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LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 25.07.2013, 5 Sa 525/11

   
Schlagworte: Mobbing, Verwirkung, Ausschlussfrist
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Aktenzeichen: 5 Sa 525/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 25.07.2013
   
Leitsätze:

1. Auf Mobbing gestützte Schmerzensgeldansprüche können vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist verwirken.

2. Für das Zeitmoment kommt es entscheidend auf die letzte Mobbinghandlung an.

3. Um eine effektive Rechtsverteidigung zu ermöglichen, entspricht es regelmäßig dem Interesse des Anspruchsgegners, sich zeitnah gegen Mobbingvorwürfe zur Wehr setzen zu können.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 20.07.2011, 7 Ca 8046/10
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2014, 8 AZR 838/13
   

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT NÜRN­BERG

5 Sa 525/11

7 Ca 8046/10

(Ar­beits­ge­richt Nürn­berg)

Da­tum: 25.07.2013

Rechts­vor­schrif­ten: §§ 242, 253 Abs. 2 BGB

Ur­teil:

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts Nürn­berg vom 20.07.2011, Ak­ten­zei­chen: 7 Ca 8046/10, wird auf Kos­ten des Be­ru­fungsführers zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten um Schmer­zens­geld we­gen Mob­bing.

Der 1958 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te Kläger ar­bei­te­te seit 23. Ju­li 1990 bei der Fir­ma P… Ser­vice GmbH bzw. ih­ren Rechts­vorgänge­rin­nen, zu­letzt in der Funk­ti­on ei­nes Per­so­nal­fach-

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be­ra­ters/Fach­be­ra­ters Ar­beits­recht in Voll­zeit mit ei­nem mo­nat­li­chen Brut­to­ar­beits­ent­gelt von € 4.500,--. Der Kläger hat das 1. ju­ris­ti­sche Staats­ex­amen ab­ge­legt.

Im Zwi­schen­zeug­nis vom 09.11.1998 wur­de dem Kläger be­schei­nigt, dass er „die Auf­ga­ben sei­ner Po­si­ti­on stets zu un­se­rer vol­len Zu­frie­den­heit“ erfülle. Mit Zwi­schen­zeug­nis vom 30.11.2001 wur­de dem Kläger be­schei­nigt, dass „wir in je­der Hin­sicht stets sehr zu­frie­den“ sind mit sei­nem Ein­satz und sei­nen Leis­tun­gen. Das Zwi­schen­zeug­nis vom 31.05.2006 weist fol­gen­de Aus­sa­ge auf: „Al­le ihm über­tra­ge­nen Auf­ga­ben führ­te Herr H… stets zu un­se­rer volls­ten Zu­frie­den­heit aus“. We­gen des In­halts des im Zu­sam­men­hang mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­ge­stell­ten Zeug­nis­ses wird auf Bl. 47, 48 der Ak­ten Be­zug ge­nom­men.

Auf Vor­schlag des Lan­des­ver­ban­des des baye­ri­schen Ein­zel­han­dels wur­de der Kläger mit Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers im Jahr 2001 zum eh­ren­amt­li­chen Rich­ter am Ar­beits­ge­richt Nürn­berg be­ru­fen. Ab 2001 war der Kläger auch tätig als stell­ver­tre­ten­des Mit­glied des Aus­schus­ses des Lan­des­ar­beits­am­tes Bay­ern.

In An­er­ken­nung sei­ner Leis­tun­gen er­hielt der Kläger in den Jah­ren 2001 und 2006 Son­der­prämi­en in Höhe von DM 6.000,-- brut­to so­wie € 4.000,-- brut­to.

An­fang Ju­ni 2006 wur­de der Be­klag­te im Zu­ge ei­ner Um­struk­tu­rie­rung neu­er Vor­ge­setz­ter des Klägers. Der Kläger war zu­sam­men mit dem Voll­ju­ris­ten, Herrn M… als Fach­be­ra­ter beschäftigt in ei­ner Ab­tei­lung, dem so­ge­nann­ten Ex­pert Cen­ter (EC) Ar­beits-/So­zi­al­recht/ Ta­rif­po­li­tik. Da­ne­ben be­stand ei­ne zwei­te Ab­tei­lung, das so­ge­nann­te Ex­pert Cen­ter (EC) Steu­er, So­zi­al­ver­si­che­rung, Al­ters­ver­sor­gungs­sys­te­me. Die­se bei­den Ab­tei­lun­gen wur­den zu ei­ner Ab­tei­lung un­ter der Lei­tung von Frau L… zu­sam­men­ge­fasst. Als Fach­be­ra­ter soll­ten dort nur noch Voll­ju­ris­ten ar­bei­ten. Der Kläger wur­de aus die­ser Ab­tei­lung her­aus­gelöst und dem Be­klag­ten als dem nächsthöhe­ren Vor­ge­setz­ten über Frau L... di­rekt un­ter­stellt.

Am 17.07.2006 teil­te der Be­klag­te dem Kläger mit, dass er nicht mehr in der Ab­tei­lung beschäftigt wer­den sol­le, er sol­le sich ei­ne an­de­re Stel­le ex­tern su­chen. Am 15.09.2006 folg­te ein wei­te­res Gespräch. Auch in die­sem Gespräch ging es um die Fra­ge der künf­ti-

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gen Auf­ga­ben des Klägers außer­halb des Un­ter­neh­mens. Der Kläger be­warb sich auf an­de­re Stel­len im Un­ter­neh­men. Mit Schrei­ben vom 28.11.2006 er­hielt er ei­ne Ab­sa­ge. Mit Schrei­ben vom 29.11.2006 wi­der­sprach der im Be­trieb be­ste­hen­de Be­triebs­rat ei­ner Neu­ein­stel­lung un­ter Hin­weis auf die Be­sorg­nis ei­ner di­rek­ten Be­nach­tei­li­gung des Klägers.

Im Ok­to­ber 2006 wur­de die Voll­ju­ris­tin, Frau D… auf dem Ar­beits­platz des Klägers ein­ge­ar­bei­tet. Der Kläger wur­de in die­sem Zu­sam­men­hang räum­lich um­ge­setzt aus ei­nem Büro mit 3 bis 4 Ar­beitsplätzen in ein Ein­zelbüro. In der Fol­ge­zeit hat­te er kei­nen Zu­griff mehr auf die Da­ten­bestände der neu ge­bil­de­ten Ab­tei­lung auf dem Netz­lauf­werk „G“. Er wur­de auch nicht mehr zu ge­mein­sa­men Tref­fen der Ab­tei­lung dienst­li­cher und halb­dienst­li­cher Na­tur ein­ge­la­den. Er wur­de fer­ner aus ei­nem so­ge­nann­ten P…- Steuer­kreis her­aus­gelöst. Im In­for­ma­ti­ons­sys­tem des Un­ter­neh­mens wur­de der Kläger ab 20.11.2006 nicht mehr als Fach­be­ra­ter und mögli­cher An­sprech­part­ner auf­geführt.

Da­ge­gen wehr­te sich der Kläger mit Leis­tungs­kla­ge vom 13. Ju­ni 2007 ge­gen sei­nen Ar­beit­ge­ber vor dem Ar­beits­ge­richt Nürn­berg (Ak­ten­zei­chen: 6 Ca 4040/07). Die Kla­ge wur­de mit Ur­teil vom 25.01.2008 ab­ge­wie­sen; das Ur­teil wur­de durch Rück­nah­me der Be­ru­fung sei­tens des Klägers rechts­kräftig.

Mit Schrei­ben vom 20.11.2006 bestätig­te der Ver­an­stal­ter ei­nes vom Kläger ge­buch­ten ar­beits­recht­li­chen Ein­ta­ges­se­mi­nars auf Ver­an­las­sung durch den Be­klag­ten die kos­ten­freie Stor­nie­rung der Teil­nah­me an der Ver­an­stal­tung. Mit Email vom 14.02.2007 ver­an­lass­te der Be­klag­te die Stor­nie­rung des vom Kläger ge­buch­ten Wo­ch­en­se­mi­nars „Con­trol­ling für Mit­glie­der der Selbst­ver­wal­tung“ bei der ört­li­chen Agen­tur für Ar­beit in Nürn­berg.

Nach Vor­gesprächen En­de Ja­nu­ar 2007 er­hielt der Kläger un­ter dem Da­tum 09.02.2007 ei­ne mit dem Be­griff „Ziel­ver­ein­ba­rung“ über­schrie­be­ne Ar­beits­an­wei­sung vom Be­klag­ten, al­le Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­run­gen bei sei­nem Ar­beit­ge­ber und an­de­ren Kon­zern­fir­men bis 15.03.2007 nach ver­schie­de­nen Maßga­ben zu über­prüfen.

We­gen des vom Kläger in zwei Emails er­ho­be­nen Vor­wur­fes des Mob­bings wur­de der Kläger mit Schrei­ben sei­nes Ar­beit­ge­bers vom 09.03.2007 ab­ge­mahnt. We­gen Nich­ter­le-

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di­gung des Ar­beits­auf­tra­ges vom 09.02.2007 er­hielt der Kläger ei­ne wei­te­re Ab­mah­nung vom 25.05.2007, un­ter­zeich­net vom Be­klag­ten. Der ge­gen bei­de Ab­mah­nun­gen er­ho­be­nen Kla­ge gab das Ar­beits­ge­richt Nürn­berg – un­ter Ab­wei­sung der Kla­ge im Übri­gen – ge­gen die Ab­mah­nung vom 25.05.2007 statt. Im Be­ru­fungs­ver­fah­ren ei­nig­ten sich die Par­tei­en im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung am 21.07.2009 dar­auf, bei­de Ab­mah­nun­gen als ge­gen­stands­los zu be­trach­ten.

Im Jahr 2007 war der Kläger we­gen ei­nes chro­ni­schen Über­las­tungs­syn­droms und De­pres­si­on für ins­ge­samt 52 Ta­ge in 3 Krank­heits­zeiträum­en ar­beits­unfähig krank­ge­schrie­ben. Im Jahr 2008 war der Kläger ar­beits­unfähig krank­ge­schrie­ben an 216 Ta­gen, im Jahr 2009 bis Au­gust durch­ge­hend. Dann kündig­te der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis, wel­ches endgültig am 28.02.2010 en­de­te.

Am 28.12.2010 er­hob der Kläger ei­ne Schmer­zens­geld­kla­ge ge­gen den Be­klag­ten mit Kla­ge­schrift sei­ner Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 23.12.2010.

Der Kläger ist der Auf­fas­sung, der Be­klag­te ha­be ihn ge­mobbt und da­durch er­heb­li­che krank­heits­be­ding­te Fehl­zei­ten bei ihm aus­gelöst. Be­reits im Ju­li 2006 ha­be der Be­klag­te ihm mit­ge­teilt, er sol­le das Un­ter­neh­men in spätes­tens sechs Mo­na­ten ver­las­sen und sich nach ei­ner neu­en Stel­le um­se­hen. Ihm Sep­tem­ber 2006 ha­be er ihm wört­lich ge­sagt: „Ich will Ih­nen ja nicht dro­hen, aber Sie wis­sen doch selbst am bes­ten aus ih­rer Tätig­keit her­aus was an­kommt, wenn sich die Fron­ten verhärten.“ Ent­spre­chend ei­ner Ankündi­gung des Be­klag­ten in die­sem Gespräch im Sep­tem­ber 2006 ha­be der Be­klag­te ihn dann aus sei­nem Team her­aus­gelöst, ihm die bis­he­ri­gen Auf­ga­ben ent­zo­gen und ha­be ihn mit un­erfüll­ba­ren Son­der­auf­ga­ben be­auf­tragt. Des­halb sei es dann auch zu Ab­mah­nun­gen ge­kom­men. Er­folg­rei­che Be­wer­bun­gen des Klägers auf in­ter­ne Stel­len­an­ge­bo­te ha­be der Be­klag­te ver­hin­dert. Die Teil­nah­me an Se­mi­na­ren, zu de­nen er sich an­ge­mel­det ge­habt ha­be, ha­be der Be­klag­te stor­niert. All dies ha­be letzt­lich zu der schwe­ren Er­kran­kung des Klägers über ei­nen Zeit­raum von drei Jah­ren hin­weg geführt. Der Be­klag­te sei des­halb ver­pflich­tet, we­gen Mob­bings ein an­ge­mes­se­nes Schmer­zens­geld nebst Zin­sen zu zah­len, min­des­tens je­doch € 10.000,--.

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Der Be­klag­te ist der Mei­nung, es sei die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung ge­trof­fen wor­den, die bei­den Ab­tei­lun­gen zu ei­ner Ab­tei­lung zu­sam­men­zu­fas­sen und dort als Fach­be­ra­ter nur noch Voll­ju­ris­ten zu beschäfti­gen. Dies ha­be zu den Ände­run­gen der Ar­beits­be­din­gun­gen des Klägers geführt. Da­bei ha­be sich der Ar­beit­ge­ber im Rah­men sei­nes Di­rek­ti­ons­rech­tes ge­hal­ten. Die Kla­ge ge­gen die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen sei ab­ge­wie­sen wor­den. Ei­ne Ver­set­zung im Sin­ne des Ge­set­zes ha­be nicht vor­ge­le­gen. Der Kläger ha­be nicht mehr als Fach­be­ra­ter wei­ter­beschäftigt wer­den können. Sei­ne An­sprech­part­ner aus den ver­schie­de­nen Ab­tei­lun­gen hätten in den letz­ten Jah­ren wie­der­holt den Wunsch geäußert, nicht mehr vom Kläger be­ra­ten zu wer­den. In den Gesprächen im Ju­li und Sep­tem­ber 2006 sei es um die künf­ti­ge Ver­wen­dung des Klägers und auch um die Fra­ge ei­nes Aus­schei­dens so­wie die Möglich­keit ei­nes Out­pla­ce­ments ge­gan­gen. In­ter­ne Be­wer­bun­gen des Klägers ha­be er, der Be­klag­te, nicht ver­hin­dert. Er wis­se auch nicht, ob und auf wel­che Stel­len der Kläger sich be­wor­ben ha­be. Das Se­mi­nar bei der Agen­tur für Ar­beit sei stor­niert wor­den, nach­dem sich der Kläger ge­wei­gert ha­be, dafür Ur­laub ein­zu­brin­gen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit der Be­gründung ab­ge­wie­sen, der Kläger ha­be man­gels ver­trag­li­cher Be­zie­hun­gen zwi­schen den Par­tei­en kei­nen ver­trag­li­chen Scha­dens­er­satz­an­spruch, darüber hin­aus ste­he ihm auch kein de­lik­ti­scher Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen Ver­let­zung der Ge­sund­heit oder un­ter dem recht­li­chen Ge­sichts­punkt der Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rech­tes zu. Der Kläger ha­be kei­ne kon­kre­ten Ein­zel­hand­lun­gen des Be­klag­ten vor­ge­tra­gen, die für sich al­lein ge­eig­net wären, in der Fol­ge ei­ne Ver­let­zung des Klägers in sei­ner Eh­re, sei­nem Persönlich­keits­recht oder in sei­ner Ge­sund­heit zu be­gründen. Auch die Zu­sam­men­schau des vom Kläger be­an­stan­de­ten Ver­hal­tens als Ge­samt­ver­hal­ten er­lau­be es nicht, von ei­nem ver­werf­li­chen Ver­hal­ten des Be­klag­ten als Vor­ge­setz­ter des Klägers aus­zu­ge­hen im Sin­ne ei­nes sys­te­ma­tisch auf die Be­ein­träch­ti­gung von Eh­re, Würde und Ge­sund­heit des Klägers ge­rich­te­ten Ver­hal­tens. Auf den In­halt des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils wird, auch hin­sicht­lich des erst­in­stanz­li­chen Par­tei­vor­brin­gens im Ein­zel­nen, Be­zug ge­nom­men.

 

Zur Be­gründung sei­ner da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung lässt der Kläger vor­brin­gen, der Mob­bing­tat­be­stand sei durch meh­re­re Ein­zel­hand­lun­gen des Be­klag­ten ver­wirk­licht wor­den. So ha­be er am 15.09.2006 und in wei­te­ren Gesprächen Schi­ka­nen an­gekündigt. Der

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Kläger sei durch ei­nen Ar­beits­auf­trag vom 31.01.2007 (münd­lich) so­wie vom 12.02.2007 (schrift­lich), wel­cher auf Über­for­de­rung an­ge­legt ge­we­sen sei, schi­ka­niert wor­den. In ei­nem wei­te­ren Gespräch zwi­schen den Par­tei­en und der Be­triebsrätin, Frau S…, am 04.02.2008 über die am 19.12.2007 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung ha­be der Be­klag­te die Auf­recht­er­hal­tung der Ab­mah­nung mit den Wor­ten bestätigt, er wer­de sei­nen Weg in die­ser Sa­che so wei­ter­ge­hen und ha­be rich­tig Spaß da­bei. Er sei durch die grund­lo­se Stor­nie­rung des Fort­bil­dungs­se­mi­nars der Agen­tur für Ar­beit her­ab­gewürdigt wor­den. Glei­ches gel­te auch für die grund­lo­se Stor­nie­rung des Fort­bil­dungs­se­mi­nars der Fir­ma von R… und Part­ner GmbH. Her­ab­gewürdigt wor­den sei der Kläger auch durch die willkürli­che Blo­ckie­rung der Aus­zah­lung von Prämi­en so­wie durch die Iso­la­ti­on in­fol­ge der An­wei­sung des Be­klag­ten an Mit­ar­bei­ter, Kon­takt zum Kläger zu un­ter­las­sen. Ei­ne Her­abwürdi­gung sei auch in dem Aus­spruch un­wirk­sa­mer Ab­mah­nun­gen zu se­hen so­wie in der un­be­rech­tig­ten Kri­tik an Leis­tung und Ver­hal­ten des Klägers. Die her­abwürdi­gen­de Ziel­rich­tung und Ehr­ver­let­zung ergäben sich auch auf­grund ei­ner Ge­samt­schau der Ver­hal­tens­wei­sen des Be­klag­ten. Die sys­te­ma­ti­sche Her­abwürdi­gung er­ge­be sich dar­aus, dass der Be­klag­te die am 15.09.2006 an­gekündig­ten Schi­ka­ne­maßnah­men in der Fol­ge auch tatsächlich um­ge­setzt ha­be. Der Be­klag­te ha­be an­gekündigt, dem Kläger sei­ne Ar­beit so un­an­ge­nehm zu ma­chen, dass er selbst kündi­gen wer­de. Der gel­tend ge­mach­te Schmer­zens­geld­an­spruch sei auch nicht ver­wirkt. Es feh­le so­wohl das er­for­der­li­che Zeit-, wie das Um­stands­mo­ment.

Der Be­klag­te lässt vor­tra­gen, die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Mob­bings, das sys­te­ma­ti­sche An­fein­den, Schi­ka­nie­ren oder Dro­hen ei­nes Ar­beit­neh­mers lägen nicht vor. Der Vor­gang vom 15.09.2006 tra­ge für sich den Vor­wurf ei­ner Ehr­ver­let­zung zum Nach­teil des Klägers nicht. Das Un­ter­neh­men ha­be ei­ne sach­lich be­gründe­te Ent­schei­dung ge­trof­fen, das Ex­pert Cen­ter und das Cor­po­ra­te Cen­ter neu aus­zu­rich­ten Wenn dem Kläger im Zu­sam­men­hang da­mit die Ver­schlech­te­rung von Ar­beits­be­din­gun­gen an­gekündigt wor­den sei, so stel­le dies kein vor­werf­ba­res Ver­hal­ten dar. Für die Or­ga­ni­sa­ti­ons­maßnah­men des Ar­beit­ge­bers ha­be auch ein sach­li­cher Grund be­stan­den. Ei­ne Schi­ka­ne sei hier­mit je­den­falls nicht ver­bun­den. Im Übri­gen sei der Kläger auch wei­ter­hin im Rah­men sei­nes An­for­de­rungs­pro­fils ein­ge­setzt wor­den. Ein An­spruch dar­auf, dass sich die or­ga­ni­sa­to­ri­schen Umstände im Un­ter­neh­men nicht ändern würden, ste­he dem Kläger nicht zu. Die Ab­mah­nun­gen sei­en nicht un­wirk­sam ge­we­sen, sie sei­en im Be­ru­fungs­ver­fah­ren nur we­gen ein

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ge­tre­te­nen Zeit­ab­laufs zurück­ge­nom­men wor­den. Auf die Teil­nah­me an Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen so­wie die Gewährung von Prämi­en ha­be der Kläger kei­nen Rechts­an­spruch ge­habt. Auch ha­be ein Über­for­de­rungs­auf­trag ge­genüber dem Kläger nicht vor­ge­le­gen. Nicht rich­tig sei, dass der Be­klag­te im Bei­sein von Frau S… am 04.02.2008 im Kon­text mit der Ab­mah­nung vom 19.12.2007 ge­sagt ha­be, er wer­de sei­nen Weg in die­ser Sa­che so wei­ter­ge­hen und ha­be rich­tig Spaß da­bei. Zu kei­nem Zeit­punkt ha­be der Be­klag­te auch Wei­sun­gen an wei­te­re Mit­ar­bei­ter er­teilt, Kon­takt zum Kläger zu un­ter­las­sen. Nicht rich­tig sei auch, dass der Be­klag­te un­be­rech­tig­te Kri­tik an Leis­tung und Ver­hal­ten des Klägers geübt ha­be. Auch aus ei­ner Ge­samt­schau der Vorfälle las­se sich kei­ne Ehr­ver­let­zung des Be­klag­ten zum Nach­teil des Klägers fest­stel­len. Dem Kläger ste­he ein Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht zu. Im Übri­gen wäre ein sol­cher ver­wirkt, außer­dem er­he­be der Be­klag­te die Ein­re­de der Verjährung.

We­gen des wei­te­ren Be­ru­fungs­vor­brin­gens der Par­tei­en im Ein­zel­nen so­wie we­gen der ge­stell­ten Be­ru­fungs­anträge wird auf den In­halt der im Be­ru­fungs­ver­fah­ren ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die zulässi­ge Be­ru­fung des Klägers hat in der Sa­che kei­nen Er­folg.

Et­wai­ge Schmer­zens­geld- oder Entschädi­gungs­ansprüche des Klägers sind als ver­wirkt an­zu­se­hen. Auch vor Ab­lauf der Verjährungs­frist können Ansprüche ei­nes Ar­beit­neh­mers ver­wirkt sein. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist ein Recht ver­wirkt, wenn der Gläubi­ger es länge­re Zeit nicht aus­geübt hat (Zeit­mo­ment), der Schuld­ner dar­auf ver­traut hat, er wer­de nicht mehr in An­spruch ge­nom­men wer­den, und die­sem die Erfüllung un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände nach Treu und Glau­ben auch nicht mehr zu­zu­mu­ten ist (Um­stands­mo­ment). Zum Zeit­ab­lauf müssen da­her be­son­de­re Umstände so­wohl im Ver­hal­ten des Be­rech­tig­ten, als auch des Ver­pflich­te­ten hin­zu­kom­men (vgl. BAG vom 25.04.2001, NZA 2001, 966).

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Vor­lie­gend hat der Kläger mit der Gel­tend­ma­chung sei­nes Schmer­zens­geld­an­spruchs annähernd zwei Jah­re ge­war­tet. Nach dem Vor­brin­gen des Klägers dau­er­ten die Ver­let­zungs­hand­lun­gen sei­tens des Be­klag­ten im We­sent­li­chen in den Jah­ren 2006 bis 2008 an. Wenn in Mob­bing-Fällen ei­ne ver­trag­li­che oder ta­rif­li­che Aus­schluss­frist we­gen der sys­te­ma­ti­schen, sich aus meh­re­ren ein­zel­nen Hand­lun­gen zu­sam­men­set­zen­den Ver­let­zungs­hand­lung re­gelmäßig erst mit der zeit­lich letz­ten Mob­bing-Hand­lung be­ginnt, so muss Glei­ches auch für den ei­ne Ver­wir­kung auslösen­den Zeit­raum gel­ten.

Mit der Gel­tend­ma­chung des Schmer­zens­geld­an­spru­ches annähernd zwei Jah­re nach der vom Kläger be­haup­te­ten letz­ten Ver­let­zungs­hand­lung des Be­klag­ten miss­ach­tet der Kläger in ge­gen Treu und Glau­ben ver­s­toßen­der Wei­se ge­gen die In­ter­es­sen des Be­klag­ten, mit Schmer­zens­geld­ansprüchen nicht mehr in An­spruch ge­nom­men zu wer­den. Ent­schei­dend für die Gel­tend­ma­chung von „Mob­bin­g­ansprüchen“ ist die Dar­le­gung und der Be­weis kon­kre­ter Ver­let­zungs­hand­lun­gen so­wie ein sys­te­ma­ti­sches Vor­ge­hen (vgl. BAG vom 16.05.2007, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Mob­bing). Im Hin­blick auf die für An­spruch­stel­ler in der Re­gel nur schwer zu erfüllen­de Dar­le­gungs- und Be­weis­last, wer­den häufig Do­ku­men­ta­tio­nen über Äußerun­gen und Ver­hal­tens­wei­sen der die Mob­bing­hand­lun­gen be­ge­hen­den Per­son er­stellt. Muss die­se Per­son aber nicht mehr da­mit rech­nen, mit Schmer­zens­geld­ansprüchen kon­fron­tiert zu wer­den, so wird das Er­in­ne­rungs­vermögen an ein­zel­ne Äußerun­gen und Ver­hal­tens­wei­sen in der Re­gel ver­blas­sen; ei­ne Not­wen­dig­keit, durch Do­ku­men­ta­tio­nen sich die­ses Er­in­ne­rungs­vermögen zu wah­ren, wird dann re­gelmäßig nicht mehr ge­se­hen. Der Ge­sichts­punkt, das Do­ku­men­ta­ti­ons­er­for­der­nis zur Ab­wehr et­wai­ger Entschädi­gungs­for­de­run­gen nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG zeit­lich auf zwei Mo­na­te zu be­gren­zen, um der Un­zu­mut­bar­keit von Do­ku­men­ta­ti­ons­er­for­der­nis­sen ent­ge­gen­zu­wir­ken (BT-Druck­sa­che 16/1780 zu § 15 Abs. 4 AGG) hat der Ge­setz­ge­ber durch Auf­nah­me ei­ner zwei­mo­na­ti­gen Gel­tend­ma­chungs­frist in § 15 Abs. 4 AGG Rech­nung ge­tra­gen. Auch wenn es sich vor­lie­gend nicht um ei­ne Entschädi­gungs­zah­lung we­gen ei­ner un­erwünsch­ten Ver­hal­tens­wei­se als Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des AGG han­delt, ist gleich­wohl der Ge­sichts­punkt zu berück­sich­ti­gen, dass ein Vor­ge­setz­ter in ei­nem Un­ter­neh­men in Si­tua­tio­nen ge­ra­ten kann, die es er­for­der­lich ma­chen, sich ge­gen et­wai­ge Mob­bing­vorwürfe wirk­sam - d.h., durch Do­ku­men­ta­ti­on von Gesprächen und Ver­hal­tens­wei­sen - zur Wehr set­zen zu können.

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Auch könn­ten sich Wer­tungs­wi­dersprüche er­ge­ben, wenn Entschädi­gungs- und Scha­dens­er­satz­ansprüche we­gen Mob­bing­hand­lun­gen, die im Hin­blick auf Be­nach­tei­li­gungs­merk­ma­le im Sinn des § 1 AGG ent­ste­hen, in­ner­halb von zwei Mo­na­ten gel­tend ge­macht wer­den müssen, sol­che, bei de­nen ein Be­zug zu den Merk­ma­len des § 1 AGG vom An­spruch­stel­ler nicht her­ge­stellt wird, aus­sch­ließlich die ge­setz­li­che Verjährungs­frist maßge­bend wäre. Um Wer­tungs­wi­dersprüche an­de­rer Art zu ver­mei­den, be­jaht das Bun­des­ar­beits­ge­richt die An­wend­bar­keit der Frist des § 15 Abs. 4 AGG auch auf kon­kur­rie­ren­de Ansprüche aus un­er­laub­ter Hand­lung, die auf ei­nen Sach­ver­halt im Sin­ne des § 15 Abs. 1, 2 gestützt wer­den (BAG vom 21.06.2012, NJW 2013, 555 ff. Rd­nr. 51). Auch wenn der ent­schei­den­de Ge­sichts­punkt hierfür vom Bun­des­ar­beits­ge­richt in der spe­zi­el­len Be­weis­last­ver­tei­lung des § 22 AGG ge­se­hen wird, so muss in Fällen wie dem vor­lie­gen­den berück­sich­tigt wer­den, dass ei­ne be­weis­be­las­te­te Par­tei für den In­halt ei­nes Gesprächs oder für ein be­stimm­tes Ge­sche­hen, wel­ches al­lein zwi­schen den Par­tei­en statt­ge­fun­den hat, Be­weis da­durch an­tre­ten kann, in­dem sie ih­re ei­ge­ne Anhörung oder Ver­neh­mung be­an­tragt (BAG vom 22.05.2007, 3 AZN 1155/06). Vor die­sem Hin­ter­grund könn­te sich ein An­spruch­stel­ler durch ein länge­res Zu­war­ten mit der Gel­tend­ma­chung von Ansprüchen durch Er­stel­lung ent­spre­chen­der Do­ku­men­ta­tio­nen in Ver­bin­dung mit der Möglich­keit, den Be­weis durch die ei­ge­ne Aus­sa­ge zu er­brin­gen, Vor­tei­le ver­schaf­fen.

Un­ter den ge­nann­ten Umständen ist das Zu­war­ten des Klägers von zwei Jah­ren bis zur Gel­tend­ma­chung der ver­fah­rens­ge­genständ­li­chen Ansprüche als treu­wid­rig an­zu­se­hen; der Be­klag­te muss­te mit der Möglich­keit, sich pro­zes­su­al ge­gen Mob­bin­g­ansprüche zur Wehr set­zen zu müssen, und da­mit mit der Gel­tend­ma­chung sol­cher Ansprüche nicht mehr rech­nen. Dafür, dass der Be­klag­te sich hier­auf ein­ge­stellt hat, spricht die all­ge­mei­ne Le­bens­er­fah­rung.

Als Um­stands­mo­ment ist im vor­lie­gen­den Fall auch zu berück­sich­ti­gen, dass der Kläger be­reits mit Schrei­ben vom 09.03.2007 von sei­nem Ar­beit­ge­ber ei­ne Ab­mah­nung ge­gen un­ge­recht­fer­tig­ten Mob­bing­vor­wurfs er­hal­ten hat­te und das Ar­beits­ge­richt im dar­auf­hin vom Kläger ein­ge­lei­te­ten Ver­fah­ren die Ab­mah­nung als ge­recht­fer­tigt an­sah. Auch wenn sich der Kläger später im Be­ru­fungs­ver­fah­ren am 21.07.2009 mit sei­nem Ar­beit­ge­ber dar­auf ge­ei­nigt hat, die Ab­mah­nung als ge­gen­stands­los an­zu­se­hen, so hätten zu­min­dest ab die­sem Zeit­punkt un­mit­tel­bar ge­gen den Be­klag­ten er­ho­be­ne Ansprüche auf­grund der

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Mob­bing­vorwürfe zeit­nah geklärt wer­den müssen. Auch das Zu­war­ten von fast 1 ½ Jah­ren nach Ab­schluss des Ge­richts­ver­fah­rens we­gen der vom Kläger er­ho­be­nen Mob­bing­vorwürfe verstößt ge­gen Treu und Glau­ben.

Als Um­stands­mo­ment kommt darüber hin­aus in Be­tracht, dass der Be­klag­te zu­min­dest mit Aus­spruch der Kündi­gung ge­genüber dem Kläger im Jahr 2009 von der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­ge­hen konn­te. Von dem Ver­lauf und dem Aus­gang des we­gen der Kündi­gung zwi­schen dem Kläger und dem da­ma­li­gen Ar­beit­ge­ber geführ­ten Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens, an dem der Be­klag­te nicht be­tei­ligt war, muss­te der Be­klag­te kei­ne Kennt­nis ha­ben. Hin­zu kommt, dass über das Vermögen des da­ma­li­gen Ar­beit­ge­bers das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wor­den war und al­lein im Hin­blick hier­auf mit dem Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht mehr zu rech­nen war. Auch seit die­sem Zeit­punkt, ab dem Umstände vor­la­gen, die die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ha­ben er­war­ten las­sen, ist über ein Jahr bis zur Gel­tend­ma­chung der streit­ge­genständ­li­chen Ansprüche ver­gan­gen. Al­lein im Hin­blick auf die aus Sicht des Be­klag­ten im Jah­re 2009 aus­gelöste Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers ist das Um­stands­mo­ment als erfüllt an­zu­se­hen (zum Er­for­der­nis ei­ner zeit­na­hen Gel­tend­ma­chung ei­nes Zeug­nis­an­spruchs nach Be­en­di­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses vgl. BAG vom 17.02.1988, AP Nr. 17 zu § 630 BGB).

Ge­gen die­se Ent­schei­dung kann der Kläger gemäß nach­ste­hen­der Rechts­mit­tel­be­leh­rung Re­vi­si­on ein­le­gen.

Malk­mus

Vor­sit­zen­der Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt

zu­gleich für den vorüber­ge­hend aus­ge­schie­de­nen eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Hahn

Wis­sel

eh­ren­amt­li­cher Rich­ter

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