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LAG Köln, Ur­teil vom 25.02.2011, 3 Sa 673/10

   
Schlagworte: Betriebsübergang, Transfergesellschaft, Beschäftigungsgesellschaft, Insolvenz
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 3 Sa 673/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 25.02.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 16.12.2009, 2 Ca 1638/09 G
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.10.2012, 8 AZR 572/11
   

3 Sa 673/10

2 Ca 1638/09
Ar­beits­ge­richt Sieg­burg  

Verkündet am 25. Fe­bru­ar 2011

Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT KÖLN

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL


In dem Rechts­streit

- Kläger und Be­ru­fungskläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

g e g e n

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

hat die 3. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 25.02.2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. K als Vor­sit­zen­den so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter K und H

für R e c h t er­kannt:

1. Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Sieg­burg vom 16.12.2009 – 2 Ca 1638/09 G – ab­geändert und fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht durch die ver­ein­bar­te Be­fris­tung zum 31.01.2011 auf­gelöst wor­den ist.

2. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

3. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

T a t b e s t a n d

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner Be­fris­tung und den Fort­be­stand ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses.



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Der Kläger war bei der A GmbH (im Fol­gen­den: In­sol­venz­schuld­ne­rin) bzw. de­ren Rechts­vorgängern im Be­trieb in B bis zum 31.05.2008 tätig. Die In­sol­venz­schuld­ne­rin beschäftig­te dort ca. 1600 Ar­beit­neh­mer.

Mit Be­schluss des Amts­ge­richts Bonn vom 01.04.2007 wur­de über das Vermögen der In­sol­venz­schuld­ne­rin das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Der In­sol­venz­ver­wal­ter führ­te den Geschäfts­be­trieb zunächst fort und ver­such­te in der Fol­ge­zeit den Be­trieb zu veräußern. Am 21.03.2008 schloss er mit der Be­klag­ten, die sei­ner­zeit noch als N mbH fir­mier­te, ei­nen Kauf­ver­trag über die Be­triebs­mit­tel der In­sol­venz­schuld­ne­rin. Die­ser Kauf­ver­trag stand ursprüng­lich u.a. un­ter der sog. Clo­sing-Be­din­gung, dass sämt­li­che Ar­beit­neh­mer der In­sol­venz­schuld­ne­rin an den hier maßgeb­li­chen Stand­or­ten dem In­sol­venz­ver­wal­ter ein un­wi­der­ruf­li­ches An­ge­bot auf Ab­schluss ei­nes drei­sei­ti­gen Ver­tra­ges zur Auf­he­bung des Ar­beits­ver­tra­ges mit der In­sol­venz­schuld­ne­rin und zum Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges mit der Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft un­ter­brei­ten. Am 31.05.2008 – we­ni­ge Mi­nu­ten vor dem ge­plan­ten Er­werb - wur­de der Ver­trag ein­ver­nehm­lich ergänzt und ei­ne ge­ringfügi­ge Ab­wei­chung von der vor­ge­nann­ten 100%-Quo­te ver­ein­bart. Ei­nen Tag vor­her, am 30.05.2008, hat­te der In­sol­venz­ver­wal­ter die Ar­beits­verhält­nis­se der 64 Ar­beit­neh­mer, die bis zu die­sem Zeit­punkt den drei­sei­ti­gen Ver­trag noch nicht un­ter­zeich­net hat­ten, frist­los gekündigt. Eben­falls am 31.05.2008 bestätig­ten der In­sol­venz­ver­wal­ter und die NC Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft mbH, dass die vor­ge­nann­ten Kauf­verträge über al­le we­sent­li­chen Vermögens­ge­genstände der In­sol­venz­schuld­ne­rin voll­zo­gen wer­den (Bl. 100 d. A.).

Be­reits zu­vor hat­te die Be­klag­te, wie­der­um noch als N mbH fir­mie­rend, am 12.03.2008 mit dem Ar­beit­ge­ber­ver­band der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie NRW und der IG Me­tall Be­zirks­lei­tung NRW ei­nen Be­triebs- und Beschäfti­gungs­si­che­rungs­ta­rif­ver­trag (BTV) ab­ge­schlos­sen. Nach der Vor­be­mer­kung zu die­sem BTV be­ab­sich­tigt die Be­klag­te, Vermögens­ge­genstände der in der In­sol­venz be­find­li­chen In­sol­venz­schuld­ne­rin zu er­wer­ben. Als Vor­aus­set­zung für den Voll­zug der Trans­ak­ti­on wird u.a. die


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ak­ti­ve Un­terstützung und Er­brin­gung von Sa­nie­rungs­beiträgen der IG Me­tall und der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter aus­drück­lich be­nannt. § 3 BTV legt fest, dass die Be­klag­te zum Zeit­punkt des Er­werbs 1.132 un­be­fris­te­te und 400 be­fris­te­te Ar­beit­neh­mer (in­klu­si­ve der Aus­zu­bil­den­den) in dem streit­be­fan­ge­nen Be­trieb beschäfti­gen wird.

Eben­falls rund ei­nen Mo­nat vor dem Voll­zug des Kauf­ver­tra­ges hat­te der In­sol­venz­ver­wal­ter am 28.04.2008 mit dem Be­triebs­rat und der IG Me­tall ei­ne zu­gleich als In­ter­es­sen­aus­gleich und Ta­rif­ver­trag gel­ten­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung (BV Auf­fang­struk­tu­ren) ge­schlos­sen. § 3 die­ser BV Auf­fang­struk­tu­ren lau­tet aus­zugs­wei­se wie folgt:

„§ 3 In­ter­es­sen­aus­gleich und So­zi­al­plan

(1) Ge­gen­stand und Durchführung der Be­triebsände­rung. Auf­grund der wirt­schaft­li­chen La­ge des Be­trie­bes ist ei­ne Fortführung im Rah­men des In­sol­venz­ver­fah­rens auf Grund der wei­ter­hin ent­ste­hen­den Ver­lus­te, die zu ei­ner Mas­se­schmäle­rung führen würden, nicht möglich. Ei­ne Über­tra­gung des Be­triebs auf ei­nen Be­triebs­er­wer­ber ist des­halb zwin­gend not­wen­dig, an­sons­ten muss der Be­trieb vom In­sol­venz­ver­wal­ter ab­ge­wi­ckelt und zum nächst mögli­chen Zeit­punkt still­ge­legt wer­den. ...

Zur Ver­mei­dung der Be­triebs­still­le­gung oh­ne über­tra­gen­de Sa­nie­rung ist da­her ge­plant, die Be­triebs­mit­tel der I zum 01.06.2008 an ei­nen Drit­ten zu über­tra­gen. Der Drit­te (die N mbH ...) hat je­doch die vor­he­ri­ge Be­en­di­gung der Ar­beits­verhält­nis­se der Beschäftig­ten ver­bun­den mit dem Über­tritt in ei­ne Trans­fer­ge­sell­schaft zur Be­din­gung der Über­nah­me der Be­triebs­mit­tel ge­macht, weil ei­ne Fortführung des Be­trie­bes mit der ge­sam­ten Be­leg­schaft und auch der Ein­tritt in al­le Ar­beits­verhält­nis­se nach § 613a BGB aus sei­ner Sicht nicht möglich ist. ...“

In § 4 der BV Auf­fang­struk­tu­ren heißt es u.a.:

„§ 4 Fi­nan­zie­rung der Trans­fer­ge­sell­schaft



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... Be­rech­nungs­grund­la­ge die­ser Fi­nan­zie­rungs­zu­sa­ge ist, dass von den in die Trans­fer­ge­sell­schaft zum 01.06.2008 über­ge­tre­te­nen Beschäftig­ten nach dem 01.06.2008 ma­xi­mal 50 Beschäftig­te ver­blei­ben ...“

In­te­gra­ler Be­stand­teil die­ser BV Auf­fang­struk­tu­ren sind als ver­bun­de­ne An­la­gen u.a. ei­ne Na­mens­lis­te al­ler Beschäftig­ten nach § 125 In­sO, die Mus­ter­fas­sung ei­nes drei­sei­ti­gen Ver­tra­ges so­wie ein In­sol­venz­so­zi­al­plan.

Am 03.05.2008 fand ei­ne Be­triebs­ver­samm­lung statt. Hier wur­de die ge­sam­te an­we­sen­de Be­leg­schaft ausführ­lich über das den oben ge­nann­ten Ver­ein­ba­run­gen zu­grun­de lie­gen­de BQG-Mo­dell in­for­miert. Die In­for­ma­ti­on er­folg­te durch den In­sol­venz­ver­wal­ter so­wie Ver­tre­ter der Trans­fer­ge­sell­schaft und der Be­klag­ten. Al­le Ar­beit­neh­mer er­hiel­ten so­dann den oben ge­nann­ten drei­sei­ti­gen Ver­trag zur Auf­he­bung des Ar­beits­ver­tra­ges mit der In­sol­venz­schuld­ne­rin und zum Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges mit der Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft so­wie vier wei­te­re Ver­trags­do­ku­men­te (je­weils in zwei­fa­cher Aus­fer­ti­gung). We­sent­li­cher In­halt des drei­sei­ti­gen Ver­tra­ges war die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der In­sol­venz­schuld­ne­rin zum 31.05.2008, 24:00Uhr und die Be­gründung ei­nes neu­en sach­grund­los auf ein Jahr be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses mit der m Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft mit Wir­kung zum 01.06.2008, 00:00 Uhr. Bei den wei­te­ren Ver­trags­do­ku­men­ten han­del­te es sich um ei­nen un­be­fris­te­ten und drei un­ter­schied­lich lan­ge (12, 20, 32 Mo­na­te) be­fris­te­te Ar­beits­verträge mit der Be­klag­ten, je­weils be­gin­nend am 01.06.2008, 00:30 Uhr. Die Ar­beit­neh­mer soll­ten so­wohl den drei­sei­ti­gen Ver­trag als auch sämt­li­che vier Ar­beits­ver­trags­an­ge­bo­te un­ter­schrie­ben zurück­rei­chen.
Der Kläger un­ter­zeich­ne­te den drei­sei­ti­gen Ver­trag und gab die vier vor­be­rei­te­ten schrift­li­chen Ver­trags­an­ge­bo­te ab. Am 30.5.2008 nahm die Be­klag­te das An­ge­bot des Klägers auf Ab­schluss ei­nes auf 32 Mo­na­te bis zum 31.01.2011 be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges an. Ins­ge­samt nahm die Be­klag­te, wie im BTV vor­ge­se­hen, rund 1500 Ar­beits­ver­trags­an­ge­bo­te an, von de­nen 400 auf Ab­schluss be­fris­te­ter Verträge ge­rich­tet wa­ren. Mit die­sen Ar­beit­neh­mern und

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den von der In­sol­venz­schuld­ne­rin er­wor­be­nen Be­triebs­mit­teln führ­te sie die Pro­duk­ti­on in der bis­he­ri­gen Be­triebsstätte am 01.6.2008 fort. Ob die an­sons­ten kon­ti­nu­ier­li­che Pro­duk­ti­on am Sonn­tag, den 01.06.2008 für 24 St­un­den un­ter­bro­chen war, ist strei­tig.

Mit sei­ner am 25.06.2009 beim Ar­beits­ge­richt Sieg­burg ein­ge­gan­gen Kla­ge macht der Kläger den Fort­be­stand sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten über das ver­ein­bar­te Be­fris­tungs­en­de hin­aus gel­tend. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Be­fris­tung ver­s­toße ge­gen das An­schluss­ver­bot des § 14 Abs. 2 Tz­B­fG. We­gen des er­folg­ten Be­triebsüber­gangs sei die Be­klag­te als „der­sel­be Ar­beit­ge­ber“ im Sin­ne die­ser Vor­schrift an­zu­se­hen. Außer­dem über­schrei­te die Be­fris­tungs­dau­er die nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG zulässi­ge Höchst­gren­ze von zwei Jah­ren.

Der Kläger hat wei­ter ge­meint, der drei­sei­ti­ge Ver­trag sei we­gen Um­ge­hung des § 613a BGB un­wirk­sam, denn er ha­be der Um­ge­hung der an­sons­ten bei Kündi­gun­gen er­for­der­li­chen So­zi­al­aus­wahl ge­dient. Die­se Ver­ein­ba­rung stel­le auch kein Ri­si­ko­geschäft im Sin­ne der sog. BQG-Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts dar. Zum ei­nen sei auf der Be­triebs­ver­samm­lung erklärt wor­den, dass rund 1500 Mit­ar­bei­ter wei­ter beschäftigt würden und le­dig­lich rund 50 Ar­beit­neh­mer in der Trans­fer­ge­sell­schaft ver­blei­ben müss­ten. Zum an­de­ren un­ter­schei­de sich der vor­lie­gen­de Sach­ver­halt we­sent­lich von de­nen der bis­he­ri­gen BAG-Recht­spre­chung, da hier der Er­wer­ber bei Ab­ga­be der Ver­trags­an­ge­bo­te be­reits fest­ge­stan­den ha­be. In die­ser Si­tua­ti­on sei der drei­sei­ti­ge Ver­trag bei rea­lis­ti­scher Be­trach­tung nichts an­de­res als ein ein­sei­ti­ges An­ge­bot des Klägers auf Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses für den Fall, dass der Er­wer­ber dies nicht fort­set­zen wol­le. Ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung sei von § 613a BGB nicht ge­deckt.

Der Kläger hat fer­ner mit Schrei­ben vom 22.10.2008 und 29.05.2009 ge­genüber dem In­sol­venz­ver­wal­ter und der Trans­fer­ge­sell­schaft die An­fech­tung des drei­sei­ti­gen Ver­tra­ges we­gen arg­lis­ti­ger Täuschung und Dro­hung erklärt. Hier­zu hat er be­haup­tet, er sei getäuscht wor­den, da das sog.



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Clo­sing durch­geführt wor­den sei, ob­wohl 64 Ar­beit­neh­mer den drei­sei­ti­gen Ver­trag nicht un­ter­schrie­ben hat­ten. Je­den­falls sei die im drei­sei­ti­gen Ver­trag ver­ein­bar­te Be­din­gung nicht ein­ge­tre­ten, da es we­gen der feh­len­den Un­ter­zeich­nung des drei­sei­ti­gen Ver­tra­ges durch sämt­li­che Ar­beit­neh­mer an ei­ner we­sent­li­chen Vor­aus­set­zung für das Clo­sing ge­fehlt ha­be.

Der Kläger hat be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die ver­ein­bar­te Be­fris­tung zum 31.01.2011 auf­gelöst wer­den wird.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat das Vor­lie­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs be­strit­ten. Sie hat fer­ner die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die streit­ge­genständ­li­che Be­fris­tung sei rechts­wirk­sam. Die Be­fris­tungs­dau­er von 32 Mo­na­ten sei nach § 14 Abs. 2a Tz­B­fG zulässig, da es sich bei der Be­klag­ten um ein neu ge­gründe­tes Un­ter­neh­men han­de­le. Das gel­te selbst dann, wenn die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs gemäß § 613a BGB ge­ge­ben wären.

Die Be­klag­te hat wei­ter ge­meint, auch der drei­sei­ti­ge Ver­trag sei recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Ins­be­son­de­re lie­ge in­so­weit kei­ne Um­ge­hung des § 613a BGB vor. Auch ei­ne Um­ge­hung der So­zi­al­aus­wahl sei nicht er­folgt. Die Be­klag­te ha­be viel­mehr das nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zulässi­ge sog. BQG-Mo­dell nach der Dörries-Schar­mann-Recht­spre­chung zu­grun­de ge­legt und auf die­se Wei­se ei­ne Viel­zahl von Ar­beitsplätzen ge­si­chert. Der drei­sei­ti­ge Ver­trag sei ein sog. Ri­si­ko­geschäft im Sin­ne die­ser Recht­spre­chung. Auch ein feh­len­der Be­din­gungs­ein­tritt könne nicht ein­ge­wandt wer­den, da die vom Kläger be­haup­te­te Be­din­gung gar nicht ver­ein­bart wor­den sei.



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Die Be­klag­te hat be­strit­ten, wei­ter­ge­hen­de, über den In­halt der im Rah­men der Be­triebs­ver­samm­lung am 03.05.2008 er­teil­ten In­for­ma­tio­nen hin­aus­ge­hen­de Zu­sa­gen ge­macht zu ha­ben. Ins­be­son­de­re sei nicht zu­ge­sagt wor­den, na­he­zu al­le Ar­beit­neh­mer zu über­neh­men. Sch­ließlich feh­le es auch an den Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne An­fech­tung nach § 123 BGB.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. We­gen der Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils (Bl. 154 ff. d. A.) Be­zug ge­nom­men. Ge­gen die­ses ihm am 11.01.2010 zu­ge­stell­te Ur­teil hat der Kläger am 10.02.2010 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach ent­spre­chen­der Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist am 12.04.2010 be­gründet.

Zur Be­ru­fungs­be­gründung be­haup­tet der Kläger, es lie­ge ein Be­triebsüber­gang auf die Be­klag­te vor, der am 01.06.2008 um 00:00 Uhr voll­zo­gen wor­den sei. Die Be­klag­te ha­be sämt­li­che Vermögens­wer­te der In­sol­venz­schuld­ne­rin über­nom­men. Mit Aus­nah­me der halbstündi­gen Un­ter­bre­chung am 01.06.2008 zwi­schen 00:00 Uhr und 00:30 Uhr sei die Pro­duk­ti­on naht­los fort­geführt wor­den. Ab­ge­se­hen von den un­wirk­sam außer­or­dent­lich gekündig­ten so­wie den we­ni­gen in der Beschäfti­gungs­ge­sell­schaft ver­blie­be­nen Ar­beit­neh­mer ha­be die Be­klag­te die glei­chen Auf­träge mit den glei­chen Pro­duk­ti­ons­mit­teln und dem glei­chen Ma­te­ri­al so­wie der im we­sent­li­chen glei­chen Be­leg­schaft un­verändert fort­geführt. Da es sich bei dem Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin um ei­nen sog. be­triebs­mit­tel­ge­prägten Be­trieb ge­han­delt ha­be, ma­che dies ei­nen Be­triebsüber­gang im Sin­ne des § 613a BGB aus. Hier­von aus­ge­hend stel­le der drei­sei­ti­ge Ver­trag ein Um­ge­hungs­geschäft dar. Der zu­gehöri­ge Auf­he­bungs­ver­trag sei vom Kläger nicht frei­wil­lig un­ter­zeich­net wor­den. Ein Ri­si­ko­geschäft im Sin­ne der ein­schlägi­gen BAG-Recht­spre­chung lie­ge nicht vor. Außer­dem meint der Kläger, dass be­reits aus dem le­dig­lich 29-minüti­gen Ver­bleib in der Trans­fer­ge­sell­schaft er­sicht­lich sei, dass die Über­nah­me in die­se Ge­sell­schaft nur zum Schein er­folgt sei. Fol­ge des Be­triebsüber­gangs sei außer­dem, dass der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag ge­gen § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG ver­s­toße. § 14 Abs. 2a Tz­B­fG sei nicht ein­schlägig, da die Be­klag­te



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aus­sch­ließlich zu dem Zweck ge­gründet wor­den sei, um den Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin zu über­neh­men.

Der Kläger be­an­tragt,

un­ter Auf­he­bung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Sieg­burg vom 16.09.2009, Az. 2 Ca 1638/09 G, fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht durch die ver­ein­bar­te Be­fris­tung zum 31.01.2011 auf­gelöst wor­den ist.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te tritt der Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts bei und wie­der­holt und ver­tieft ih­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­trag. Sie be­strei­tet wei­ter­hin das Vor­lie­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs und hält den drei­sei­ti­gen Ver­trag für rechts­wirk­sam. We­der sei der Wech­sel des Klägers in die Trans­fer­ge­sell­schaft nur zum Schein er­folgt, noch feh­le es an der er­for­der­li­chen Frei­wil­lig­keit des Klägers. Dem Kläger sei auf­grund der Hin­wei­se in der Be­triebs­ver­samm­lung be­wusst ge­we­sen, dass es sich bei dem drei­sei­ti­gen Ver­trag um ein Ri­si­ko­geschäft han­de­le. Die­ses sei er frei­wil­lig ein­ge­gan­gen. Ein Schein­geschäft lie­ge nicht vor, da je­der Ar­beit­neh­mer da­mit ha­be rech­nen müssen, in der Trans­fer­ge­sell­schaft zu ver­blei­ben. Dass die Trans­fer­ge­sell­schaft nicht zum Schein ein­ge­rich­tet wor­den sei er­ge­be sich fer­ner dar­aus, dass die­se ab Ju­ni 2008 für über 80 Ar­beit­neh­mer Trans­fer- und Qua­li­fi­zie­rungs­leis­tun­gen er­bracht ha­be und dies für vie­le nach Ab­lauf der je­wei­li­gen Be­fris­tun­gen bei der Be­klag­ten aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mer auch jetzt noch tue. Außer­dem spre­che die Zu­stim­mung und Un­terstützung der be­tei­lig­ten Be­triebsräte und der Ge­werk­schaft bei der ge­sam­ten Trans­ak­ti­on ge­gen ein Schein­geschäft.



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Die Be­klag­te ha­be auch kei­ne So­zi­al­wahl um­gan­gen, denn Al­ter und Be­triebs­zu­gehörig­keit der Ar­beit­neh­mer hätten für sie bei den Ein­stel­lungs­ent­schei­dun­gen kei­ne we­sent­li­che Rol­le ge­spielt. Der Be­klag­ten sei es viel­mehr um ei­ne be­triebs­ge­rech­te Be­set­zung der ein­zel­nen Funk­tio­nen ge­gan­gen. So­gar lang­fris­tig er­krank­te Ar­beit­neh­mer sei­en „aus­gewählt“ wor­den. Auch ei­ne Um­ge­hung von § 613a BGB lie­ge nicht vor. Die Be­klag­te ha­be al­len­falls die Rechts­fol­gen die­ser Vor­schrift ver­mie­den, was recht­lich nicht zu be­an­stan­den sei.

Die Be­klag­te meint wei­ter, we­gen des feh­len­den Be­triebsüber­gangs ha­be auch kein Vor-Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten im Sin­ne von § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG be­stan­den. Im Übri­gen sei auch die Be­fris­tungs­dau­er nicht zu be­an­stan­den, da § 14 Abs. 2a Tz­B­fG ein­grei­fe. Selbst wenn ein Be­triebsüber­gang vorläge, hätte die Be­klag­te nach die­ser Vor­schrift als neu ge­gründe­tes Un­ter­neh­men ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung über 32 Mo­na­te ver­ein­ba­ren können.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Die Be­ru­fung des Klägers ist zulässig. Das Rechts­mit­tel ist statt­haft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und form- so­wie frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Die Be­ru­fung hat auch in der Sa­che Er­folg. Die zulässi­ge Fest­stel­lungs­kla­ge ist be­gründet. Das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis ist nicht durch die ver­ein­bar­te Be­fris­tung be­en­det wor­den, son­dern be­steht über den 31.01.2011 hin­aus fort.


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1. Der Kläger hat frist­ge­recht Kla­ge er­ho­ben. Die Drei­wo­chen­frist des § 17 Satz 1 KSchG ist ge­wahrt. Das Ar­beits­verhält­nis war auf den 31.01.2011 be­fris­tet, die vor­lie­gen­de Kla­ge ist am 25.06.2009 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen. Ei­ne sol­che Gel­tend­ma­chung vor Frist­be­ginn ist un­pro­ble­ma­tisch möglich und wahrt die ge­setz­li­che Frist (BAG, Ur­teil vom 13.10.2004 – 7 AZR 654/03 -, NZA 2005, 469; BAG, Ur­teil vom 21.12.2005 – 7 AZR 541/04 -, NZA 2006, 321).

2. Zwi­schen den Par­tei­en be­steht ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis. So­wohl der drei­sei­ti­ge Ver­trag zwi­schen Kläger, In­sol­venz­ver­wal­ter und der Trans­fer­ge­sell­schaft M GmbH als auch der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag mit der Be­klag­ten sind nach § 134 BGB un­wirk­sam, da sie ei­ne Um­ge­hung des § 613a Abs. 1 BGB dar­stel­len. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist zwin­gen­des Recht. Ei­ne Ver­ein­ba­rung, die da­ge­gen verstößt, ist nach § 134 BGB un­wirk­sam (ständi­ge Recht­spre­chung des BAG seit BAG, Ur­teil vom 29.10.1975 – 5 AZR 444/74 -, BA­GE 27, 291; zu­letzt BAG, Ur­teil vom 19.03.2009 – 8 AZR 722/07 -, NZA 2009, 1091).

a) Die Be­klag­te hat den Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin, in dem der Kläger beschäftigt war, gemäß § 613a Abs. 1 BGB über­nom­men.

aa) Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts setzt § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB den rechts­geschäft­li­chen Über­gang ei­nes Be­triebs oder Be­triebs­tei­les auf ei­nen an­de­ren In­ha­ber vor­aus. Er­for­der­lich ist da­bei die Wah­rung der Iden­tität der be­tref­fen­den wirt­schaft­li­chen Ein­heit. Der Be­griff wirt­schaft­li­che Ein­heit be­zieht sich auf ei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ge­samt­heit von Per­so­nen und/oder Sa­chen zur auf Dau­er an­ge­leg­ten Ausübung ei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit mit ei­ge­ner Ziel­set­zung. Bei der Prüfung, ob ei­ne sol­che Ein­heit über­ge­gan­gen ist, müssen sämt­li­che, den be­tref­fen­den Vor­gang kenn­zeich­nen­den Tat­sa­chen berück­sich­tigt wer­den. Da­zu gehören als Teil­as­pek­te der Ge­samtwürdi­gung na­ment­lich die Art des be­tref­fen­den Un­ter­neh­mens oder Be­triebs, der et­wai­ge Über­gang der ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel wie Gebäude oder be­weg­li­che Güter, der Wert der im­ma­te­ri­el­len Ak­ti­va im Zeit­punkt des Über­gangs, die et­wai­ge Über­nah­me der


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Haupt­be­leg­schaft, der et­wai­ge Über­gang der Kund­schaft so­wie der Grad der Ähn­lich­keit zwi­schen den vor und nach dem Über­gang ver­rich­te­ten Tätig­kei­ten und die Dau­er ei­ner even­tu­el­len Un­ter­bre­chung die­ser Tätig­keit. Die Iden­tität der Ein­heit kann sich auch aus an­de­ren Merk­ma­len, wie z.B. ih­rem Per­so­nal, ih­ren Führungs­kräften, ih­rer Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on, ih­ren Be­triebs­me­tho­den oder den ihr zur Verfügung ste­hen­den Be­triebs­mit­teln er­ge­ben. Den für das Vor­lie­gen ei­nes Über­gangs maßgeb­li­chen Kri­te­ri­en kommt je nach der aus­geübten Tätig­keit und je nach den Pro­duk­ti­ons- und Be­triebs­me­tho­den un­ter­schied­li­ches Ge­wicht zu (zu­letzt BAG, Ur­teil vom 23.09.2010 – 8 AZR 567/09 -, NZA 2011, 197; BAG, Ur­teil vom 24.04.2008 – 8 AZR 268/07 -, NZA 2008, 1314 je­weils m. w. Nach­wei­sen).

Bei be­triebs­mit­tel­ar­men und dienst­leis­tungs­ori­en­tier­ten Bran­chen und Ar­beits­zwe­cken, bei de­nen es we­sent­lich auf die men­sch­li­che Ar­beits­kraft an­kommt, kann ei­ne Ge­samt­heit von Ar­beit­neh­mern, die durch ih­re ge­mein­sa­me Tätig­keit dau­er­haft ver­bun­den ist, ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit in die­sem Sin­ne dar­stel­len. Die Wah­rung der Iden­tität der wirt­schaft­li­chen Ein­heit ist an­zu­neh­men, wenn der neue Be­triebs­in­ha­ber nicht nur die be­tref­fen­de Tätig­keit wei­terführt, son­dern auch ei­nen nach Zahl und Sach­kun­de we­sent­li­chen Teil des Per­so­nals über­nimmt, das sein Vorgänger ge­zielt bei die­ser Tätig­keit ein­ge­setzt hat. Die bloße Fortführung der Tätig­keit durch ei­nen an­de­ren Auf­trag­neh­mer (Funk­ti­ons­nach­fol­ge) stellt hin­ge­gen kei­nen Be­triebsüber­gang dar (vgl. BAG, Ur­teil vom 21.05.2008 – 8 AZR 481/07 -, EzA § 613a BGB 2002 Nr. 96). In be­triebs­mit­tel­ge­prägten Be­trie­ben kann ein Be­triebsüber­gang auch oh­ne Über­nah­me von Per­so­nal vor­lie­gen (BAG, Ur­teil vom 06.04.2006 – 8 AZR 249/04 -, BA­GE 117, 362; BAG, Ur­teil vom 23.09.2010 – 8 AZR 567/09 -, NZA 2011, 197 je­weils m. w. Nach­wei­sen).

bb) Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen sind die Vor­aus­set­zun­gen des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB hier erfüllt. Der Kläger hat im ein­zel­nen vor­ge­tra­gen, die Be­klag­te ha­be sämt­li­che Vermögens­wer­te der In­sol­venz­schuld­ne­rin, die ei­nen sog. be­triebs­mit­tel­ge­prägten Be­trieb geführt ha­be, auf­grund ei­nes Kauf­ver­tra­ges über­nom­men. Die Pro­duk­ti­on sei mit Aus­nah­me ei­ner halbstündi­gen Un­ter­bre­chung am 01.06.2008 zwi­schen 00:00 Uhr und


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00:30 Uhr naht­los fort­geführt wor­den. Da­bei ha­be sie die glei­chen Auf­träge am glei­chen Pro­duk­ti­ons­ort mit den glei­chen Pro­duk­ti­ons­mit­teln und dem glei­chen Ma­te­ri­al so­wie der im We­sent­li­chen glei­chen Be­leg­schaft un­verändert fort­geführt. Ab­ge­se­hen von den un­wirk­sam außer­or­dent­lich gekündig­ten so­wie den we­ni­gen in der Beschäfti­gungs­ge­sell­schaft ver­blie­be­nen Ar­beit­neh­mern sei­en al­le frühe­ren Mit­ar­bei­ter der In­sol­venz­schuld­ne­rin von der Be­klag­ten ein­ge­stellt wor­den. Ins­be­son­de­re der Wei­terführung der lau­fen­den Auf­träge kom­me da­bei be­son­de­re Be­deu­tung zu, wie sich aus dem ei­ge­nen Vor­trag der In­sol­venz­schuld­ne­rin er­ge­be, die in den Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren selbst vor­ge­tra­gen ha­be, dass der Ver­lauf zwi­schen Auf­trags­ver­ga­be und Pro­duk­ti­ons­auf­nah­me in der Re­gel min­des­tens zwei Jah­re be­tra­ge. Oh­ne Fortführung der Auf­träge sei da­her der Be­trieb nicht le­bensfähig.

Die­sem Vor­trag des Klägers ist die Be­klag­te nicht sub­stan­ti­iert ent­ge­gen­ge­tre­ten. Sie hat zu­letzt le­dig­lich ein­ge­wandt, der Kläger ha­be nicht hin­rei­chend zur be­trieb­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on vor­ge­tra­gen und oh­ne­hin ha­be am 01.06.2008 gar kein Be­trieb über­ge­hen können, da mit der ver­trag­li­chen Auf­he­bung der Ar­beits­verhält­nis­se und der außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen Kündi­gung al­ler der­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die die drei­sei­ti­gen Verträge nicht un­ter­zeich­net hat­ten, die Iden­tität der wirt­schaft­li­chen Ein­heit zer­fal­len sei. Letz­te­res ist ein of­fen­sicht­li­cher Zir­kel­schluss, da die Wirk­sam­keit der Auf­he­bungs­verträge ge­ra­de vom Vor­lie­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs und des­sen Um­ge­hung abhängt. Die des­wei­te­ren an­ge­spro­che­nen frist­lo­sen Kündi­gun­gen sind so­weit sie von den gekündig­ten Ar­beit­neh­mern ge­richt­lich an­ge­grif­fen wor­den sind, von der 11. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln für un­wirk­sam er­ach­tet wor­den (vgl. LAG Köln, Ur­teil vom 11.12.2009 – 11 Sa 85/09 -). Wei­te­rer Vor­trag des Klägers zur be­trieb­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on ist bei der dar­ge­leg­ten Fortführung sämt­li­cher Auf­träge der In­sol­venz­schuld­ne­rin mit den vor­han­de­nen Pro­duk­ti­ons­mit­teln an der glei­chen Pro­duk­ti­onsstätte mit der im We­sent­li­chen iden­ti­schen Be­leg­schaft nicht er­for­der­lich. Er­kenn­bar soll mit dem Sach­vor­trag des Klägers zum Aus­druck ge­bracht wer­den, dass der Be­trieb in der be­ste­hen­den Form von der Be­klag­ten wei­ter­geführt wird. Bei die­sem Sach­vor­trag wäre es Auf­ga­be der Be­klag­ten ge­we­sen, ih­rer­seits sub­stan­ti­iert Einwände vor­zu­tra­gen. Das ist nicht


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ge­sche­hen. Un­er­heb­lich im Rah­men der Ge­samt­be­trach­tung ist in­so­weit der zwi­schen den Par­tei­en strei­ti­ge Um­stand, ob der Be­trieb von der Be­klag­ten naht­los fort­geführt, oder ob die Ar­beit am 01.06.2008 erst mit der Nacht­schicht um 22:00 Uhr wie­der auf­ge­nom­men wor­den ist. Selbst ei­ne 24-stündi­ge Un­ter­bre­chung änder­te nichts an der er­folg­ten Fortführung der be­ste­hen­den wirt­schaft­li­chen Ein­heit.

b) Rechts­fol­ge die­ses Be­triebsüber­gangs ist gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB der Ein­tritt der Be­klag­ten in die Rech­te und Pflich­ten der im Zeit­punkt des Über­gangs be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­se. Die­se Rechts­fol­ge er­fasst auch das Ar­beits­verhält­nis des Klägers, denn der drei­sei­ti­ge Ver­trag vom 13./20.05.2008, der ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen Kläger und In­sol­venz­schuld­ne­rin zum 31.05.2008, 24:00 Uhr be­inhal­tet, ist we­gen Um­ge­hung des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gemäß § 134 BGB eben­so un­wirk­sam wie der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag des Klägers mit der Be­klag­ten.

aa) Nach der Recht­spre­chung des 8. Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist der Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges mit ei­nem Be­triebs­veräußerer im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges mit ei­ner Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft (BQG) trotz ei­nes an­sch­ließen­den Be­triebsüber­gangs grundsätz­lich wirk­sam, wenn die Ver­ein­ba­rung auf das endgülti­ge Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers aus dem Be­trieb ge­rich­tet ist. Es kom­me vor al­lem dar­auf an, dass der Ar­beit­neh­mer den Auf­he­bungs­ver­trag frei­wil­lig ab­sch­ließe, die BQG zwi­schen­ge­schal­tet sei und der Ar­beit­neh­mer kei­ne si­che­re Aus­sicht dar­auf ha­be, bei dem Er­wer­ber ein­ge­stellt zu wer­den (vgl. BAG, Ur­teil vom 10.12.1998 – 8 AZR 324/97 -, NZA 1999, 422; BAG, Ur­teil vom 18.08.2005 – 8 AZR 523/04 -, NZA 2006, 145; BAG, Ur­teil vom 23.11.2006 – 8 AZR 349/06 -, NZA 2007, 866).

Et­was an­de­res gilt nach die­ser Recht­spre­chung nur dann, wenn der Auf­he­bungs­ver­trag die Be­sei­ti­gung der Kon­ti­nuität des Ar­beits­verhält­nis­ses bei gleich­zei­ti­gem Er­halt des Ar­beits­plat­zes be­zweckt, weil zu­gleich ein neu­es Ar­beits­verhält­nis ver­ein­bart oder zu­min­dest ver­bind­lich in Aus­sicht ge­stellt wird.


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Ei­ne Um­ge­hung könne da­nach al­len­falls dann vor­lie­gen, wenn die Über­nah­me in ei­ne Beschäfti­gungs­ge­sell­schaft nur zum Schein vor­ge­scho­ben oder of­fen­sicht­lich be­zweckt wer­de, die So­zi­al­aus­wahl zu um­ge­hen. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt führt in­so­fern aus, die Um­ge­hung ver­su­che ein recht­lich un­er­laub­tes Ziel auf ei­nem schein­bar gang­ba­ren Weg zu er­rei­chen. Da­bei wer­de der „Wort­laut“ des Ge­set­zes zwar viel­leicht for­mal erfüllt, oh­ne aber sei­nem Sinn und Zweck ge­recht zu wer­den. Bei der Um­ge­hung sei al­so nicht nur ein be­stimm­ter Weg zum Ziel, son­dern das Ziel selbst ver­bo­ten (vgl. BAG, a.a.O.).

bb) Wen­det man die­se Grundsätze der BAG-Recht­spre­chung im vor­lie­gen­den Fall an, ist ei­ne ob­jek­ti­ve Ge­set­zes­um­ge­hung zu be­ja­hen. Denn ei­ne Be­trach­tung der Ge­samt­umstände er­gibt, dass das Ziel des Auf­he­bungs­ver­trags zwi­schen Kläger und In­sol­venz­schuld­ne­rin nicht in der endgülti­gen Be­en­di­gung der Ver­trags­be­zie­hun­gen be­stand, son­dern viel­mehr für die Be­klag­te in der Be­triebsüber­g­angs­si­tua­ti­on bei Fortführung des Be­triebs der In­sol­venz­schuld­ne­rin ei­ne freie Aus­wahl der Ar­beit­neh­mer gewähr­leis­tet wer­den soll­te.

Da­hin­ge­stellt blei­ben kann da­bei, ob bei dem vor­lie­gend zu­grun­de ge­leg­ten Ver­trags­mo­dell an­ge­nom­men wer­den kann, dass dem Kläger ein neu­es Ar­beits­verhält­nis ver­bind­lich in Aus­sicht ge­stellt wor­den ist. Fest­zu­hal­ten bleibt zunächst die for­ma­le Ar­gu­men­ta­ti­on der Be­klag­ten, dass dem Kläger im Zeit­punkt des Auf­he­bungs­ver­tra­ges un­strei­tig kei­ne ver­bind­li­che Zu­sa­ge ge­macht wor­den ist, er wer­de bei der Be­klag­ten wei­ter­beschäftigt wer­den. Al­ler­dings bleibt frag­lich, ob bei rich­ti­gem Verständ­nis der vor­ge­nann­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts bei die­ser for­ma­len Be­trach­tung ste­hen­ge­blie­ben wer­den kann. Denn zu die­sem Zeit­punkt stand auf­grund der Re­ge­lun­gen im Be­triebs- und Beschäfti­gungs­si­che­rungs­ta­rif­ver­trag vom 12.03.2008 (§ 3 Abs. 1 BTV) fest, dass die Be­klag­te zum Zeit­punkt des Er­werbs 1.532 Ar­beit­neh­mer inkl. Aus­zu­bil­den­den beschäfti­gen würde. Auch in § 4 der eben­falls vor dem Ab­schluss des Auf­he­bungs­ver­tra­ges un­ter­zeich­ne­ten Be­triebs­ver­ein­ba­rung Auf­fang­struk­tu­ren vom 28.04.2008 ge­hen die Be­tei­lig­ten (In­sol­venz­ver­wal­ter, Be­triebs­rat und IG Me­tall) da­von aus, dass nach dem



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01.06.2008 ma­xi­mal 50 Ar­beit­neh­mer in der Trans­fer­ge­sell­schaft ver­blei­ben. Selbst un­ter Hin­zu­rech­nung der 64 frist­los gekündig­ten Ar­beit­neh­mer, die den drei­sei­ti­gen Ver­trag nicht un­ter­schrie­ben hat­ten, er­gibt sich da­mit ei­ne „Wei­ter­beschäfti­gungs­quo­te“ von rund 93%. Dies legt durch­aus na­he, von ei­ner na­he­zu ver­bind­li­chen Aus­sicht im oben ge­nann­ten Sin­ne zu spre­chen.

Ent­schei­dend für die Qua­li­fi­zie­rung als Um­ge­hungs­geschäft ist dem­ge­genüber die of­fen­sicht­li­che Zweck­rich­tung der ge­sam­ten Ver­trags­ge­stal­tung. Die­se be­ruht auf ei­nem ge­plan­ten, ziel­ge­rich­te­ten Vor­ge­hen al­ler be­tei­lig­ten Par­tei­en, wo­bei letzt­lich die Vor­ga­ben der Be­klag­ten hin­sicht­lich der „per­so­nel­len Be­rei­ni­gung“ von we­sent­li­cher Be­deu­tung ge­we­sen sind. Die Be­klag­te gibt selbst an, dass sie den von ihr als Er­werb von Be­triebs­mit­tel be­zeich­ne­ten, oben näher dar­ge­stell­ten Be­triebs­er­werb un­ter an­de­rem da­von abhängig ge­macht ha­be, dass al­le im Be­trieb B beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer den oben ge­nann­ten drei­sei­ti­gen Ver­trag un­ter­zeich­nen. Dem­ent­spre­chend heißt es in § 3 der BV Auf­fang­struk­tu­ren vom 28.04.2008 auch, dass „der Er­wer­ber die vor­he­ri­ge Be­en­di­gung der Ar­beits­verhält­nis­se der Beschäftig­ten ver­bun­den mit dem Über­tritt in ei­ne Trans­fer­ge­sell­schaft zur Be­din­gung der Über­nah­me der Be­triebs­mit­tel ge­macht hat“. Ei­ne sol­che ge­ziel­te Schaf­fung ei­nes ar­beit­neh­mer­frei­en Be­triebs zwecks Er­werbs al­ler we­sent­li­chen ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel bei gleich­zei­tig von vorn­her­ein ge­plan­ter „Neu“- Ein­stel­lung des we­sent­li­chen Teils der frühe­ren Be­leg­schaft läuft dem Norm­zweck des § 613a Abs. 1 BGB dia­me­tral zu­wi­der. Schon in frühen Ent­schei­dun­gen hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt aus­geführt, dass die­ser ins­be­son­de­re dar­in be­ste­he, den so­zia­len Be­sitz­stand der Ar­beit­neh­mer zu er­hal­ten und ei­nen lücken­lo­sen Be­stands­schutz zu gewähren (BAG, Ur­teil vom 22.02.1978, DB 1978, 1453; BAG, Ur­teil vom 26.02.1987, DB 1987, 991).

Da­her hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der oben ge­nann­ten BQG-Recht­spre­chung auch nicht al­lein auf die ver­bind­li­che In­aus­sicht­stel­lung ei­nes neu­en Ar­beits­verhält­nis­ses ab­ge­stellt, son­dern auch ei­ne of­fen­sicht­li­che Um­ge­hung bei­spiels­wei­se der So­zi­al­aus­wahl als un­zulässi­ges Um­ge­hungs­geschäft qua­li­fi­ziert. Nicht der Weg, son­dern das Ziel sei ver­bo­ten. Ge­nau dies ist hier der Fall. Da­bei ist un­er­heb­lich, ob es der Be­klag­ten kon­kret



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um ei­ne Um­ge­hung der So­zi­al­aus­wahl ge­gan­gen ist. Aus­schlag­ge­bend für die Be­klag­te war nach ih­rem ei­ge­nen Sach­vor­trag die so be­ste­hen­de Möglich­keit, Stel­len „be­triebs­ge­recht“, al­so oh­ne sons­ti­ge recht­li­che Be­schränkun­gen, mit den zu­vor bei der In­sol­venz­schuld­ne­rin täti­gen Ar­beit­neh­mern be­set­zen zu können. Es ging der Be­klag­ten so­mit um ei­ne Be­frei­ung von den Re­strik­tio­nen des § 613a Abs. 1 BGB, nämlich der zwangsläufi­gen Über­nah­me al­ler Ar­beit­neh­mer. Der Um­ge­hungs­zweck des ge­sam­ten aus drei­sei­ti­gem Ver­trag und Ab­schluss ei­nes neu­en (un-)be­fris­te­ten Ver­tra­ges be­ste­hen­den Mo­dells ist da­mit of­fen­sicht­lich. Kon­se­quen­ter­wei­se räumt die Be­klag­te selbst freimütig ein, dass es ihr um die Ver­mei­dung der Rechts­fol­gen des § 613a BGB ge­gan­gen ist. So­weit sie meint, dass ein sol­ches Vor­ge­hen recht­lich nicht zu be­an­stan­den sei, lässt sie un­berück­sich­tigt, dass dies nur so­weit gilt, wie die­se Rechts­fol­gen­ver­mei­dung nicht im We­ge der ob­jek­ti­ven Um­ge­hung zwin­gen­der Rechts­nor­men er­reicht wird. Ge­nau das ist aber hier der Fall.

Den­sel­ben Um­ge­hungs­an­satz ver­folgt der 8. Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts in ei­ner wei­te­ren Ent­schei­dung, bei der es nicht um die Ein­schal­tung ei­ner Trans­fer­ge­sell­schaft ging. Hier hat der Se­nat aus­geführt, dass § 613a BGB ins­be­son­de­re dann um­gan­gen wer­de, wenn im Fall ei­nes Be­triebsüber­gangs zu­gleich mit dem Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges mit dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber ein neu­es Ar­beits­verhält­nis mit dem Be­triebsüber­neh­mer ver­ein­bart wer­de (BAG, Ur­teil vom 21.05.2008 – 8 AZR 481/07 -, NZA 2009, 144). Die Si­tua­ti­on im vor­lie­gen­den Fall ist ähn­lich. Sie un­ter­schei­det sich nur da­durch, dass die Be­klag­te bei Un­ter­zeich­nung des Auf­he­bungs­ver­tra­ges ih­ren um­fangsmäßig fest­ste­hen­den und aus der vor­han­de­nen Be­leg­schaft zu de­cken­den Per­so­nal­be­darf noch nicht nach außen per­so­ni­fi­ziert hat­te. Nur der Kläger hat­te sich durch die Ab­ga­be der vier Ver­trags­an­ge­bo­te ge­bun­den. Be­trach­tet man den Vor­gang als Ge­samt­heit, liegt of­fen­sicht­lich ei­ne Kon­ti­nuität vor, die im Übri­gen letzt­lich auch zur Wei­terführung der lang­fris­ti­gen Auf­träge er­for­der­lich ist.

Noch deut­li­cher hat der 8. Se­nat dies in der ein­gangs be­reits an­geführ­ten Ent­schei­dung vom 19.03.2009 (8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091) zum Aus­druck ge­bracht. Da­nach stellt ei­ne Ver­ein­ba­rung zwi­schen dem Ar­beit­neh­mer und



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dem Be­triebs­veräußerer oder dem in Aus­sicht ge­nom­me­nen Be­triebs­er­wer­ber dann ei­ne zur Un­wirk­sam­keit nach § 134 BGB führen­de Um­ge­hung des § 613a Abs. 1 BGB dar, wenn es Grund und Ziel der Ver­ein­ba­rung ist zu ver­hin­dern, dass der künf­ti­ge Be­triebs­er­wer­ber in sämt­li­che be­ste­hen­den Rech­te und Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis ein­tritt. Nichts an­de­res ist hier der Fall. Zusätz­lich stellt der Se­nat da­bei noch klar, dass es selbst­verständ­lich kei­nen sach­li­chen Grund dar­stellt, wenn der po­ten­ti­el­le Be­triebs­er­wer­ber (wie hier) zum Aus­druck bringt, er wer­de den Be­trieb oh­ne sol­che vor­he­ri­gen Maßnah­men nicht über­neh­men.

Zu­letzt hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen bei ei­nem ver­gleich­ba­ren Sach­ver­halt eben­falls das Vor­lie­gen ei­nes Um­ge­hungs­tat­be­stands be­jaht (LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 18.02.2010 – 7 Sa 779/09 -, LA­GE § 613a BGB 2002 Nr. 29). Wenn­gleich dort ein noch ge­rin­ge­rer Pro­zent­satz der Be­leg­schaft über­nom­men wur­de und die Aus­wahl der Ar­beit­neh­mer – an­ders als im vor­lie­gen­den Fall - in ei­nem Los­ver­fah­ren er­folg­te, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt, dass die gewähl­te Kon­struk­ti­on er­kenn­bar al­lein da­zu dien­te, die Kon­ti­nuität der Ar­beits­verhält­nis­se der Ar­beit­neh­mer zu un­ter­bre­chen, mit de­nen der Be­trieb letzt­lich fort­geführt wur­de. Eben­so wie hier be­leg­ten auch dort al­le Be­gleit­umstände, dass von vorn­her­ein ei­ne über­tra­gen­de Sa­nie­rung be­ab­sich­tigt war (LAG Nie­der­sa­chen a.a.O.).

Die Auf­fas­sun­gen im Schrift­tum sind ge­teilt. Ei­ner­seits wird die Be­deu­tung des BQG-Mo­dells mit der vom ihm gewähr­leis­te­ten Möglich­keit sich ei­ne „Wunsch­mann­schaft“ zu­sam­men­stel­len zu können, für die Sa­nie­rungs­pra­xis her­vor­ge­ho­ben (vgl. et­wa Meh­rens, BB 2010, 2184; Fuhl­rott/Chwa­lisz, FA 2011, 38), wo­bei al­ler­dings auch von den Befürwor­tern die­ses Mo­dells dar­auf hin­ge­wie­sen wird, dass die Trans­fer­ge­sell­schaft für ei­nen Teil der Ar­beit­neh­mer ih­ren Zweck erfüllen müsse (Rein­hard, Ar­bRB 2010, 184). An­de­rer­seits wird der deut­li­che Um­ge­hungs­cha­rak­ter die­ser Ver­trags­ge­stal­tung her­aus­ge­stellt (Kütt­ner/Kreit­ner, Per­so­nal­buch 2011, 18. Aufl., Be­triebsüber­gang Rz. 44).



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c) Im Er­geb­nis bleibt so­mit fest­zu­stel­len, dass die ge­sam­te Ver­trags­ge­stal­tung be­ste­hend aus drei­sei­ti­gem Ver­trag zwi­schen dem Kläger, dem In­sol­venz­ver­wal­ter und der Trans­fer­ge­sell­schaft so­wie neu­em be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit der Be­klag­ten we­gen Um­ge­hung des § 613a Abs. 1 BGB gemäß § 134 BGB un­wirk­sam ist und der Kläger we­gen des er­folg­ten Be­triebsüber­gangs in ei­nem un­veränder­ten un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten steht.

3. Die glei­che Rechts­fol­ge er­gibt sich aus §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 16 Tz­B­fG.

Nach die­ser Vor­schrift ist die sach­grund­lo­se Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses nicht zulässig, wenn mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber be­reits zu­vor ein Ar­beits­verhält­nis be­stan­den hat. Zu­grun­de zu le­gen ist da­bei ein recht­li­cher Ar­beit­ge­ber­be­griff (BAG, Ur­teil vom 16.07.2008 – 7 AZR 278/07 -, NZA 2008, 1347 m. w. Nachw.). Hier­aus folgt, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG im Fal­le ei­nes nach dem Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers voll­zo­ge­nen Be­triebsüber­gangs auf ei­ne späte­re Ein­stel­lung des Ar­beit­neh­mers durch den Be­triebs­er­wer­ber kei­ne An­wen­dung fin­det (BAG, Ur­teil vom 18.08.2005 – 8 AZR 523/04 -, NZA 2006, 145; APS/Back­haus, 3. Aufl., § 14 Tz­B­fG Rn. 398). Das gilt je­doch nicht, wenn wie im vor­lie­gen­den Fall das Ar­beits­verhält­nis oh­ne vor­he­ri­ge Be­en­di­gung auf den Be­triebs­er­wer­ber nach § 613a Abs. 1 BGB über­ge­gan­gen ist. In die­sem Fall be­steht ge­ra­de ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te Ar­beit­ge­be­ri­den­tität und ei­ne nachträgli­che Be­fris­tung durch den Be­triebs­er­wer­ber schei­det nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG aus (ErfK/Müller-Glöge, 11. Aufl., § 14 Tz­B­fG Rn. 93; KR/Lip­ke, 9. Aufl., § 14 Tz­B­fG Rn. 426; APS/Back­haus, a.a.O.).

4. Auch § 14 Abs. 2a Tz­B­fG ver­mag die streit­ge­genständ­li­che Be­fris­tung nicht zu recht­fer­ti­gen.

Die­se Vor­schrift er­laubt in den ers­ten vier Jah­ren nach der Gründung ei­nes Un­ter­neh­mens grundsätz­lich die sach­grund­lo­se Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges bis zur Dau­er von vier Jah­ren. Mit ihr ver­folgt der Ge­setz­ge­ber den Zweck, Exis­tenz­gründer zu un­terstützen. Ih­nen soll ge­ra­de in der



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Auf­bau­pha­se, in der der wirt­schaft­li­che Er­folg des Un­ter­neh­mens noch un­ge­wiss und der Per­so­nal­be­darf re­gelmäßig nur schwer abschätz­bar ist, die Ent­schei­dung zu Ein­stel­lun­gen er­leich­tert wer­den (vgl. zu Norm­zweck und Ent­ste­hungs­ge­schich­te APS/Back­haus, 3. Aufl., § 14 Tz­B­fG rn. 405a ff.).

Die­ser Norm­zweck greift in dem Fall ei­ner gleich­zei­tig mit der Neu­gründung des Un­ter­neh­mens er­fol­gen­den Be­triebsüber­nah­me nach § 613a BGB re­gelmäßig nicht ein. Man­gels neu­en un­ter­neh­me­ri­schen En­ga­ge­ments han­delt es sich in die­sem Fall viel­mehr um ei­ne „Um­struk­tu­rie­rung“ im Sin­ne von § 14 Abs. 2a Satz 2 Tz­B­fG (KR/Lip­ke, 9. Aufl., § 14 Tz­B­fG Rn. 453). Un­ter Berück­sich­ti­gung der ra­tio le­gis des § 14 Abs. 2a Tz­B­fG kann da­her in ei­nem sol­chen Fall von der verlänger­ten Be­fris­tungsmöglich­keit kein Ge­brauch ge­macht wer­den (APS/Back­haus, 3. Aufl., § 14 Tz­B­fG Rn. 415h).

Die 32-mo­na­ti­ge Be­fris­tungs­dau­er der streit­ge­genständ­li­chen Be­fris­tung über­schrei­tet da­her die selbst im Fall ei­ner be­ste­hen­den Be­fris­tungsmöglich­keit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG zulässi­ge Be­fris­tungs­dau­er von 2 Jah­ren. Dies hat nach § 16 Satz 1 Tz­B­fG die Ent­ste­hung ei­nes un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses zur Fol­ge.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Re­vi­si­ons­zu­las­sung be­ruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.


RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der be­klag­ten Par­tei

R E V I S I O N

ein­ge­legt wer­den.

Für die be­klag­te Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.



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Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt
Hu­go-Preuß-Platz 1
99084 Er­furt
Fax: 0361 2636 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,
2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
3. Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

Dr. K

K

H

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