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LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 09.12.2009, 17 Sa 850/09

   
Schlagworte: Namensliste, Insolvenz des Arbeitgebers, AVR, Arbeitsvertragsrichtlinien
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen: 17 Sa 850/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.12.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Nienburg, 30. April 2009, Az: 1 Ca 441/08, Urteil
   


LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT NIE­DERSACHSEN

Verkündet am:
09.12.2009


Ge­richts­an­ge­stell­te
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le


IM NA­MEN DES VOL­KES


UR­TEIL

17 Sa 850/09
1 Ca 441/08 ArbG Nien­burg


In dem Rechts­streit

Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin,

ge­gen

Be­klag­ter und Be­ru­fungs­be­klag­ter,

hat die 17. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 9. De­zem­ber 2009 durch

die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Knauß,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Bran­des,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Ex­ner

für Recht er­kannt:

Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Nien­burg vom 30.04.2009 ab­geändert.

Es wird fest­ge­stellt, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Kündi­gung vom 22.09.2008 so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist.

Die Kos­ten des Rechts­streits hat der Be­klag­te zu 2/3, die Kläge­rin zu 1/3 zu tra­gen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner be­triebs­be­ding­ten Ände­rungskündi­gung.

Die am 00.00.1953 ge­bo­re­ne, ge­schie­de­ne Kläge­rin, war seit dem 01.05.1975 als Lei­te­rin der Haus­wirt­schafts­ab­tei­lung mit 20 St­un­den wöchent­lich ge­gen ein Brut­to­ent­gelt von zu­letzt 1.331,53 € bei dem Ver­ein Evan­ge­li­sches Al­ten­heim-A-Stadt e. V., ei­ner Ein­rich­tung des Dia­ko­ni­schen Werks der evan­ge­li­schen Kir­che, beschäftigt. Für das Ar­beits­verhält­nis gal­ten der Ar­beits­ver­trag aus dem Jahr 1975 (An­la­ge zur Kla­ge­schrift Bl. 4 d. A.) bzw. der Ar­beits­ver­trag vom 30.01.1985, we­gen des­sen ge­nau­en Wort­lauts auf die An­la­ge zur Kla­ge­schrift (Bl. 5 ff d. A.) Be­zug ge­nom­men wird. In die­sem Ar­beits­ver­trag ver­ein-bar­ten die Par­tei­en in § 2 die In­be­zug­nah­me des Bun­des­an­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag vom 23.02.1961 in der je­weils gel­ten­den Fas­sung und ei­ne Vergütung nach der Vergütungs­grup­pe V c BAT. Der Ver­ein beschäftig­te ca. 65 Mit­ar­bei­ter. Mit Be­schluss vom 31.03.2008 wur­de über das Vermögen des Ver­eins das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net und der Be­klag­te als In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt. Mit Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens wur­de zu­gleich die Mas­seun­zuläng­lich­keit an­ge­zeigt. Der In­sol­venz­schuld­ner hat­te zu­letzt sei­nen Be­trieb in ge­mie­te­ten Räum­en am Stand­ort St. aus­geübt. Mit Wir­kung zum 01.07.2008 veräußer­te der Be­klag­te die Be­triebs- und Geschäfts­aus­stat­tung so­wie den Grund­be­sitz des Schuld­ners in L. an die neu­ge­gründe­te D. GmbH (D 1), ei­ner hun­dert­pro­zen­ti­gen Toch­ter des Dia­ko­ni­sche Hei­me in K. e. V. (D 2), der Mit­glied des Dia­ko­ni­schen Werks der Ev.- luth. Lan­des­kir­che Han­no­ver ist und die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en der Konföde­ra­ti­on Ev. Kir­chen in Nie­der­sach­sen (AVR-K) an­wen­det. Die D 1, die am 17.09.2008 be­schloss, sich gem. § 1 Abs. 2 Ar­beits­rechts­re­ge­lungs­ge­setz Dia­ko­nie (ARRGD) die­sem Ge­setz mit Wir­kung zum 01.01.2009 an­zu­sch­ließen (sie­he das Schrei­ben vom 20.01.2009 an die Konföde­ra­ti­on Ev. Kir­chen in Nie­der­sach­sen, Anl. zum Schrift­satz des Be­klag­ten vom 04.12.2009, Bl. 168 d. A.), sa­nier­te das Gebäude am Stand­ort L. und führt den Be­trieb seit 01.01.2009 wie­der am Stand­ort L. fort, wo­bei we­gen wei­te­rer Um­bau­maßnah­men dort zunächst nur 45 Pfle­ge­per­so­nen be­treut wer­den. Der Be­klag­te in sei­ner Ei­gen­schaft als In­sol­venz­ver­wal­ter und die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung des In­sol­venz­schuld­ners ver­ein­bar­ten ge­mein­sam mit dem Be­triebs­rat der Haus L. Ser­vice Woh­nen GmbH, die zum glei­chen Zeit­punkt in­sol­vent wur­de, am 19.09.2008 ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich und So­zi­al­plan, we­gen des­sen ge­nau­en Wort­lauts auf die An­la­ge zum Be­klag­ten­schrift­satz vom 15.10.2008 (Bl. 15 ff d. A.) ver­wie­sen wird. In die­sem In­ter­es­sen­aus­gleich sind ne­ben neun Be­en­di­gungskündi­gun­gen Ände­rungskündi­gun­gen al­ler übri­gen Mit­ar­bei­ter vor­ge­se­hen. Da­zu ist un­ter Zif­fer 7 d) ge­re­gelt:

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„Im Übri­gen wer­den die Ar­beits­verhält­nis­se al­ler Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter zum 31.12.2008 gekündigt mit der Maßga­be, dass ih­nen die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu den Be­din­gun­gen ei­ner zwi­schen Be­triebs­rat/MAV und Dia­ko­ni­sche Hei­me in K. e. V. am 19.07.2008 ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­rung zur An­pas­sung an die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en un­ter­brei­tet wird.“

So­weit in dem In­ter­es­sen­aus­gleich und So­zi­al­plan un­ter Ziff. 7 d) auf ei­ne am 19.07.2008 zwi­schen dem Be­triebs­rat/MAV und Dia­ko­ni­sche Hei­me in K. e. V. ge­schlos­se­ne Ver­ein-ba­rung zur An­pas­sung an die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en Be­zug ge­nom­men wird, han­delt es sich bei dem Da­tum 19.07.2008 um ei­nen Zah­len­dre­her. Tatsächlich da­tiert die Dienst­ver­ein­ba­rung vom 17.09.2008. In die­ser Dienst­ver­ein­ba­rung, we­gen de­ren ge­nau­en Wort­laut auf die Anl. B 4 zum Schrift­satz des Be­klag­ten vom 19.12.2008 (Bl. 40 ff d. A.) Be­zug ge­nom­men wird, heißt es – so­weit hier von In­ter­es­se - in Ziff. 4) wört­lich:

„Die ein­zu­glie­dern­den Ar­beit­neh­mer er­hal­ten mit Wir­kung zum 01.01.2009 Ar­beits­verträge gem. AVR-K in der je­weils gülti­gen Fas­sung. Ab­wei­chend von den AVR-K wird zum Zwe­cke der Ein­glie­de­rung fol­gen­des ver­ein­bart:

§ 22 Ent­gel­te

Die von dem Ver­ein Evan­ge­li­sches Al­ten­heim L. e. V. beschäftig­ten Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter wer­den bis­lang in ge­willkürter An­wen­dung des Bun­des­an­ge­stell­ten­ta­rif­ver­tra­ges vergütet. De­ren Vergütung liegt über der­je­ni­gen, die sich aus der An­wen­dung der AVR-K er­gibt. Die von der Haus L. Woh­nen GmbH beschäftig­ten Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter er­hal­ten Vergütung nach dem „Haus­ta­rif“ der GmbH. Die­se Vergütun­gen lie­gen un­ter dem Vergütungs­ni­veau der AVR-K.

Die Vergütun­gen der bei­den Beschäftig­ten­grup­pen wer­den nach Maßga­be der fol­gen­den Re­ge­lun­gen in­ner­halb von 8 Jah­ren stu­fen­wei­se an das Vergütungs­ni­veau der AVR-K her­an­geführt. D 1it wird zu­gleich ein wirt­schaft­li­cher Bei­trag der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter zur Über­win­dung der wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten der Ein­rich­tung ge­leis­tet.

a) Die Vergütung der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter des frühe­ren Ver­eins wird um 18 % ge­senkt, höchs­tens auf den Be­trag, der sich aus der An­wen-

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dung des „Haus­ta­rifs“ er­ge­ben würde. Die­se Ab­sen­kung be­zieht sich auf al­le Ent­gelt­be­stand­tei­le.

b) Die Vergütung der nach „Haus­ta­rif“ vergüte­ten Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter erhöht sich je­weils zum 1.1, erst­mals am 1.1.10, um 1/8 der Dif­fe­renz der bis­her ge­zahl­ten in­di­vi­du­el­len Vergütung und dem Ent­gelt, dass sich aus der An­wen­dung der AVR-K er­gibt. Kommt es in der An­pas­sungs­pha­se zu Ta­rif­stei­ge­run­gen, so ist der An­pas­sungs­be­trag so an­zu­he­ben, dass die An­pas­sung nach Ab­lauf von 8 Jah­ren ab­ge­schlos­sen ist.

c) So­bald die Vergütung der ehe­mals nach Haus­ta­rif vergüte­ten Mit­ar­bei­te-rin­nen und Mit­ar­bei­ter auf­grund des An­pas­sungs­be­tra­ges (b) die Vergütung der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter des ehe­ma­li­gen Ver­eins (a) über­steigt, wird de­ren Vergütung so auf­ge­stockt, dass sie der Höhe der je­wei­li­gen Vergütung der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter mit Vergütung nach (an­ge­pass­tem) Haus­ta­rif ent­spricht.

d) So­weit die Vergütung auf­grund des Haus­ta­rifs oder der ab­ge­senk­ten BAT-Vergütung über den AVR-K-Ta­bel­len­ent­gel­ten liegt, wird die­se zunächst un­verändert wei­ter ge­zahlt. Ei­ne Erhöhung er­folgt, so­bald und so­weit die je­wei­li­gen AVR-K-Ta­bel­len­ent­gel­te auf­grund von Ta­rif­stei­ge­run­gen darüber lie­gen.

Die Ar­beits­recht­li­che Kom­mis­si­on der Dia­ko­nie in Nie­der­sach­sen stimm­te der Dienst­ver­ein­ba­rung vom 17.9.2008, die un­ter dem Vor­be­halt ih­rer Zu­stim­mung stand (Ziff. 10 der Dienst­ver­ein­ba­rung vom 17.09.2008), am 01.10.2008 zu (sie­he das an den Dia­ko­ni­sche Wer­ke K. e.V. ge­rich­te­te Schrei­ben der Ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on vom 1.10.2008, Anl. zum Be­klag­ten­schrift­satz vom 04.12.2009, Bl. 167 d. A.)

Mit Schrei­ben vom 22.09.2008, der Kläge­rin am sel­ben Ta­ge zu­ge­stellt, sprach der Be­klag­te der Kläge­rin ei­ne Kündi­gung aus, ver­bun­den mit dem An­ge­bot, die­ses ab dem 01.01.2009 zu geänder­ten Be­din­gun­gen fort­zu­set­zen. Auf das Kündi­gungs­schrei­ben (Anl. zur Kla­ge­schrift, Bl. 8 f d. A.) wird Be­zug ge­nom­men. Die Kläge­rin nahm das Ände­rungs-an­ge­bot mit Schrei­ben vom 02.10.2008 un­ter dem Vor­be­halt der so­zia­len Recht­fer­ti­gung an (Bl. 10 d. A.).
Mit ih­rer am 06.10.2008 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat sich die Kläge­rin ge­gen die Ände­rung ih­rer Ar­beits­be­din­gun­gen ge­wandt. Sie hat u. a. die An­ga­ben des

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Be­klag­ten zur be­haup­te­ten Be­triebs­be­dingt­heit der Ände­rungskündi­gung be­strit­ten und die An­sicht ver­tre­ten, dass die Ände­rungskündi­gung so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt sei.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1) fest­zu­stel­len, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Kündi­gung vom 22.09.2008, zu­ge­gan­gen am 26.09.2008, so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist, rechts­un­wirk­sam ist;
2) fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis über den 01.01.2009 hin­aus zu un-veränder­ten Be­din­gun­gen fort­be­steht.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Er hat be­haup­tet, die Haus L. Se­vice Woh­nen GmbH und der Ev. Al­ten­heim-R. e. V. hät-ten ei­nen Ge­mein­schafts­be­trieb be­trie­ben. Die D 1 ha­be ih­re Be­triebsüber­nah­me an ein Er­wer­ber­kon­zept ge­knüpft, das ne­ben Per­so­nal­kos­ten­sen­kun­gen mit­tels Ände­rungskündi­gun­gen auch ei­ne Per­so­nal­re­du­zie­rung vor­ge­se­hen ha­be. Das Er­wer­ber­kon­zept, das in Form ei­ner Be­schluss­vor­la­ge für das Auf­sichts­rats­gre­mi­um der D 1 vor­ge­legt wor­den sei, ha­be ne­ben Miet­kos­ten­sen­kung, Per­so­nal­re­du­zie­rung, An­pas­sung des Pfle­ge­schlüssels bei der Be­treu­ung auch Per­so­nal­kos­ten­ein­spa­run­gen vor­ge­se­hen, die mit­tels Ab­sen­kung des Lohn-/Ge­halts­ni­veaus auf den bei ihr gel­ten­den Ta­rif AVR-K er­reicht würden. Der Be­klag­te hat wei­ter be­haup­tet, der Ver­ein ha­be ei­nen Jah­res­fehl­be­trag von 28.000,-- € im Jahr 2006 und im Jahr 2007 in Höhe von ca. 229.000,-- € bei ei­nem Per­so­nal­auf­wand in Höhe von 1,9 Mil­lio­nen € bzw. 1,7 Mil­lio­nen € er­wirt­schaf­tet. Trotz der ver­schie­de­nen Maßnah­men im Er­wer­ber­kon­zept ge­he die D 1 in ih­rer Plan­rech­nung bei Per­so­nal­kos­ten in 2009 in Höhe von ca. 1,1 Mil­lio­nen € und in 2010 in Höhe von 1,6 Mil­lio­nen € so­wie 2011 in Höhe von 1,7 Mil­lio­nen € von Fehl­beträgen in Höhe von 340.000,-- € in 2009, 45.000,-- € in 2010 und 10.000,-- € in 2011 aus. Ziel der Ände­rungskündi­gung sei da­her nicht die Schaf­fung ei­ner ein­heit­li­chen Vergütungs­struk­tur ge­we­sen, son­dern die Per­so­nal­kos­ten­sen­kung.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 30.04.2009 die Kla­ge ab­ge­wie­sen, der Kläge­rin die Kos­ten des Rechts­streits auf­er­legt und den Streit­wert auf 3.994,59 € fest­ge­setzt. We­gen

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der Gründe, die das Ar­beits­ge­richt zu sei­nem Ur­teil ha­ben ge­lan­gen las­sen, wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses ihr am 29.05.2009 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Kläge­rin mit ei­nem am 25.06.2009 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt, die sie mit ih­rem am 24.08.2009 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift­satz be­gründet hat, nach­dem die Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 25.08.2009 verlängert wor­den war.

Die Kläge­rin rügt an dem an­ge­grif­fe­nen Ur­teil ins­be­son­de­re, dass die Ände­rungskündi­gung ent­ge­gen der Ent­schei­dung des erst­in­stanz­li­chen Ge­richts un­wirk­sam sei, weil sie le­dig­lich der Ent­geltkürzung und An­glei­chung der Ar­beits­verhält­nis­se an ein be­ste­hen­des Ta­rif­sys­tem die­nen sol­le. Dies er­ge­be sich schon aus dem von dem Be­klag­ten vor­ge­leg­ten In­ter­es­sen­aus­gleich und So­zi­al­plan. We­gen der Ein­zel­hei­ten ih­res Vor­brin­gens wird auf die Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift der Kläge­rin vom 24.08.2009 Be­zug ge­nom­men.

Die Kläge­rin, die in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem LAG am 9.12.2009 den ers­tin-stanz­lich ge­stell­ten all­ge­mei­nen Fest­stel­lungs­an­trag zu 2) (mit still­schwei­gen­der Zu­stim­mung des Be­klag­ten) zurück­ge­nom­men hat, be­an­tragt da­her,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richt Nien­burg vom 30.04.2009 ab­zuändern und fest­zu­stel­len, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Kündi­gung vom 22.09.2008 so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist

Der Be­klag­te be­an­tragt,


die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Er ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil nach Maßga­be sei­ner Be­ru­fungs­er­wi­de­rungs­schrift vom 27.10.2009 so­wie sei­ner wei­te­ren Schriftsätze vom 04.12.2009 und 08.12.2009, auf die die Kam­mer Be­zug nimmt.

 

Ent­schei­dungs­gründe


A.

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Die Be­ru­fung ist statt­haft, sie ist auch form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den und so­mit ins­ge­samt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO).

B.
Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist be­gründet. Die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen auf­grund der sei­tens des Be­klag­ten aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung vom 22.09.2008 ist so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt im Sin­ne der §§ 2, 1 KSchG. Sie ist nicht durch im Streit­fall al­lein in Be­tracht kom­men­de drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se ge­recht­fer­tigt, die der Wei­ter­beschäfti-gung der Kläge­rin zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen ent­ge­gen­ste­hen. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts vom 30.04.2009 war da­her ab­zuändern und fest­zu­stel­len, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Kündi­gung vom 22.09.2008 so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist.

I.
Die zur so­zia­len Recht­fer­ti­gung ei­ner or­dent­li­chen Ände­rungskündi­gung not­wen­di­gen drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­se im Sin­ne von § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 KSchG set­zen vor­aus, dass das Bedürf­nis für die Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers im Be­trieb zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen ent­fal­len ist. Lie­gen drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se vor, die ei­ner Beschäfti­gung ei­nes Ar­beit­neh­mers zu den bis­he­ri­gen, un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen ent­ge­gen­ste­hen, so kann ei­ne be­triebs­be­ding­te or­dent­li­che Ände­rungskündi­gung gleich­wohl nur dann wirk­sam sein, wenn sich der Ar­beit­ge­ber bei ei­nem an sich an­er­ken­nens­wer­ten An­lass dar­auf be­schränkt hat, le­dig­lich sol­che Ände­run­gen vor­zu­schla­gen, die der Ar­beit­neh­mer bil­li­ger Wei­se hin­neh­men muss. Im Rah­men der §§ 1, 2 KSchG ist da­bei zu prüfen, ob das Beschäfti­gungs­bedürf­nis des be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mers zu den bis­he­ri­gen Ver­trags­be­din­gun­gen ent­fal­len ist. Die­ser Maßstab gilt un­abhängig da­von, ob der Ar­beit­neh­mer das Ände­rungs­an­ge­bo­te ab­ge­lehnt oder un­ter Vor­be­halt an­ge­nom­men hat (ständi­ge Recht­spre­chung des BAG, vgl. nur BAG vom 26.06.2008 – 2 AZR 139/07 – AP Nr. 138 zu § 2 KSchG 1969 m. w. N. und vom 23.06.2005 – 2 AZR 642/04 – AP Nr. 81 zu § 2 KSchG 1969).

1.
Ist ei­ne Be­triebsände­rung nach § 111 Be­trVG ge­plant und kommt zwi­schen In­sol­venz­ver­wal­ter und Be­triebs­rat ein In­ter­es­sen­aus­gleich zu­stan­de, in dem die Ar­beit­neh­mer, de­nen gekündigt wer­den soll, na­ment­lich be­zeich­net sind, mo­di­fi­ziert § 125 In­sO § 1 KSchG. Es wird ver­mu­tet, dass die Kündi­gung des ge­nann­ten Ar­beit­neh­mers durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se be­dingt ist. Eben­so wie § 1 Abs. 5 KSchG gilt § 125 In­sO

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auch für Ände­rungskündi­gun­gen und er­streckt sich je­den­falls auf den Weg­fall des Beschäfti­gungs­bedürf­nis­ses zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen und das Feh­len ei­ner an­de­re­wei­ti­gen Beschäfti­gungsmöglich­keit (BAG vom 19.06.2007 – 2 AZR 304/06 - AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Na­mens­lis­te). Die in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 In­sO ent­hal­te­ne Ver­mu­tung der so­zia­len Recht­fer­ti­gung kommt je­doch nur zum Tra­gen, wenn der In­sol­venz­ver­wal­ter ei­ne Be­triebsände­rung und die Exis­tenz ei­nes wirk­sa­men In­ter­es­sen­aus­gleichs mit Na­mens­lis­te dar­legt und ggf. be­weist (BAG vom 07.05.1998 – 2 AZR 536/97 – AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung). So­weit die Vor­aus­set­zun­gen für den Ab­schluss ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs nach dem Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz feh­len, genügt es nicht, ei­nen „frei­wil­li­gen“ In­ter­es­sen­aus­gleich zu ver­ein­ba­ren (vgl. ErfK/Gall­ner, 10. Aufl., Rn 3 zu § 125 In­sO m. w. N.). Die Wir­kung des § 125 In­sO er­streckt sich ins­be­son­de­re nicht auf Per­so­nen­grup­pen, die nach dem Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz nicht vom Be­triebs­rat re­präsen­tiert wer­den (vgl. ErfK/Gall­ner,a.a.O., Rn 1 zu § 125 In­sO m.w.N.).

2.
Der Be­klag­te kann sich im Streit­fall hin­sicht­lich des Vor­lie­gens drin­gen­der be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se, die ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen ent­ge­gen­ste­hen, nicht auf die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 125 Abs. 1 Satz 1 In­sO be­ru­fen. Selbst wenn die Kam­mer zu Guns­ten des Be­klag­ten un­ter­stellt, dass im Streit­fall ei­ne Be­triebsände­rung i. S. d. § 111 Be­trVG vor­lag, ist der An­wen­dungs­be­reich der Norm nicht eröff­net.

2.1
§ 125 In­sO setzt vor­aus, dass im Be­trieb ein Be­triebs­rat vor­han­den ist, mit dem ein In­ter­es­sen­aus­gleich nach § 111 Be­trVG zu­stan­de kommt. Im Streit­fall hat der Be­klag­te ei­nen drei­sei­ti­gen In­ter­es­sen­aus­gleich mit Na­mens­lis­te mit dem Be­triebs­rat der in­sol­ven­ten GmbH und der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung des in­sol­ven­ten e. V. ab­ge­schlos­sen. Der Be­triebs­rat der GmbH ist je­doch für die Kläge­rin, die Ar­beit­neh­me­rin des e. V. war, nicht zuständig. Der In­ter­es­sen­aus­gleich ist da­her, so­weit es die Kläge­rin be­trifft, mit ei­nem un­zuständi­gen Be­triebs­rat ab­ge­schlos­sen wor­den und in­so­weit un­wirk­sam (vgl. die Nach­wei­se bei ErfK/Gall­ner, a.a.O., Rn 4 zu § 125 In­sO). Bei dem in­sol­ven­ten Ev. Al­ten­heim-A-Stadt war ei­ne Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung nach dem Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungs­ge­setz der Konföde­ra­ti­on der Ev. Kir­chen Deutsch­lands (MVG-K) ge­bil­det. Die für die Kläge­rin zuständi­ge Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung ist aber kein Be­triebs­rat i. S. d. § 125 In­sO. An­ders als die, die Funk­ti­on von Be­triebsräten über­neh­men­den, Ver­tre­tun­gen des flie­gen­den Per­so­nals von Luft­fahr­tun-ter­neh­men i. S. v. § 117 Abs. 2 Be­trVG (BAG vom 26.04.2007 – 8 AZR 612/06 - EzA In­sO

- 9 -

§ 125 Nr. 6) be­deu­tet die aus­drück­li­che Be­schränkung in § 125 In­sO auf § 111 Be­trVG, dass die Norm in Ein­rich­tun­gen der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten un­be­scha­det de­ren Rechts­form nach § 118 Abs. 2 Be­trVG un­an­wend­bar ist (vgl. eben­so zur Par­al­lel­re­ge­lung in § 1 Abs. 5 KSchG KR/Grie­be­ling, 9. Aufl., Rn 703 a zu § 1 KSchG m. w. N.).

2.2
Es liegt kein Fall ei­ner schließungs­bedürf­ti­gen plan­wid­ri­gen Ge­set­zeslücke vor, viel­mehr ver­bie­tet sich ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung ge­ra­de­zu we­gen der Ver­fas­sungs­ga­ran­tie des Selbst­be­stim­mungs­rechts der Kir­chen nach Art. 140 Grund­ge­setz (GG) i. V. m. Art. 137 Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung (WRV).

2.2.1
Ei­ne Ana­lo­gie setzt vor­aus, dass ei­ne vom Ge­setz­ge­ber un­be­ab­sich­tigt ge­las­se­ne Lücke vor­liegt und die­se Plan­wid­rig­keit auf­grund kon­kre­ter Umstände po­si­tiv fest­ge­stellt wer­den kann, weil sonst je­des Schwei­gen des Ge­setz­ge­bers als plan­wid­ri­ge Lücke im We­ge der Ana­lo­gie von den Ge­rich­ten aus­gefüllt wer­den könn­te. In Ab­gren­zung von rechts­po­li­ti-schen Vor­stel­lun­gen ge­genüber der Be­gründung ei­ner Ge­set­zeslücke be­darf es ei­nes Mehr, dass über die le­dig­lich sub­jek­ti­ve Einschätzung des Rechts­an­wen­ders von ei­ner „ge­lun­ge­nen“ Rechts­ge­stal­tung hin­aus­geht und die Er­kennt­nis ver­mit­telt, was die Re­ge­lungs­ab­sicht des Ge­setz­ge­bers war. Ne­ben der Dar­le­gung ei­ner plan­wid­ri­gen Ge­set­zeslücke, er­for­dert die ana­lo­ge An­wen­dung der für ei­nen Tat­be­stand im Ge­setz ge­ge­be­nen Re­gel auf ei­nen vom Ge­setz nicht ge­re­gel­ten Tat­be­stand, ins­be­son­de­re die Be­gründung, dass bei­de Tat­bestände in­fol­ge ih­rer Ähn­lich­keit in den für die ge­setz­li­che Be­wer­tung maßge­ben­den Hin­sich­ten gleich zu be­wer­ten sind (vgl. BVerfG vom 06.12.2005 – 1 BvR 1905/02 – BverfGE 115, 51 ff; BAG vom 25.04.2007 – 6 AZR 622/06 – AP Nr. 23 zu § 113 In­sO-; BGH vom 13.04.2006 – IX ZR 22/05 – BGHZ 167, 178 m. w. N.).

2.2.2
Für die An­nah­me ei­ner plan­wid­ri­gen un­be­wuss­ten Ge­set­zeslücke fehlt es schon an ei­nem „Schwei­gen“ des Ge­setz­ge­bers. Der Ge­setz­ge­ber hat viel­mehr ei­ne Re­ge­lung für Be­trie­be oh­ne Be­triebs­rat in der In­sol­venz­ord­nung vor­ge­se­hen. Ist in ei­nem Be­trieb kein Be­triebs­rat vor­han­den, steht dem In­sol­venz­ver­wal­ter das Ver­fah­ren nach § 126 In­sO of­fen. Es ver­bie­tet sich da­her schon die An­nah­me ei­ner un­be­wuss­ten Re­ge­lungslücke. Darüber hin­aus fehlt es an der Ähn­lich­keit kirch­li­cher Ein­rich­tun­gen mit un­ter das Be­trVG fal­len­den Be­trie­ben. Der Ge­setz­ge­ber hat Ein­rich­tun­gen der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten, gleich in wel­cher Rechts­form sie be­trie­ben wer­den, be­wusst nach § 118 Abs. 2 Be­trVG we­gen

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ih­rem ver­fas­sungs­recht­lich ga­ran­tier­ten Selbst­be­stim­mungs­recht aus der An­wend­bar­keit des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes her­aus­ge­nom­men, in § 125 In­sO je­doch eben­so wie in § 1 Abs. 5 KSchG aus­drück­lich auf § 111 Be­trVG Be­zug ge­nom­men. Ei­ne dem § 111 Be­trVG ent­spre­chen­de Re­ge­lung fehlt im Übri­gen auch im MVG-K. Im Rah­men ih­res Selbst­be­stim­mungs­rechts hat der kirch­li­che Ge­setz­ge­ber von ei­ner ent­spre­chen­den Re-ge­lung mit­hin ge­ra­de ab­ge­se­hen.

3.
Da die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 125 In­sO im zu ent­schei­den­den Fall nicht greift, bleibt es bei der Dar­le­gungs- und Be­weis­last des Be­klag­ten hin­sicht­lich des Vor­lie­gens hin­rei­chend drin­gen­der be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se, die ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin zu den bis­he­ri­gen Ar­beits­be­din­gun­gen ent­ge­gen­ste­hen.

3.1
Be­steht die vom Ar­beit­ge­ber an­ge­bo­te­ne Ver­tragsände­rung – wie im Streit­fall - al­lein in ei­ner Ab­sen­kung der bis­he­ri­gen Vergütung, so gel­ten nach der Recht­spre­chung des BAG fol­gen­de Grundsätze:
Die Un­ren­ta­bi­lität des Be­trie­bes kann ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen ent­ge­gen­ste­hen und ein drin­gen­des be­trieb­li­ches Er­for­der­nis zur Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen sein, wenn durch die Sen­kung der Per­so­nal­kos­ten die Still­le­gung des Be­triebs oder die Re­du­zie­rung der Be­leg­schaft ver­hin­dert wer­den kann und die Kos­ten durch an­de­re Maßnah­men nicht zu sen­ken sind. Da nach dem Ge­setz die be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­se „drin­gend“ sein müssen und die Ent­gelt­sen­kung ei­nen nach-hal­ti­gen Ein­griff in das ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen-leis­tung be­deu­tet, kann die Ände­rungskündi­gung zur Ent­gelt­sen­kung nur dann be­gründet sein, wenn bei ei­ner Auf­recht­er­hal­tung der bis­he­ri­gen Per­so­nal­kos­ten­struk­tur wei­te­re, be­trieb­lich nicht mehr auf­fang­ba­re Ver­lus­te entstünden, die ab­seh­bar zu ei­ner Re­du­zie­rung der Be­leg­schaft oder so­gar zu ei­ner Sch­ließung des Be­trie­bes führen. Re­gelmäßig be­darf es des­halb ei­nes um­fas­sen­den Sa­nie­rungs­plans, der al­le ge­genüber der be­ab­sich­tig­ten Ände­rungskündi­gung mil­de­ren Mit­tel ausschöpft. Vom Ar­beit­ge­ber ver­langt das BAG in die­sem Zu­sam­men­hang, dass er die Fi­nanz­la­ge des Be­triebs, den An­teil der Per-so­nal­kos­ten, die Aus­wir­kung der er­streb­ten Kos­ten­sen­kun­gen für den Be­trieb und für die Ar­beit­neh­mer dar­stellt und fer­ner dar­legt, war­um an­de­re Maßnah­men nicht in Be­tracht kom­men (BAG vom 26.06.2008 a. a. O. m. w. N.).

3.2

- 11 -


Die­sen An­for­de­run­gen wird der Vor­trag des Be­klag­ten nicht ge­recht. Der Be­klag­te kann sich zur Be­gründung der Kündi­gung insb. nicht auf die Sa­nie­rung des Be­triebs nach ei­nem Sa­nie­rungs­kon­zept des Be­triebs­er­wer­bers be­ru­fen.

3.2.1
Die Veräußererkündi­gung we­gen Ra­tio­na­li­sie­run­gen auf­grund ei­nes Sa­nie­rungs­kon­zept des Er­wer­bers wird in Recht­spre­chung in Li­te­ra­tur grundsätz­lich an­er­kannt. Es be­darf je­doch ei­nes ver­bind­li­chen Kon­zepts oder Sa­nie­rungs­plans des Er­wer­bers, des­sen Durchführung im Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gungs­erklärung be­reits greif­ba­re For-men an­ge­nom­men ha­ben muss. Al­lein For­de­run­gen des Er­wer­bers zur Per­so­nal­kos­ten-sen­kung genügen da­ge­gen nicht (vgl. zur For­de­rung, die Be­leg­schaft zu ver­klei­nern: BAG vom 20.03.2003 – 8 AZR 97/02 – AP Nr. 250 zu § 613 a BGB und ErfK/Preiss, 10. Aufl., Rz 167 ff zu § 613 a BGB). Im Streit­fall hat der Be­klag­te ein ver­bind­li­ches Kon­zept oder ei­nen Sa­nie­rungs­plan des Er­wer­bers da­zu, dass auf­grund be­triebs­wirt­schaft­li­cher Ge-sichts­punk­te ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin nur un­ter den geänder­ten Ver­trags-be­din­gun­gen möglich war, nicht dar­ge­legt. Sei­ne Ausführun­gen zu den Jah­res­fehl­beträgen in der Ver­gan­gen­heit nebst Per­so­nal­auf­wand, die Mit­tei­lung der In­sol­ven­zeröff­nung, ne­ben An­zei­ge der Mas­seun­zuläng­lich­keit so­wie die pau­scha­len Ausführun­gen, dass in dem Er­wer­ber­kon­zept als Maßnah­men Miet­kos­ten­sen­kung, Per­so­nal­re­du­zie­rung, An­pas­sung des Pfle­ge­schlüssels bei der Be­treu­ung und schließlich Per­so­nal­kos­ten­ein­spa­run­gen vor­ge­se­hen wa­ren, er­setzt nicht die Dar­le­gung ei­nes um­fas­sen­den Sa­nie­rungs­plans und lässt ins­be­son­de­re nicht nach­voll­zie­hen, dass al­le ge­genüber der be­ab­sich­tig­ten Ände­rungskündi­gung mil­de­ren Mit­tel aus­geschöpft wur­den. Trotz Hin­weis des Ge­richts vom 16.11.2009 (Bl. 154 d.A.) auf die vom BAG in der Ent­schei­dung vom 26.06.2008 (a. a. O.) auf­ge­stell­ten An­for­de­run­gen an die Dar­le­gungs­last des Ar­beit­ge­bers bei der be­triebs­be­ding­ten Ände­rungskündi­gung hat der Be­klag­te ergänzen­den Vor­trag nicht er­bracht, son­dern sich le­dig­lich dar­auf be­ru­fen, die durch­geführ­ten Maßnah­men sei­en auf­grund des Er­wer­ber­kon­zepts und dem da­mit ein­her­ge­hen­den Er­for­der­nis der Ta­rif­an­glei­chung zwin­gend not­wen­dig ge­we­sen.

3.2.2
Aus dem Vor­trag des Be­klag­ten, wie auch aus dem In­halt der Dienst­ver­ein­ba­rung vom 17.09.2008, er­gibt sich denn auch, dass we­sent­li­cher Grund für die Ände­rungskündi­gung nicht die Ab­sen­kung der bis­he­ri­gen Vergütung im Rah­men ei­nes Sa­nie­rungs­kon­zepts, son­dern die Schaf­fung glei­cher Ar­beits­be­din­gun­gen im Rah­men ei­nes (Teil)-Be­triebsüber­gangs war. Die vom Er­wer­ber, dem Dia­ko­ni­sche Hei­me in K. e. V.

- 12 -

über­nom­me­nen Ar­beit­neh­mer des Ver­eins Ev. Al­ten­heim L. e. V. und der Haus L. GmbH, für die bis da­hin der BAT (Ar­beit­neh­mer des Ver­eins Ev. Al­ten­heim L. e. V.) bzw. ein „Haus­ta­rif“ (Ar­beit­neh­mer der Haus L. GmbH) galt, soll­ten mit Wir­kung vom 01.01.2009 ein­heit­li­che Ar­beits­verträge gem. AVR-K er­hal­ten, wo­bei ab­wei­chend von den AVR-K zum Zwe­cke der Ein­glie­de­rung die Vergütun­gen der bei­den Beschäftig­ten­grup­pen in­ner­halb von 8 Jah­ren stu­fen­wei­se an das Vergütungs­ni­veau der AVR-K her­an­geführt wer­den soll­ten. Hier­zu soll­te die Vergütung der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter des frühe­ren Ver­eins um 18 % (höchs­tens auf den Be­trag, der sich aus der An­wen­dung des „Haus­ta­rifs“ er­ge­ben würde) ab­ge­senkt, die Vergütung der nach „Haus­ta­rif“ vergüte­ten Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter da­ge­gen je­weils zum 01.01., erst­mals be­reits zum 01.01.2010 um 1/8 der Dif­fe­renz der bis­her ge­zahl­ten in­di­vi­du­el­len Vergütung und dem Ent­gelt, das sich aus der An­wen­dung der AVR-K er­gibt, erhöht wer­den. So­bald die Vergütung der ehe­mals nach „Haus­ta­rif“ vergüte­ten Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter auf­grund des je­weils zum 01.01. er­fol­gen­den An­pas­sungs­be­tra­ges die ab­ge­senk­te Vergütung der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter des ehe­ma­li­gen Ver­eins über­steigt, soll­te de­ren Vergütung so auf­ge­stockt wer­den, dass sie der Höhe der je­wei­li­gen Vergütung der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter mit Vergütung nach (an­ge­pass­ten) Haus­ta­rif ent­spricht. Nach dem In­halt der Dienst­ver­ein­ba­rung ging es mit­hin vor­ran­gig nicht um ei­ne Ab­sen­kung der Vergütung als Bei­trag der Ar­beit­neh­mer im Rah­men ei­nes um­fas­sen­den Sa­nie­rungs­kon­zepts, son­dern um ei­ne Ver­ein­heit­li­chung der Vergütungs­struk­tur. Nach der Recht­spre­chung des BAG kann der Ar­beit­ge­ber aber bei ei­ner ent­gelt­li­chen Bes­ser­stel­lung ei­ner Grup­pe von Ar­beit­neh­mern wirk­sam ei­ne Ände­rungskündi­gung nicht zur Her­beiführung ei­ner Lohn­gleich­heit recht­fer­ti­gen. Das gilt auch, wenn er sich im Hin­blick auf die an­ge­streb­te Neu­re­ge­lung auf ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung be­ru­fen kann ((BAG vom 28.4.1982 – 7 AZR 1139/79 - AP Nr. 3 zu § 2 KSchG 1969; vom 16.05.2002 – 2 AZR 292/01 - AP Nr. 69 zu § 2 KSchG 1969 und vom 12.01.2006 – 2 AZR 126/05 - AP Nr. 82 zu § 2 KSchG 1969; BAG vom 20.01.2000 – 2 ABR 40/99 - AP Nr. 40 zu § 103 Be­trVG 1972).

4.
Die streit­be­fan­ge­ne Ände­rungskündi­gung verstößt darüber­hin­aus ge­gen den Verhält­nis-mäßig­keits­grund­satz und das Be­stimm­heits­ge­bot.


4.1.
Ob der Ar­beit­neh­mer ei­ne ihm vor­ge­schla­ge­ne Ent­gelt­min­de­rung bil­li­ger Wei­se hin­neh­men muss, ist nach dem Verhält­nismäßig­keits­grund­satz zu be­ur­tei­len (BAG vom

- 13 -

26.06.2008 – 2 AZR 139/07 - AP Nr. 138 zu § 2 KSchG 1969). Die Ände­run­gen müssen ge­eig­net und er­for­der­lich sein, um den In­halt des Ar­beits­ver­trags den geänder­ten Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten an­zu­pas­sen. Die­se Vor­aus­set­zun­gen müssen für al­le Ver­tragsände­run­gen vor­lie­gen. Da­bei dürfen sich al­le an­ge­bo­te­nen Ände­run­gen nicht wei­ter vom In­halt des bis­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis­ses ent­fer­nen, als sie zur Er­rei­chung des an-ge­streb­ten Ziels er­for­der­lich sind. Aus dem Vor­brin­gen des Ar­beit­ge­bers muss er­kenn­bar wer­den, dass er auch un­ter Berück­sich­ti­gung der ver­trag­lich ein­ge­gan­ge­nen be­son­de­ren Ver­pflich­tun­gen al­les Zu­mut­ba­re un­ter­nom­men hat, die not­wen­dig ge­wor­de­ne An­pas­sung auf das un­be­dingt er­for­der­li­che Maß zu be­schränken (BAG vom 15.01.2009 – 2 AZR 641/07 – AP nr. 141 zu § 2 KSchG 1969 m. w. N.).

Das mit der Kündi­gung un­ter­brei­te­te Ände­rungs­an­ge­bot muss fer­ner ein­deu­tig be­stimmt bzw. zu­min­dest be­stimm­bar sein . Es muss so kon­kret ge­fasst sein, dass es der Ar­beit­neh­mer oh­ne wei­te­res an­neh­men kann. Ihm muss klar sein, wel­che Ar­beits­be­din­gun­gen zukünf­tig gel­ten sol­len. Nur so kann er sei­ner Ent­schei­dung über die An­nah­me oder Ab­leh­nung des An­ge­bots tref­fen. Da der Ar­beit­neh­mer von Ge­set­zes we­gen in­ner­halb ei­ner kur­zen Frist auf das Ver­trags­an­ge­bot ei­nes Ar­beit­ge­bers re­agie­ren und sich ent­schei­den muss, ob er die geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen ab­lehnt oder mit oder oh­ne Vor­be­halt an­nimmt, ist des­halb nach der ständi­gen Recht­spre­chung des BAG schon im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit zu for­dern, dass mit dem Ände­rungs­an­ge­bot zwei­fels­frei klar ge­stellt wird, zu wel­chen neu­en Ar­beits­be­din­gun­gen das Ar­beits­verhält­nis nach dem Wil­len des Ar­beit­ge­bers fort­be­ste­hen soll. Un­klar­hei­ten ge­hen zu Las­ten des Ar­beit­ge­bers. Sie führen im Er­geb­nis zu Un­wirk­sam­keit der Ände­rungskündi­gung (BAG vom 15.01.2009, a. a. O.).

4.2
Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser An­for­de­run­gen man­gelt es dem der Kläge­rin von dem Be­klag­ten un­ter­brei­te­ten Ände­rungs­an­ge­bot be­reits an der hin­rei­chen­den Be­stimmt­heit. Das Ver­trags­an­ge­bot ist in­trans­pa­rent und per­plex. Auf­grund der an­ge­bo­te­nen Re­ge­lun­gen in Ziff. 2 c) der Ände­rungskündi­gung wird für die Kläge­rin als Empfänge­rin des An­ge­bots nicht hin­rei­chend klar, wann wel­che Vergütungs­re­ge­lun­gen für sie gel­ten sol­len. Ab­ge­se­hen da­von, dass es of­fen­bar ei­ne am 19.07.2008 ab­sch­ließend ver­han­del­te Not­la­gen­re­ge­lung nicht gibt und für die Kläge­rin als Erklärungs­empfänge­rin kei­nes­wegs er­kenn­bar war, dass es sich in­so­weit um ei­nen Zah­len­dre­her han­del­te, re­gelt auch die (wohl ei­gent­lich ge­mein­te) Dienst­ver­ein­ba­rung vom 17.09.2008 nicht hin­rei­chend ein­deu­tig wel­che Vergütung ge­nau die Kläge­rin im Zeit­raum vom 01.01.2009 bis 31.12.2017 er­hal­ten wird,

- 14 -

d. h. wie ge­nau sich die schritt­wei­se Her­anführung an das nach AVR-K gel­ten­de Ni­veau ge­stal­ten soll. Es bleibt ins­be­son­de­re völlig un­klar, an wel­chen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern der S. Woh­nen GmbH sich die even­tu­el­len Auf­sto­ckungs­beträge für die Kläge­rin gem. Ziff. 4 § 22 d) der Dienst­ver­ein­ba­rung ori­en­tie­ren soll­ten.

Zu­dem ist an­ge­sichts der völlig un­be­stimm­ten Re­ge­lung in Ziff. 4 § 22 c) der Dienst­ver­ein­ba­rung auch nicht nach­voll­zieh­bar, dass die vor­ge­schla­ge­nen Ände­run­gen tatsächlich ge­eig­net und er­for­der­lich sind, um den In­halt des Ar­beits­ver­trags den be­haup­te­ten geänder­ten Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten an­zu­pas­sen. In­so­weit läßt der Vor­trag des Be­klag­ten ins­be­son­de­re nicht er­ken­nen, dass er le­dig­lich sol­che Ände­run­gen vor­ge­schla­gen hat, die die Kläge­rin bil­li­ger­wei­se hin­neh­men muss. An­ge­sichts des­sen, dass sich be­reits ab 01.01.2010 die Vergütun­gen der ehe­ma­li­gen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter der GmbH erhöhen sol­len, hält die Kam­mer darüber hin­aus die der Kläge­rin und den an­de­ren ehe­ma­li­gen Ar­beit­neh­mern des e.V. vor­ge­schla­ge­ne Ab­sen­kung um 18 % ih­res Ge­halts, die sich zu­dem auf al­le Ent­gelt­be­stand­tei­le be­zieht, für un­verhält­nismäßig.

II.
Über die Kos­ten des Ver­fah­rens war auch hin­sicht­lich der teil­wei­sen Be­ru­fungsrück­nah­me im Ur­teil un­ter An­wen­dung der §§ 516 (3), 92 ZPO zu ent­schei­den. Da der all­ge­mei­ne Fest­stel­lungs­an­trag der Kläge­rin be­reits im Zeit­punkt der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung - man­gels wei­te­rer Be­en­di­gungs­tat­bestände – nicht be­gründet war und sie die­sen An­trag im Ter­min vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt am 09.12.2009 zurück­ge­nom­men hat, wa­ren die Kos­ten zwi­schen den Par­tei­en im Verhält­nis 1/3 zu 2/3 zu ver­tei­len.

III.
Gründe, die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen, lie­gen nicht vor. Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist da­her ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben. Auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de gem. § 72 a ArbGG wird hin­ge­wie­sen.


Knauß  

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