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ARBEITSRECHT AKTUELL // 08/079

Kun­den­wün­sche ge­hen vor Be­stands­schutz

Ar­beits­ver­trä­ge mit Wach­män­nern kön­nen da­von ab­hän­gig ge­macht wer­den, dass der Auf­trag­ge­ber dem Ein­satz des Wach­manns nicht wi­der­spricht: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 19.03.2008, 7 AZR 1033/06
Wünscht der Auf­trag­ge­ber den Ein­satz ei­nes Wach­man­nes nicht mehr, muss er ge­hen

21.07.2008. Ar­beits­ver­hält­nis­se kön­nen nicht nur be­fris­tet wer­den, son­dern ge­mäß § 21 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) auch von dem Ein­tritt ei­ner auf­lö­sen­den Be­din­gung ab­hän­gig ge­macht wer­den.

So et­was kommt sel­ten vor, ist aber für Be­wa­chungs­fir­men sinn­voll, die nur für ei­nen ein­zi­gen Groß­auf­trag­ge­ber tä­tig sind wie z.B. für die US-Streit­kräf­te. Denn ein sol­cher Kun­de sucht sich per­sön­lich aus, wer sei­ne Ob­jek­te be­wa­chen darf und wer nicht.

Un­ter sol­che Um­stän­den kann das Ar­beits­ver­hält­nis ei­nes Wach­man­nes von der Be­din­gung ab­hän­gig ge­macht wer­den, dass der Auf­trag­ge­ber die für den Wach­mann per­sön­lich er­teil­te Ein­satz­ge­neh­mi­gung nicht wi­der­ruft: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 19.03.2008, 7 AZR 1033/06.

Kann der Ar­beits­ver­trag ei­nes Wach­man­nes von der auflösen­den Be­din­gung abhängig ge­macht wer­den, dass der Kun­de des Ar­beit­ge­bers den Ein­satz des Wach­man­nes un­ter­sagt?

Wird der Be­stand ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses gemäß § 21 Tz­B­fG un­ter den Vor­be­halt des Ein­tritts ei­ner auflösen­den Be­din­gung ge­stellt, braucht der Ar­beit­ge­ber hierfür ei­nen sach­li­chen Grund im Sin­ne von § 14 Abs.1 Tz­B­fG. Außer­dem muss die­se Ver­trags­ge­stal­tung, wie Zeit­verträge im All­ge­mei­nen, schrift­lich fest­ge­hal­ten wer­den, § 14 Abs.4 Tz­B­fG.

Als Sach­gründe für ei­ne auflösen­de Be­din­gung kom­men in der Pra­xis bei­spiels­wei­se die Ver­tre­tung ei­nes im Aus­land oder in El­tern­zeit be­find­li­chen oder ei­nes länger er­krank­ten Mit­ar­bei­ters vor. Von der Recht­spre­chung an­er­kannt ist aber auch das Vor­lie­gen bzw. Nicht­vor­lie­gen ei­ner behörd­li­chen oder vom Auf­trag­ge­ber vor­ge­ge­be­nen Ein­satz­ge­neh­mi­gung des Ar­beit­neh­mers.

So wird bei­spiels­wei­se im Be­wa­chungs­ge­wer­be der Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses häufig da­von abhängig ge­macht, dass der für den Ar­beit­ge­ber maßgeb­li­che (Haupt-)Auf­trag­ge­ber sei­ne für den Ar­beit­neh­mer er­teil­te Ein­satz­ge­neh­mi­gung nicht wi­der­ruft. Kommt es zu ei­nem sol­chen Wi­der­ruf, steht der Ar­beit­ge­ber - aus nach­voll­zieh­ba­ren Gründen - auf dem Stand­punkt, den Ar­beit­neh­mer nicht mehr wei­ter ver­wen­den zu können.

Frag­lich ist im Ein­zel­fall im­mer wie­der, ob ei­ne sol­che un­mit­tel­ba­re Abhängig­keit des Fort­be­stands ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses von den - voll­kom­men frei­en bzw. von den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en nicht zu be­ein­flus­sen­den - Kun­denwünschen nicht den Kern­be­stand des ge­setz­li­chen Kündi­gungs­schut­zes aushöhlt.

Die­se Fra­ge stellt sich ins­be­son­de­re dann, wenn ein durch Vor­schrif­ten des Son­derkündi­gungs­schut­zes in be­son­de­rer Wei­se ab­ge­si­cher­tes Ar­beits­verhält­nis von dem „Du nicht!“ des Kun­den be­trof­fen ist, et­wa das Ar­beits­verhält­nis des Be­triebs­rats oder ei­nes schwer­be­hin­der­ten Men­schen.

Zu den da­mit auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen hat sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­nem Ur­teil vom 19.03.2008 (7 AZR 1033/06) po­si­tio­niert.

Der Streit­fall: Die US-Streit­kräfte ent­zie­hen ei­nem Wach­mann we­gen an­geb­li­cher Ab­we­sen­heit vom Dienst die Ein­satz­ge­neh­mi­gung

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer war seit mehr als zwei Jah­ren un­be­fris­tet bei der be­klag­ten Ar­beit­ge­be­rin, ei­nem Un­ter­neh­men des Be­wa­chungs­ge­wer­bes, als Si­cher­heits­mit­ar­bei­ter bzw. Wach­mann im be­waff­ne­ten Wach­dienst beschäftigt. Er war Mit­glied des bei der Be­klag­ten ge­bil­de­ten Be­triebs­rats. Ein­zi­ger Auf­trag­ge­ber des Ar­beit­ge­bers sind die USA, für die der Ar­beit­ge­ber zum Bei­spiel Ka­ser­nen der US-Streit­kräfte in Deutsch­land be­wacht.

In dem zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber und den USA ge­schlos­se­nen Be­wa­chungs­ver­trag ist ver­ein­bart, dass die vom Ar­beit­ge­ber ein­ge­setz­ten Wach­leu­te ih­ren Dienst nur ver­se­hen dürfen, wenn sie über ei­ne auf­trag­ge­ber­sei­tig zu er­tei­len­de Ein­satz­ge­neh­mi­gung verfügen. Die­se wird u. a. un­ter Berück­sich­ti­gung der körper­li­chen Leis­tungsfähig­keit und Zu­verlässig­keit er­teilt und kann je­der­zeit wie­der ent­zo­gen wer­den, wo­bei die Gründe für den Ent­zug dem frei­en Er­mes­sen des Auf­trag­ge­bers an­heim ge­stellt sind.

Auf die­ser Grund­la­ge fin­det sich im Ar­beits­ver­trag des Klägers fol­gen­de Klau­sel:

"Die Ver­trags­par­tei­en sind da­zu ver­pflich­tet, die Be­din­gun­gen, An­for­de­run­gen und Stan­dards der je­wei­li­gen Kun­den­spe­zi­fi­ka­tio­nen/PWS (Per­for­mance Work State­ments) ein­zu­hal­ten bzw. zu erfüllen. Die Ein­satz­ge­neh­mi­gung der US-Streit­kräfte ist Geschäfts­grund­la­ge des Ver­trags. Wird die Ein­satz­ge­neh­mi­gung we­gen Nicht­ein­hal­tung der PWS, die für die Ver­trags­par­tei­en ver­bind­lich sind und von der ame­ri­ka­ni­schen Re­gie­rung vor­ge­ge­ben sind, wi­der­ru­fen, en­det der Ver­trag, oh­ne dass es ei­ner Kündi­gung be­darf, mit Ab­lauf der ge­setz­li­chen Kündi­gungs­frist.“

Auf­grund ei­ner dem Kläger vom Auf­trag­ge­ber zur Last ge­leg­ten Ab­we­sen­heit vom Dienst während ei­ner Wach­schicht ent­zog der Auf­trag­ge­ber dem Kläger die Ein­satz­ge­neh­mi­gung. Die Be­klag­te in­for­mier­te den Kläger im Ju­li 2005 darüber, wo­bei sie ihm un­ter Be­ru­fung auf die o.g. Be­stim­mung des Ar­beits­ver­trags mit­teil­te, sein Ar­beits­verhält­nis en­de mit Ab­lauf des 31.08.2005.

Hier­ge­gen er­hob der Kläger frist­ge­recht Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt (ArbG) Mann­heim, das die Kla­ge mit Ur­teil vom 16.12.2005 (13 Ca 354/05) zurück­wies, da es die ver­trag­lich ver­ein­bar­te auflösen­de Be­din­gung we­gen Vor­lie­gens ei­nes sach­li­chen Grun­des für wirk­sam hielt. Die Be­klag­te könne man­gels an­de­rer Auf­trag­ge­ber den Kläger in­fol­ge der von den USA wi­der­ru­fe­nen Ein­satz­ge­neh­mi­gung nicht wei­ter beschäfti­gen, so dass das Ar­beits­verhält­nis sinn­ent­leert sei.

Die hier­ge­gen zum Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg ein­ge­leg­te Be­ru­fung des Klägers hat­te Er­folg. An­ders als das Ar­beits­ge­richt mein­te das LAG, die Ar­beit­ge­be­rin hätte sich nicht nur auf den von den Ame­ri­ka­nern erklärten Wi­der­ruf der Ein­satzmöglich­keit stützen dürfen, son­dern hätte die hierfür ge­nann­ten Gründe, d.h. die an­geb­lich vom Kläger un­ter­las­se­ne Kon­trolltätig­keit, hin­ter­fra­gen bzw. prüfen müssen. Da dies nicht ge­sche­hen sei, sei die auflösen­de Be­din­gung „funk­ti­ons­wid­rig ein­ge­setzt“ wor­den (LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 11.08.2006, 16 Sa 11/06).

Von der durch das LAG zu­ge­las­se­nen Möglich­keit ei­ner Re­vi­si­on mach­te die Ar­beit­ge­be­rin Ge­brauch, so dass das BAG über die­sen Fall zu ent­schei­den hat­te.

BAG: Die im Ar­beits­ver­trag ent­hal­te­ne auflösen­de Be­din­gung ist wirk­sam und die Be­din­gung we­gen des Wi­der­rufs der Ein­satz­ge­neh­mi­gung durch die US-Kräfte ein­ge­tre­ten

Das BAG ent­schied zu­guns­ten der Ar­beit­ge­be­rin, d.h. es stell­te das Ur­teil des ArbG Mann­heim wie­der her.

Das BAG stell­te da­bei zunächst klar, dass die im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­te auflösen­de Be­din­gung kei­nen tatsächli­chen Ver­s­toß des Wach­manns ge­gen sei­ne ihm vom Auf­trag­ge­ber ab­ver­lang­ten Ver­hal­ten­s­an­for­de­run­gen vor­aus­set­ze, son­dern le­dig­lich die vom Auf­trag­ge­ber - frei - erklärte Ab­leh­nung ei­ner wei­te­ren Tätig­keit des Wach­man­nes. In­so­weit gab es nach An­sicht des BAG, das in die­sem Punkt von der Be­wer­tung des LAG abrück­te, nichts zu prüfen oder zu hin­ter­fra­gen.

Im Übri­gen wies das BAG dar­auf hin, dass sich der Ar­beit­ge­ber auf den Ein­tritt ei­ner ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten auflösen­den Be­din­gung nur dann be­ru­fen könne, wenn er zu­vor ge­prüft ha­be, ob ein an­der­wei­ti­ger ge­eig­ne­ter Ar­beits­platz für den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer zur Verfügung ste­he. Da das be­klag­te Si­cher­heits-un­ter­neh­men im vor­lie­gen­den Fall je­doch un­strei­tig nur Ar­beitsplätze für Wach­leu­te mit ei­ner Ein­satz­ge­neh­mi­gung der USA zur Verfügung stel­len konn­te, war die Be­ru­fung auf den Ein­tritt der auflösen­den Be­din­gung hier zulässig.

Es würden über­dies, so das BAG, bei der Be­wa­chung mi­litäri­scher An­la­gen vom Auf­trag­ge­ber zu­recht ho­he Si­cher­heits­an­for­de­run­gen ge­stellt. Auch bei der Bun­des­wehr z.B. dürf­ten Zi­vil­beschäftig­te nur in der Be­wa­chung mi­litäri­scher An­la­gen ar­bei­ten, wenn sie ei­ne vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung er­teil­te Ein­satz­ge­neh­mi­gung hätten. In die­sen Fällen wie auch in der vor­lie­gen­den Kon­stel­la­ti­on ha­be das Be­wa­chungs­un­ter­neh­men kei­ne recht­li­che Möglich­keit, auf den Fort­be­stand oder die Er­tei­lung der Ein­satz­ge­neh­mi­gung Ein­fluss zu neh­men.

Fa­zit: Das BAG hat da­mit sei­ne Recht­spre­chung zur auflösen­den Be­din­gung bestätigt. Wenn die Beschäfti­gungsmöglich­keit des ein­ge­setz­ten Mit­ar­bei­ters von äußeren Umständen, ins­be­son­de­re von Kun­denwünschen, abhängt, auf die der Ar­beit­ge­ber kei­nen Ein­fluss hat, ist die Ver­ein­ba­rung ei­ner auflösen­den Be­din­gung recht­lich eben­so zulässig wie die späte­re Be­ru­fung hier­auf im Fal­le des Be­din­gungs­ein­tritts. Ist die Be­din­gung ein­ge­tre­ten, muss der Ar­beit­ge­ber an­de­re Ein­satzmöglich­kei­ten prüfen. Gibt es sol­che nicht (oder lehnt der Ar­beit­neh­mer sie ab), kann sich der Ar­beit­ge­ber auf die be­din­gungs­gemäße Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­ru­fen.

Die­se aus Sicht des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers „har­te Li­nie“ steht al­ler­dings un­ter der Ein­schränkung ei­ner im Ein­zel­fall ver­an­lass­ten Miss­brauchs­kon­trol­le:

Mögli­cher­wei­se kann der Ar­beit­neh­mer je nach La­ge des Ein­zel­falls dar­le­gen und be­wei­sen, dass der Ar­beit­ge­ber den Ent­zug der Ein­satz­ge­neh­mi­gung „hin­ten­her­um“ ma­ni­pu­liert, d.h. den Auf­trag­ge­ber zum Ent­zug der Ge­neh­mi­gung ver­an­lasst hat, um das Ver­trags­verhält­nis mit dem Ar­beit­neh­mer zu be­en­den. In ei­nem sol­chen Fall wäre die Be­ru­fung auf die auflösen­de Be­din­gung rechts­miss­bräuch­lich bzw. we­gen § 162 Abs.2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) un­wirk­sam.

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Letzte Überarbeitung: 20. Dezember 2017

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