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BAG, Ur­teil vom 24.05.2018, 6 AZR 308/17

   
Schlagworte: Arbeitsvertragsrichtlinien, AVR, Arbeitsvertrag
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 308/17
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.05.2018
   
Leitsätze: Ein kirchlicher Arbeitgeber kann in den durch das staatliche Arbeitsrecht gesetzten Grenzen wirksam Arbeitsverträge abschließen, die keine oder nur eine eingeschränkte Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen vorsehen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Göttingen, Urteil vom 05.07.2016, 2 Ca 53/16
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 27.04.2017, 7 Sa 944/16
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

6 AZR 308/17
7 Sa 944/16
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nie­der­sach­sen

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
24. Mai 2018

UR­TEIL

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

 

hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24. Mai 2018 durch die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Spel­ge als Vor­sit­zen­de, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Krum­bie­gel und Dr. Hein­kel so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Gey­er und Ko­hout für Recht er­kannt:

 

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1. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 27. April 2017 - 7 Sa 944/16 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Kläge­rin hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über Dif­fe­renz­vergütungs­ansprüche aus ei­nem be­en­de­ten Ar­beits­verhält­nis. Dem Rechts­streit liegt die Fra­ge zu­grun­de, ob sich die Höhe der Vergütung der Kläge­rin nach ei­ner ein­zel­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung oder nach den Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en der Dia­ko­nie Deutsch­land (AVR-DD) rich­te­te.

Die Kläge­rin war vom 17. Fe­bru­ar 2014 bis zum 31. Ja­nu­ar 2016 bei der Be­klag­ten als All­tags­be­glei­te­rin tätig. Die Be­klag­te be­treibt ei­ne sta­ti­onäre Al­ten­hil­fe, am­bu­lan­te Pfle­ge, Ta­ges­pfle­ge so­wie be­treu­tes Woh­nen. Sie ist ei­ne ge­meinnützi­ge GmbH und Mit­glied im Dia­ko­ni­schen Werk evan­ge­li­scher Kir­chen in Nie­der­sach­sen e.V.

Nach § 9 Abs. 2 Buchst. b der Sat­zung des Dia­ko­ni­schen Werks in Nie­der­sach­sen e.V. in der Fas­sung vom 25. Ok­to­ber 2013 wa­ren die Mit­glie­der ua. ver­pflich­tet, „das nach Kir­chen­ge­setz an­zu­wen­den­de kirch­li­che Ar­beits­recht“ an­zu­er­ken­nen und zu be­ach­ten. Das Kir­chen­ge­setz der Konföde­ra­ti­on evan­ge­li­scher Kir­chen in Nie­der­sach­sen zur Re­ge­lung des Ar­beits­rechts für Ein­rich­tun­gen der Dia­ko­nie (Ar­beits­rechts­re­ge­lungs­ge­setz Dia­ko­nie - ARRG-D) vom 3. No­vem­ber 1997 be­stimm­te in § 3, dass für al­le pri­vat­recht­li­chen Ar­beits­verhält­nis­se schrift­li­che Ar­beits­verträge ab­zu­sch­ließen sei­en, in de­nen die auf­grund der Be­schlüsse der Ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on und der Sch­lich­tungs­kom­mis­si­on zu­stan­de ge­kom­me­nen Re­ge­lun­gen in der je­weils gel­ten­den Fas­sung vollständig und un­verändert ver­ein­bart sind. § 9 Abs. 4 der Sat­zung des Dia­ko­ni­schen Werks sah bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen die Ver­pflich­tung aus

 

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§ 9 Abs. 2 Buchst. b der Sat­zung nach ei­ner er­folg­lo­sen Er­in­ne­rung durch den Vor­stand als Sank­ti­on zunächst ei­ne Er­mah­nung durch den Auf­sichts­rat und ggf. ein Ru­hen der Mit­glied­schafts­rech­te vor. Als letz­te Kon­se­quenz konn­te ein Mit­glied aus­ge­schlos­sen wer­den.

Am 25. Ju­ni 2014 wur­de die Sat­zung neu ge­fasst und ent­spre­chend dem geänder­ten Ver­eins­na­men als „Sat­zung des Dia­ko­ni­schen Wer­kes evan­ge­li­scher Kir­chen in Nie­der­sach­sen e.V.“ be­zeich­net. Nach § 9 Abs. 2 Buchst. b die­ser Sat­zung sind al­le Mit­glie­der ua. ver­pflich­tet, das am 8. März 2014 neu ge­fass­te Kir­chen­ge­setz der Konföde­ra­ti­on evan­ge­li­scher Kir­chen in Nie­der­sach­sen zur Re­ge­lung der Ar­beits­be­din­gun­gen in Ein­rich­tun­gen der Dia­ko­nie (ARRG-D nF) und mit ihm das Ar­beits­rechts­re­ge­lungs­grundsätze­ge­setz der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land (ARGG-EKD) an­zu­er­ken­nen und zu be­ach­ten. Die schon bis­her in § 9 Abs. 4 der Sat­zung vor­ge­se­he­nen Sank­ti­onsmöglich­kei­ten blie­ben er­hal­ten.

Nach § 2 Abs. 1 iVm. § 3 ARRG-D nF ha­ben die Recht­sträger der Dia­ko­nie mit al­len Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern im Ar­beits­ver­trag die von dem Dia­ko­ni­schen Dienst­ge­ber­ver­band Nie­der­sach­sen e.V. (DDN) ge­schlos­se­nen ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge in der je­weils gel­ten­den Fas­sung zu ver­ein­ba­ren. Hier­von ab­wei­chend hat ein Recht­sträger der Dia­ko­nie je­doch nach § 2 Abs. 2 ARRG-D nF die AVR-DD an­zu­wen­den, wenn er die­se bis zum In­kraft­tre­ten des ARRG-D nF ein­heit­lich an­ge­wandt hat­te. Nach § 2 Abs. 3 ARRG-D nF dürfen Recht­sträger der Dia­ko­nie auf dem Ge­biet der Kir­chen der Konföde­ra­ti­on evan­ge­li­scher Kir­chen in Nie­der­sach­sen ein an­de­res kirch­li­ches Ar­beits­recht als das nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 2 ARRG-D nF be­stimm­te nur an­wen­den, wenn die schrift­li­che Zu­stim­mung der je­weils zuständi­gen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nach § 3 ARRG-D nF vor­liegt.

Nach § 4 ARGG-EKD in der Fas­sung des Ge­set­zes vom 13. No­vem­ber 2013 dürfen Ar­beits­verträge nur auf der Grund­la­ge die­ses Kir­chen­ge­set­zes ge­schlos­sen wer­den. Für die Ar­beits­verträge sind da­nach ent­we­der die im Ver­fah­ren der Ar­beits­rechts­re­ge­lung durch Ar­beits­recht­li­che Kom­mis­sio­nen oder die im Ver­fah­ren kir­chen­gemäßer Ta­rif­verträge ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen ver­bind-

 

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lich. Auf die­ser Grund­la­ge ge­trof­fe­ne Ar­beits­rechts­re­ge­lun­gen sind für den Dienst­ge­ber ver­bind­lich. Von ih­nen darf nicht zu Las­ten der Mit­ar­bei­ter und Mit­ar­bei­te­rin­nen ab­ge­wi­chen wer­den. Ergänzen­de Re­ge­lun­gen der Glied­kir­chen müssen dies gewähr­leis­ten.

Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en gründe­te sich auf ei­nen ursprüng­lich bis zum 28. Fe­bru­ar 2015 be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2014. Dem­nach trat die Kläge­rin zum 17. Fe­bru­ar 2014 mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 11 St­un­den in den Dienst der Be­klag­ten. Der Ar­beits­ver­trag lau­te­te aus­zugs­wei­se wie folgt:

Ar­beits­ver­trag

...

3. ...

Die Gewährung des Jah­res­ur­laubs rich­tet sich:

☒ nach den Be­stim­mun­gen des AVR-EKD
☐ nach der beim Ar­beit­ge­ber übli­chen Re­ge­lung.

...

4. Höhe und Zu­sam­men­set­zung der Vergütung rich­ten sich:

☐ nach den Be­stim­mun­gen des
☐ nach der übli­chen Re­ge­lung;
☐ nach der hier fol­gen­den Ver­ein­ba­rung.

An­er­kannt wer­den Mo­na­te förder­li­cher Vor­zeit in der im Ar­beits­ver­trag be­zeich­ne­ten Tätig­keit.

Im Ein­zel­nen gilt:

☐ Das Ar­beits­ent­gelt er­folgt nach Ent­gelt­grup­pe 3 des AVR-EKD in der Stu­fe
☒ Ein­ar­bei­tungs­stu­fe / ☐ Ba­sis­stu­fe / ☐ Er­fah­rungs­stu­fe 

☐ St­un­den­lohn EUR

Fa­mi­li­en­stand bzw. Zu­schlags­be­rech­ti­gung der Kin­der müssen nach­ge­wie­sen wer­den.

5. Die Be­stim­mun­gen der Zif­fer 4 sol­len sich mit Wir­kung ab wie folgt ändern:

...

 

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16. Al­le bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und sol­che, die mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung ste­hen, ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den. Lehnt die Ge­gen­sei­te den An­spruch ab oder erklärt sie sich nicht in­ner­halb von zwei Wo­chen nach der Gel­tend­ma­chung des An­spruchs, so verfällt die­ser, wenn er nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach der Ab­leh­nung oder dem Frist­ab­lauf ge­richt­lich er­ho­ben wird.

17. Zusätz­lich wird ver­ein­bart: ...

☒ Im St­un­den­lohn ist ins­be­son­de­re die Jah­res­son­der­zah­lung an­teilmäßig ent­hal­ten.“

Un­ter Ziff. 5 des Ar­beits­ver­trags war kei­ne Ände­rung der un­ter Ziff. 4 ge­trof­fe­nen Ab­re­de vor­ge­se­hen.

Eben­falls un­ter dem 23. Ja­nu­ar 2014 tra­fen die Par­tei­en un­ter der Über­schrift „Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen mit Wir­kung ab Ju­li 2011 bis De­zem­ber 2015“ ei­ne wei­te­re Ver­ein­ba­rung. Die­se lau­tet ua. wie folgt:

„1. In der Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2015 erhöht sich mein mo­nat­li­ches Ent­gelt um je­weils 1,25 % je­weils zum 1.7. die­ser Jah­re. Wei­te­re Erhöhun­gen des mo­nat­li­chen Ent­gel­tes fin­den nicht statt.

2. Ein An­spruch auf Jah­res­son­der­zu­wen­dung be­steht nur zur Hälf­te; die zwei­te Hälf­te kann für 2011 bis 2015 auch dann nicht be­an­sprucht wer­den, wenn das Be­triebs­er­geb­nis po­si­tiv sein soll­te.

Die da­mit nicht zur Aus­zah­lung an mich ge­lan­gen­den Ge­halts­an­tei­le stel­le ich mei­nem Ar­beit­ge­ber, der Dia­ko­nie A gGmbH, un­ein­ge­schränkt zur Verfügung.

Ich erkläre hier­mit aus­drück­lich, dass ich die­se Ver­ein­ba­rung frei­wil­lig und oh­ne Zwang un­ter­schrei­be.

Al­le sons­ti­gen Punk­te des Ar­beits­ver­tra­ges so­wie be­reits ge­trof­fe­ne Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen be­hal­ten ih­re Gültig­keit, so­fern die­se hier­mit nicht aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen wur­den.“

 

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Mit Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen vom 25. Ju­li 2014 und 16. Fe­bru­ar 2015 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­ne Erhöhung der Wo­chen­ar­beits­zeit auf 25 St­un­den so­wie Verlänge­run­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses letzt­lich bis zum 31. Ja­nu­ar 2016. Al­le sons­ti­gen Punk­te des Ar­beits­ver­trags so­wie be­reits ge­trof­fe­ne Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen be­hiel­ten ih­re Gültig­keit. Zu­dem wur­de in den bei­den Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen die be­reits im ursprüng­li­chen Ar­beits­ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2014 ent­hal­te­ne Aus­schluss­fris­ten­re­ge­lung noch­mals wie­der­ge­ge­ben.

Die Kläge­rin wur­de ent­spre­chend Ziff. 4 des Ar­beits­ver­trags vom 23. Ja­nu­ar 2014 nach Ent­gelt­grup­pe 3 AVR-DD vergütet. Ent­spre­chend ih­rer Ver­pflich­tung aus Nr. 1 der Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen vom 23. Ja­nu­ar 2014 erhöhte die Be­klag­te das Ent­gelt zum 1. Ju­li 2014 und 1. Ju­li 2015. Dies blieb un­ter den Ent­gelt­stei­ge­run­gen, die für die Vergütung nach AVR-DD von der Ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on be­schlos­sen wur­den.

Mit Schrei­ben ih­rer Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 29. Ok­to­ber 2015 for­der­te die Kläge­rin ver­geb­lich rück­wir­kend ei­ne voll­umfäng­li­che Vergütung nach Maßga­be der AVR-DD ein­sch­ließlich der in An­la­ge 14 AVR-DD vor­ge­se­he­nen Jah­res­son­der­zah­lung. Nach An­la­ge 14 AVR-DD er­hal­ten die Beschäftig­ten, die sich am 1. No­vem­ber ei­nes Jah­res in ei­nem Beschäfti­gungs­verhält­nis be­fin­den, das min­des­tens bis zum 31. De­zem­ber des Jah­res be­steht, ei­ne Jah­res­son­der­zah­lung, de­ren Höhe der Durch­schnitts­sum­me be­stimm­ter Bezüge der Mo­na­te Ja­nu­ar bis ein­sch­ließlich Ok­to­ber des Jah­res ent­spricht. Die ers­te Hälf­te der Jah­res­son­der­zah­lung wird im No­vem­ber des lau­fen­den Jah­res ge­leis­tet, die zwei­te Hälf­te im Ju­ni des Fol­ge­jah­res. Die Höhe der Jah­res­son­der­zah­lung kann sich abhängig vom Be­triebs­er­geb­nis der je­wei­li­gen Ein­rich­tung ver­rin­gern. Für das Jahr 2014 ver­lang­te die Kläge­rin im Schrei­ben ih­rer Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 29. Ok­to­ber 2015 be­zo­gen auf die Mo­na­te No­vem­ber 2014 und Ju­ni 2015 er­folg­los ei­ne hälf­ti­ge Jah­res­son­der­zah­lung von je­weils 457,03 Eu­ro brut­to, dh. ins­ge­samt 914,06 Eu­ro brut­to.

 

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Mit ih­rer Kla­ge vom 12. Fe­bru­ar 2016 hat die Kläge­rin ih­re Ansprüche ab Ok­to­ber 2014 bis zum En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses gel­tend ge­macht. Dies hat ei­ne Jah­res­son­der­zah­lung für das Jahr 2015 in Höhe von ins­ge­samt 1.259,58 Eu­ro brut­to um­fasst, wel­che zur Hälf­te (je­weils 629,79 Eu­ro brut­to) auf die Mo­na­te No­vem­ber 2015 und Ja­nu­ar 2016 auf­ge­teilt wur­de. Dar­auf­hin hat die Be­klag­te im Lau­fe des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens für das Jahr 2015 ei­ne hälf­ti­ge Jah­res­son­der­zah­lung in Höhe von 509,93 Eu­ro brut­to auf Grund­la­ge der ver­trag­lich vor­ge­se­he­nen Vergütung ge­zahlt.

Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihr ha­be ei­ne dy­na­mi­sier­te Vergütung ein­sch­ließlich ei­ner Jah­res­son­der­zah­lung nach den Vor­ga­ben der AVR-DD zu­ge­stan­den. Der ursprüng­li­che Ar­beits­ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2014 se­he un­ein­ge­schränkt ei­ne Vergütung nach Ent­gelt­grup­pe 3 AVR vor. Die am sel­ben Tag ver­ein­bar­te Abände­rung sei un­wirk­sam. Es hand­le sich um über­ra­schen­de Klau­seln in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen iSd. § 305c Abs. 1 BGB. Zu­dem sei die Ände­rungs­ver­ein­ba­rung in­trans­pa­rent. Es sei nicht hin­rei­chend er­kenn­bar, dass sie be­nach­tei­li­gen­de Re­ge­lun­gen ent­hal­te.

Die ver­trag­li­che Vergütungs­ver­ein­ba­rung sei auch sit­ten­wid­rig iSd. § 138 BGB und un­wirk­sam, weil sie ge­gen kir­chen­recht­li­che Vor­ga­ben, an wel­che die Be­klag­te nach der Sat­zung des Dia­ko­ni­schen Werks ge­bun­den sei, ver­s­toße. Die Be­klag­te wen­de we­der die ein­schlägi­gen kirch­li­chen Ta­rif­verträge noch die AVR-DD voll­umfäng­lich an. Die von ihr vor­ge­se­he­nen ver­trag­li­chen Vergütungs­re­ge­lun­gen sei­en we­der mit den Grund­ge­dan­ken der Dia­ko­nie noch mit de­nen des kirch­li­chen Ar­beits­rechts, ins­be­son­de­re mit dem Leit­bild der Dienst­ge­mein­schaft, ver­ein­bar. Die Be­klag­te be­ru­fe sich auf ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Re­ge­lung, ob­wohl sie durch ih­re Zu­gehörig­keit zum Dia­ko­ni­schen Werk den Ein­druck er­we­cke, sich nach den kirch­li­chen Vor­ga­ben zu rich­ten. Sie hand­le da­mit rechts­miss­bräuch­lich iSd. § 242 BGB. Ihr Vor­ge­hen ent­spre­che nicht der Ver­kehrs­sit­te.

Durch den Ver­s­toß ge­gen die Sat­zung des Dia­ko­ni­schen Werks und die Nich­tum­set­zung der kirch­li­chen Vor­schrif­ten ha­be die Be­klag­te sich je­den­falls we­gen Ver­let­zung ei­ner Ne­ben­pflicht aus dem Ar­beits­verhält­nis scha­den­ser-

 

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satz­pflich­tig ge­macht. Die Re­ge­lun­gen des ARRG-D stell­ten Schutz­nor­men iSd. § 823 Abs. 2 BGB dar, da sie ähn­lich wie so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Nor­men auch den Schutz des ein­zel­nen Beschäftig­ten ver­folg­ten. Kir­chen­recht­li­che Vor­ga­ben soll­ten ein­heit­li­che Vergütungs­be­din­gun­gen im Be­reich der Dia­ko­nie si­chern.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt, 

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 4.714,44 Eu­ro rut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. Fe­bru­ar 2016 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Nach den ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen ste­he der Kläge­rin kei­ne dy­na­mi­sche Vergütung nach den AVR-DD zu. Die Ver­trags­ge­stal­tung sei we­der über­ra­schend noch in­trans­pa­rent. Ein Ver­s­toß ge­gen kir­chen- oder sat­zungs­recht­li­che Vor­ga­ben sei für die gel­tend ge­mach­ten Vergütungs­ansprüche der Kläge­rin oh­ne Be­deu­tung. Die kir­chen­ge­setz­li­chen Vor­ga­ben hätten eben­so wie die Re­ge­lun­gen der AVR-DD kei­ne nor­ma­ti­ve Wir­kung auf die Ar­beits­verhält­nis­se der Beschäftig­ten. Die Sat­zung des Dia­ko­ni­schen Werks bin­de nur die Mit­glie­der des Dia­ko­ni­schen Werks und ent­fal­te kei­ne Wir­kung zu Guns­ten der dort Beschäftig­ten. Et­wai­ge Ansprüche der Kläge­rin sei­en oh­ne­hin nach der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Aus­schluss­frist je­den­falls teil­wei­se ver­fal­len.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen und die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen. Mit die­ser ver­folgt die Kläge­rin ihr Kla­ge­ziel wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch auf die be­gehr­te Dif­fe­renz­vergütung.

 

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I. Zwi­schen den Par­tei­en steht außer Streit, dass die Be­klag­te während der Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses das Ta­bel­len­ent­gelt der Ent­gelt­grup­pe 3 AVR-DD ein­sch­ließlich der in der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 vor­ge­se­he­nen Erhöhun­gen zum 1. Ju­li 2014 und 1. Ju­li 2015 be­zahlt hat. Da­mit wur­den die ver­trag­lich be­gründe­ten Ent­gelt­ansprüche der Kläge­rin be­zo­gen auf das Ta­bel­len­ent­gelt erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Für wei­ter ge­hen­de Ent­gelt­s­tei-ge­run­gen be­stand kei­ne An­spruchs­grund­la­ge.

1. Die Kläge­rin hat­te kei­nen ver­trag­li­chen An­spruch auf Ent­gelt­stei­ge­run­gen, die sich aus ei­ner dy­na­mi­schen An­wen­dung der AVR-DD er­ge­ben.

a) Nach ständi­ger Recht­spre­chung han­delt es sich bei kirch­li­chen Ar­beits­rechts­re­ge­lun­gen wie den AVR-DD um All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen, wel­chen man­gels nor­ma­ti­ver Wir­kung in pri­vat­recht­li­chen Ar­beits­verhält­nis­sen nur über Be­zug­nah­me­klau­seln in Ar­beits­verträgen Wir­kung ver­schafft wer­den kann (vgl. BAG 23. No­vem­ber 2017 - 6 AZR 683/16 - Rn. 12; 20. No­vem­ber 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 107, BA­GE 143, 354; 22. Fe­bru­ar 2012 - 4 AZR 24/10 - Rn. 18). Ei­ne nor­ma­ti­ve Wir­kung be­steht nicht, weil das säku­la­re Recht für kirch­li­che Ar­beits­rechts­re­ge­lun­gen kei­ne un­mit­tel­ba­re und zwin­gen­de Gel­tung an­ord­net. Es fehlt ei­ne et­wa § 4 Abs. 1 TVG ent­spre­chen­de Be­stim­mung (BAG 13. No­vem­ber 2002 - 4 AZR 73/01 - zu I 3 b bb der Gründe, BA­GE 103, 353; zur Fra­ge ei­ner nor­ma­ti­ven Wir­kung kirch­li­cher Dienst­ver­ein­ba­run­gen vgl. BAG 22. März 2018 - 6 AZR 835/16 - Rn. 28 ff.).

b) Der In­halt All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen ist nach ei­nem ob­jek­tiv-en­e­ra­li­sie­ren­den Maßstab zu er­mit­teln. Sie sind nach ih­rem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn ein­heit­lich so aus­zu­le­gen, wie sie von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der nor­ma­ler­wei­se be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ver­stan­den wer­den. Da­bei sind die Verständ­nismöglich­kei­ten des durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ners des Ver­wen­ders zu­grun­de zu le­gen (BAG 23. März 2017 - 6 AZR 705/15 - Rn. 14). An­satz­punkt für die Aus­le­gung All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen ist in ers­ter Li­nie der Ver­trags­wort­laut. Die­se Grundsätze fin­den nach ständi­ger Recht­spre­chung auch auf die Aus­le­gung von Be­zug­nah­me­klau­seln auf kirch­li­che Re­ge­lungs­wer­ke wie Ar-

 

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beits­ver­trags­richt­li­ni­en An­wen­dung (vgl. BAG 22. Ju­li 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 12, BA­GE 135, 163; 10. De­zem­ber 2008 - 4 AZR 801/07 - Rn. 17, BA­GE 129, 1). Bei der Aus­le­gung ei­ner sol­chen Be­zug­nah­me­klau­sel ist von der all­ge­mei­nen Funk­ti­on von Ver­wei­sungs­klau­seln im kirch­li­chen Ar­beits­verhält­nis aus­zu­ge­hen. Die­se sind grundsätz­lich da­hin aus­zu­le­gen, dass sie dem kirch­li­chen Ar­beits­recht im pri­vat­recht­li­chen Ar­beits­verhält­nis um­fas­send Gel­tung ver­schaf­fen (vgl. BAG 16. Fe­bru­ar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 29 mwN, BA­GE 141, 16). Ein Ar­beit­neh­mer, der ei­nen Ar­beits­ver­trag mit ei­nem kirch­li­chen Ar­beit­ge­ber schließt, kann da­von aus­ge­hen, dass sein Ar­beit­ge­ber mit ei­ner im Ver­trag ent­hal­te­nen dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­sel das spe­zi­fisch kirch­li­che Ver­trags­recht in sei­ner je­wei­li­gen Fas­sung zum Ge­gen­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses ma­chen und da­mit idR kir­chen­recht­li­chen Ge­bo­ten genügen will. Ty­pi­scher­wei­se liegt es auch im In­ter­es­se bei­der Ver­trags­par­tei­en, dass das kirch­li­che Ar­beits­recht durch ei­ne sol­che Klau­sel in sei­ner je­wei­li­gen Fas­sung zur An­wen­dung ge­bracht wird (vgl. BAG 23. No­vem­ber 2017 - 6 AZR 683/16 - Rn. 12; 28. Ju­ni 2012 - 6 AZR 217/11 - Rn. 40 ff., BA­GE 142, 247). Dies gilt auch bezüglich der An­wend­bar­keit des kirch­li­chen Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungs­rechts und der auf des­sen Grund­la­ge ge­schlos­se­nen Dienst­ver­ein­ba­run­gen (BAG 22. März 2018 - 6 AZR 835/16 - Rn. 47 ff.).

c) Ei­ne sol­che Be­zug­nah­me ist hier nicht er­folgt. Die Par­tei­en ha­ben un­ter Ziff. 3 und Ziff. 4 des Ar­beits­ver­trags vom 23. Ja­nu­ar 2014 zwar die Gewährung des Jah­res­ur­laubs nach den Be­stim­mun­gen der AVR-EKD (nun­mehr AVR-DD) und ei­ne Vergütung nach de­ren Ent­gelt­grup­pe 3 ver­ein­bart. Hier­bei han­delt es sich aber nur um ei­ne punk­tu­el­le In­be­zug­nah­me. Bezüglich der Ent­gelt­stei­ge­run­gen ha­ben die Par­tei­en mit der „Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen“ vom 23. Ja­nu­ar 2014 ei­ne Ab­wei­chung von den AVR-DD vor­ge­nom­men. Die­se hält ei­ner Rechts­kon­trol­le stand.

aa) Die in Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 ent­hal­te­ne All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung zur Ent­gelt­stei­ge­rung ist kei­ne über­ra­schen­de Klau­sel iSd. § 305c Abs. 1 BGB und nicht in­trans­pa­rent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

 

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(1) Bei bei­den Verträgen vom 23. Ja­nu­ar 2014 han­delt es sich um All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen. Dar­auf lässt schon das äußere Er­schei­nungs­bild der for­mu­larmäßigen Ver­trags­ge­stal­tung schließen (vgl. BAG 25. Ju­ni 2015 - 6 AZR 383/14 - Rn. 23, BA­GE 152, 82). Bei der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung wird der For­mu­l­ar­cha­rak­ter auch da­durch deut­lich, dass ei­ne Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen „mit Wir­kung ab Ju­li 2011 bis De­zem­ber 2015“ ver­ein­bart wur­de, ob­wohl die Kläge­rin erst zum 17. Fe­bru­ar 2014 und zunächst be­fris­tet bis zum 28. Fe­bru­ar 2015 ein­ge­stellt wur­de.

(2) Zu Guns­ten der Kläge­rin kann un­ter­stellt wer­den, dass die in Ziff. 4 des Ar­beits­ver­trags vom 23. Ja­nu­ar 2014 ge­trof­fe­ne Vergütungs­ab­re­de für sich ge­nom­men als dy­na­mi­sche Ver­wei­sung auf die Ent­gelt­grup­pe 3 AVR-DD zu ver­ste­hen ist und die von der Ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on be­schlos­se­nen Ent­gelt­stei­ge­run­gen da­her Teil der ge­schul­de­ten Vergütung ge­we­sen wären (zum re­gelmäßigen Verständ­nis ei­ner Be­zug­nah­me als dy­na­mi­sche Ver­wei­sung vgl. BAG 12. De­zem­ber 2012 - 4 AZR 65/11 - Rn. 25; Schaub ArbR-HdB/Tre­ber 17. Aufl. § 206 Rn. 31).

(3) Ei­ne sol­che dy­na­mi­sche Ver­wei­sung wur­de aber durch Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 ab­geändert. Ent­gelt­stei­ge­run­gen soll­ten un­abhängig von den Be­schlüssen der Ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on nur um 1,25 % zum je­weils 1. Ju­li der Jah­re 2014 und 2015 statt­fin­den. Die­se Ver­ein­ba­rung ist wirk­sam.

(a) Die­se Re­ge­lung ist kei­ne über­ra­schen­de Klau­sel iSd. § 305c Abs. 1 BGB. Sie wur­de zum Ver­trags­be­stand­teil.

(aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB wer­den Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen, die nach den Umständen, ins­be­son­de­re nach dem äußeren Er­schei­nungs­bild des Ver­trags, so un­gewöhn­lich sind, dass der Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders mit ih­nen nicht zu rech­nen braucht, nicht Ver­trags­be­stand­teil. Über­ra­schen­den Klau­seln muss ein „Über­rum­pe­lungs­ef­fekt“ in­ne­woh­nen. Zwi­schen den durch die Umstände bei Ver­trags­schluss be­gründe­ten Er­war­tun­gen und dem tatsächli­chen Ver­trags­in­halt muss ein deut­li­cher Wi­der-

 

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spruch be­ste­hen. Da sich das Über­ra­schungs­mo­ment auch aus dem Er­schei­nungs­bild des Ver­trags er­ge­ben kann, ist es möglich, dass auch das Un­ter­brin­gen ei­ner Klau­sel an ei­ner un­er­war­te­ten Stel­le im Text sie des­we­gen als Über­ra­schungs­klau­sel er­schei­nen lässt. Das Über­ra­schungs­mo­ment ist um­so eher zu be­ja­hen, je be­las­ten­der die Be­stim­mung ist. Im Ein­zel­fall muss der Ver­wen­der dar­auf be­son­ders hin­wei­sen oder die Klau­sel druck­tech­nisch her­vor­he­ben (BAG 27. April 2017 - 8 AZR 859/15 - Rn. 71 mwN; zum sub­jek­ti­ven Über­ra­schungs­mo­ment vgl. auch: BAG 19. März 2014 - 5 AZR 252/12 (B) - Rn. 59, BA­GE 147, 342; Hoefs in Cle­menz/Kreft/Krau­se AGB-Ar­beits­recht § 305c Rn. 10; Däubler/Bo­nin/Dei­nert/Däubler AGB-Kon­trol­le im Ar­beits­recht 4. Aufl. § 305c Rn. 13; HWK/Gott­hardt/Ro­loff 7. Aufl. § 305c BGB Rn. 4).

(bb) Ein sol­ches Über­ra­schungs­mo­ment ist hier nicht ge­ge­ben. Dies gilt auch bei Berück­sich­ti­gung des Um­stands, dass Ziff. 5 des ursprüng­li­chen Ver­trags vom 23. Ja­nu­ar 2014 kei­ne Ände­rung der vor­an­ste­hen­den Ent­gel­tab­re­de vor­sieht, weil der hierfür vor­ge­se­he­ne Frei­raum nicht aus­gefüllt wur­de. In­halt­lich ist es bei ei­ner ent­gelt­grup­pen­be­zo­ge­nen Vergütungs­ab­re­de nicht über­ra­schend, dass die Ent­gel­terhöhun­gen für ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum ge­son­dert ge­re­gelt wer­den. Es han­delt sich um un­ter­schied­li­che Re­ge­lungs­ma­te­ri­en. Dem wird die hier vor­ge­nom­me­ne Ver­trags­ge­stal­tung ge­recht. Die ab­wei­chen­de Re­ge­lung in Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 ist nicht un­er­war­tet in der­sel­ben Ver­trags­ur­kun­de oder in ei­nem An­hang ent­hal­ten, son­dern Teil ei­ner ge­son­der­ten Ver­ein­ba­rung. Durch die Ver­wen­dung zwei­er Ver­trags­for­mu­la­re er­gibt sich das Bild ei­ner Grund­la­gen­re­ge­lung (Vergütung nach Ent­gelt­grup­pe 3 AVR-DD) in Ver­bin­dung mit ei­ner Son­der­re­ge­lung ua. bezüglich der Ent­gelt­stei­ge­rung. Es mag un­gewöhn­lich sein, dass ein Ar­beits­ver­trag noch am Tag sei­nes Ab­schlus­ses ab­geändert wird. Ei­ne Über­rum­pe­lung er­gibt sich hier­aus aber vor­lie­gend nicht. Durch die ge­son­der­te Ver­trags­ur­kun­de wur­de viel­mehr auf die Be­deu­tung der be­son­de­ren Vergütungs­re­ge­lun­gen hin­ge­wie­sen. Selbst wenn bei Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags mit ei­nem kirch­li­chen Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich da­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass kirch­li­ches Ar­beits­recht zur An­wen­dung kom­men soll, ist es nicht aus­ge­schlos­sen, dass

 

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der kirch­li­che Ar­beit­ge­ber ei­genständi­ge Ver­trags­in­hal­te ver­ein­ba­ren will. § 305c Abs. 1 BGB schränkt die­se Ver­trags­frei­heit nicht ein.

(b) Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 ist auch nicht in­trans­pa­rent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

(aa) Das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ver­pflich­tet den Ver­wen­der All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen, die Rech­te und Pflich­ten sei­nes Ver­trags­part­ners möglichst klar, verständ­lich und durch­schau­bar dar­zu­stel­len (BAG 24. Au­gust 2017 - 8 AZR 378/16 - Rn. 18). Da­bei ist zwi­schen dem Ge­bot der Ab­schluss­trans­pa­renz und dem der Ab­wick­lungs­trans­pa­renz zu dif­fe­ren­zie­ren. Ers­te­re soll die zu­tref­fen­de In­for­ma­ti­on des Ar­beit­neh­mers über die Umstände si­cher­stel­len, die es ihm ermögli­chen, die Vor- und Nach­tei­le der be­ab­sich­tig­ten ver­trag­li­chen Ab­re­den für den Ver­trags­ab­schluss zu be­ur­tei­len. Letz­te­re soll die Wah­rung sei­ner Rech­te während der Ver­trags­durchführung gewähr­leis­ten. Bei den an ei­ne hin­rei­chen­de Ab­schluss­trans­pa­renz zu stel­len­den An­for­de­run­gen ist zu berück­sich­ti­gen, dass nach all­ge­mei­ner An­sicht ei­ne In­halts­kon­trol­le von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen im Be­reich der Haupt­leis­tung un­ter­bleibt (vgl. nur BAG 12. März 2015 - 6 AZR 82/14 - Rn. 23, BA­GE 151, 108) und in­so­weit gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB nur ei­ne Trans-parenz­kon­trol­le statt­fin­det (vgl. BAG 21. April 2016 - 8 AZR 474/14 - Rn. 61). Die bei Be­gründung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­stell­ten All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen müssen des­halb die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und den Um­fang der Haupt­leis­tungs­pflich­ten des Ar­beits­verhält­nis­ses so ge­nau be­schrei­ben, dass der Ar­beit­neh­mer die kon­kret ge­schul­de­te Ar­beit, den Ar­beits­zeit­um­fang und die Höhe der dafür vom Ar­beit­ge­ber nach Ver­trags­schluss zu zah­len­den Vergütung ent­neh­men kann. Sonst kann er bei Ver­trags­schluss nicht er­ken­nen, „was auf ihn zu­kommt“ (BAG 26. Ja­nu­ar 2017 - 6 AZR 671/15 - Rn. 22 mwN, BA­GE 158, 81).

(bb) Die­sem Prüfungs­maßstab hält Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 stand. Der Wort­laut ist ein­deu­tig. So­wohl die Höhe der Ent-gelt­stei­ge­rung als auch ihr Zeit­punkt sind be­nannt. Der an­ge­ge­be­ne Zeit­raum („vom 01.07.2011 bis 31.12.2015“) ist zwar of­fen­sicht­lich nicht auf das ur-

 

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sprüng­lich bis zum 28. Fe­bru­ar 2015 be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin zu­ge­schnit­ten, er um­fasst aber zwei­fels­frei die ge­sam­te zunächst ver­ein­bar­te Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses. Die Kläge­rin wur­de auch nicht darüber im Un­kla­ren ge­las­sen, dass die­se Ent­gelt­stei­ge­run­gen im Ver­gleich zu den re­gulären Stei­ge­run­gen der AVR-Vergütung vor­aus­sicht­lich nach­tei­lig sind. Dies er­gibt sich nicht nur aus der Klar­stel­lung, dass „wei­te­re Erhöhun­gen des mo­nat­li­chen Ent­gelts nicht statt­fin­den“. Noch deut­li­cher wird die Nach­tei­lig­keit durch den Pas­sus, dass die nicht zur Aus­zah­lung ge­lan­gen­den Ge­halts­an­tei­le der Ar­beit­ge­ber­sei­te „un­ein­ge­schränkt zur Verfügung ge­stellt“ würden. Ei­ne nicht zu be­an­spru­chen­de Vergütung kann zwar nie­man­dem „zur Verfügung ge­stellt wer­den“. Die For­mu­lie­rung macht aber mehr als deut­lich, dass hier ei­ne Art von Sa­nie­rungs­bei­trag ge­leis­tet wer­den soll und des­halb ei­ne Ab­wei­chung von der re­gulären AVR-Vergütung ver­ein­bart wird. Ei­ne sol­che Vergütung wur­de da­mit nicht zum Ver­trags­in­halt (vgl. dem­ge­genüber zum Fall ei­nes Ver­zichts auf ei­ne ver­trag­lich be­reits be­gründe­te Rechts­po­si­ti­on BAG 15. De­zem­ber 2016 - 6 AZR 478/15 - Rn. 30, BA­GE 157, 284).

bb) Ei­ne Un­wirk­sam­keit von Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 er­gibt sich auch nicht aus dem kirch­li­chen Ar­beits­recht. Die Be­klag­te konn­te als kirch­li­cher Ar­beit­ge­ber in den durch das säku­la­re Recht ge­setz­ten Gren­zen Ar­beits­verträge ab­sch­ließen, die kei­ne oder nur ei­ne ein­ge­schränk­te Be­zug­nah­me auf kirch­li­ches Ar­beits­recht wie die AVR-DD vor­sa­hen.

(1) Das ori­ginäre Kir­chen­recht ist Aus­druck des nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV gewähr­leis­te­ten kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts (vgl. BVerfG 22. Ok­to­ber 2014 - 2 BvR 661/12 - Rn. 90, BVerfGE 137, 273; zu den Rechts­quel­len des evan­ge­li­schen Kir­chen­rechts vgl. An­ke in An­ke/de Wall/ Hei­nig Hev­KR § 4 Rn. 25 ff.). Kir­chen­ge­setz­li­che Re­ge­lun­gen wie § 2 ARRG-D nF bin­den den kirch­li­chen Ar­beit­ge­ber als Nor­madres­sa­ten im kirch­li­chen Rechts­kreis. Der kirch­li­che Ar­beit­ge­ber muss bei ei­ner Nicht­be­ach­tung ggf. kir­chen­recht­li­che Kon­se­quen­zen befürch­ten und mit ei­ner Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung zur Ein­grup­pie­rung rech­nen (vgl. für die ka­tho­li­sche Kir­che: KAGH 12. Ok­to­ber 2007 - M 03/07 - ZMV 2008, 29;

 

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30. No­vem­ber 2006 - M 02/06 - ZMV 2007, 81; Eder ZTR 2018, 191; für die evan­ge­li­sche Kir­che KGH.EKD 10. De­zem­ber 2012 - II-0124/U5-12 - ZMV 2013, 210; zur Fest­stel­lung der Nicht­an­wend­bar­keit ei­ner nicht ein­schlägi­gen Ar­beits­rechts­re­ge­lung vgl. KGH.EKD 8. Sep­tem­ber 2011 - I-0124/S67-10 - ZMV 2011, 324).

(2) Ei­ne Ver­let­zung kir­chen­ge­setz­li­cher Vor­ga­ben, wel­che die Schaf­fung ei­ner ver­trag­li­chen Grund­la­ge für die voll­umfäng­li­che Gel­tung des kirch­li­chen Ar­beits­rechts an­ord­nen, berührt je­doch per se nicht die Wirk­sam­keit ei­ner an­ders­lau­ten­den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung. Die von ei­nem kirch­li­chen Ar­beit­ge­ber ab­ge­schlos­se­nen Ar­beits­verträge sind nicht (teil-)un­wirk­sam, so­fern sie die Vor­ga­be der In­be­zug­nah­me kirch­li­cher Ar­beits­rechts­re­ge­lun­gen miss­ach­ten und ei­genständi­ge Re­ge­lun­gen vor­se­hen (vgl. zum Fall ei­ner un­ter der auflösen­den Be­din­gung ei­ner kirch­li­chen Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung ste­hen­den Be­zug­nah­me auf ei­ne vom kirch­li­chen Ar­beit­ge­ber selbst­ge­setz­te Ar­beits­ord­nung BAG 24. Fe­bru­ar 2011 - 6 AZR 634/09 - Rn. 22 ff.). Das säku­la­re Recht ord­net die Un­wirk­sam­keit ei­ner ver­trag­li­chen Re­ge­lung aus die­sem Grund nicht an. Die kir­chen­ge­setz­li­chen Vor­ga­ben können ei­ne An­wen­dung der ein­schlägi­gen Ar­beits­rechts­re­ge­lun­gen nicht er­zwin­gen, da die Kir­chen nicht die Rechts­macht ha­ben, ei­ne nor­ma­ti­ve Wir­kung die­ser Re­ge­lun­gen im pri­va­ten Ar­beits­verhält­nis an­zu­ord­nen (vgl. BAG 16. Fe­bru­ar 2012 - 6 AZR 592/10 - Rn. 16; zum kirch­li­chen Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungs­recht vgl. BAG 22. März 2018 - 6 AZR 835/16 - Rn. 28 ff.). Ein Ar­beit­neh­mer, mit dem ei­ne nicht den kirch­li­chen Re­ge­lun­gen ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen wird, kann sich des­halb nicht dar­auf be­ru­fen, die Kir­che ha­be sich durch die Ein­rich­tung des Ar­beits­rechts­re­ge­lungs­sys­tems dar­auf fest­ge­legt, dass nicht zu sei­nem Nach­teil von der kirch­li­chen Ar­beits­ver­trags­ord­nung ab­ge­wi­chen wer­den dürfe (so aber Ri­char­di Ar­beits­recht in der Kir­che 7. Aufl. § 15 Rn. 69, 70). Die staat­li­che Ar­beits­ge­richts­bar­keit hat nicht die Auf­ga­be, im Ur­teils­ver­fah­ren für die Auf­recht­er­hal­tung der kirch­li­chen Ord­nung zu sor­gen. Dies bleibt den nach Kir­chen­recht zuständi­gen kirch­li­chen Au­to­ritäten vor­be­hal­ten (vgl. Eder ZTR 2018, 191 f.).

 

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cc) Ein Ver­s­toß der Ver­trags­pra­xis der Be­klag­ten ge­gen die Sat­zung des Dia­ko­ni­schen Werks hat be­zo­gen auf die streit­ge­genständ­li­chen Ent­gelt­ansprüche der Kläge­rin kei­ne Aus­wir­kun­gen. Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 ist nicht we­gen ei­nes Ver­s­toßes ge­gen § 9 Abs. 2 Buchst. b der Sat­zung des Dia­ko­ni­schen Werks un­wirk­sam. Bei der Sat­zung ei­nes ein­ge­tra­ge­nen Ver­eins han­delt es sich zwar um staat­li­ches Recht. Des­sen Wir­kung ist je­doch grundsätz­lich auf die Ver­eins­mit­glie­der be­schränkt (vgl. Be­ckOK BGB/Schöpflin Stand 1. No­vem­ber 2017 § 25 Rn. 15 ff.; Stau­din­ger/Weick (2005) § 25 Rn. 9 f.). Die Fra­ge, ob ei­ne Sat­zungs­be­stim­mung ana­log § 328 BGB als Re­ge­lung zu Guns­ten Drit­ter aus­ge­legt wer­den kann und hier­durch Ansprüche ge­gen den Ver­ein oder sei­ne Mit­glie­der be­gründet wer­den können, stellt sich vor­lie­gend nicht. § 9 Abs. 2 Buchst. b der Sat­zung des Dia­ko­ni­schen Werks kann we­der in de­ren Fas­sung vom 25. Ok­to­ber 2013 noch in der vom 25. Ju­ni 2014 ent­nom­men wer­den, dass da­durch un­mit­tel­bar Ar­beit­neh­mer­rech­te be­gründet wer­den sol­len, wel­che ge­genüber den Ver­eins­mit­glie­dern als Ar­beit­ge­ber ein­ge­for­dert wer­den können. Dies gilt auch bei Berück­sich­ti­gung des Um­stands, dass § 9 Abs. 2 Buchst. b der Sat­zung in der Fas­sung vom 25. Ju­ni 2014 die Be­ach­tung von § 4 ARGG-EKD ver­langt, der ei­ne Ab­wei­chung zu Las­ten der Beschäftig­ten ver­bie­tet. Die Sat­zung ver­pflich­tet of­fen­sicht­lich nur die Mit­glie­der mit dem Zweck, die kir­chen­recht­li­che Ord­nung zu wah­ren und den kirch­li­chen Ar­beits­rechts­re­ge­lun­gen im Sin­ne ei­ner ein­heit­li­chen Hand­ha­bung Gel­tung zu ver­schaf­fen. Für den Fall ei­nes Ver­s­toßes sieht die Sat­zung in § 9 Abs. 4 ent­spre­chen­de Sank­tio­nen des Dia­ko­ni­schen Werks vor. Dem­ent­spre­chend hat der Kir­chen­ge­richts­hof der EKD be­zo­gen auf ei­ne Vorgänger­re­ge­lung des § 9 Abs. 2 Buchst. b der Sat­zung des Dia­ko­ni­schen Werks ent­schie­den, dass die Sat­zungs­re­geln des Dia­ko­ni­schen Werks, dem die be­tref­fen­de Dienst­stel­le an­gehört, kei­ne in­di­vi­du­alschützen­de Dritt­wir­kung ha­ben (KGH.EKD 8. Sep­tem­ber 2011 - I-0124/S67-10 - ZMV 2011, 324; vgl. zu die­sem Fall auch BAG 15. Ja­nu­ar 2014 - 10 AZR 403/13 - Rn. 34 ff.).

dd) Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 ist auch nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB nich­tig.

 

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(1) Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechts­geschäft, das ge­gen die gu­ten Sit­ten verstößt, nich­tig. Das ist der Fall, wenn es nach sei­nem aus der Zu­sam­men­fas­sung von In­halt, Zweck und Be­weg­grund zu ent­neh­men­den Ge­samt­cha­rak­ter mit den grund­le­gen­den Wer­tun­gen der Rechts- und Sit­ten­ord­nung nicht zu ver­ein­ba­ren ist. Dies ist auf­grund ei­ner um­fas­sen­den Ge­samtwürdi­gung un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses vor­lie­gen­den re­le­van­ten Umstände zu be­ur­tei­len (BAG 21. April 2016 - 8 AZR 474/14 - Rn. 31).

(2) Aus den hier re­le­van­ten Umständen lässt sich kei­ne Sit­ten­wid­rig­keit von Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 ab­lei­ten. Es han­delt sich um ei­ne für sich ge­nom­men nicht zu be­an­stan­den­de Ver­ein­ba­rung bezüglich der Vergütungs­stei­ge­rung, wel­che die Par­tei­en in Ausübung ih­rer Pri­vat­au­to­no­mie vor­ge­nom­men ha­ben. Der Ver­s­toß ge­gen kir­chen­recht­li­che Vor­ga­ben änder­te dar­an ent­ge­gen der von der Kläge­rin in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat ver­tre­te­nen An­sicht nichts, selbst wenn die kirch­li­che Ord­nung und de­ren Wert­vor­stel­lun­gen bei der Ge­samtwürdi­gung zu berück­sich­ti­gen wären (vgl. hier­zu Pa­landt/El­len­ber­ger 77. Aufl. BGB § 138 Rn. 2). Die Be­klag­te durf­te sich als kirch­li­che Ar­beit­ge­be­rin des staat­li­chen Ar­beits­rechts zur Ge­stal­tung des Rechts­verhält­nis­ses be­die­nen. Die Par­tei­en ha­ben sich mit der Ver­ein­ba­rung ei­ner Vergütung nach Ent­gelt­grup­pe 3 AVR-DD an der kirch­lich vor­ge­se­he­nen Grund­vergütung ori­en­tiert und nur die Ent­gelt­stei­ge­run­gen ei­genständig fest­ge­legt. Das „An­stands­gefühl al­ler bil­lig und ge­recht Den­ken­den“ als Maßstab für den In­halt der gu­ten Sit­ten (vgl. BAG 19. De­zem­ber 2013 - 6 AZR 145/12 - Rn. 48; Stau­din­ger/Sack/Fi­schin­ger (2017) § 138 Rn. 57; Er­man/Schmidt-Räntsch BGB 15. Aufl. § 138 Rn. 12) ist hier­durch nicht ver­letzt.

2. Der Be­klag­ten ist es nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glau­ben ver­wehrt, sich auf Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 zu be­ru­fen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on ver­letzt die Ver­trags­pra­xis der Be­klag­ten auch bei Berück­sich­ti­gung ih­rer Zu­gehörig­keit zum Dia­ko­ni­schen Werk die Ver­kehrs­sit­te iSd. § 242 BGB nicht.

 

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a) Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 ist nicht Aus­fluss ei­nes in­sti­tu­tio­nel­len Rechts­miss­brauchs der Be­klag­ten (vgl. hier­zu BAG 18. Ju­li 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 38, BA­GE 142, 308). Die Be­klag­te hat le­dig­lich von der Pri­vat­au­to­no­mie Ge­brauch ge­macht und ei­ne zulässi­ge Ver­trags­ge­stal­tung vor­ge­nom­men.

b) Die Ver­wei­ge­rung der streit­ge­genständ­li­chen Ent­gelt­stei­ge­run­gen ist auch nicht we­gen wi­dersprüchli­chen Ver­hal­tens der Be­klag­ten treu­wid­rig. Zwar kann ei­ne Rechts­ausübung gemäß § 242 BGB un­zulässig sein, wenn sich ei­ne Par­tei da­mit in Wi­der­spruch zu ih­rem ei­ge­nen vor­aus­ge­gan­ge­nen Ver­hal­ten setzt und für die an­de­re Par­tei ein schützens­wer­ter Ver­trau­en­stat­be­stand ge­schaf­fen wor­den ist oder wenn sons­ti­ge be­son­de­re Umstände die Rechts­ausübung als treu­wid­rig er­schei­nen las­sen (BAG 27. April 2017 - 6 AZR 367/16 - Rn. 31). Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Be­klag­te hat die Vergütung der Kläge­rin ent­spre­chend den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen erhöht und kei­nen Ver­trau­en­stat­be­stand auf ei­ne höhe­re Vergütung ge­schaf­fen. Ein sol­cher kann auch nicht al­lein aus der Zu­gehörig­keit der Be­klag­ten zum Dia­ko­ni­schen Werk ab­ge­lei­tet wer­den. Die­se weck­te al­len­falls Er­war­tun­gen, wel­che be­reits mit Vor­la­ge der Ver­trags­for­mu­la­re enttäuscht wur­den.

3. Die Kläge­rin kann die Dif­fe­renz, die sich aus ei­ner nach den Be­schlüssen der Ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on ge­stei­ger­ten Vergütung und den ge­zahl­ten Beträgen er­gibt, auch nicht im We­ge des Scha­dens­er­sat­zes ver­lan­gen.

a) Ein An­spruch aus § 280 Abs. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB be­steht nicht.

Die Be­klag­te hat die Kläge­rin be­zo­gen auf das Ta­bel­len­ent­gelt der Ent­gelt­grup­pe 3 AVR-DD ver­trags­gemäß vergütet. Ei­ne ver­trag­li­che Ne­ben­pflicht zur Ver­ein­ba­rung und Leis­tung ei­ner nach den Be­schlüssen der Ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on ge­stei­ger­ten Vergütung be­stand ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on nicht. Die Kläge­rin kann aus den kir­chen- und sat­zungs­recht­li­chen Vor­ga­ben kei­ne in­di­vi­du­el­len Rech­te ab­lei­ten. Wie dar­ge­stellt, han­delt es sich bei die­sen Re­ge­lun­gen letzt­lich um in­ter­nes Or­ga­ni­sa­ti­ons­recht der Kir­che, des­sen Nicht­be­fol­gung ar­beits­recht­lich al­len­falls durch die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung im Rah­men ih­rer Mit­wir­kungs­rech­te gel­tend ge­macht wer­den kann. Die von der Re­vi­si­on

 

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be­haup­te­te Ver­gleich­bar­keit der kir­chen­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen mit so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Ar­beit­ge­ber­pflich­ten be­steht nicht. Es han­delt sich um völlig un­ter­schied­li­che Re­ge­lungs­wer­ke des kirch­li­chen und des staat­li­chen Rechts­krei­ses. Sie stim­men we­der hin­sicht­lich der Re­ge­lungs­ma­te­rie noch hin­sicht­lich der Ziel­set­zung übe­rein.

b) Man­gels in­di­vi­du­al­recht­li­chen Be­zugs wur­de durch Nr. 1 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 auch kein Schutz­ge­setz iSd. § 823 Abs. 2 BGB ver­letzt. Hin­sicht­lich des Feh­lens ei­nes Schutz­zwe­ckes der kirch­li­chen Re­ge­lun­gen wird auf die vor­ste­hen­den Ausführun­gen ver­wie­sen.

II. Die Kläge­rin hat auch be­zo­gen auf die Jah­res­son­der­zah­lun­gen kei­nen Dif­fe­ren­zent­gelt­an­spruch.

1. Da­bei kann of­fen­blei­ben, ob Ziff. 17 des ursprüng­li­chen Ar­beits­ver­trags vom 23. Ja­nu­ar 2014, wo­nach die Jah­res­son­der­zah­lung „im St­un­den­lohn“ be­reits ent­hal­ten sein soll­te, ei­nem An­spruch auf ei­ne ne­ben dem Ta­bel­len­ent­gelt zu leis­ten­de Jah­res­son­der­zah­lung nach An­la­ge 14 AVR-DD hätte ent­ge­gen­ste­hen können. Die Par­tei­en ha­ben mit Nr. 2 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 ei­ne hin­rei­chend trans­pa­ren­te Neu­re­ge­lung bezüglich der Jah­res­son­der­zah­lung vor­ge­nom­men. Die­se be­stimmt, dass der An­spruch auf die „Jah­res­son­der­zu­wen­dung“, wo­bei of­fen­sicht­lich die Jah­res­son­der­zah­lung nach den AVR-DD ge­meint ist, nur zur Hälf­te be­ste­he und die zwei­te Hälf­te auch bei ei­nem po­si­ti­ven Be­triebs­er­geb­nis nicht be­an­sprucht wer­den könne. Die Auf­tei­lung in „zwei Hälf­ten“ so­wie der Be­zug zum Be­triebs­er­geb­nis ent­spricht An­la­ge 14 AVR-DD. Mit Ab­schluss der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung ha­ben die Par­tei­en so­mit ei­nen An­spruch der Kläge­rin auf ei­ne ne­ben dem Ta­bel­len­ent­gelt zu leis­ten­de Jah­res­son­der­zah­lung vor­ge­se­hen, de­ren Höhe je­doch auf die im No­vem­ber des je­wei­li­gen Jah­res zu leis­ten­de ers­te Hälf­te be­schränkt ist. Die­se Re­du­zie­rung der Ansprüche nach An­la­ge 14 AVR-DD wi­der­spricht zwar den kir­chen- und sat­zungs­recht­li­chen Vor­ga­ben. Wie aus­geführt, be­wirkt dies aber we­der die Un­wirk­sam­keit der Ver­ein­ba­rung noch wer­den hier­durch Scha­dens­er­satz­ansprüche aus­gelöst.

 

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2. Der Kläge­rin ste­hen aus Nr. 2 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Ja­nu­ar 2014 kei­ne wei­te­ren Ansprüche zu.

a) Ihr An­spruch auf ei­ne Jah­res­son­der­zah­lung für das Jahr 2014 ist ver­fal­len.

aa) Ziff. 16 des Ar­beits­ver­trags vom 23. Ja­nu­ar 2014 und die Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen vom 25. Ju­li 2014 und 16. Fe­bru­ar 2015 ent­hal­ten ei­ne iden­ti­sche Aus­schluss­fris­ten­re­ge­lung. Die­se sieht - an­ders als § 45 AVR-DD - auf der ers­ten Stu­fe ei­nen Ver­fall von Ansprüchen vor, wel­che nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den. Die­se ver­trag­li­che Re­ge­lung ist als All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung bei ei­nem ty­pi­sier­ten Verständ­nis nicht zu be­an­stan­den (vgl. BAG 17. Ok­to­ber 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 17; 28. Sep­tem­ber 2017 - 8 AZR 67/15 - Rn. 55 ff.; 20. Ju­ni 2013 - 8 AZR 280/12 - Rn. 22). Sie kann hier auch den An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn nicht ent­ge­gen § 3 Satz 1 Mi­LoG be­schränken, da sich die Jah­res­son­der­zah­lung für das Jahr 2014 aus Bezügen für das Jahr 2014 er­rech­net und der seit dem 1. Ja­nu­ar 2015 zu ent­rich­ten­de Min­dest­lohn da­her nicht be­trof­fen ist. Der den Schutz des Min­dest­lohn­an­spruchs be­zwe­cken­de § 3 Satz 1 Mi­LoG setzt ei­ne zeit­li­che Par­al­le­lität von ar­beits- oder ta­rif­ver­trag­li­chen Ent­gelt­ansprüchen ei­ner­seits und dem Min­dest­lohn­an­spruch an­de­rer­seits vor­aus (vgl. BAG 17. Ok­to­ber 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 20 ff.).

bb) Die ers­te Hälf­te der Jah­res­son­der­zah­lung für das Jahr 2014 war im No­vem­ber 2014 zur Zah­lung fällig. Das Gel­tend­ma­chungs­schrei­ben vom 29. Ok­to­ber 2015 konn­te die drei­mo­na­ti­ge Aus­schluss­frist da­her nicht wah­ren.

b) Der An­spruch auf die ers­te Hälf­te der Jah­res­son­der­zah­lung für das Jahr 2015 wur­de gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Die Be­klag­te hat die sich aus der ver­trag­li­chen Vergütungs­ab­re­de er­ge­ben­den Ansprüche be­frie­digt, in­dem sie während des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens dies­bezüglich ei­nen Be­trag von 509,93 Eu­ro brut­to ge­leis­tet hat. Ei­nen auf die Ent­gelt­stei­ge­run­gen nach den

 

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Be­schlüssen der Ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on gestütz­ten Dif­fe­renz­be­trag kann die Kläge­rin aus den ge­nann­ten Gründen nicht be­an­spru­chen.

III. Die Kläge­rin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten ih­rer er­folg­lo­sen Re­vi­si­on zu tra­gen.

Spel­ge
Hein­kel
Krum­bie­gel
M. Gey­er
Ko­hout

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