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Rotkreuzschwestern sind Arbeitnehmerinnen
09.01.2017. Die Richtlinie 2008/104/EG schreibt das Prinzip der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und Stammbelegschaft vor, lässt davon aber Ausnahmen zu, wenn die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer durch (Leiharbeits-)Tarifverträge geregelt sind.
In einem aktuellen Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass auch die Schwestern des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen können, wenn sie in einer nicht vom DRK betriebenen Einrichtung arbeiten.
Für die Einordnung als "Arbeitnehmer" kommt es nämlich nicht auf das deutsche Arbeitsrecht an: EuGH, Urteil vom 17.11.2016, C-216/15.
- Sind Rotkreuzschwestern Arbeitnehmerinnen im Sinne der Leiharbeitsrichtlinie?
- Der Streitfall: Betriebsrat der Ruhrlandklinik wehrt sich gegen den Einsatz von Rotkreuzschwestern, die im Wege der Personalgestellung in der Ruhrlandklinik arbeiten
- EuGH: DRK-Schwestern sind Arbeitnehmerinnen im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG, wenn sie nach deutschem Recht wie Arbeitnehmerinnen geschützt werden
Sind Rotkreuzschwestern Arbeitnehmerinnen im Sinne der Leiharbeitsrichtlinie?
Der Einsatz von Leiharbeitnehmern im Entleiherbetrieb "erfolgt vorübergehend" (§ 1 Abs.1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG). Aus dieser etwas nebulösen gesetzlichen Vorgabe hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor einigen Jahren den Schluss gezogen, dass eine zeitlich unbegrenzte Überlassung von Leiharbeitnehmern gesetzeswidrig ist und dass der Betriebsrat des entleihenden Betriebs einer solchen, zeitlich unbegrenzten Einstellung von Leiharbeitnehmern widersprechen kann (BAG, Beschluss vom 10.07.2013, 7 ABR 91/11, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/210 Betriebsrat kann Dauer-Leiharbeit verhindern). Grundlage des Widerspruchsrechts ist § 99 Abs.2 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Hinter den Vorschriften des AÜG steht die Leiharbeitsrichtlinie aus dem Jahre 2008, d.h. die Richtlinie 2008/104/EG. Wie oben erwähnt, schreibt sie zwar als allgemeinen Grundsatz vor, dass Leiharbeitnehmer dieselben Arbeitsbedingungen haben müssen wie vergleichbare Arbeitnehmer der Stammbelegschaft im Entleiherbetrieb, lässt davon aber Ausnahmen zu, wenn die Leiharbeitnehmer von "ihrem" Arbeitgeber, d.h. der Zeitarbeitsfirma, auf der Grundlage von (speziellen Leiharbeits-)Tarifverträgen bezahlt bzw. beschäftigt werden.
Umgekehrt heißt das: Werden Leiharbeitnehmer von der Zeitarbeitsfirma nicht auf der Grundlage eines solchen Tarifvertrags beschäftigt, gilt der Grundsatz des "equal pay" bzw. "equal treatment", und zwar auch nach deutschem Recht (§ 9 Nr.2 erster Halbsatz AÜG).
Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit der Schwestern des DRK ins juristische Zwielicht geraten, denn die Rotkreuzschwestern sind nach deutschem Recht keine Arbeitnehmerinnen, sondern Mitglieder einer der 33 in Deutschland bestehenden Schwesternschaften des DRK. Als Vereinsmitglieder haben sie keinen Arbeitsvertrag mit ihrer Schwesternschaft, sondern müssen kraft ihrer Mitgliedschaft ihre gesamte Arbeitskraft in den karitativen Dienst des DRK stellen. Dafür genießen sie eine ähnliche soziale Absicherung wie Arbeitnehmerinnen, d.h. sie können bezahlten Urlaub machen, bekommen bei Krankheit Entgeltfortzahlung usw.
Nach deutschem Recht ist daher klar, dass die Vorschriften des AÜG nicht für Rotkreuzschwestern gelten, denn sie sind keine Arbeitnehmerinnen. Und wenn Rotkreuzschwestern nicht in eigenen Einrichtungen des DRK eingesetzt werden, sondern im Wege der Personalgestellung an andere Kliniken "ausgeliehen" werden, ist das nach deutschem Recht keine Arbeitnehmerüberlassung, weil die überlassenen Rotkreuzschwestern eben keine Arbeitnehmerinnen sind. Dann wiederum kann auch der Betriebsrat einer Klinik, die neben ihren eigenen Arbeitnehmern Rotkreuzschwestern einsetzt, und zwar dauerhaft bzw. zeitlich unbegrenzt, dem Einsatz der Rotkreuzschwestern nicht unter Berufung auf § 99 Abs.2 Nr.1 BetrVG widersprechen.
Mit dieser Herausnahme der Rotkreuzschwestern vom Anwendungsbereich des AÜG könnte aber demnächst Schluss sein, falls diese deutsche Rechtspraxis europarechtswidrig ist.
Der Streitfall: Betriebsrat der Ruhrlandklinik wehrt sich gegen den Einsatz von Rotkreuzschwestern, die im Wege der Personalgestellung in der Ruhrlandklinik arbeiten
Die Ruhrlandklinik betreibt in Essen eine stationäre Klinik. Sie vereinbarte im Jahr 2010 mit einer DRK-Schwesternschaft einen Gestellungsvertrag, nach dem es die Schwesternschaft übernimmt, Angehörige der pflegenden Berufe bei dieser Klinik einzusetzen. Dafür bekommt die DRK-Schwesternschaft ein Gestellungsentgelt, das die Personalkosten und eine dreiprozentige Verwaltungskostenpauschale umfasst. Das eingesetzte Pflegepersonal besteht aus Vereinsmitgliedern der Schwesternschaft, die berechtigt sind, einen Beruf in der Kranken- und Gesundheitspflege auszuüben.
Der Betriebsrat der Ruhrlandklinik verweigerte im Dezember 2011 die Zustimmung zum Einsatz einer Rotkreuzschwester, Frau K., die ab Januar 2012 eingesetzt werden sollte. Daraufhin nahm die Ruhrlandklinik die Einstellung als sog. vorläufige personelle Maßnahme vor, d.h. sie beschäftigte Frau K. wie geplant. Parallel dazu beantragte die Klinik die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung.
Mit diesem Antrag hatte Klinik vor dem Arbeitsgericht Essen (Beschluss vom 02.02.2012, 3 BV 94/11) und dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf Erfolg (Beschluss vom 06.07.2012, 6 TaBV 30/12). Das BAG allerdings setzte das Verfahren aus und fragte den EuGH, ob ein Rotkreuzschwester in Fällen der hier vorliegenden Art unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG fällt (BAG, Beschluss vom 17.03.2015, 1 ABR 62/12 (A)).
EuGH: DRK-Schwestern sind Arbeitnehmerinnen im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG, wenn sie nach deutschem Recht wie Arbeitnehmerinnen geschützt werden
Der EuGH entschied, dass auch Vereinsmitglieder wie die Rotkreuzschwestern hier im Streitfall unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG fallen, jedenfalls im Prinzip.
In den Urteilsgründen setzt sich der Gerichtshof mit einer Vorschrift der Richtlinie auseinander, die auf den ersten Blick eher dafür spricht, den Mitgliedsstaaten die Definition des Arbeitnehmerbegriffs zu überlassen, nämlich mit Art.3 Abs.1 Buchstabe a) der Richtlinie. Diese Vorschrift definiert den Begriff des "Arbeitnehmers" als Person, die "in dem betreffenden Mitgliedstaat nach dem nationalen Arbeitsrecht als Arbeitnehmer geschützt ist".
Würde es den Mitgliedsstaaten allerdings freistehen, den Arbeitnehmerbegriff selbst festzulegen, könnten sie damit nach Gutdünken Personengruppen aus dem Anwendungs- bzw. Schutzbereich der Richtlinie herausnehmen (Rn.37). Das soll nicht sein, so der Gerichtshof.
Und da die Rotkreuzschwestern in puncto Urlaub, Krankheit, Mutterschutz und Elternzeit ähnlich wie Arbeitnehmer geschützt sind, liegt es für den EuGH nahe, dass sie "aufgrund der von ihnen erbrachten Arbeitsleistung geschützt sind" (Rn.42).
Fazit: Der Gerichtshof hat zwar die letzte Entscheidung darüber, ob Rotkreuzschwestern nach deutschem Recht ähnlich wie Arbeitnehmer geschützt sind oder nicht, dem BAG überlassen, doch hat das BAG hier wenig Spielraum, von den Vorgaben des EuGH abzuweichen. Das BAG wird daher aller Voraussicht nach zu dem Ergebnis kommen, dass Rotkreuzschwestern Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG sind und damit auch unter den Anwendungsbereich des AÜG fallen.
Das wiederum würde die Arbeit der etwa 22.000 Rotkreuzschwestern in Deutschland verkomplizieren bzw. auf den Einsatz in den Einrichtungen des DRK beschränken. Denn Tarifverträge gibt es nun einmal nicht für die DRK-Schwesternschaften, und es kann sie auch künftig nicht geben, da die Rotkreuzschwestern keine Arbeitnehmer, sondern Vereinsmitglieder sind. Zu sozialen Schutzlücken führt das nicht unbedingt: Rotkreuzschwestern genießen teilweise sogar einen besseren Schutz als nach dem besten Tarifvertrag. So können sie z.B. nur aus wichtigem Grunde aus der Schwesternschaft ausgeschlossen werden, d.h. ordentliche Kündigungen gibt es bei den DRK-Schwesternschaften nicht.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.11.2016, C-216/15 (Ruhrlandklinik)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.03.2015, 1 ABR 62/12 (A)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10.07.2013, 7 ABR 91/11
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 06.07.2012, 6 TaBV 30/12
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerähnliche Person
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit, Zeitarbeit)
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Arbeitsrecht aktuell: 20/064 Arbeitsverhältnis ohne Arbeitspflicht?
- Arbeitsrecht aktuell: 18/069 LAG Frankfurt entscheidet zum Arbeitnehmerbegriff
- Arbeitsrecht aktuell: 17/290 Schwellenwerte bei Massenentlassungen und Zeitarbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 17/146 Welche Auswirkungen hat das AÜG 2017 für den Betriebsrat?
- Arbeitsrecht aktuell: 17/128 Massenentlassungsanzeige und Leiharbeitnehmer
- Arbeitsrecht aktuell: 17/020 Verlängerung von befristeten Verträgen bei der Zeitarbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 17/017 Mitbestimmung beim Einsatz von Fremdfirmen
- Arbeitsrecht aktuell: 16/366 Reform der Leiharbeit 2017
- Arbeitsrecht aktuell: 16/295 Kurzfristiger Einsatz von Leiharbeit bremst Mitbestimmung aus
- Arbeitsrecht aktuell: 16/224 Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/161 Gesetzentwurf zur Zeitarbeit 2016
- Arbeitsrecht aktuell: 16/106 Gesetzliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs
- Arbeitsrecht aktuell: 15/330 Gesetzentwurf zur Zeitarbeit 2015
- Arbeitsrecht aktuell: 13/364 Dauerhafte Leiharbeit lässt die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht entfallen
- Arbeitsrecht aktuell: 13/210 Betriebsrat kann Dauer-Leiharbeit verhindern
- Arbeitsrecht aktuell: 12/390 Kein Einsatz von Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen
- Arbeitsrecht aktuell: 12/349 Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen
Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2020
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