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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/210

Wie­der­ein­stel­lung auf­grund Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge

Auch nach Ver­ur­tei­lung zu zwei­ein­halb Jah­re Ge­fäng­nis we­gen ver­bo­te­ner Un­ter­stüt­zung der Al Qai­da?: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, 6 Sa 140/11
JVA Die Daim­ler AG muss ei­nen ver­ur­teil­ten Hel­fer der Al Qai­da nicht wie­der ein­stel­len

25.05.2012. Ar­beit­neh­mer ha­ben ei­nen An­spruch auf Wie­der­ein­stel­lung, wenn sie ihr Ar­beits­ver­hält­nis ein­ver­nehm­lich für die Dau­er ei­nes Son­der­ur­laubs ("Sab­ba­ti­cal") auf­ge­ho­ben ha­ben. Dann wird das Ar­beits­ver­hält­nis zwar zu­nächst ein­mal durch Auf­he­bungs­ver­trag be­en­det, aber nur für ei­ne vor­über­ge­hen­de Dau­er, denn der Auf­he­bungs­ver­trag be­inhal­tet zu­gleich ei­ne Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge des Ar­beit­ge­bers.

Bei län­ge­ren Aus­zei­ten kommt es manch­mal zu Pro­ble­men bei der Wie­der­ein­stel­lung. Ent­we­der hat der Ar­beit­ge­ber kei­ne Be­schäf­ti­gungs­mög­lich­keit mehr, weil sich die be­trieb­li­chen Ab­läu­fe ge­än­dert ha­ben. Oder der Ar­beit­neh­mer ist ei­ne an­de­re Stadt ge­zo­gen und der Ar­beit­ge­ber kann oder will ihn dort nicht be­schäf­ti­gen. Dass der Ar­beit­ge­ber die Wie­der­ein­stel­lung aus Grün­den in der Per­son des Ar­beit­neh­mers ver­wei­gert, ist sel­ten.

Ein sol­cher Fall ist ges­tern vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg ein­ver­nehm­lich durch Ver­gleich be­en­det wor­den. Hier ging es um ei­nen ehe­ma­li­gen La­ckie­rer der Daim­ler AG, der wäh­rend ei­nes mehr­jäh­ri­gen Sab­ba­ti­cals die Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on Al Qai­da un­ter­stütz­te und des­halb zu zwei­ein­halb Jah­ren Ge­fäng­nis ver­ur­teilt wor­den war. Ge­gen En­de sei­ner Straf­haft ver­lang­te er Wie­der­ein­stel­lung, was die Daim­ler AG ver­wei­ger­te. Jetzt zog der La­ckie­rer sei­ne Kla­ge zu­rück und Daim­ler über­nahm die Ge­richts­kos­ten: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 24.05.2012, Az: 6 Sa 140/11.

An­spruch auf Wie­der­ein­stel­lung auch nach zwei­ein­halb Jah­ren Gefäng­nis we­gen ver­bo­te­ner Un­terstützung der Al Qai­da?

Macht sich ein Ar­beit­neh­mer "in sei­ner Frei­zeit" straf­bar, d.h. hat die Straf­tat kei­nen Be­zug zum Ar­beits­verhält­nis, kann der Ar­beit­ge­ber nicht aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen kündi­gen, denn der Ar­beit­neh­mer hat zwar ge­gen Straf­ge­set­ze, aber nicht ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­s­toßen. Al­ler­dings kommt ei­ne per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung in Be­tracht, vor al­lem dann, wenn die Straf­haft lan­ge dau­ert und der Ar­beit­neh­mer aus die­sem Grun­de nicht bei der Ar­beit er­schei­nen kann, wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) vor ei­nem Jahr ent­schie­den hat (BAG, Ur­teil vom 24.03.2011, 2 AZR 790/09 - wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/077 Per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung bei lan­ger Haft­stra­fe).

Hat die Straf­tat kei­nen Be­zug zum Ar­beits­verhält­nis und hin­dert ei­ne verhäng­te Frei­heits­stra­fe den Ar­beit­neh­mer auch nicht dar­an, im Be­trieb zu ar­bei­ten, ist ei­ne Straf­tat im All­ge­mei­nen kein Kündi­gungs­grund. Die­se recht­li­chen Grundsätze müss­ten dem­ent­spre­chend auch gel­ten, wenn es um ei­nen ver­trag­li­chen Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch geht. Ist die Straf­tat al­ler­dings mit dem Image des Ar­beit­ge­bers un­ver­ein­bar, wird sich die­ser trotz­dem wei­gern, die Wie­der­ein­stel­lung vor­zu­neh­men. Das ist verständ­lich, aber nicht un­be­dingt rech­tens.

Der Al Qai­da-Fall: Daim­ler-La­ckie­rer ver­langt nach zwei­ein­halb Jah­ren Haft we­gen Un­terstützung der Al Qai­da Wie­der­ein­stel­lung

In dem Streit­fall hat­ten ein La­ckie­rer und die Daim­ler AG im Som­mer 2007 ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag mit Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge ge­schlos­sen. Wie­der­ein­stel­lungs­ter­min soll­te nach ei­ni­gem Hin und Her der 30.11.2010 sein. Im Fe­bru­ar 2009 wur­de der La­ckie­rer we­gen Un­terstützung der Al Qai­da fest­ge­nom­men und im Ju­li 2010 we­gen Un­terstützung ei­ner ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung im Aus­land in zwei Fällen zu ei­ner Frei­heits­stra­fe von zwei­ein­halb Jah­ren ver­ur­teilt, weil er ei­nem Ku­rier der Al Qai­da Bar­geld, Ent­fer­nungs­mess­geräte und De­tek­to­ren für Abhörgeräte über­ge­ben hat­te.

Noch während er in Haft saß, ver­lang­te der La­ckie­rer sei­ne Wie­der­ein­stel­lung. Die Daim­ler AG wei­ger­te sich, da sie ei­ne Störung des Be­triebs­frie­dens befürch­te­te und dem La­ckie­rer nicht glau­ben woll­te, dass er dem Ter­ro­ris­mus ab­ge­schwo­ren hat­te. Kurz vor der Haft­ent­las­sung im Som­mer 2011 ent­schied das Ar­beits­ge­richt Stutt­gart zu­guns­ten des La­ckie­rers und ver­ur­teil­te die Daim­ler AG - ent­spre­chend dem Kla­ge­an­trag - zur Er­tei­lung ei­ner Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge (Ar­beits­ge­richt Stutt­gart, Ur­teil vom 16.08.2011, 6 Ca 8203/10).

In dem sehr knap­pen Ur­teil be­gründe­te das Ar­beits­ge­richt sei­ne Ent­schei­dung da­mit, dass die vom Kläger verübten Straf­ta­ten kei­nen Be­zug zum Ar­beits­verhält­nis hätten. Dass sich die Daim­ler AG selbst der Ge­fahr straf­ba­rer Hand­lun­gen aus­set­zen könn­te, konn­te das Ar­beits­ge­richt nicht nach­voll­zie­hen. Und auch ei­ne mögli­che Gefähr­dung der Si­cher­heit im Be­trieb woll­te das Ar­beits­ge­richt als Ar­gu­ment nicht an­er­ken­nen. Dies sei "un­ter Berück­sich­ti­gung sei­nes Auf­ga­ben­be­rei­ches ... nicht nach­voll­zieh­bar", so das Ar­beits­ge­richt.

Die­ses Ur­teil woll­te Daim­ler nicht hin­neh­men und ging in Be­ru­fung. In der münd­li­chen Ver­hand­lung am gest­ri­gen Don­ners­tag deu­te­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) an, dass die Er­folgs­aus­sich­ten für den 34-Jähri­gen in der Be­ru­fungs­in­stanz schlecht sei­en. Da­her ließ sich der La­ckie­rer auf ei­nen "sehr ma­ge­ren" Ver­gleich ein, dem­zu­fol­ge er die Kla­ge zurück­zog und die Daim­ler AG nur die Ge­richts­kos­ten über­nahm, d.h. der Kläger blieb auf sei­nen An­walts­kos­ten sit­zen.

Fa­zit: Daim­ler kann mit dem Pro­zess­aus­gang zu­frie­den sein, denn das Ver­fah­ren hätte auch an­ders aus­ge­hen können. Im­mer­hin hat­te der Kläger sei­ne Stra­fe ab­ge­ses­sen und muss jetzt be­ruf­lich wie­der Fuß fas­sen. Und in ähn­li­chen Fällen hat die Recht­spre­chung be­tont, dass z.B. ei­ne Kündi­gung ei­nes In­nen­dienst­mit­ar­be­ters der Fi­nanz­ver­wal­tung we­gen außer­dienst­li­cher NPD-Ak­ti­vität un­zulässig ist (Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 12.05.2011, 2 AZR 479/09 - wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/135 Kündi­gung we­gen außer­dienst­li­cher NPD-Ak­ti­vität).

An­de­rer­seits kann sich ein we­gen ex­tre­mis­ti­scher "Frei­zeit"-Ak­ti­vitäten gekündig­ter Ar­beit­neh­mer dar­auf be­ru­fen, dass sich sei­ne ex­tre­mis­ti­schen Ein­stel­lun­gen nicht auf das Ar­beits­verhält­nis aus­wir­ken, da er ja "brav zur Ar­beit" geht, während ei­ne sol­che po­si­ti­ve Pro­gno­se nach ei­nem mehrjähri­gen Sab­ba­ti­cal nicht möglich ist. Denn beim Streit um ei­ne Wie­der­ein­stel­lung be­steht ja kein in­tak­tes Ar­beits­verhält­nis.

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Letzte Überarbeitung: 11. April 2018

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