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LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 20.01.2009, 5 Sa 270/08

   
Schlagworte: Arbeitsverweigerung, Direktionsrecht, Kündigung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 5 Sa 270/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.01.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 16.06.2008, 2 Ca 455 c/08
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

 

Ak­ten­zei­chen: 5 Sa 270/08
2 Ca 455 c/08 ArbG Kiel
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 20.01.2009

Gez. ...
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

In dem Rechts­streit

pp.

hat die 5. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20.01.2009 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt ... als Vor­sit­zen­de und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer

für Recht er­kannt:

 

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1. Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Kiel vom 16.06.2008, Az. 2 Ca 455 c/08, ab­geändert und fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis nicht durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 01.03.2008 be­en­det wor­den ist. Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten des Rechts­streits ers­ter und zwei­ter In­stanz tra­gen die Par­tei­en je zur Hälf­te.

3. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

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Ge­gen die­ses Ur­teil ist das Rechts­mit­tel der Re­vi­si­on nicht ge­ge­ben; im Übri­gen wird auf § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en führen ei­nen Kündi­gungs­rechts­streit.

Der am ...1963 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te Kläger, der zwei Kin­dern ge­genüber zum Un­ter­halt ver­pflich­tet ist, ist seit dem 14.11.1995 bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin beschäftigt. Er wur­de als Hel­fer in der Wasch­s­traße ein­ge­stellt. Nach­dem die Be­klag­te den Be­trieb der Wasch­s­traße ein­ge­stellt hat­te, wur­de der Kläger mit Wir­kung ab dem 01.10.2003 als La­den­hil­fe über­nom­men und in der Ge­tränke­ab­tei­lung des Be­rei­ches „All­ge­mei­ne Le­bens­mit­tel“ ein­ge­setzt. Zu den Auf­ga­ben der La­den­hil­fe zählen vor­nehm­lich Auffüll- und Verräum­ar­bei­ten. Sie können grundsätz­lich fle­xi­bel im ge­sam­ten Wa­ren­haus ein­ge­setzt wer­den, wo­bei die Be­klag­te den La­den­hil­fen aus Gründen der Spe­zia­li­sie­rung in al­ler Re­gel ei­nen be­stimm­ten Be­reich zu­weist. Nach­dem der Kläger Mit­te des Jah­res 2006 den Wa­ren­haus­lei­ter K... um ei­nen an­der­wei­ti­gen Ein­satz ge­be­ten hat­te, er­folg­te zum 01.03.2007 be­darfs­gemäß die Über­tra­gung von Auf­ga­ben in der Frisch­wa­ren­ab­tei­lung (Mol­ke­rei­pro­duk­te). Während der dor­ti­gen Tätig­keit er­krank­te der Kläger wie­der­holt, was die Be­klag­te ver­an­lass­te, Mit­te De­zem­ber 2007 mit ihm ein Per­so­nal­gespräch zu führen, um ge­ge­be­nen­falls die Ur­sa­chen für die sich häufen­den Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten her­aus­zu­fin­den. Als der Kläger im Ja­nu­ar 2008 er­neut ar­beits­unfähig wur­de, er­folg­te ei­ne wei­te­re Un­ter­re­dung mit dem Wa­ren­haus­lei­ter K..., dem Per­so­nal­lei­ter E... und dem Kläger. In de­ren Ver­lauf wur­den Be­den­ken hin­sicht­lich des wei­te­ren Ein­sat­zes des Klägers in dem gekühl­ten Fri­sche­be­reich the­ma­ti­siert und dem Kläger ei­ne Rück­um­set­zung in den Ge­tränke­be­reich in Aus­sicht ge­stellt. Nach ei­ner wei­te­ren Ar­beits­unfähig­keits­zeit vom 09.02.2008 bis 16.02.2008 be­gab sich der Kläger an­sch­ließend bis zum 23.02.2008 in den Ur­laub. Nach Ur­laubsrück­kehr wies der Wa­ren­haus­lei­ters K... den Kläger am 25.02.2008 an, wie­der in der Ge­tränke­ab­tei­lung zu ar­bei­ten. Der Kläger wei­ger­te sich strikt, die­ser An­ord­nung Fol­ge zu leis­ten. Er be­rief sich dar­auf, dass sein mus­li­mi­scher Glau­be ihm jeg­li­chen Um­gang mit Al­ko­hol ver­bie­te. Ei­ne so­dann in Ge­gen­wart des Be­triebs­rats­mit­glie­des R. geführ­te Un­ter­re­dung mit dem Kläger führ­te eben­so we­nig zu ei­ner Ände­rung des kläge­ri­schen Stand­punk­tes wie ei­ne schrift­li­che Auf­for­de­rung zur Ar­beits­auf­nah­me in dem Ge­tränke­be­reich durch den

 

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Wa­ren­haus­lei­ter. Der Wa­ren­haus­lei­ter K... stell­te den Kläger dar­auf­hin für den 25.02.2008 von der Ar­beit frei. Am 27.02.2008 er­hielt die Be­klag­te ei­ne Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung des Klägers, aus­ge­stellt am 25.02.2008 für den Zeit­raum bis zum 04.03.2008.

Am 26.02.2008 lei­te­te die Be­klag­te das Anhörungs­ver­fah­ren beim Be­triebs­rat zur be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen, vor­sorg­lich frist­gemäßen Kündi­gung ein (Bl. 45 f. d. A.). Der Be­triebs­rat wi­der­sprach der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung (Bl. 47 d. A.)

Die Be­klag­te kündig­te dem Kläger mit Schrei­ben vom 01.03.2008, dem Kläger zu­ge­gan­gen am 03.03.2008, frist­los. Mit wei­te­rem Schrei­ben vom 05.03.2008 sprach die Be­klag­te dem Kläger ge­genüber vor­sorg­lich ei­ne frist­gemäße Kündi­gung zum 30.08.2008 aus (Bl. 4 d. BA)

Ge­gen die­se Kündi­gun­gen hat der Kläger frist­gemäß Kündi­gungs­schutz­kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt er­ho­ben.

We­gen des wei­te­ren Sach- und Streit­stands in ers­ter In­stanz, ins­be­son­de­re des strei­ti­gen Par­tei­vor­brin­gens, so­wie der erst­in­stanz­li­chen Anträge wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ein­sch­ließlich der In­be­zug­nah­men ver­wie­sen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­ge­wie­sen. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en sei durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung be­en­det wor­den. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 626 Abs. 1 BGB lägen vor. Der Kläger ha­be sich am 25.02.2008 wie­der­holt und endgültig ge­wei­gert, ent­spre­chend der Wei­sung des Wa­ren­haus­lei­ters K... sei­ne Ar­beit im Ge­tränke­be­reich auf­zu­neh­men. Auf­grund der Un­ein­sich­tig­keit und Un­umstößlich­keit der kläge­ri­schen Wei­ge­rung sei vor­lie­gend auch kei­ne Ab­mah­nung er­for­der­lich ge­we­sen. Der Kläger ha­be die Ar­beit auch nicht aus Glau­bens- und Ge­wis­sens­gründen ver­wei­gern dürfen. Zwar ver­bie­te der is­la­mi­sche Glau­be jeg­li­chen Al­ko­hol­ge­nuss, in­des­sen wer­de vom Kläger nicht ver­langt, Al­ko­hol zu trin­ken. Er sei nur für den Trans­port und die La­ge­rung von Ge­tränke­kis­ten, u. a. auch Bier­kis­ten zuständig. Dies­bezügli­che Ver­bo­te sei­en je­den­falls der Kam­mer nach den

 

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Ver­sen des Ko­rans nicht of­fen­bar ge­wor­den. Ein Ver­s­toß ge­gen das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz lie­ge nicht vor. Zwar ver­bie­te § 1 AGG u.a. Be­nach­tei­li­gun­gen we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung bzw. eth­ni­schen Her­kunft. Die­se Kri­te­ri­en dürf­ten nach § 7 AGG grundsätz­lich nicht als An­knüpfungs­punkt für ei­ne recht­li­che Un­gleich­be­hand­lung her­an­ge­zo­gen wer­den. Die Be­klag­te ha­be mit der Kündi­gung nicht un­mit­tel­bar an die ge­nann­ten Kri­te­ri­en an­ge­knüpft, son­dern an die be­harr­li­che Wei­ge­rung des Klägers, die ihm ab­ver­lang­te Ar­beits­leis­tung zu er­brin­gen. Ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung un­ter­fal­le je­den­falls dann nicht dem Ver­bot des § 7 AGG, wenn sie durch sach­li­che Gründe be­dingt sei, die nichts mit dem ver­bo­te­nen Un­ter­schei­dungs­merk­mal zu tun hätten. So sei es hier. An­ge­sichts der Tat­sa­che, dass der Kläger bei sei­ner Ein­stel­lung bzw. Über­nah­me als La­den­hil­fe an­stands­los für vier Jah­re die Ar­beit im Ge­tränke­be­reich auf­ge­nom­men und ver­rich­tet und sich so­dann ka­te­go­risch ge­wei­gert ha­be, die­se künf­tig aus­zuführen, sei er für die Be­klag­te nicht mehr fle­xi­bel ein­setz­bar. Un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen sei es sach­lich be­gründet, auf­grund der re­li­giös mo­ti­vier­ten Ar­beits­ver­wei­ge­rung ei­ne frist­lo­se Kündi­gung aus­zu­spre­chen. Die Zu­wei­sung des Ar­beits­plat­zes in der Ge­tränke­ab­tei­lung sei vom Di­rek­ti­ons­recht als auch von der Ver­fas­sung ge­deckt. Die auf­grund der Grund­rechts­kol­li­si­on zwi­schen der Ge­wis­sens­betäti­gungs­frei­heit des Klägers gemäß Art. 4 Abs. 1 GG und der Ent­fal­tungs­frei­heit (Art. 2 Abs. 1 GG) und Be­rufs­frei­heit (Art. 12, Abs. 1 GG) der Be­klag­ten er­for­der­li­che In­ter­es­sen­abwägung fal­le zu­guns­ten der be­trieb­li­chen In­ter­es­sen der Be­klag­ten aus. Der Kläger ha­be sich durch kon­klu­den­tes Ver­hal­ten auch mit der Über­nah­me der Ver­rich­tung von Ar­bei­ten in der Ge­tränke­ab­tei­lung ein­ver­stan­den erklärt. Die Ge­wis­sens­la­ge des Klägers als streng gläubi­ger Mos­lem sei 2003 die­sel­be wie im Fe­bru­ar 2008, als er die ver­trag­lich ge­schul­de­ten Ar­bei­ten be­harr­lich ver­wei­gert ha­be. Von der Be­klag­ten könne nicht ver­langt wer­den, auf ihr Di­rek­ti­ons­recht in ei­nem für sie be­deut­sa­men Punkt (fle­xi­bler Per­so­nal­ein­satz) ganz all­ge­mein und auf Dau­er zu ver­zich­ten. Da­mit wer­de die Gren­ze des­sen, was von der Be­klag­ten im Rah­men des § 106 Ge­wO er­war­tet wer­den könne, deut­lich über­schrit­ten.

Ge­gen die­ses ihm am 21.07.2008 zu­ge­stell­te Ur­teil hat der Kläger am 30.07.2008 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 20.07.2008 be­gründet.

 

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Der Kläger trägt vor,

nach der Ko­ran Su­re 5, 90 sei ei­nem gläubi­gen Mos­lem nicht nur das Trin­ken von Al­ko­hol un­ter­sagt, son­dern viel­mehr jeg­li­che Hand­lun­gen, die der ge­werb­li­chen Ver­brei­tung von Al­ko­ho­li­ka die­nen wie dem Kauf und Ver­kauf al­ko­ho­li­scher Ge­tränke, dem Be­sitz ei­ner der­ar­ti­gen Ver­kaufsstätte oder der Ar­beit in ei­ner sol­chen. Ihm sei mit­hin jeg­li­cher Um­gang mit Al­ko­hol ver­bo­ten, so­dass ihm der Grund­rechts­schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu Gu­te käme. Bei der Rechtsgüter­abwägung ha­be das Ar­beits­ge­richt zu Un­recht der Tat­sa­che, dass er vier Jah­re in der Ge­tränke­ab­tei­lung tätig ge­we­sen sei, strei­tent­schei­den­de Be­deu­tung bei­ge­mes­sen. Bei Ein­stel­lung ha­be er un­strei­tig zunächst acht Jah­re in der Wasch­s­traße ge­ar­bei­tet. Er ha­be nicht da­mit rech­nen müssen, Al­ko­hol ver­kau­fen zu müssen. Auch nach Über­nah­me in den Markt- bzw. Ge­tränke­be­reich sei er auf­grund der Per­so­nal­si­tua­ti­on zunächst bis An­fang 2006 nur in den Saftgängen ein­ge­setzt ge­we­sen. Erst nach Aus­schei­den ei­nes Mit­ar­bei­ters ha­be er ver­mehrt auch bei den al­ko­ho­li­schen Ge­tränken aus­hel­fen müssen. Es sei der Be­klag­ten zu­mut­bar ge­we­sen, ihm, dem Kläger, im Rah­men des Leis­tungs­be­stim­mungs­rechts ei­ne an­de­re Ar­beit in den un­ter­schied­li­chen Be­rei­chen des Ver­brau­cher­mark­tes zu­zu­wei­sen. In An­be­tracht des ho­hen Stel­len­wer­tes der grund­recht­lich und auch nach Art. 9 der Eu­ropäischen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on gewähr­leis­te­ten Glau­bens- und Re­li­gi­ons­frei­heit sei­en an die Dar­le­gungs­last des Ar­beit­ge­bers ent­spre­chend ho­he An­for­de­run­gen zu stel­len hin­sicht­lich des Nach­wei­ses, dass der be­tref­fen­de Ar­beit­neh­mer sei­ne ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung kei­nes­falls an­ders er­brin­gen könne als ge­ra­de in der von ihm aus Ge­wis­sens­gründen ab­ge­lehn­ten Wei­se.

Der Kläger be­an­tragt,

un­ter Abände­rung des am 16.06.2008 verkünde­ten Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Kiel, Az. 2 Ca 455 c/08, fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gun­gen der Be­klag­ten vom 01.03.2008 so­wie vom 05.03.2008 nicht be­en­det wird, son­dern zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen auf un­be­stimm­te Zeit fort­be­steht.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

 

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Die Be­klag­te ver­tei­digt

das an­ge­foch­te­ne Ur­teil. Es ba­sie­re nicht auf ei­nem Abwägungs­feh­ler hin­sicht­lich der Be­wer­tung der kol­li­die­ren­den Grund­rechts­in­ter­es­sen. Der Kläger be­haup­te wahr­heits­wid­rig, dass er bei Über­nah­me in der Ge­tränke­ab­tei­lung bis An­fang 2006 nur mit an­ti­al­ko­ho­li­schen Ge­tränken be­traut ge­we­sen sei. Er sei von An­fang an so­wohl mit an­ti­al­ko­ho­li­schen als auch mit al­ko­ho­li­schen Ge­tränken und bei Be­darf auch mit Spi­ri­tuo­sen be­fasst ge­we­sen. Hier­bei sei ih­rer­seits dar­auf Rück­sicht ge­nom­men wor­den, als dass der Kläger we­der mit dem Aus­schank und der Verkösti­gung von al­ko­ho­li­schen Ge­tränken noch mit der Be­ra­tung von Kun­den hin­sicht­lich sol­cher Ge­tränke be­fasst wor­den sei. Auch nach dem ge­genüber dem Markt­lei­ter geäußer­ten Ver­set­zungs­wunsch ha­be der Kläger noch neun Mo­na­te in der Ge­tränke­ab­tei­lung ge­ar­bei­tet, oh­ne dass in je­ner Zeit ein Ge­wis­sens­kon­flikt of­fen­bar ge­wor­den sei. An­ge­sichts der Tat­sa­che, dass der Kläger von Mai 2007 bis Fe­bru­ar 2008 ins­ge­samt 38 Ta­ge ar­beits­unfähig krank ge­we­sen sei, sei ih­re Um­set­zungs­ent­schei­dung auch ge­recht­fer­tigt ge­we­sen. Die übri­gen Mit­ar­bei­ter in der Fri­sche­ab­tei­lung wie­sen dem­ge­genüber we­sent­lich ge­rin­ge­re krank­heits­be­ding­te Fehl­zei­ten auf.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf den münd­lich vor­ge­tra­ge­nen In­halt der zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie den In­halt des Sit­zungs­pro­to­kolls vom 20.01.2009 ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statt­haft so­wie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, § 66 Abs. 1 ArbGG; §§ 519, 520 ZPO.

I. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten spricht ge­gen die Zulässig­keit der Be­ru­fung auch nicht der Um­stand, dass der Kläger in sei­ner Be­ru­fungs­be­gründung nicht auf die Hilfs­be­gründung des Ar­beits­ge­richts, dass die Kündi­gung nicht nur aus ver­hal­tens­be­ding­ten, son­dern auch aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen ge­recht­fer­tigt sei, ein­ge­gan­gen ist. Hier­bei han­delt es sich nicht um ei­ne Hilfs­be­gründung mit selbst-

 

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ständig tra­gen­der Be­deu­tung (vgl. BGH Be­schl. v. 27.05.2008 – XI ZB 41/06 -, zit. n. Ju­ris). Viel­mehr zielt die Hilfs­be­gründung des Ar­beits­ge­richts auf ei­nen zusätz­li­chen Ge­sichts­punkt, war­um vor­lie­gend ein wich­ti­ger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB für die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vor­liegt. An­ders ist es bei­spiels­wei­se im Fal­le der Klag­s­tatt­ga­be, wenn das Ar­beits­ge­richt die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung dar­auf stützt, dass ein wich­ti­ger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB nicht vor­liegt und darüber­hin­aus die Kündi­gung auch we­gen Ver­s­toßes ge­gen § 102 Be­trVG und § 9 MuSchG un­wirk­sam sei. Zur Zulässig­keit der Be­ru­fungs­be­gründung muss sich der Ar­beit­ge­ber dann mit je­dem ein­zel­nen Un­wirk­sam­keits­grund aus­ein­an­der­set­zen.

II. In der Sa­che selbst hat die Be­ru­fung in­des­sen nur teil­wei­se Er­folg.

2. Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te nicht be­reits mit Zu­gang der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung vom 01.03.2008 am 03.03.2008.

a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Ar­beits­verhält­nis aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­dem un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann. Die recht­li­che Über­prüfung nach § 626 Abs. 1 BGB er­folgt in zwei Stu­fen: Zum ei­nen muss ein Grund vor­lie­gen, der – oh­ne Berück­sich­ti­gung der be­son­de­ren Umstände des Ein­zel­fal­les – über­haupt an sich ge­eig­net ist, ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Zum an­de­ren muss die­ser Grund im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung un­ter be­son­de­rer Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les, ins­be­son­de­re auch des Verhält­nismäßig­keits­prin­zips, zum Über­wie­gen der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Kündi­gen­den an der frist­lo­sen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses führen.

b) Hier­an ge­mes­sen war die frist­lo­se Kündi­gung nicht ge­recht­fer­tigt. Das Ar­beits­ge­richt hat zwar zu Recht fest­ge­stellt, dass der Kläger durch die strik­te und un­umstößli­che Wei­ge­rung, in der Ge­tränke­ab­tei­lung zu ar­bei­ten, in er­heb­li­chem Um­fang ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­s­toßen hat und da­mit an sich ei­nen wich­ti­gen

 

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Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung ge­ge­ben hat. Die be­harr­li­che Ar­beits­ver­wei­ge­rung und da­mit den gra­vie­ren­den Pflicht­ver­s­toß als sol­ches leug­net der Kläger nicht. Er be­ruft sich viel­mehr auf ei­ne be­rech­tig­te Glau­bens- und Ge­wis­sens­ent­schei­dung. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers war er aber nicht be­rech­tigt, sei­ne ver­trag­lich ge­schul­de­te Ar­beit im kon­kre­ten Fall auf­grund sei­nes mos­le­mi­schen Glau­bens zu ver­wei­gern (aa). In­des­sen war der Be­klag­ten zu­zu­mu­ten, den Kläger vorüber­ge­hend während des Laufs der Kündi­gungs­frist und da­mit vorüber­ge­hend in ei­ner an­de­ren Ab­tei­lung wei­ter zu beschäfti­gen (bb).

aa) Der Kläger war nicht be­rech­tigt, sich der Ar­beits­wei­sung der Be­klag­ten be­harr­lich zu wi­der­set­zen. Hier­an ändert auch der Um­stand nichts, dass dem Kläger aus Glau­bens­gründen jeg­li­cher Um­gang mit Al­ko­hol ver­bo­ten ist.

(1) Die Zu­wei­sung des kon­kre­ten Ar­beits­ein­sat­zes war un­strei­tig durch das Di­rek­ti­ons­recht ge­deckt. Das Wei­sungs­recht, das sei­ne Gren­zen in den ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen so­wie im Kol­lek­tiv- und im Ein­zel­ver­trags­recht fin­det, darf gemäß § 315 Abs. 1 BGB, § 106 Ge­wO nur nach bil­li­gem Er­mes­sen aus­geübt wer­den. Die in § 315 Abs. 1 BGB ge­for­der­te Bil­lig­keit wird in­halt­lich durch die Grund­rech­te und da­mit auch durch das Grund­recht der Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit des Ar­ti­kel 4 Abs. 1 GG und die Gewähr­leis­tung der un­gestörten Re­li­gi­ons­ausübung des Ar­ti­kel 4 Abs. 2 GG mit­be­stimmt. Kol­li­diert das Recht des Ar­beit­ge­bers, im Rah­men sei­ner gleich­falls grund­recht­lich geschütz­ten un­ter­neh­me­ri­schen Betäti­gungs­frei­heit aus Ar­ti­kel 12 Abs. 1 GG den In­halt der Ar­beits­ver­pflich­tung des Ar­beit­neh­mers näher zu kon­kre­ti­sie­ren, mit grund­recht­lich geschütz­ten Po­si­tio­nen des Ar­beit­neh­mers, so ist das Span­nungs­verhält­nis im Rah­men der Kon­kre­ti­sie­rung und An­wen­dung der Ge­ne­ral­klau­sel des § 315 BGB ei­nem grund­rechts­kon­for­men Aus­gleich der Rechts­po­si­tio­nen zu­zuführen. Da­bei sind die kol­li­die­ren­den Grund­rech­te in ih­rer Wech­sel­wir­kung zu se­hen und so zu be­gren­zen, dass die geschütz­ten Rechts­po­si­tio­nen für al­le Be­tei­lig­ten möglichst weit­ge­hend wirk­sam wer­den (so­ge­nann­te prak­ti­sche Kon­kor­danz; vgl. BAG, Ur­teil vom 10.10.2002 - 2 AZR 472/01 - m.w.N.). Bei der Abwägung ist die In­ten­sität der um­strit­te­nen Frei­heits­be­schränkung ge­nau­so zu berück­sich­ti­gen wie die von den Ver­trags­part­nern durch den Ab­schluss des Ver­trags selbst ein­geräum­te Be­gren­zung ih­rer grund­recht­li­chen Frei­hei­ten, der Rang und das Ge­wicht des mit dem

 

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Ein­griff ver­folg­ten Ziels so­wie die spe­zi­fi­sche Be­deu­tung und der spe­zi­el­le Ge­halt des be­trof­fe­nen Grund­rechts bzw. der kol­li­die­ren­den Grund­rechts­po­si­tio­nen in Be­zug auf den um­strit­te­nen Re­ge­lungs­kon­flikt. Die kol­li­die­ren­den Grund­rechts­po­si­tio­nen sind in ih­rer Wech­sel­wir­kung zu er­fas­sen und so zu be­gren­zen, dass sie für al­le Be­tei­lig­ten möglichst weit­ge­hend wirk­sam wer­den (LAG Hamm Urt. v. 08.11.2007 – 15 Sa 271/07 -, LA­GE Art. 4 GG Nr. 5).

Das vom Kläger in An­spruch ge­nom­me­ne Grund­recht aus Ar­ti­kel 4 Abs. 1 und 2 GG um­fasst die Frei­heit, nach ei­ge­nen Glau­bensüber­zeu­gun­gen zu le­ben und zu han­deln. Die Glau­bens­frei­heit gewähr­leis­tet da­bei nicht nur die persönli­che Frei­heit, nach Maßga­be ei­ner au­to­ri­ta­ti­ven oder all­ge­mein an­er­kann­ten Leh­re ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft zu le­ben, son­dern auch die in­di­vi­du­el­le Re­li­gi­ons­frei­heit als Recht des Ein­zel­nen, sein ge­sam­tes Ver­hal­ten an den Leh­ren sei­nes Glau­bens aus­zu­rich­ten und sei­ner in­ne­ren Glau­bensüber­zeu­gung gemäß zu han­deln. Viel­mehr fal­len in den Schutz­be­reich von Ar­ti­kel 4 GG auch Ver­hal­tens­wei­sen, die nicht all­ge­mein von den Gläubi­gen ge­teilt wer­den. Für ei­ne zulässi­ge Be­ru­fung auf Ar­ti­kel 4 GG kommt es nur dar­auf an, dass es über­haupt von ei­ner wirk­li­chen re­li­giösen Über­zeu­gung ge­tra­gen und nicht an­ders mo­ti­viert ist. An­dern­falls würde den Ge­rich­ten ei­ne Be­wer­tung von Glau­bens­hal­tun­gen oder die Prüfung von theo­lo­gi­schen Leh­ren auf­gebürdet, die sie nicht leis­ten können und nicht leis­ten dürfen (BAG, Ur­teil vom 10.10.2002 - 2 AZR 472/01 - m.w.N.; LAG Hamm Urt. v. 08.11.2007 – 15 Sa 271/07 -, a.a.O.).

Zur Über­zeu­gung des Ge­richts war die re­li­giöse Ein­stel­lung des Klägers vor­lie­gend auch ursächlich für des­sen Ar­beits­ver­wei­ge­rung, so­dass er sich auf das Grund­recht des Art. 4 Abs. 1 GG be­ru­fen kann. Der Kläger hat glaub­haft und nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt, dass ihm als gläubi­gen Mos­lem nicht nur der ei­ge­ne Kon­sum von Al­ko­hol, son­dern auch jeg­li­che Form der Kon­sumförde­rung und Ver­brei­tung von Al­ko­hol ver­bo­ten ist. An­ge­sichts der persönli­chen Erläute­run­gen im Be­ru­fungs­ter­min hat die Kam­mer kei­nen Zwei­fel dar­an, dass es der wirk­li­chen re­li­giösen Über­zeu­gung des Klägers ent­spricht, dass der Is­lam jeg­li­chen Um­gang mit Al­ko­hol ver­bie­tet, so­dass es ihm nach den Ge­bo­ten des Ko­rans ver­bo­ten sei, mit dem Ver­kauf al­ko­ho­li­scher Ge­tränke be­fasst zu sein. Der Kläger hat das is­la­mi­sche Al­ko­hol­ver­bot ver­gli­chen mit dem hie­si­gen ge­setz­li­chen Ver­bot des Kon­sums und der Ver­brei­tung von Rausch­gift.

 

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Der Han­del mit Rausch­gift sei weit aus höher un­ter Stra­fe ge­stellt als des­sen Kon­sum, ähn­lich ver­hal­te es sich nach den Ge­bo­ten des Ko­rans mit dem Al­ko­hol. Der­je­ni­ge, der die Ver­brei­tung und den Kon­sum von Al­ko­hol förde­re, tra­ge größere Schuld als der­je­ni­ge, der Al­ko­hol nur selbst kon­su­mie­re. Da­mit hat der Kläger sei­ne re­li­giöse Ein­stel­lung glaub­haft dar­ge­legt.

(2) Dem steht vor­lie­gend die eben­falls grund­recht­lich geschütz­te Be­rufs­ausübungs­frei­heit der Be­klag­ten gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG ge­genüber. Die Be­klag­te hat ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se, die La­den­hil­fen ent­spre­chend den be­trieb­li­chen Bedürf­nis­sen im ge­sam­ten Wa­ren­haus ein­set­zen zu können. Un­strei­tig wies der Kläger während sei­ner Tätig­keit in der Fri­sche­ab­tei­lung ei­nen stark erhöhten Kran­ken­stand auf, so­dass zu ver­mu­ten war, dass die dort herr­schen­den Tem­pe­ra­tu­ren der Ge­sund­heit des Klägers nicht zu­träglich wa­ren. Die Be­klag­te hat zu­dem sub­stan­ti­iert dar­ge­legt, dass die übri­gen Mit­ar­bei­ter dort weit­aus ge­rin­ge­re krank­heits­be­ding­te Fehl­zei­ten auf­wie­sen. Es ent­sprach mit­hin so­wohl dem be­trieb­li­chen In­ter­es­se an ei­nem rei­bungs­lo­sen Ar­beits­ab­lauf als auch der Fürsor­ge­pflicht ge­genüber dem Kläger ihn dort nicht mehr ein­zu­set­zen. Die Be­klag­te hat zu­dem in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung aus­ge­sagt, dass ein Ein­satz des Klägers we­der in der Dro­ge­rie­ab­tei­lung und der non­food-Ab­tei­lung schon des­halb nicht in Be­tracht kom­me, weil hier nur Fach­kräfte mit spe­zi­el­len Kennt­nis­sen ein­ge­setzt wer­den könn­ten.

(3) Auch an­ge­sichts des ho­hen Stel­len­wer­tes der grund­recht­lich geschütz­ten Glau­bens- und Re­li­gi­ons­frei­heit führt dies un­ter Berück­sich­ti­gung der ge­sam­ten Umstände vor­lie­gend nicht da­zu, dass das Di­rek­ti­ons­recht der Be­klag­ten dau­er­haft da­hin­ge­hend ein­ge­schränkt wer­den könn­te, den Kläger nicht mehr in der Ge­tränke­ab­tei­lung ein­zu­set­zen. Da­bei ist zu berück­sich­ti­gen, dass der Kläger zwar ein­ge­stellt wor­den ist als Hel­fer in der Au­to­wasch­s­traße. Nach Sch­ließung der Wasch­s­traße hat die Be­klag­te da­von ab­ge­se­hen, dem Kläger be­triebs­be­dingt zu kündi­gen, son­dern ihn als La­den­hil­fe im Wa­ren­haus über­nom­men. Der Kläger hat in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung erklärt, dass er zu je­nem Zeit­punkt auch ei­nen neu­en Ar­beits­ver­trag als La­den­hil­fe er­hal­ten ha­be. Der Kläger wuss­te mit­hin bei sei­ner Über­nah­me im Wa­ren­haus, dass er kraft Di­rek­ti­ons­recht der Be­klag­ten in al­len Ab­tei­lun­gen ein­ge­setzt wer­den konn­te. Er wur­de zu­dem ab Über­nah­me im Wa­ren­haus von An­fang an in der Ge­tränke­ab­tei-

 

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lung beschäftigt, in der auch al­ko­ho­li­sche Ge­tränke zum Ver­kauf be­reit ge­stellt wer­den. Der Kläger hat die Be­klag­te ge­ra­de nicht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es ihm aus re­li­giösen Gründen ver­bo­ten sei, dort zu ar­bei­ten. Viel­mehr hat er oh­ne Ge­gen­wehr sei­ne Ar­beit dort ver­rich­tet. Er konn­te auch nicht dar­auf ver­trau­en, dass er im­mer nur in den Gängen mit den an­ti­al­ko­ho­li­schen Ge­tränken ein­ge­setzt wird. Die Ge­tränke­ab­tei­lung ist per­so­nal- und ar­beits­tech­nisch nicht in wei­te­re Un­ter­ab­tei­lun­gen un­ter­teilt. Zu­dem hat der Kläger selbst vor­ge­tra­gen, dass er ab An­fang 2006 verstärkt auch zur Auffüllung der Re­ga­le mit al­ko­ho­li­schen Ge­tränken her­an­ge­zo­gen wor­den ist, oh­ne dass er sich dies­bezüglich auf ent­ge­gen­ste­hen­de Glau­bens­gründe be­ru­fen hat. Zu­dem ist nicht er­sicht­lich, dass der Kläger sei­nen ge­genüber der Be­klag­ten Mit­te 2006 geäußer­ten Wunsch ei­nes Wech­sels in ei­ne an­de­re Ab­tei­lung ge­ra­de mit sei­ner re­li­giösen Über­zeu­gung be­gründet hat. Der­ar­ti­ges be­haup­tet der Kläger selbst nicht. Auch von Mit­te 2006 bis En­de Fe­bru­ar 2007 hat er klag­los in der Ge­tränke­ab­tei­lung ge­ar­bei­tet. Vor die­sem Hin­ter­grund ist ei­ne strik­te und be­harr­li­che Wei­ge­rung des Klägers, über­haupt und je­mals wie­der in der Ge­tränke­ab­tei­lung zu ar­bei­ten, an­ge­sichts des der Be­klag­ten zu­ste­hen­den Di­rek­ti­ons­rechts nicht ak­zep­ta­bel. Die Be­klag­te wäre dau­er­haft in ih­rem Di­rek­ti­ons­recht er­heb­lich ein­ge­schränkt, oh­ne dass ihr die­ser Um­stand bei Über­nah­me des Klägers als La­den­hil­fe be­kannt ge­we­sen ist. Der Kläger muss­te da­mit rech­nen, dass er auch mit dem Einräum­en von al­ko­ho­li­schen Ge­tränken be­traut wer­den würde, als er den Ar­beits­ver­trag als La­den­hil­fe mit der Be­klag­ten ein­ge­gan­gen ist. Es ist der Be­klag­ten an­ge­sichts des­sen auch nicht zu­mut­bar, so­zu­sa­gen im Nach­hin­ein auf den fle­xi­blen Ein­satz des Klägers dau­er­haft zu ver­zich­ten. Dies gilt um­so mehr, da es sich beim Kläger um ei­nen un­ge­lern­ten An­ge­stell­ten han­delt, der nicht in al­len Ab­tei­lun­gen des Wa­ren­hau­ses ein­ge­setzt wer­den kann. Des Wei­te­ren hat die Be­klag­te vor­ge­tra­gen, dass sie in der Fri­sche­ab­tei­lung vor­nehm­lich Frau­en beschäftigt, da hier nicht so viel körper­lich an­stren­gen­de Ar­beit anfällt.

Die be­harr­li­che Ar­beits­ver­wei­ge­rung war nach all­dem nicht ge­recht­fer­tigt. Die Ar­beits­an­wei­sung der Be­klag­ten ent­sprach bil­li­gem Er­mes­sen.

bb) Die In­ter­es­sen­abwägung führt vor­lie­gend in­des­sen zur Un­wirk­sam­keit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung. Bei Würdi­gung der ge­sam­ten Umstände wäre es der Be-

 

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klag­ten zu­mut­bar ge­we­sen, das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger zu­min­dest bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gung fort­zu­set­zen und den Kläger vorüber­ge­hend während des Laufs der Kündi­gungs­frist in ei­ner an­de­ren Ab­tei­lung wei­ter zu beschäfti­gen. Der Be­klag­ten ist es zur Über­zeu­gung des Ge­richts durch­aus möglich ge­we­sen, den Kläger vorüber­ge­hend in ei­ner an­de­ren Ab­tei­lung des großen Wa­ren­hau­ses ein­zu­set­zen. Ge­gen­tei­li­ges hat die Be­klag­te auch nicht be­haup­tet. Sie hat viel­mehr über­haupt nicht ge­prüft, ob ein der­ar­ti­ger an­der­wei­ti­ger Ein­satz möglich ist. So hat der Kläger un­be­strit­ten in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung vor­ge­tra­gen, dass er not­falls auch mit dem Ein­sam­meln und Be­reit­stel­len von Ein­kaufs­wa­gen hätte be­traut wer­den können. Das Be­stands­schutz­in­ter­es­se des Klägers an­ge­sichts sei­ner sie­ben­ein­halb jähri­gen Beschäfti­gungs­zeit und sei­ner Un­ter­halts­ver­pflich­tun­gen über­wie­gen das In­ter­es­se der Be­klag­ten an der so­for­ti­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses.

2. Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te je­doch auf­grund der or­dent­li­chen Kündi­gung vom 05.03.2008 zum 31.08.2008. Die­se Kündi­gung ist so­zi­al ge­recht­fer­tigt nach § 1 Abs. 2 KSchG. Der Kläger hat durch sei­ne Ar­beits­ver­wei­ge­rung in er­heb­li­chem Maße ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­s­toßen. Ei­ner vor­he­ri­gen Ab­mah­nung be­durf­te es vor­lie­gend an­ge­sichts der Be­harr­lich­keit nicht. Die Be­harr­lich­keit er­gibt sich dar­aus, dass der Kläger we­der in dem Gespräch mit dem Markt­lei­ter K... noch un­ter Hin­zu­zie­hung des Per­so­nal­lei­ters be­reit war, in der Ge­tränke­ab­tei­lung zu ar­bei­ten. Der Kläger be­strei­tet auch nicht, dass er sich grundsätz­lich und endgültig ge­wei­gert hat, in der Ge­tränke­ab­tei­lung zu ar­bei­ten. Er lehnt es auch noch ab, dort zu ar­bei­ten. An­ge­sichts des der Be­klag­ten auf­grund des Art. 12 Abs. 1 GG zu­ste­hen­den Di­rek­ti­ons­rechts, war der Kläger auch an­ge­sichts der Glau­bens­frei­heit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG nicht be­fugt, die dor­ti­ge Ar­beit dau­er­haft zu ver­wei­gern. In­so­weit wird auf die Ausführun­gen zu Ziff. 2. die­ser Ent­schei­dungs­gründe ver­wie­sen. Die In­ter­es­sen­abwägung fällt an­ge­sichts der dau­er­haf­ten und endgülti­gen Wei­ge­rung des Klägers zu des­sen Las­ten aus. Da­bei ist auch zu berück­sich­ti­gen, dass es ihm über Jah­re, zu­min­dest aber über ein Jahr lang möglich ge­we­sen ist, Re­ga­le mit al­ko­ho­li­schen Ge­tränken zu füllen oder Bier- und Wein­kis­ten an den dafür vor­ge­se­he­nen Plätzen ab­zu­stel­len.

 

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III. Nach al­le­dem war die Kla­ge nur im zu­ge­spro­che­nen Um­fang be­gründet und der Be­ru­fung mit­hin nur teil­wei­se statt­zu­ge­ben.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 91 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Re­vi­si­on war nicht zu­zu­las­sen, § 72 Abs. 2 ArbGG. Es han­delt sich um ei­ne rei­ne auf Tat­sa­chenwürdi­gung be­ru­hen­de Ein­zel­fall­ent­schei­dung.

 

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