beitsplätze für ei­ne Beschäfti­gung der Kläge­rin zur Verfügung ge­stan­den ha­ben, be­darf kei­ner Ent­schei­dung.

1. Die V 1990 gilt für die Ar­beit­neh­mer, de­ren Ar­beits­verhält­nis­se zum 1. Ja­nu­ar 1991 von der Be­klag­ten auf die B M (I) über­ge­gan­gen sind. Zu die­sem Per­so­nen­kreis gehört auch die im Be­triebs­teil M beschäftig­te Kläge­rin.

2. Die Wie­der­ein­stel­lungs­klau­sel in der V 1990 ist ei­ne Ab­schluss­norm, die Ge­gen­stand ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung sein kann. Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen können eben­so wie Ta­rif­verträge Be­stim­mun­gen über den In­halt, Ab­schluss und die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen so­wie über be­trieb­li­che und be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­gen ent­hal­ten. Grundsätz­lich können al­le ma­te­ri­el­len oder for­mel­len Ar­beits­be­din­gun­gen Ge­gen­stand ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung sein (BAG GS 7. No­vem­ber 1989 - GS 3/85 - BA­GE 63, 211 = AP Be­trVG 1972 § 77 Nr. 46 = EzA Be­trVG 1972 § 77 Nr. 34, zu C I 2 der Gründe) . Er­for­der­lich ist le­dig­lich, dass der Re­ge­lungs­ge­gen­stand der funk­tio­nel­len Zuständig­keit des Be­triebs­rats un­ter­liegt, dh. ein Be­zug zum Be­trieb und zu den In­ter­es­sen der von ihm ver­tre­te­nen Ar­beit­neh­mer be­steht. So verhält es sich im Streit­fall. Die von der Rück­kehr­zu­sa­ge er­fass­ten Ar­beit­neh­mer sind bei Ab­schluss der Ver­ein­ba­rung von den Be­triebsräten der Wer­ke L bzw. W/E ver­tre­ten wor­den.

3. Das in Nr. 17 V 1990 ent­hal­te­ne Rück­kehr­recht be­stand aber nur für den Weg­fall der Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten bei der B M (I) und ih­rer Zu­gehörig­keit zur B-Grup­pe. Die Ver­ein­ba­rung kann ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht da­hin ge­hend aus­ge­legt wer­den, dass die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ei­nen ge­gen die Be­klag­te ge­rich­te­ten An­spruch auf Neu­be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ha­ben, wenn sie ih­ren Ar­beits­platz erst nach dem Aus­schei­den der B M (I) aus dem Kon­zern­ver­bund der Be­klag­ten ver­lie­ren.

a) Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen sind nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts we­gen ih­res nor­ma­ti­ven Cha­rak­ters wie Ge­set­ze aus­zu­le­gen. Aus­zu­ge­hen ist zunächst vom Wort­laut und dem da­durch ver­mit­tel­ten Wort­sinn. Über den rei­nen Wort­laut hin­aus ist der wirk­li­che Wil­le der Be­triebs­par­tei­en zu berück­sich­ti­gen, so­weit er in den Vor­schrif­ten sei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den hat. Da­bei sind ins­be­son­de­re der Ge­samt­zu­sam­men­hang so­wie der Sinn und Zweck der Re­ge­lung zu be­ach­ten. Blei­ben hier­nach noch Zwei­fel, so können oh­ne Bin­dung an ei­ne Rei­hen­fol­ge wei­te­re Kri­te­ri­en wie die Ent­ste­hungs­ge­schich­te oder auch ei­ne tatsächli­che Übung her­an­ge­zo­gen wer­den. Im Zwei­fel gebührt der Aus­le­gung der Vor­zug, die zu ei­ner ge­set­zes­kon­for­men, sach­ge­rech­ten und prak­tisch hand­hab­ba­ren Re­ge­lung führt (vgl. et­wa 21. Ja­nu­ar 2003 - 1 ABR 5/02 - AP Be­trVG 1972 § 87 Lohn­ge­stal­tung Nr. 117 = EzA Be­trVG 2001 § 87 Be­trieb­li­che Lohn­ge­stal­tung Nr. 1, zu B II 1 der Gründe; 22. Ju­li 2003 - 1 AZR 496/02 -, zu II 1 der Gründe).

b) Ge­gen die von den Vor­in­stan­zen an­ge­nom­me­ne un­be­schränk­te Gel­tung der Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge spricht schon der Wort­laut der Nr. 17 V 1990. Da­nach ist die Rück­kehrmöglich­keit an die feh­len­de Beschäfti­gungsmöglich­keit “in­ner­halb der B M GmbH” ge­bun­den. Der An­spruch auf Neu­be­gründung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten war da­nach von ei­nem Ver­lust des Ar­beits­plat­zes bei der B M (I) abhängig. Die Be­triebs­part­ner ha­ben die Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge ge­ra­de nicht an den Fort­be­stand ei­ner be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Ein­heit ge­knüpft, son­dern an den Ver­lust der Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten bei der von ih­nen kon­kret be­zeich­ne­ten Ge­sell­schaft. Ei­ne darüber hin­aus­ge­hen­de Er­stre­ckung der Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge auf ei­ne an­de­re Ge­sell­schaft als die in Nr. 17 V 1990 be­zeich­ne­te B M (I) kommt im Wort­laut der Re­ge­lung nicht zum Aus­druck. So ist ins­be­son­de­re die Auf­nah­me des Zu­sat­zes “und ih­rer Rechts­nach­fol­ger” un­ter­blie­ben.

c) Die­ser vom Wort­laut aus­ge­hen­den Aus­le­gung ent­spricht die Sys­te­ma­tik der V 1990. Die­se enthält so­zi­al­planähn­li­che Aus­gleichs­re­ge­lun­gen für die Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten, die zum 1. Ja­nu­ar 1991 zur B M (I) wech­sel­ten. Es wi­derspräche der Sys­te­ma­tik der Ver­ein­ba­rung, wenn die Nr. 17 V 1990 da­hin ge­hend aus­zu­le­gen wäre, dass für die über­wech­seln­den Ar­beit­neh­mer ei­ne zeit­lich un­be­grenz­te Rück­kehrmöglich­keit zur Be­klag­ten be­steht, während die Bei­be­hal­tung der über­ta­rif­li­chen Leis­tun­gen und Ansprüche aus den bei der Be­klag­ten gel­ten­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen nur be­fris­tet bzw. auf die Zeit der Kon­zern­zu­gehörig­keit der B M (I) zur B-Grup­pe be­schränkt war.

Die V 1990 sieht kei­ne un­be­grenz­te Bei­be­hal­tung der bis­her bei der Be­klag­ten gel­ten­den Ar­beits­be­din­gun­gen und Vergüns­ti­gun­gen vor. So wird in Nr. 5 V 1990 der Schutz vor ei­ner nach­tei­li­gen Verände­rung der zum Zeit­punkt des Ar­beit­ge­ber­wech­sels gel­ten­den kol­lek­ti­ven Re­ge­lun­gen grundsätz­lich bis zum 31. De­zem­ber 1995 be­schränkt. Da­ne­ben konn­ten sich die zur B M (I) ge­wech­sel­ten Mit­ar­bei­ter nur bis ein­sch­ließlich 1994 an in­ter­nen Stel­len­aus­schrei­bun­gen der Be­klag­ten be­tei­li­gen (Nr. 12), während der Ent­gelt­schutz bei der Jah­res­prämie bzw. dem
Ak­ti­en­be­zug (Nr. 14) und der Son­der­zu­la­ge (Nr. 15) so­gar nur bis zum Jahr 1993 galt. Die wei­te­re In­an­spruch­nah­me der Un­ter­neh­mens- und Kon­zern­ein­rich­tun­gen war zwar zeit­lich nicht be­grenzt, aber von der Zu­gehörig­keit der B M (I) zur B-Grup­pe abhängig. Nach Nr. 5.4 V 1990 konn­ten die Ar­beit­neh­mer der B M (I) die in der An­la­ge 2 der V 1990 auf­geführ­ten Ein­rich­tun­gen der Be­klag­ten bzw. des Kon­zerns wei­ter nut­zen. Da­ne­ben be­stand für die Ar­beit­neh­mer der B M (I) die Möglich­keit, Ar­beit­ge­ber­dar­le­hen von der Pen­si­ons­kas­se zu er­hal­ten (Nr. 8). Die In­an­spruch­nah­me die­ser Leis­tun­gen stand aber un­ter dem un­ge­schrie­be­nen Vor­be­halt der wei­te­ren Kon­zern­zu­gehörig­keit der B M (I) zur B-Grup­pe. Un­ter­neh­mens- bzw. kon­zern­be­zo­ge­ne So­zi­al­ein­rich­tun­gen er­brin­gen Leis­tun­gen re­gelmäßig nur für Ar­beit­neh­mer von Kon­zern­ge­sell­schaf­ten. Die auf den Weg­fall der Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten bei der B M (I) be­schränk­te Aus­le­gung der Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge ent­spricht da­her der Sys­te­ma­tik der übri­gen Aus­gleichs­leis­tun­gen in der V 1990.

d) Aus Sinn und Zweck der V 1990 folgt nichts an­de­res. Die Ver­ein­ba­rung ist nicht für den Fall des Her­auslösens der B M (I) aus der B-Grup­pe ge­trof­fen wor­den. Ihr In­halt lässt mit hin­rei­chen­der Deut­lich­keit er­ken­nen, dass die Be­triebs­part­ner bei ih­rem Ab­schluss nicht an ein kurz­fris­ti­ges Aus­schei­den der B M (I) aus dem Kon­zern­ver­bund der Be­klag­ten ge­dacht ha­ben. Sie ha­ben sich aus­sch­ließlich auf den Aus­gleich der Nach­tei­le be­schränkt, die den über­wech­seln­den Ar­beit­neh­mern durch die Aus­glie­de­rung der Ma­gnet­pro­dukt­ak­ti­vitäten aus der Be­klag­ten und ih­rer Zu­sam­men­fas­sung in der B M (I) ent­ste­hen.

aa) Die Be­triebs­part­ner sind von ei­nem zu­min­dest mit­tel­fris­ti­gen Ver­bleib der B M (I) im Kon­zern­ver­bund der Be­klag­ten aus­ge­gan­gen. Auf die­ser Grund­la­ge ist die V 1990 ge­schlos­sen wor­den. In der Pro­to­koll­no­tiz zur V 1990 hat­te die Be­klag­te aus­drück­lich erklärt, dass die Ma­gnet­pro­dukteak­ti­vitäten durch den Er­werb des A-Geschäfts und die Zu­sam­men­fas­sung in der B M (I) ge­si­chert und auf ei­ne den Er­for­der­nis­sen der Zu­kunft so­li­de Ba­sis ge­stellt wer­den soll­te. Die Geschäfts­po­li­tik des Kon­zerns war da­her nicht auf ei­ne kurz­fris­ti­ge Tren­nung von den ent­spre­chen­den Ak­ti­vitäten ge­rich­tet. Viel­mehr muss­ten im Zu­ge der an­gekündig­ten Neu­aus­rich­tung des Geschäfts­fel­des Ma­gnet­pro­duk­te in der B M (I) die durch den Er­werb des Ma­gnet­ton­band­geschäfts der A AG neu hin­zu ge­kom­me­nen Be­triebsstätten mit de­nen der Be­klag­ten zu­sam­men­geführt wer­den. Die Neu­ord­nung des Ma­gnet­pro­dukt­seg­ments soll­te sich nach der Vor­stel­lung der Be­triebs­part­ner in­ner­halb des Kon­zern­ver­bunds voll­zie­hen. Dies kommt in den Aus­gleichs­re­ge­lun­gen zum Aus­druck, die ei­ne zu­min­dest mit­tel­fris­ti­ge Kon­zern­zu­gehörig­keit der bei der B M (I) beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer vor­aus­set­zen. So enthält Nr. 14 V 1990 das Recht zum Ak­ti­en­be­zug zu den in der B-Grup­pe übli­chen Be­din­gun­gen auch über das Jahr 1993 hin­aus. Un­ter den glei­chen Vor­aus­set­zun­gen wa­ren die ehe­mals bei der Be­klag­ten beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer be­rech­tigt, sich nach 1994 an Stel­len­aus­schrei­bun­gen bei der Be­klag­ten zu be­tei­li­gen (Nr. 12). Wäre be­reits im De­zem­ber 1990 ein kurz­fris­ti­ges Her­auslösen der BASF M (I) aus dem Kon­zern­ver­bund der Be­klag­ten be­ab­sich­tigt ge­we­sen, hätte es na­he ge­le­gen, auf die­se Re­ge­lun­gen zu ver­zich­ten.

bb) Die in der Ver­ein­ba­rung ent­hal­te­nen Aus­gleichs­re­ge­lun­gen soll­ten die von dem Ar­beit­ge­ber­wech­sel be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer wirt­schaft­lich ab­si­chern und zu­gleich ei­nen An­reiz schaf­fen, auf die Er­he­bung ei­nes Wi­der­spruchs ge­gen den Be­triebsüber­gang zu ver­zich­ten. Die­sem Zweck dien­te ins­be­son­de­re auch die Rück­kehrmöglich­keit, die den zur B M (I) wech­seln­den Ar­beit­neh­mern in der Nr. 17 V 1990 ein­geräumt wor­den ist. Auf Grund der noch nicht ab­seh­ba­ren Ent­wick­lung des Geschäfts­fel­des be­stand für die Be­triebs­part­ner kei­ne Ver­an­las­sung, be­reits zum Zeit­punkt der Gründung der B M (I) die Rück­kehr­zu­sa­ge auf die Zeit nach ei­nem mögli­chen Aus­schei­den der Ge­sell­schaft aus der B-Grup­pe zu er­stre­cken. Von der Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge in Nr. 17 V 1990 war da­her nur das Ri­si­ko des Ar­beits­platz­ver­lus­tes während der Kon­zern­zu­gehörig­keit um­fasst. Nur der durch die Neu­aus­rich­tung des Geschäfts­fel­des Ma­gnet­pro­duk­te ent­ste­hen­de Beschäfti­gungsüber­hang soll­te ei­ne Rück­kehrmöglich­keit zur Be­klag­ten eröff­nen.

cc) Hin­zu kommt, dass nicht an­ge­nom­men wer­den kann, dass sich die Be­klag­te be­reits zu ei­nem Zeit­punkt, zu dem die wei­te­re Ent­wick­lung bzw. Aus­rich­tung des Ma­gnet­pro­dukt­seg­ments noch nicht ab­seh­bar war, hin­sicht­lich der Rück­kehr­zu­sa­ge un­ein­ge­schränkt bin­den woll­te. Nach ei­nem Aus­schei­den der B M (I) aus dem Kon­zern­ver­bund hätte sie kei­ne Ein­flussmöglich­kei­ten auf die Un­ter­neh­mens­po­li­tik des neu­en Ei­gentümers ge­habt. Dies gilt glei­cher­maßen für wei­te­re Ei­gentümer der Ge­sell­schaft. Das mit ei­ner ein­schränkungs­lo­sen Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge für die mehr als 2000 Ar­beit­neh­mer, die vom Gel­tungs­be­reich der V 1990 er­fasst wa­ren, ver­bun­de­ne wirt­schaft­li­che Ri­si­ko wäre für sie letzt­lich nicht mehr kal­ku­lier­bar ge­we­sen.

e) Für die Auf­fas­sung der Vor­in­stan­zen spricht auch nicht ih­re Über­le­gung, dass es die Be­klag­te bei ei­ner Be­schränkung der Rück­kehrmöglich­keit auf die Zu­gehörig­keit der B M (I) zum Kon­zern je­der­zeit in der Hand ge­habt hätte, sich ih­rer Ver­pflich­tung durch den Ver­kauf ih­rer Toch­ter­ge­sell­schaft zu ent­zie­hen. Wie be­reits dar­ge­legt, sind die Be­triebs­part­ner von ei­nem zu­min­dest mit­tel­fris­ti­gen Ver­blei­ben der B M (I) im Kon­zern­ver­bund der Be­klag­ten aus­ge­gan­gen. Da­ne­ben stellt die abs­trak­te Möglich­keit der Um­ge­hung kein Aus­le­gungs­kri­te­ri­um für ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung dar.

f) Sons­ti­ge Ge­sichts­punk­te, die ei­ne an­de­re Aus­le­gung der V 1990 be­gründen würden, sind we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich.

3. Auf die wei­te­ren, von der Be­klag­ten in der Re­vi­si­ons­be­gründung an­ge­spro­che­nen und in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat ausführ­lich erörter­ten Fra­gen zu den Vor­aus­set­zun­gen des Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruchs kommt es da­nach nicht mehr an.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 91 ZPO.

Dörner

Gräfl

Koch

Be­cher

Bea

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