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BAG, Ur­teil vom 19.11.2007, 2 AZR 94/06

   
Schlagworte: Schwerbehinderung, Kündigung: Schwerbehinderung,
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 94/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.11.2007
   
Leitsätze:

Auf die Wartezeit sowohl nach § 1 Abs. 1 KSchG als auch nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX sind Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis steht (BAG 20. August 1998 - 2 AZR 76/98 - AP KSchG 1969 §1 Wartezeit Nr. 9 = EzA KSchG §1 Nr. 49 und - 2 AZR 83/98 - BAGE 89, 307).

Hiervon ist regelmäßig auszugehen, wenn das Arbeitsverhältnis lediglich deshalb rechtlich unterbrochen ist, weil sich der Arbeitgeber (Land) bei einem Arbeitnehmer (Lehrer) dazu entschlossen hat, das Arbeitsverhältnis während der Zeit, in der keine Arbeitsleistung anfällt (Schulferien), nicht fortzuführen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Wuppertal Landesarbeitsgericht Düsseldorf
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


2 AZR 94/06
1 (11) Sa 900/05
Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf

 

Im Na­men des Vol­kes!

 

Verkündet am

19. Ju­ni 2007

 

UR­TEIL

 

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen


be­klag­tes, be­ru­fungs­kla­gen­des und re­vi­si­ons­kla­gen­des Land,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 19. Ju­ni 2007 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Rost, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Bröhl und Schmitz-Scho­le­mann so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Lücke und Fal­ke für Recht er­kannt:


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Die Re­vi­si­on des be­klag­ten Lan­des ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 16. No­vem­ber 2005 - 1 (11) Sa 900/05 - wird auf Kos­ten des be­klag­ten Lan­des zurück­ge­wie­sen.


Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung. 


Die 1971 ge­bo­re­ne Kläge­rin, an­er­kann­te Schwer­be­hin­der­te, hat ei­ne Aus­bil­dung für das Lehr­amt für Son­derpädago­gik ab­sol­viert. Auf Grund ei­nes auf den Be­ginn der Som­mer­fe­ri­en 2004 (21. Ju­li 2004) be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags vom 10. Fe­bru­ar 2004 (18 Pflicht­stun­den) war sie seit 16. Fe­bru­ar 2004 zunächst an ei­ner Schu­le für Lern­be­hin­der­te beim be­klag­ten Land ein­ge­setzt, und zwar mit 18 Pflicht­stun­den als Ver­tre­tung ei­ner in El­tern­zeit be­find­li­chen Leh­re­rin in R im Zuständig­keits­be­reich des dor­ti­gen Schul­am­tes. Zu Be­ginn des neu­en Schul­jah­res (6. Sep­tem­ber 2004) schlos­sen die Par­tei­en - das be­klag­te Land ver­tre­ten durch das Schul­amt W - ei­nen Ver­trag über die un­be­fris­te­te An­stel­lung der Kläge­rin mit 27,5 Pflicht­stun­den für ei­ne Beschäfti­gung als Leh­re­rin an öffent­li­chen Son­der­schu­len. Ihr Ein­satz er­folg­te an ei­ner Schu­le für geis­tig Be­hin­der­te in W.

Mit Schrei­ben vom 25. Fe­bru­ar 2005 kündig­te das be­klag­te Land das Ar­beits­verhält­nis zum 31. Mai 2005. Ei­ne Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes hat es nicht ein­ge­holt. Der Per­so­nal­rat wur­de zu ei­ner „Kündi­gung in der Pro­be­zeit“ be­tei­ligt.

Die Kläge­rin hat Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben und Wei­ter­beschäfti­gung be­gehrt. Sie ist der Auf­fas­sung, sie ge­nieße Son­derkündi­gungs­schutz nach dem SGB IX. Sie sei ins­ge­samt länger als sechs Mo­na­te beschäftigt ge­we­sen, da bei­de Beschäfti­gungs­verhält­nis­se zu­sam­men­zu­rech­nen sei­en. Es be­ste­he trotz der Un­ter­bre­chung durch die Som­mer­fe­ri­en ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang. Dem ste­he auch nicht ent­ge­gen, dass ihr Ein­satz in un­ter­schied­li­chen Schul­ty­pen er­folgt sei. Als aus­ge­bil­de­te Son­der­schul­leh­re­rin sei sie für bei­de Schul­ty­pen un­ein­ge­schränkt ein­setz­bar. Die Kündi­gung sei auch we­gen feh­ler­haf­ter Be­tei­li­gung des Per­so­nal­rats - nur zur Kündi­gung in der Pro­be­zeit - un­wirk­sam.


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Die Kläge­rin hat be­an­tragt, 


1. fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die schrift­li­che Kündi­gung des be­klag­ten Lan­des vom 25.02.2005, zu­ge­stellt am 02.03.2005, nicht zum 31.05.2005 auf­gelöst wor­den ist;


2. das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin für den Fall des Ob­sie­gens mit dem Fest­stel­lungs­an­trag zu 1. zu den Be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 30.08.2004/03.09.2004 wei­ter­zu­beschäfti­gen.


Das be­klag­te Land hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Kündi­gung sei noch in­ner­halb der sechs­mo­na­ti­gen War­te­zeit er­folgt, wes­halb es ei­ner Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes nicht be­durft ha­be. Die Beschäfti­gungs­verhält­nis­se sei­en nicht zu­sam­men­zu­rech­nen, da kein hin­rei­chen­der sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­ste­he. Der Ein­satz an ei­ner Schu­le für Lern­be­hin­der­te und der­je­ni­ge an ei­ner Schu­le für geis­tig Be­hin­der­te sei­en nicht mit­ein­an­der zu ver­glei­chen. Außer­dem sprächen das un­ter­schied­li­che St­un­den­kon­tin­gent so­wie die An­stel­lung in un­ter­schied­li­chen Schul­amts­be­zir­ken ge­gen ei­ne Zu­sam­men­rech­nung.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des be­klag­ten Lan­des zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt das be­klag­te Land wei­ter­hin Kla­ge­ab­wei­sung.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Die Kündi­gung ist nach § 85 SGB IX man­gels Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes rechts­un­wirk­sam.

I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die Kündi­gung hätte der Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes be­durft, weil das Ar­beits­verhält­nis länger als sechs Mo­na­te „un­un­ter­bro­chen“ be­stan­den ha­be. Zwi­schen den bei­den Beschäfti­gungs­verhält­nis­sen ha­be ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­stan­den, so dass die - an sich er­heb­li­che - zeit­li­che Un­ter­bre­chung unschädlich sei. Als aus­ge­bil­de­te Leh­re­rin für Son­derpädago­gik sei die Kläge­rin an bei­den Schul­ty­pen oh­ne Wei­te­res ein­setz­bar, dem­ent­spre­chend sei sie un­be­fris­tet auch nicht als Leh­re­rin für geis­tig be­hin­der­te Kin­der, son­dern als Son­der­schul­leh­re­rin ein­ge­stellt wor­den. Der zeit­lich un­ter­schied­li­che Ein­satz sei eben­so wie der Ein­satz in ver­schie­de­nen Schul­amts­be­zir­ken un­be­acht-


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lich. Außer­dem spre­che auch der sich aus der Pro­to­koll­no­tiz SR 2y zum BAT ab­zu­lei­ten­de An­spruch der Kläge­rin als schwer­be­hin­der­te Ar­beit­neh­me­rin auf ei­ne be­vor­zug­te Berück­sich­ti­gung bei der Be­set­zung von Dau­er­ar­beitsplätzen für die An­nah­me ei­nes ent­spre­chen­den Zu­sam­men­hangs.

II. Dem folgt der Se­nat im Er­geb­nis und in der Be­gründung. Das be­fris­te­te und das späte­re un­be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin ste­hen in ei­nem der­art en­gen Zu­sam­men­hang, dass von ei­nem un­un­ter­bro­che­nen Ar­beits­verhält­nis aus­zu­ge­hen ist. Des­halb galt für das Ar­beits­verhält­nis im Zeit­punkt der Kündi­gung der be­son­de­re Kündi­gungs­schutz des § 85 SGB IX.

1. Nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX gel­ten die Vor­schrif­ten über den Son­derkündi­gungs­schutz, al­so die §§ 85 ff. SGB IX, nicht für schwer­be­hin­der­te Men­schen, de­ren Ar­beits­verhält­nis zum Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gungs­erklärung oh­ne Un­ter­bre­chung noch nicht länger als sechs Mo­na­te be­steht.

a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt geht zu­tref­fend da­von aus, dass die in § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX ge­re­gel­te Frist sich an § 1 Abs. 1 KSchG an­lehnt, so dass die da­zu von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Grundsätze ent­spre­chend her­an­zu­zie­hen sind (BAG 4. Fe­bru­ar 1993 - 2 AZR 416/92 - AP SchwbG 1986 § 21 Nr. 2 = EzA SchwbG § 20 Nr. 1). Der Ar­beit­ge­ber soll die fach­li­che und persönli­che Eig­nung des schwer­be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mers sechs Mo­na­te lang oh­ne die Bin­dung der §§ 85 ff. SGB IX über­prüfen können. Dies soll nach dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers Ein­stel­lungs­hemm­nis­se über­win­den und da­mit letzt­lich den In­ter­es­sen der schwer­be­hin­der­ten Men­schen ins­ge­samt die­nen.

b) Wenn das Ge­setz die sechs­mo­na­ti­ge War­te­zeit an ei­nen un­un­ter­bro­che­nen recht­li­chen Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses an­knüpft, so scha­det al­lein vom Wort­laut der Vor­schrift her je­de recht­li­che Un­ter­bre­chung des Ar­beits­verhält­nis­ses, sei es auch nur von kur­zer Dau­er. Ei­ne solch en­ge Sicht­wei­se würde je­doch Sinn und Zweck des Ge­set­zes nicht ge­recht. Wird das Ar­beits­verhält­nis al­lein auf Ver­an­las­sung des Ar­beit­ge­bers für ei­nen verhält­nismäßig kur­zen Zeit­raum un­ter­bro­chen, so kann sich je nach den Umständen der Ar­beit­ge­ber auf die von ihm selbst ge­setz­te Ur­sa­che der Un­ter­bre­chung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht be­ru­fen (vgl. § 162 BGB). So würde es et­wa dem Re­ge­lungs­zweck des Ge­set­zes wi­der­spre­chen, ein Ar­beits­verhält­nis, das an ei­nem Frei­tag auf Ver­an­las­sung des Ar­beit­ge­bers be­en­det wor­den ist, trotz Wie­der­ein­stel­lung des Ar­beit­neh­mers am dar­auf­fol­gen­den Mon­tag auch dann als recht­lich un­ter­bro­chen

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an­zu­se­hen, wenn an dem in die Zeit der Un­ter­bre­chung fal­len­den Wo­chen­en­de nicht ein­mal ei­ne Ar­beits­pflicht be­stand.

c) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt geht des­halb zu Recht mit der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung (BAG 20. Au­gust 1998 - 2 AZR 76/98 - AP KSchG 1969 § 1 War­te­zeit Nr. 9 = EzA KSchG § 1 Nr. 49 und - 2 AZR 83/98 - BA­GE 89, 307) da­von aus, dass auf die War­te­zeit so­wohl nach § 1 Abs. 1 KSchG als auch nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX Zei­ten ei­nes frühe­ren Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber an­zu­rech­nen sind, wenn das neue Ar­beits­verhält­nis in ei­nem en­gen sach­li­chen Zu­sam­men­hang mit dem frühe­ren Ar­beits­verhält­nis steht, wo­bei es ins­be­son­de­re auf An­lass und Dau­er der Un­ter­bre­chung so­wie auf die Art der Wei­ter­beschäfti­gung an­kommt.

d) Bei der Prüfung, wann nach den Recht­spre­chungs­grundsätzen von ei­nem sach­li­chen Zu­sam­men­hang zwi­schen meh­re­ren Ar­beits­verhält­nis­sen und da­mit von ei­nem un­un­ter­bro­che­nen Ar­beits­verhält­nis iSv. § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX und § 1 Abs. 1 KSchG aus­ge­gan­gen wer­den kann, können nicht die fes­ten zeit­li­chen Gren­zen zu­grun­de ge­legt wer­den, die in an­de­ren Ge­set­zen, et­wa § 1 Abs. 1 Satz 3 BeschFG 1985 (hier­zu BAG 10. Mai 1989 - 7 AZR 450/88 - BA­GE 62, 48) oder § 14 Abs. 3 Tz­B­fG ent­hal­ten sind. Die ge­nann­ten Vor­schrif­ten knüpfen zur Ab­gren­zung un­mit­tel­bar an ei­nen en­gen sach­li­chen Zu­sam­men­hang zwi­schen meh­re­ren Ar­beits­verhält­nis­sen an. Hier geht es je­doch um die Ab­gren­zung, in wel­chen Aus­nah­mefällen ent­ge­gen dem Ge­set­zes­wort­laut trotz ei­ner recht­li­chen Un­ter­bre­chung von ei­nem un­un­ter­bro­che­nen Ar­beits­verhält­nis aus­zu­ge­hen ist.

2. Wenn das Lan­des­ar­beits­ge­richt nach die­sen Grundsätzen im Fall der Kläge­rin ein un­un­ter­bro­che­nes Ar­beits­verhält­nis an­nimmt, so hält sich dies im Be­ur­tei­lungs­spiel­raum der Tat­sa­chen­in­stanz. Re­vi­si­ons­recht­lich er­heb­li­che Feh­ler hat das be­klag­te Land nicht auf­ge­zeigt.

a) Zu Recht stellt das Lan­des­ar­beits­ge­richt dar­auf ab, dass ei­ne Un­ter­bre­chung von sechs Wo­chen schon so er­heb­lich ist, dass nur auf Grund be­son­de­rer Umstände noch von ei­nem recht­lich „un­un­ter­bro­che­nen“ Ar­beits­verhält­nis aus­ge­gan­gen wer­den kann. Sol­che be­son­de­ren Umstände sind vom Se­nat in ei­nem das be­klag­te Land be­tref­fen­den Fall an­ge­nom­men wor­den, in dem es nach § 162 Abs. 2 BGB als Ver­s­toß ge­gen Treu und Glau­ben zu wer­ten war, dass sich das be­klag­te Land trotz ei­ner po­si­ti­ven Leis­tungs­be­ur­tei­lung im ers­ten Ar­beits­verhält­nis auf die von ihm selbst ge­setz­te Be­din­gung be­ru­fen hat­te, das Ar­beits­verhält­nis während der Schul­fe­ri­en, in de­nen kei-

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ne Ar­beits­leis­tung an­fiel, nicht fort­zuführen (BAG 20. Au­gust 1998 - 2 AZR 76/98 - AP KSchG 1969 § 1 War­te­zeit Nr. 9 = EzA KSchG § 1 Nr. 49). Der vor­lie­gen­de Sach­ver­halt ist mit den Aus­gangs­fall die­ser Se­nats­ent­schei­dung ver­gleich­bar.

b) Zu­tref­fend hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die bloße Tat­sa­che, dass das Ar­beits­verhält­nis - was of­fen­sicht­lich beim be­klag­ten Land ei­ne weit ver­brei­te­te Pra­xis dar­stellt - während der Schul­fe­ri­en recht­lich un­ter­bro­chen war, für ei­ne nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX zu berück­sich­ti­gen­de Un­ter­bre­chung nicht aus­rei­chen las­sen. Da die Ar­beits­zeit der an­ge­stell­ten Leh­rer nur nach Pflicht­stun­den fest­ge­legt und dem Be­am­ten­recht an­ge­passt ist und auch die Ur­laubs­ansprüche ab­wei­chend von den sons­ti­gen ta­rif­li­chen Vor­schrif­ten ge­re­gelt sind, kann als recht­fer­ti­gen­der Grund für ei­ne sol­che, die be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer nach § 90 SGB IX be­nach­tei­li­gen­de Hand­ha­bung nicht al­lein der Um­stand ge­se­hen wer­den, dass während der Schul­fe­ri­en kein Un­ter­richt anfällt. Sonst könn­te der Ar­beit­ge­ber den Schwer­be­hin­der­ten­schutz da­durch un­ter­lau­fen, dass er sich trotz po­si­ti­ver Leis­tungs­be­ur­tei­lung des schwer­be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mers im ers­ten (zwei­ten, drit­ten ...) be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis stets die Möglich­keit vor­be­hiel­te, in dem je­weils neu­en Ar­beits­verhält­nis sechs Mo­na­te lang oh­ne den Schutz der §§ 85 ff. SGB IX zu prüfen, ob der schwer­be­hin­der­te Ar­beit­neh­mer noch sei­nen An­for­de­run­gen ge­recht wird. Ei­ne sol­che Möglich­keit will die Aus­nah­me­vor­schrift des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX er­sicht­lich nicht schaf­fen, wenn sie auf ein un­un­ter­bro­che­nes Ar­beits­verhält­nis ab­stellt.

c) Mit dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ist auch da­von aus­zu­ge­hen, dass es nicht ent­schei­dend dar­auf an­kom­men kann, dass je­weils un­ter­schied­li­che Schulämter die bei­den Ar­beits­verträge ab­ge­schlos­sen ha­ben. Ar­beit­ge­ber ist in je­dem Fall das be­klag­te Land. Die im öffent­li­chen Dienst übli­che Per­so­nal­ak­tenführung gewähr­leis­tet aus­rei­chen­de In­for­ma­ti­onsmöglich­kei­ten über den je­wei­li­gen Ver­lauf des Ar­beits­verhält­nis­ses.

d) Zu­tref­fend ist auch die Erwägung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, dass der sach­li­che Zu­sam­men­hang der bei­den Ar­beits­verhält­nis­se nicht al­lein dar­an schei­tert, dass die Kläge­rin zunächst an ei­ner Schu­le für Lern­be­hin­der­te, da­nach an ei­ner Schu­le für geis­tig Be­hin­der­te tätig war. Die Aus­bil­dung der Kläge­rin für das Lehr­amt für Son­derpädago­gik um­fasst bei­de Schul­ty­pen. So ist sie im Jahr 2002 zur Anwärte­rin „für das Lehr­amt für Son­derpädago­gik“ er­nannt wor­den. Auch der un­be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag dif­fe­ren­ziert nicht zwi­schen den bei­den Schul­ty­pen. Nach den den Se­nat bin­den­den


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Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­folgt die Beschäfti­gung der Son­der­schul­leh­rer je nach Beschäfti­gungs­be­darf, wenn nicht ei­ne kon­kre­te Ver­tre­tungs­si­tua­ti­on vor­liegt, in dem ei­nen oder an­de­ren Schul­typ. Das be­klag­te Land sieht selbst of­fen­bar kei­nen so we­sent­li­chen Un­ter­schied zwi­schen der Beschäfti­gung in bei­den Schul­ty­pen, dass es sich dar­an ge­hin­dert ge­se­hen hätte, die Kläge­rin zunächst in dem ei­nen, dann in dem an­de­ren Schul­typ zu beschäfti­gen.


e) Erst recht fehlt, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt eben­falls zu­tref­fend an­ge­nom­men hat, der sach­li­che Zu­sam­men­hang zwi­schen bei­den Ar­beits­verhält­nis­sen nicht des­halb, weil die Kläge­rin in dem ers­ten Ar­beits­verhält­nis nur mit 18 Wo­chen­stun­den, später je­doch mit 27,5 Wo­chen­stun­den beschäftigt wor­den ist. Schon § 4 Tz­B­fG steht der Wer­tung ent­ge­gen, dies als den ent­schei­den­den Ge­sichts­punkt für ei­ne Ab­gren­zung an­zu­se­hen.

f) Auch Eig­nungs­ge­sichts­punk­te ha­ben die Ent­schei­dung des be­klag­ten Lan­des, das Ar­beits­verhält­nis zu be­en­den, nicht er­kenn­bar be­ein­flusst. Hätte sich die Kläge­rin in dem ers­ten be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis nicht bewährt, wäre kaum verständ­lich, dass das be­klag­te Land ihr im un­mit­tel­ba­ren An­schluss an die Som­mer­fe­ri­en ei­nen neu­en Ver­trag an­ge­bo­ten hat. Un­ter die­sen Umständen verstößt es ge­gen Treu und Glau­ben (vgl. § 162 BGB), wenn sich das be­klag­te Land auf die Un­ter­bre­chung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­ru­fen hat und von ei­nem nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX noch nicht länger als sechs Mo­na­te be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis aus­ge­gan­gen ist.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 ZPO. 23


Rost 

Bröhl 

Schmitz-Scho­le­mann

J. Lücke 

Tors­ten Fal­ke

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