Um das Angebot dieser Webseite optimal zu präsentieren und zu verbessern, verwendet diese Webseite Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Näheres dazu erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Okay

HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 24.03.2011, 2 AZR 790/09

   
Schlagworte: Kündigung: Personenbedingt
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 790/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.03.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Braunschweig, Urteil vom 24.06.2008, 5 Ca 105/08
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 27.05.2009, 2 Sa 1261/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

2 AZR 790/09

2 Sa 1261/08

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Nie­der­sach­sen

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 24. März 2011

UR­TEIL

Schmidt, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24. März 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Kreft, die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ar­beits­ge­richt Ber­ger und


- 2 -

Ra­chor so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Pitsch und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Gans für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 27. Mai 2009 - 2 Sa 1261/08 - auf­ge­ho­ben.

2. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Braun­schweig vom 24. Ju­ni 2008 - 5 Ca 105/08 - wird zurück­ge­wie­sen.

3. Der Kläger hat die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Gründe

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi-

gung.

Der 1976 ge­bo­re­ne le­di­ge Kläger war seit 1992 bei der Be­klag­ten als

In­dus­trie­me­cha­ni­ker tätig. Sein mo­nat­li­cher Brut­to­ver­dienst be­trug zu­letzt 2.500,00 Eu­ro. Die Be­klag­te ist ein Un­ter­neh­men der Au­to­mo­bil­in­dus­trie. Sie beschäftigt re­gelmäßig weit mehr als zehn Ar­beit­neh­mer aus­sch­ließlich der Aus­zu­bil­den­den.

Im No­vem­ber 2006 wur­de der Kläger in Un­ter­su­chungs­haft ge­nom­men.

Am 8. Mai 2007 wur­de er - bei fort­be­ste­hen­der In­haf­tie­rung - we­gen un­er­laub­ten Han­del­trei­bens mit Betäubungs­mit­teln zu ei­ner Frei­heits­stra­fe von vier Jah­ren und sie­ben Mo­na­ten ver­ur­teilt. Zu­dem er­folg­te der Wi­der­ruf ei­ner Straf­aus­set­zung zur Bewährung, die ihm im Hin­blick auf ei­ne frühe­re Ver­ur­tei­lung zu ei­ner Frei­heits­stra­fe von ei­nem Jahr und vier Mo­na­ten gewährt wor­den war.

Die Be­klag­te er­fuhr im Som­mer 2007 von der - in­zwi­schen rechts-

kräfti­gen - Ver­ur­tei­lung des Klägers. Die Par­tei­en ver­han­del­ten dar­auf­hin über


- 3 -

den Ab­schluss und die Mo­da­litäten ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags. Im No­vem­ber 2007 teil­te der Kläger über sei­nen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten mit, er stre­be den of­fe­nen Voll­zug an und rech­ne mit bal­di­ger Ar­beits­auf­nah­me.

Mit­te Ja­nu­ar 2008 wur­de für den Kläger ein Voll­zugs­plan er­stellt. Dar­in

sind der „2/3-Zeit­punkt“ für den 16. Fe­bru­ar 2011 und das Stra­fen­de für den 7. April 2013 no­tiert. Die Möglich­keit ei­nes of­fe­nen Voll­zugs wur­de zunächst ver­neint. Ei­ne Über­prüfung die­ser Ent­schei­dung war gemäß dem Plan „im Rah­men ei­ner lang­fris­ti­gen voll­zu­g­li­chen Per­spek­tiv­pla­nung“ und vor dem Hin­ter­grund ei­ner mögli­chen Beschäfti­gung bei der Be­klag­ten - nach er­folg­ter Bewährung des Klägers in Voll­zugs­lo­cke­run­gen - für De­zem­ber 2008 „an-ge­dacht“.

Noch im Ja­nu­ar 2008 lehn­te der Kläger ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag end-

gültig ab. Dar­auf­hin kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis - nach Anhörung des Be­triebs­rats - mit Schrei­ben vom 8. Fe­bru­ar 2008 or­dent­lich zum 30. April 2008. Den Ar­beits­platz des Klägers be­setz­te sie aus ih­rem Per­so­nal­pool. Zu die­sem gehören Mit­ar­bei­ter, de­ren Beschäfti­gungsmöglich­keit ent­fal­len ist, die aber nicht aus dem Un­ter­neh­men aus­ge­schie­den sind. Be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen sind bei der Be­klag­ten ta­rif­ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen.

Der Kläger hat Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben und gel­tend ge­macht,

die Kündi­gung sei so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt. Be­triebs­ab­laufstörun­gen sei­en nicht ein­ge­tre­ten. Der Be­klag­ten sei es möglich und zu­mut­bar ge­we­sen, die Zeit sei­ner In­haf­tie­rung bis zur Gewährung von Frei­gang zu über­brücken. Ins­be­son­de­re sei ihr zu­mut­bar ge­we­sen, be­fris­tet Mit­ar­bei­ter ein­zu­stel­len oder die Stel­le in­tern nur vorüber­ge­hend zu be­set­zen. Sie sei zu­dem ver­pflich­tet ge­we­sen, ihn bei der Er­lan­gung des Freigänger­sta­tus zu un­terstützen. Zu­min­dest ha­be sie sei­ne Aus­sicht hier­auf nicht durch Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­ei­teln dürfen. Sch­ließlich feh­le es an ei­ner ord­nungs­gemäßen Anhörung des Be­triebs­rats. Die Be­klag­te ha­be es versäumt, die­sen von der für De­zem­ber 2008 an­ge­dach­ten Prüfung sei­ner Eig­nung für den of­fe­nen Voll­zug zu un­ter­rich­ten.


- 4 -

Der Kläger hat be­an­tragt

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en

durch die Kündi­gung vom 8. Fe­bru­ar 2008 nicht auf­gelöst wor­den ist.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat die Auf-

fas­sung ver­tre­ten, durch den haft­be­ding­ten mehrjähri­gen Aus­fall des Klägers sei das Ar­beits­verhält­nis in­halts­leer ge­wor­den. Die be­fris­te­te Beschäfti­gung ei­nes an­de­ren Ar­beit­neh­mers auf dem Ar­beits­platz des Klägers ha­be sie we­gen der lan­gen Haft­dau­er nicht in Be­tracht zie­hen müssen, zu­mal ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung le­dig­lich für ei­nen Zeit­raum von zwei Jah­ren möglich sei. Un­abhängig da­von benöti­ge sie Pla­nungs­si­cher­heit. Sie ha­be den Ar­beits­platz des­halb dau­er­haft an­der­wei­tig be­set­zen dürfen. Ih­re Anhörungs­pflicht nach § 102 Be­trVG ha­be sie nicht ver­letzt.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt

hat auf die Be­ru­fung des Klägers die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung fest­ge­stellt. Mit der Re­vi­si­on er­strebt die Be­klag­te die Wie­der­her­stel­lung des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist be­gründet. Die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist un­be-

gründet. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist durch die or­dent­li­che Kündi­gung vom 8. Fe­bru­ar 2008 auf­gelöst wor­den.

I. Die Kündi­gung ist durch Gründe in der Per­son des Klägers so­zi­al

ge­recht­fer­tigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

1. Als per­so­nen­be­ding­ter Kündi­gungs­grund kom­men sol­che Umstände in

Be­tracht, die auf ei­ner in den persönli­chen Verhält­nis­sen oder Ei­gen­schaf­ten des Ar­beit­neh­mers lie­gen­den „Störquel­le“ be­ru­hen (BAG 5. Ju­ni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung Nr. 22). Da­zu zählt - an­knüpfend an frühe­re Wer­tun­gen


- 5 -

des Ge­setz­ge­bers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB (aF) - auch ei­ne Ar­beits­ver­hin­de­rung des Ar­beit­neh­mers, die auf ei­ner Straf- oder Un­ter­su­chungs­haft be­ruht (st. Rspr., BAG 25. No­vem­ber 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 12; 22. Sep­tem­ber 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung Nr. 11). Die­se Be­trach­tung lässt es zu, auf ei­ne mögli­che Re­so­zia­li­sie­rung des straffällig ge­wor­de­nen Ar­beit­neh­mers Be­dacht zu neh­men. Nicht je­de Frei­heits­stra­fe kann oh­ne Rück­sicht auf ih­re Dau­er und ih­re Aus­wir­kun­gen zum Ver­lust des Ar­beits­plat­zes führen (BAG 25. No­vem­ber 2010 - 2 AZR 984/08 - aaO; 15. No­vem­ber 1984 - 2 AZR 613/83 - AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95).

Ei­ne Würdi­gung des Ge­sche­hens un­ter ver­hal­tens­be­ding­ten Ge­sichts

punk­ten ist nur ver­an­lasst, wenn die der Ver­ur­tei­lung zu­grun­de lie­gen­den Ta­ten ei­nen Be­zug zum Ar­beits­verhält­nis ha­ben oder der Ar­beit­neh­mer auf an­de­re Wei­se ar­beits­ver­trag­li­che Pflich­ten, ins­be­son­de­re sei­ne Pflicht zur Rück­sicht­nah­me (§ 241 Abs. 2 BGB) ver­letzt hat (BAG 25. No­vem­ber 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 13; 10. Sep­tem­ber 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 77). Auf ei­nen sol­chen, im Ver­hal­ten des Klägers be­gründe­ten Kündi­gungs­sach­ver­halt be­ruft sich die Be­klag­te nicht. Sie stützt die Kündi­gung aus­sch­ließlich auf die haft­be­ding­ten Ab­we­sen­heits­zei­ten des Klägers.

2. Vor­aus­set­zung ei­ner - or­dent­li­chen wie außer­or­dent­li­chen - Kündi­gung

we­gen haft­be­ding­ter Ar­beits­ver­hin­de­rung ist, dass der Ar­beit­neh­mer für ei­ne verhält­nismäßig er­heb­li­che Zeit nicht in der La­ge sein wird, sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen zu erfüllen (BAG 20. No­vem­ber 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Ju­ni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BA­GE 17, 186). Die Nich­terfüllung der Ar­beits­pflicht muss sich außer­dem nach­tei­lig auf das Ar­beits­verhält­nis aus­wir­ken. Da der Ar­beit­ge­ber im Fall der haft­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit des Ar­beit­neh­mers ty­pi­scher-wei­se von der Lohn­zah­lungs­pflicht be­freit ist (§ 616 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dau­er so­wie Art und Aus­maß der be­trieb­li­chen


- 6 -

Aus­wir­kun­gen ab, ob die In­haf­tie­rung ge­eig­net ist, ei­nen Grund zur Kündi­gung ab­zu­ge­ben (BAG 20. No­vem­ber 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Liegt ei­ne be­acht­li­che Störung vor, be­darf es der ab­sch­ließen­den, al­le Umstände des Ein­zel­falls ein­be­zie­hen­den Abwägung, ob es dem Ar­beit­ge­ber un­ter Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le un­zu­mut­bar war, das Ar­beits­verhält­nis bis zum Weg­fall des Hin­de­rungs­grun­des fort­zu­set­zen (BAG 22. Sep­tem­ber 1994 - 2 AZR 719/93 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung Nr. 11; 15. No­vem­ber 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). So­wohl bei der Fra­ge, ob von ei­ner er­heb­li­chen Störung des Aus­tausch­verhält­nis­ses aus­zu­ge­hen ist, als auch bei der In­ter­es­sen­abwägung ist im Fall ei­ner Kündi­gung we­gen Verbüßung ei­ner Frei­heits­stra­fe zu berück­sich­ti­gen, dass der Ar­beit­neh­mer die Ar­beits­ver­hin­de­rung in al­ler Re­gel zu ver­tre­ten hat. Des­halb sind dem Ar­beit­ge­ber zur Über­brückung des Ar­beits­aus­falls re­gelmäßig nicht die glei­chen An­stren­gun­gen und Be­las­tun­gen zu­zu­mu­ten wie et­wa bei ei­ner Krank­heit (BAG 25. No­vem­ber 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 14, 18).

3. Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen liegt ein Kündi­gungs­grund vor.

Das Ar­beits­verhält­nis war im Kündi­gungs­zeit­punkt durch die haft­be­dingt zu er­war­ten­de Ar­beits­ver­hin­de­rung des Klägers er­heb­lich be­las­tet. Das Frei­hal­ten des Ar­beits­plat­zes war der Be­klag­ten nach den Umständen des Falls nicht zu­mut­bar.

a) Maßgeb­li­che Be­ur­tei­lungs­grund­la­ge für die Rechtmäßig­keit ei­ner Kün-
di­gung sind die ob­jek­ti­ven Verhält­nis­se im Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gungs­erklärung. Die tatsächli­che Ent­wick­lung nach Kündi­gungs­aus­spruch kann nur in eng be­grenz­ten Aus­nah­mefällen Berück­sich­ti­gung fin­den (BAG 10. Ju­ni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 27. No­vem­ber 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BA­GE 109, 40).

b) Im Kündi­gungs­zeit­punkt muss­te die Be­klag­te da­mit rech­nen, dass der
Kläger für die Dau­er von mehr als zwei Jah­ren an sei­ner Ar­beits­leis­tung ver-


- 7 -

hin­dert wäre. Der Kläger war - un­ter Ein­be­zie­hung der Stra­fe aus ei­ner vor­her­ge­hen­den Ver­ur­tei­lung - zu ei­ner Frei­heits­stra­fe von über sechs Jah­ren ver­ur­teilt wor­den, von der im Kündi­gungs­zeit­punkt noch knapp fünf Jah­re zu verbüßen wa­ren. Kon­kre­te An­halts­punk­te für ei­ne bal­di­ge Voll­zugs­lo­cke­rung durch die Gewährung von Frei­gang (§ 11 St­Voll­zG in der bis 31. De­zem­ber 2009 gel­ten­den Fas­sung) la­gen nicht vor. Die Mit­tei­lung des Klägers vom No­vem­ber 2007, er rech­ne mit ei­ner bal­di­gen Ar­beits­auf­nah­me, be­ruh­te auf sei­ner rein sub­jek­ti­ven Einschätzung, die durch die Fest­stel­lun­gen des Voll­zugs­plans wi­der­legt ist. Das Er­geb­nis ei­ner für De­zem­ber 2008 „an­ge­dach­ten“ er­neu­ten Prüfung der Möglich­keit ei­ner Voll­zugs­lo­cke­rung war völlig of­fen. Die­ses hing ins­be­son­de­re vom künf­ti­gen, kei­nes­wegs vor­her­seh­ba­ren Ver­hal­ten des Klägers im Voll­zug ab. Als frühestmögli­cher Zeit­punkt für ei­ne Aus­set­zung der Frei­heits­stra­fe zur Bewährung auf­grund von § 57 Abs. 1 StGB war im Voll­zugs­plan ein Ter­min im Fe­bru­ar 2011 no­tiert. Auch in­so­weit ist über­dies das Ver­hal­ten der ver­ur­teil­ten Per­son im Voll­zug von Be­deu­tung und be­darf es zu­dem de­ren Ein­wil­li­gung. Das Vor­lie­gen die­ser Vor­aus­set­zun­gen kann nicht schon für Jah­re im Vor­aus vor­her­ge­sagt wer­den (ähn­lich BAG 25. No­vem­ber 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 17).

c) Un­ter die­sen Umständen war der Be­klag­ten ein Fest­hal­ten am Ar­beits-

verhält­nis über die or­dent­li­che Kündi­gungs­frist hin­aus nicht zu­mut­bar. Der Dar­le­gung kon­kre­ter Be­triebs­ab­laufstörun­gen be­durf­te es an­ge­sichts der vom Kläger noch zu verbüßen­den, 24 Mo­na­te deut­lich über­stei­gen­den Frei­heits­stra­fe nicht.

aa) Der Ar­beits­ver­trag ist auf den ständi­gen Aus­tausch von Leis­tung und

Ge­gen­leis­tung ge­rich­tet. Die Ver­pflich­tung des Ar­beit­neh­mers geht da­hin, dem Ar­beit­ge­ber sei­ne Ar­beits­kraft zur Verfügung zu stel­len, da­mit die­ser sie im Rah­men sei­ner ar­beits­tei­li­gen Be­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on sinn­voll ein­set­zen kann. Ist der Ar­beit­neh­mer da­zu nicht in der La­ge, tritt hin­sicht­lich sei­ner Ar­beits­leis­tung Unmöglich­keit ein, wenn - wie bei lang an­dau­ern­der Ar­beits­ver­hin­de­rung die Re­gel - ei­ne Nach­leis­tung bei­den Sei­ten nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann (ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 Rn. 676). Zu­gleich ist der Ar­beit­ge­ber ge­hin­dert, von


- 8 -

sei­nem Wei­sungs­recht Ge­brauch zu ma­chen und muss, wenn er sei­ne bis­he­ri­ge Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on un­verändert auf­recht­er­hal­ten will, für ei­ne an­der­wei­ti­ge Er­le­di­gung der Ar­beit sor­gen. Be­reits dar­in liegt ei­ne Be­ein­träch­ti­gung der be­trieb­li­chen In­ter­es­sen (BAG 25. No­vem­ber 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 22).

bb) Der Be­klag­ten war es nicht zu­mut­bar, zur Be­sei­ti­gung der lang­fris­ti­gen

Störung bloße Über­brückungs­maßnah­men zu er­grei­fen und dem Kläger den Ar­beits­platz bis zur Rück­kehr aus der Haft frei­zu­hal­ten.

(1) An­ge­sichts der in der Re­gel vom Ar­beit­neh­mer selbst ver­schul­de­ten
Ar­beits­ver­hin­de­rung ist frag­lich, ob dem Ar­beit­ge­ber bei rechts­kräftig verhäng­ter Frei­heits­stra­fe über­haupt zu­ge­mu­tet wer­den kann, für die Zeit nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist Über­brückungs­maßnah­men zu er­grei­fen, wenn ei­ne Wie­der­auf­nah­me der Ar­beit nicht kurz­fris­tig zu er­war­ten steht (vgl. Münch-KommBGB/Hens­s­ler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei be­fris­te­ter Ein­stel­lung läuft er im­mer­hin Ge­fahr, auf den un­be­fris­te­ten Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses in An­spruch ge­nom­men zu wer­den. Hält er ei­ne Per­so­nal­re­ser­ve vor, dient die­se übli­cher­wei­se nicht dem Zweck, haft­be­ding­te Ausfälle zu über­brücken. Auch mögen zwar die Fol­gen lan­ger Straf­haft für den Ar­beit­ge­ber bes­ser zu kal­ku­lie­ren sein als die ei­ner Un­ter­su­chungs­haft von un­ab­seh­ba­rer Dau­er. Den­noch be­steht die Un­si­cher­heit, ob nicht der Ar­beit­neh­mer ge­ra­de vor­zei­tig aus der Haft ent­las­sen oder ihm ei­ne Voll­zugs­lo­cke­rung gewährt wird. Er­langt der Ar­beit­ge­ber da­von nicht recht­zei­tig Kennt­nis, kann dies da­zu führen, dass er so­wohl von der Er­satz­kraft als auch von dem aus der Haft ent­las­se­nen Ar­beit­neh­mer auf Lohn­zah­lung in An­spruch ge­nom­men wird (BAG 25. No­vem­ber 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 24; Fran­zen Anm. zu Se­nat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).

(2) Zu­min­dest dann, wenn im Kündi­gungs­zeit­punkt noch ei­ne Haft­stra­fe
von mehr als zwei Jah­ren zu verbüßen ist und ei­ne Ent­las­sung vor Ab­lauf von zwei Jah­ren nicht si­cher zu er­war­ten steht, kann dem Ar­beit­ge­ber re­gelmäßig nicht zu­ge­mu­tet wer­den, le­dig­lich Über­brückungs­maßnah­men zu er­grei­fen und auf ei­ne dau­er­haf­te Neu­be­set­zung des Ar­beits­plat­zes zu ver­zich­ten. Da­bei ist


- 9 -

ne­ben den be­reits an­ge­spro­che­nen Unwägbar­kei­ten zu berück­sich­ti­gen, dass dem Ar­beit­ge­ber die Möglich­keit zur Beschäfti­gung ei­ner Aus­hilfs­kraft im sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis le­dig­lich für ei­nen Zeit­raum von 24 Mo­na­ten eröff­net ist. Er kann des­halb bei länge­rer Haft­zeit nicht da­mit rech­nen, die Ab­we­sen­heit des Ar­beit­neh­mers ei­ni­ger­maßen pro­blem­los über­brücken zu können. Hin­zu kommt, dass mit zu­neh­men­der Haft­dau­er die Ver­wirk­li­chung des Ver­trags­zwecks in Fra­ge ge­stellt wird. Ei­ne mehrjähri­ge Ab­we­sen­heit des Ar­beit­neh­mers geht ty­pi­scher­wei­se mit ei­ner Lo­cke­rung sei­ner Bin­dun­gen an den Be­trieb und die Be­leg­schaft so­wie dem Ver­lust von Er­fah­rungs­wis­sen ein­her, das aus der tägli­chen Rou­ti­ne re­sul­tiert. Dem­ent­spre­chend muss der Ar­beit­ge­ber bei der Rück­kehr ei­nes langjährig in­haf­tier­ten Ar­beit­neh­mers mit Ein­ar­bei­tungs­auf­wand rech­nen (BAG 25. No­vem­ber 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 25).

Ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, selbst bei mehrjähri­ger Haft­stra­fe

bloße Über­brückungs­maßnah­men zu er­grei­fen, be­steht auch nicht aus Gründen der Re­so­zia­li­sie­rung. Zwar ist bei kurz­zei­ti­gen In­haf­tie­run­gen oder in Fällen, in de­nen nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zeit­nah ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung im of­fe­nen Voll­zug möglich ist, auf die ent­spre­chen­den Be­lan­ge des Ar­beit­neh­mers an­ge­mes­sen Rück­sicht zu neh­men. Dies recht­fer­tigt es aber nicht, vom Ar­beit­ge­ber zu ver­lan­gen, den Ar­beits­platz für den in­haf­tier­ten Ar­beit­neh­mer für vor­aus­sicht­lich mehr als zwei Jah­re frei zu hal­ten und ihm die da­mit ver­bun­de­nen Las­ten auf­zu­er­le­gen. Dies gilt ins­be­son­de­re an­ge­sichts des Um­stands, dass der Ge­setz­ge­ber für Fälle, in de­nen er es für er­for­der­lich er­ach­tet, dem Ar­beit­neh­mer den Ar­beits­platz bei persönli­cher Leis­tungs­ver­hin­de­rung mit Rück­sicht auf über­ge­ord­ne­te In­ter­es­sen (Schutz von Ehe und Fa­mi­lie; Erfüllung staatsbürger­schaft­li­cher Pflich­ten) zu si­chern, aus­drück­li­che, ei­genständi­ge Re­ge­lun­gen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 Pfle­geZG; § 1 Arb­PlSchG) ge­trof­fen hat. Die durch­aus stren­ge­ren An­for­de­run­gen an ei­ne Kündi­gung we­gen lang an­hal­ten­der Er­kran­kung (bspw. BAG 12. Ju­li 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 mwN, BA­GE 123, 234; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BA­GE 91, 271) recht­fer­ti­gen sich dar­aus, dass ei­ne


- 10 -

schwe­re Krank­heit - an­ders als ei­ne Frei­heits­stra­fe - für den Be­trof­fe­nen in der Re­gel un­ver­meid­bar war (BAG 25. No­vem­ber 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 26).

cc) Die Be­son­der­hei­ten des vor­lie­gen­den Falls ver­lan­gen kei­ne an­de­re

Be­ur­tei­lung.

(1) Kon­kre­te An­halts­punk­te dafür, dass der Kläger als­bald den Freigänger-
sta­tus er­lan­gen würde, wa­ren bei Kündi­gungs­aus­spruch nicht er­sicht­lich. Es be­stand auch kei­ne Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, den Ar­beits­platz zu­min­dest bis zur Ent­schei­dung über ei­ne et­wai­ge Voll­zugs­lo­cke­rung im De­zem­ber 2008 frei­zu­hal­ten. Zwar kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers er­ge­ben, bei der Er­lan­gung des Freigänger­sta­tus des Ar­beit­neh­mers mit­zu­wir­ken, wenn dies für den Ar­beit­ge­ber nicht ri­si­ko­be­haf­tet ist (BAG 25. No­vem­ber 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 28; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Im Streit­fall war aber völlig un­ge­wiss, ob dem Kläger ei­ne so weit­rei­chen­de Voll­zugs­lo­cke­rung gewährt würde. Die Pflicht des Ar­beit­ge­bers, den Ar­beit­neh­mer in sei­nem Re­so­zia­li­sie­rungs­bemühen zu un­terstützen, geht nicht so weit, die­sem auf die va­ge Aus­sicht hin, in fer­ner Zu­kunft ei­ne Voll­zugs­lo­cke­rung zu er­rei­chen, den Ar­beits­platz bis zu ei­ner Klärung, ggf. über Mo­na­te hin­weg frei­zu­hal­ten. Ob die Be­klag­te da­von aus­zu­ge­hen hat­te, ei­ne Beschäfti­gung des Klägers im Rah­men ei­nes of­fe­nen Voll­zugs wäre für sie ri­si­ko­frei, kann un­ter die­sen Umständen da­hin­ste­hen.

(2) Un­er­heb­lich ist, dass die Be­klag­te den Ar­beits­aus­fall des Klägers durch
ei­ne in­ter­ne Um­be­set­zung aus­ge­gli­chen hat. Da­mit hat sie nicht zu­gleich ge­zeigt, dass ihr ei­ne Über­brückung des Ar­beits­aus­falls zu­mut­bar war. Um ei­ne in die­sem Sin­ne vorläufi­ge Maßnah­me han­del­te es sich nicht. Viel­mehr hat die Be­klag­te den Ar­beits­platz des Klägers dau­er­haft mit ei­nem Ar­beit­neh­mer aus dem Per­so­nal­pool be­setzt.

(3) Eben­so we­nig kommt es dar­auf an, dass die Be­klag­te nach der In-
haf­tie­rung des Klägers für ei­ne nicht un­er­heb­li­che Zeit mit der Be­set­zung des Ar­beits­plat­zes zu­ge­war­tet hat. Die da­mit ver­bun­de­ne Rück­sicht­nah­me auf die


- 11 -

In­ter­es­sen des Klägers be­legt - zu­mal an­ge­sichts lau­fen­der Ver­hand­lun­gen über den Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags - nicht, dass es ihr zu­mut­bar ge­we­sen wäre, den Ar­beits­platz des Klägers auch an­ge­sichts der Ver­ur­tei­lung des Klägers zu ei­ner mehr als zweijähri­gen Frei­heits­stra­fe frei zu hal­ten. Dass die Be­klag­te in an­de­ren Ar­beits­be­rei­chen des Un­ter­neh­mens ei­nen Per­so­nal­ab­bau be­trie­ben ha­ben mag, ist für die Be­set­zung der Stel­le des Klägers nicht re­le­vant. Der Kläger stellt nicht in Ab­re­de, dass bei Aus­spruch der Kündi­gung in sei­nem Tätig­keits­be­reich Beschäfti­gungs­be­darf be­stand.

4. Die In­ter­es­sen­abwägung führt nicht zu ei­nem Über­wie­gen der Be­lan­ge

des Klägers. Zwar ist zu sei­nen Guns­ten ei­ne mehr als fünf­zehnjähri­ge Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit zu berück­sich­ti­gen, de­ren be­an­stan­dungs­frei­er Ver­lauf un­ter­stellt wer­den kann. Gleich­wohl geht das Be­en­di­gungs­in­ter­es­se der Be­klag­ten vor. Der Kläger hat sei­nen lan­gen Aus­fall selbst ver­schul­det. Da­bei wiegt be­son­ders schwer, dass er während ei­ner lau­fen­den Bewährungs­pha­se er­neut straffällig ge­wor­den ist. Hin­zu kommt, dass die Be­klag­te nach der In­haf­tie­rung des Klägers mit der Kündi­gung über ein Jahr zu­ge­war­tet und be­reits da­durch in er­heb­li­chem Um­fang auf des­sen In­ter­es­sen Rück­sicht ge­nom­men hat. Außer­dem war sie, wie die Neu­be­set­zung des Ar­beits­plat­zes in­di­ziert, auf die Er­le­di­gung der dem Kläger über­tra­ge­nen Ar­beit an­ge­wie­sen.

II. Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts stellt sich nicht aus an­de-

ren Gründen als rich­tig dar (§ 561 ZPO).

1. Die Kündi­gung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Be­trVG un­wirk­sam. Ins­be-

son­de­re hat die Be­klag­te den Per­so­nal­aus­schuss des Be­triebs­rats, dem die Wahr­neh­mung der Be­tei­li­gungs­rech­te in per­so­nel­len An­ge­le­gen­hei­ten über­tra­gen ist, ord­nungs­gemäß über die Gründe der Kündi­gung un­ter­rich­tet. Dies ver­mag der Se­nat auf der Grund­la­ge des im We­sent­li­chen un­strei­ti­gen Vor­trags der Be­klag­ten selbst zu ent­schei­den.

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG muss der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs-

rat die­je­ni­gen Gründe mit­tei­len, die aus sei­ner sub­jek­ti­ven Sicht die Kündi­gung recht­fer­ti­gen und für sei­nen Kündi­gungs­ent­schluss maßge­bend sind. Die­sen


- 12 -

Sach­ver­halt muss er un­ter An­ga­be von Tat­sa­chen, aus de­nen der Kündi­gungs­ent­schluss her­ge­lei­tet wird, so be­schrei­ben, dass der Be­triebs­rat oh­ne zusätz­li­che ei­ge­ne Nach­for­schun­gen die Stich­hal­tig­keit der Kündi­gungs­gründe prüfen kann. Teilt der Ar­beit­ge­ber ob­jek­tiv er­heb­li­che Tat­sa­chen dem Be­triebs­rat des­halb nicht mit, weil er dar­auf die Kündi­gung nicht oder zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ord­nungs­gemäß, weil ei­ne nur bei ob­jek­ti­ver Würdi­gung un­vollständi­ge Mit­tei­lung der Kündi­gungs­gründe nicht zur Feh­ler­haf­tig­keit der Anhörung und Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung nach § 102 Be­trVG führt. Ei­ne ob­jek­tiv un­vollständi­ge Anhörung ver­wehrt es dem Ar­beit­ge­ber al­ler­dings, im Kündi­gungs­schutz­pro­zess Gründe nach­zu­schie­ben, die über die Erläute­rung des mit­ge­teil­ten Sach­ver­halts hin­aus­ge­hen (BAG 5. No­vem­ber 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 In­ter­es­sen­aus­gleich Nr. 20; 11. De­zem­ber 2003 - 2 AZR 536/02 - AP KSchG 1969 § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 65 = EzA Be­trVG 2001 § 102 Nr. 5).

b) Hier­von aus­ge­hend ist nicht er­sicht­lich, dass die Be­klag­te dem Be-

triebs­rat - wie der Kläger ge­meint hat - Tat­sa­chen vor­ent­hal­ten hätte, die aus ih­rer Sicht für den Kündi­gungs­ent­schluss maßge­bend wa­ren. Un­strit­tig lag dem zuständi­gen Per­so­nal­aus­schuss die vollständi­ge Per­so­nal­ak­te des Klägers vor, aus der sich des­sen So­zi­al­da­ten er­ga­ben. Darüber hin­aus hat­te die Be­klag­te mit­ge­teilt, der Kläger sei seit No­vem­ber 2006 haft­be­dingt der Ar­beit fern ge­blie­ben und sie be­ab­sich­tig­te, das Ar­beits­verhält­nis aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen „we­gen un­zu­mut­ba­rer lan­ger Ab­we­sen­heit auf nicht ab­seh­ba­re bzw. nicht wei­ter zu­mut­ba­re länge­re Dau­er“ frist­gemäß zu kündi­gen. Auch der Be­haup­tung der Be­klag­ten, sie ha­be den Per­so­nal­aus­schuss im Zu­sam­men­hang mit der Ein­lei­tung des Anhörungs­ver­fah­rens am 25. Ja­nu­ar 2008 über­dies münd­lich über die Ver­ur­tei­lung des Klägers und die Dau­er der zu verbüßen­den Straf­haft un­ter­rich­tet, ist der Kläger nicht ent­ge­gen ge­tre­ten. Da­mit war der Per­so­nal­aus­schuss in die La­ge ver­setzt, den Ent­schluss der Be­klag­ten zur Kündi­gung nach­zu­voll­zie­hen und sich über des­sen Be­rech­ti­gung klar zu wer­den. Auf die für De­zem­ber 2008 „an­ge­dach­te“ Prüfung der Möglich­keit ei­nes of­fe­nen Voll­zugs brauch­te die Be­klag­te nicht hin­zu­wei­sen. Dies war schon


- 13 -

man­gels Kennt­nis für ih­ren Kündi­gungs­ent­schluss nicht be­stim­mend. Den Voll­zugs­plan vom Ja­nu­ar 2008 hat der Kläger erst im Ver­lauf des Kündi­gungs-schutz­pro­zes­ses vor­ge­legt.

2. Sons­ti­ge Mängel der Kündi­gung hat der Kläger nicht gel­tend ge­macht.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Kreft Ra­chor Ber­ger

Th. Gans Pitsch

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 2 AZR 790/09