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Unbillige Weisungen sind unverbindlich
19.09.2017. Im Juni dieses Jahres fragte der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) den Fünften Senat, ob dieser an seiner umstrittenen arbeitgeberfreundlichen Rechtsprechung zu den Rechtsfolgen einer "unbilligen" Arbeitsanweisung festhält (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/160 Arbeitsverweigerung wegen unzumutbarer Weisung?).
Dieser Rechtsprechung des Fünften BAG-Senats zufolge mussten Arbeitnehmer Weisungen ihren Arbeitgebers, die "nur" wegen mangelnder Zumutbarkeit rechtswidrig sind, trotz ihrer Rechtswidrigkeit bis zur gerichtlichen Klärung befolgen.
Heute wurde bekannt, dass der Fünfte Senat diese Rechtsprechung aufgibt. Damit steht fest, dass unbillige Weisungen künftig nichtig bzw. für den Arbeitnehmer unverbindlich sind: BAG, Beschluss vom 14.09.2017, 5 AS 7/17 (Pressemeldung des BAG).
- Was tun bei unbilligen Weisungen?
- Der Fall des Zehnten Senats: Unzumutbare Versetzung von Dortmund nach Berlin
- Einigkeit beim BAG: Keine Pflicht zur Befolgung unbilliger Weisung
Was tun bei unbilligen Weisungen?
Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers in Bezug auf die Arbeitsinhalte, den Arbeitsort und/oder die zeitliche Lage der Arbeitszeit können aus verschiedenen Gründen rechtswidrig sein.
Zum einen können sie völlig außerhalb dessen liegen, was der Arbeitgeber anordnen darf, zum anderen können sie zu einseitig den Arbeitgeberinteressen dienen. Im ersten Fall verstoßen sie gegen den Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, einen Tarifvertrag und/oder gegen ein Gesetz und sind daher von vornherein rechtswidrig, im zweiten Fall ergibt erst die Abwägung der Interessen der Vertragsparteien, dass der Arbeitgeber zu weit gegangen ist. Dann verstößt die Weisung zwar auch gegen das Arbeitsrecht, aber "nur" deshalb, weil sie für den Arbeitnehmer unzumutbar bzw. "unbillig" ist.
Diese zweifachen rechtlichen Anforderungen, die eine Weisung erfüllen muss, kann man aus § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) herleiten. Denn nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung
- nach billigem Ermessen näher bestimmen,
- soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Wie oben erwähnt, war der Fünfte BAG-Senat seit 2012 der Meinung, dass Arbeitnehmer rechtswidrige Anweisungen nur dann verweigern dürfen, wenn sie gegen Rechtsvorschriften verstoßen (Gesetz, Vertrag, Betriebsvereinbarung, Tarif). Anders war es dagegen bei Arbeitsanweisungen, die "nur" unbillig sind. In Bezug auf solche Weisungen bestand laut Fünftem Senat die Pflicht des Arbeitnehmers zur Befolgung, wenn auch nur vorläufig bis zu einer gerichtlichen Klärung (BAG, Urteil vom 22.02.2012, 5 AZR 249/11).
Mit dieser Meinung konnte der Fünfte BAG-Senat kaum jemanden überzeugen, und auch viele Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte (LAG) entschieden anders, d.h. pro Arbeitnehmer. Denn Gerichtsverfahren über die Angemessenheit einer Arbeitsanweisung können sich jahrelang hinziehen, und in der Zwischenzeit müssten Arbeitnehmer eine Beeinträchtigung ihrer Rechte hinnehmen. Vor allem besteht (entgegen den Befürchtungen des Fünften Senats) keine Gefahr, dass Arbeitnehmer allzu oft (mutwillig) Weisungen unter Berufung auf ihre angebliche Unbilligkeit verweigern, denn dann riskieren sie eine Abmahnung des Arbeitgebers wegen Arbeitsverweigerung und bei fortgesetzter Verweigerungshaltung die fristlose Kündigung. Auch Arbeitnehmer, die sich im Recht sehen, werden es sich daher gut überlegen, ob sie einen solchen Konflikt riskieren wollen.
Vor diesem Hintergrund hatte der Zehnte BAG-Senat im Juni 2017 den Fünften Senat gemäß § 45 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) gefragt, ob er an seiner Rechtsprechung zur vorläufigen Verbindlichkeit unbilliger Weisungen festhalten möchte (BAG, Beschluss vom 14.06.2017, 10 AZR 330/16, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/160 Arbeitsverweigerung wegen unzumutbarer Weisung?). Denn da der Zehnte Senat anderer Meinung ist, müsste in diesem Fall der Große BAG-Senat entscheiden.
Der Fall des Zehnten Senats: Unzumutbare Versetzung von Dortmund nach Berlin
Im Streitfall ging es um einen Immobilienkaufmann, der seit 2001 in einem größeren Betrieb mit etwa 700 Arbeitnehmern in Dortmund beschäftigt war und nach längerem Streit mit seinem Arbeitgeber von diesem nach Berlin versetzt worden war. Die Versetzung beruhte auf fadenscheinigen Gründen und war ziemlich offenkundig "unbillig" im Sinne von § 106 Satz 1 GewO. Der Immobilienkaufmann wollte nicht in Berlin arbeiten und wurde daher zweimal abgemahnt. Da er sich davon nicht beeindrucken ließ, bekam er schlussendlich im Mai 2015 die fristlose Kündigung.
Daraufhin klagte er gegen die Versetzung und die Abmahnungen. Sein Argument: Die Versetzung sei unzumutbar bzw. unbillig. Daher bestand keine Pflicht, sie zu befolgen. Die vom Arbeitgeber behauptet "Arbeitsverweigerung" gab es daher nicht, so jedenfalls der Arbeitnehmer, d.h. er hatte keinen Pflichtverstoß begangen, der den Arbeitgeber zu einer Abmahnung berechtigt hätte.
Mit dieser Argumentation hatte er in der ersten Instanz (Arbeitsgericht Dortmund, Urteil vom 08.09.2015, 7 Ca 1224/15) und in der Berufung vor dem LAG Hamm Erfolg (LAG Hamm, Urteil vom 17.03.2016, 17 Sa 1660/15). Auch die in einem weiteren Verfahren erhobene Kündigungsschutzklage konnte er gewinnen.
Schließlich würde auch der Zehnte BAG-Senat, der für die Revision zuständig ist, pro Arbeitnehmer entscheiden. Dazu müsste allerdings der Fünfte BAG-Senat erst einmal von seiner bisherigen Rechtsprechung abrücken.
Einigkeit beim BAG: Keine Pflicht zur Befolgung unbilliger Weisung
Wie heute bekannt wurde, hat der Fünfte Senat am Donnerstag letzter Woche seine Rechtsprechung in Beantwortung der Anfrage des Zehnten Senats offiziell geändert (Beschluss vom 14.09.2017, 5 AS 7/17). In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung heißt es:
"Der Fünfte Senat hatte bisher angenommen, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei - nicht hinwegsetzen dürfe, sondern entsprechend § 315 Abs.3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen müsse. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34). Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf die Anfrage mitgeteilt, dass er an dieser Rechtsauffassung nicht mehr festhält."
Jetzt ist offiziell, was bereits im Juni dieses Jahres klar war: Das Urteil des Fünften Senats vom 22.02.2012 (5 AZR 249/11) hat keine Gültigkeit mehr. Arbeitsanweisungen, die die Interessen des Arbeitnehmers nicht ausreichend berücksichtigen und (nur) aus diesem Grund, d.h. wegen "Unbilligkeit" rechtswidrig sind, müssen von vornherein nicht befolgt werden.
Mit dieser Klarstellung hat der Fünfte Senat eine überfällige Korrektur seiner Rechtsprechung zugunsten der Arbeitnehmerseite vorgenommen. Denn ob eine Anweisung von vornherein gegen Rechtsvorschriften verstößt oder "nur" aufgrund ihrer Unzumutbarkeit für den Arbeitnehmer rechtswidrig ist - eine Pflicht zur "vorläufigen" Befolgung ist rechtlich nicht begründbar und würde betroffene Arbeitnehmer faktisch weitgehend rechtlos stellen.
Nähere Informationen finden sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.09.2017, 5 AS 7/17 (Pressemeldung des BAG)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.09.2017, 5 AS 7/17
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.06.2017, 10 AZR 330/16
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17.03.2016, 17 Sa 1660/15
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.02.2012, 5 AZR 249/11
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Der vollständig begründete Beschluss des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 11. Juni 2020
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