HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 19/186

An­spruch auf hal­be Ur­laubs­ta­ge?

Ar­beit­neh­mer kön­nen vom Ar­beit­ge­ber im All­ge­mei­nen kei­ne hal­ben Ur­laubs­ta­ge ver­lan­gen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 06.03.2019, 4 Sa 73/18
Geschäftsmann macht Mittagspause auf der Wiese, Erholung

08.08.2019. Heut­zu­ta­ge ist es selbst­ver­ständ­lich, ein­zel­ne Ur­laubs­ta­ge zur Frei­zeit­ge­stal­tung zu neh­men, al­so z.B. zur Ver­län­ge­rung ei­nes Wo­chen­en­des.

Kon­se­quent wei­ter­ge­dacht könn­te man auch hal­be Ur­laubs­ta­ge neh­men, denn aus­drück­lich un­ter­sagt ist dies durch das Bun­des­ur­laubs­ge­setz (BUrlG) nicht.

Nach ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg sind sol­che Ur­laubs­an­trä­ge aber vom Ge­setz nicht ge­deckt: LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 06.03.2019, 4 Sa 73/18.

An­spruch auf Bruch­tei­le von Ur­laubs­ta­gen

Das BUrlG gewährt Ar­beit­neh­mern in drei Fällen ei­nen An­spruch auf Teil­ur­laub, der ge­rin­ger ist als der vol­le Jah­res­ur­laubs­an­spruch von vier Wo­chen bzw. von 20 Ar­beits­ta­gen (bei ei­ner Fünf-Ta­ge-Wo­che). Die­se drei Fälle sind in § 5 Abs.1 BUrlG ab­sch­ließend auf­gezählt:

  • Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses am 1. Ju­li oder da­nach (denn dann kann in die­sem Ka­len­der­jahr = Ur­laubs­jahr kein vol­ler Jah­res­ur­laubs­an­spruch mehr er­wor­ben wer­den, da die­ser erst nach ei­ner War­te­zeit von sechs Mo­na­ten ent­steht, § 4 BUrlG), § 5 Abs.1 Buch­sta­be a) BUrlG
  • Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses vor Ab­lauf von sechs Mo­na­ten, d.h. vor Ab­lauf der War­te­zeit: § 5 Abs.1 Buch­sta­be b) BUrlG
  • Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers in der ers­ten Ka­len­der­jah­reshälf­te, d.h. in der Zeit vom 1. Ja­nu­ar bis zum 30. Ju­ni: § 5 Abs.1 Buch­sta­be c) BUrlG

In die­sen drei Fällen (und nur in die­sen drei Fällen) ha­ben Ar­beit­neh­mer ei­nen ge­setz­li­chen An­spruch auf ein Zwölf­tel ih­res Min­dest-Jah­res­ur­laubs für je­den vol­len Mo­nat des Be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses. Die­ser Teil­ur­laubs­an­spruch be­inhal­tet oft Bruch­tei­le von Ur­laubs­ta­gen, so z.B. dann, wenn das Ar­beits­verhält­nis zwei (vol­le) Mo­na­te be­stan­den hat. Denn dann er­rech­net sich ein „krum­mer“ Ur­laubs­an­spruch von (20 Ur­laubs­ta­ge pro Jahr ./. 12 Mo­na­te x 2 =) 3,33 Ur­laubs­ta­gen.

Für die o.g. drei Teil­ur­laubs-Fälle (und nur für die­se Fälle) enthält § 5 Abs.2 BUrlG fol­gen­de Auf­run­dungs­re­gel:

„Bruch­tei­le von Ur­laubs­ta­gen, die min­des­tens ei­nen hal­ben Tag er­ge­ben, sind auf vol­le Ur­laubs­ta­ge auf­zu­run­den.“

Aus die­sen Vor­schrif­ten folgt, dass Ar­beit­neh­mer bei ei­nem zwei­mo­na­ti­gen Ar­beits­verhält­nis eben "nur“ 3,33 Ur­laubs­ta­ge ha­ben. Dem­ge­genüber beträgt der Teil­ur­laub bei ei­nem vier­mo­na­ti­gen Ar­beits­verhält­nis rech­ne­risch (20 ./. 12 x 4 =) 6,66 Ur­laubs­ta­ge und ist so­dann gemäß § 5 Abs.2 BUrlG auf sie­ben Ur­laubs­ta­ge auf­zu­run­den.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat im Jah­re 2018 klar­ge­stellt, dass Bruch­tei­le von Ur­laubs­ta­gen im All­ge­mei­nen we­der auf- noch ab­zu­run­den sind (BAG, Ur­teil vom 23.01.2018, 9 AZR 200/17).

Er­gibt sich z.B. ein Teil­ur­laubs­an­spruch von mehr als ei­nem hal­ben Ur­laubs­tag aus ei­ner ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lung, d.h. nicht aus § 5 Abs.1 BUrlG, ist kei­ne Auf­run­dung vor­zu­neh­men, denn die Auf­run­dungs­vor­schrift des § 5 Abs.2 BUrlG gilt nur für die Teil­ur­laubs-Fälle des § 5 Abs.1 BUrlG. An­de­rer­seits ist aber auch kei­ne Ab­run­dung vor­zu­neh­men, wenn sich dies nicht aus ge­setz­li­chen, ta­rif­li­chen oder ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen er­gibt, so das BAG.

Da­mit ist die Fra­ge nicht ent­schie­den, ob Ar­beit­neh­mer mögli­cher­wei­se ei­nen all­ge­mei­nen An­spruch auf hal­be Ur­laubs­ta­ge (oder auf an­de­re Bruch­tei­le von Ur­laus­ta­gen) ha­ben, d.h. ge­ne­rell hal­be Ta­ge oder an­de­re Bruch­tei­le von Ur­laubs­ta­gen ver­lan­gen können, falls sie dies wünschen.

Ge­gen ei­nen sol­chen An­spruch spricht al­ler­dings § 7 Abs.2 Satz 1 BUrlG. Er schreibt vor:

„Der Ur­laub ist zu­sam­menhängend zu gewähren, es sei denn, dass drin­gen­de be­trieb­li­che oder in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­de Gründe ei­ne Tei­lung des Ur­laubs er­for­der­lich ma­chen. Kann der Ur­laub aus die­sen Gründen nicht zu­sam­menhängend gewährt wer­den, und hat der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf Ur­laub von mehr als zwölf Werk­ta­gen, so muss ei­ner der Ur­laubs­tei­le min­des­tens zwölf auf­ein­an­der­fol­gen­de Werk­ta­ge um­fas­sen.“

Die zu­sam­menhängen­de Ur­laubser­tei­lung soll si­cher­stel­len, dass sich der Ar­beit­neh­mer er­holt. Die­sem Zweck (Er­ho­lung) dient nämlich der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch. Da­her sieht § 9 BUrlG auch vor, dass bei ei­ner Er­kran­kung während des Ur­laubs die Krank­heits­ta­ge nicht auf den Ur­laub an­zu­rech­nen sind. Denn wer krank ist, muss erst ein­mal wie­der ge­sund wer­den, um sich er­ho­len zu können.

Vor die­sem Hin­ter­grund hat das BAG be­reits in ei­nem Ur­teil aus den 60er Jah­ren ent­schie­den, dass ei­ne Stücke­lung des Er­ho­lungs­ur­laubs in Halb­ta­ges- und Ein­zel­stun­den­tei­le gemäß § 7 Abs.2 BUrlG un­zulässig ist, „da da­mit Sinn und Zweck des dem Ar­beit­neh­mer un­ab­ding­bar zu­ste­hen­den Er­ho­lungs­ur­laubs völlig ver­fehlt wer­den“ (BAG, Ur­teil vom 29.07.1965, 5 AZR 380/64). Die­se An­sicht wird auch heu­te noch über­wie­gend in den Kom­men­ta­ren zum BUrlG ver­tre­ten.

Die Ge­gen­mei­nung fin­det sich in ei­nem Ur­teil des LAG Ham­burg. Laut LAG Ham­burg können Ar­beit­neh­mer all­ge­mein, d.h. oh­ne Ein­schränkun­gen, hal­be Ur­laubs­ta­ge ver­lan­gen, so­lan­ge nur gewähr­leis­tet ist, dass (gemäß § 7 Abs.2 Satz 2 BUrlG) min­des­tens zwölf Werk­ta­ge bzw. zwei Wo­chen des Jah­res­ur­laubs zu­sam­menhängend gewährt wer­den (LAG Ham­burg, Ur­teil vom 21.09.2015,8 Sa 46/14). Ob das BAG auch heu­te noch hin­ter sei­nem Ur­teil aus dem Jah­re 1965 ste­hen würde, ist nicht si­cher.

Im Streit: Frei­zeit-Win­zer ver­langt hal­be Ur­laubs­ta­ge zur Ar­beit in sei­nem Wein­berg

In dem Heil­bron­ner Streit­fall ar­bei­te­te ein langjährig beschäftig­ter ge­werb­li­cher Ar­beit­neh­mer ne­ben­her in sei­ner Frei­zeit als Win­zer. Je nach Wit­te­rung woll­te er früher als gewöhn­lich den Be­trieb ver­las­sen, um nach­mit­tags nach sei­nen Rebstöcken zu se­hen, und hat­te zu die­sem Zweck in den zurück­lie­gen­den Jah­ren auch hal­be Ur­laubs­ta­ge er­hal­ten.

Nach­dem der Ar­beit­ge­ber die­se Halb­ta­ges-Wirt­schaft nicht mehr fort­set­zen woll­te, zog der Hob­by-Win­zer vor das Ar­beits­ge­richt Heil­bronn, um den von ihm be­haup­te­ten An­spruch auf hal­be Ur­laubs­ta­ge ge­richt­lich durch­zu­set­zen. Da­mit hat­te er in der ers­ten In­stanz kei­nen Er­folg (Ar­beits­ge­richt Heil­bronn, Ur­teil vom 31.10.2018, 4 Ca 192/18).

LAG Ba­den-Würt­tem­berg: Kein An­spruch auf hal­be Ur­laubs­ta­ge

Auch das LAG Ba­den-Würt­tem­berg ent­schied ge­gen den Ar­beit­neh­mer. Laut LAG be­steht kein An­spruch auf hal­be Ur­laubs­ta­ge.

Zur Be­gründung ver­weist das Ge­richt auf § 7 Abs.2 BUrlG. Ei­nem Ur­laubs­an­trag, der „auf ei­ne Zerstücke­lung und Ato­mi­sie­rung des Ur­laubs in Klein­stra­ten ge­rich­tet ist“, muss der Ar­beit­ge­ber nicht statt­ge­ben. Mehr noch: Ei­ne sol­che Ur­laubs­gewährung würde die Ur­laubs­ansprüche des Ar­beit­neh­mers nicht ein­mal erfüllen. Ei­ne halbtägig oder stun­den­wei­se gewähr­te „Be­ur­lau­bung“ hätte da­her kei­ne Aus­wir­kun­gen auf das Ur­laubs­kon­to.

Al­ler­dings ist das LAG der Mei­nung, dass die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en von die­sen Be­schränkun­gen im Be­reich des ver­trag­li­chen Mehr­ur­laubs ab­wei­chen können. Das be­trifft die Ur­laubs­ta­ge, die den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub von vier Wo­chen bzw. 20 Ta­gen (bei ei­ner Fünf-Ta­ge-Wo­che) über­stei­gen.

Fa­zit: So­lan­ge das BAG nicht (er­neut) über die Zulässig­keit von ge­teil­ten Ur­laubs­ta­gen ent­schei­det, ist Per­so­nal­ver­ant­wort­li­chen im All­ge­mei­nen da­von ab­zu­ra­ten, hal­be Ur­laubs­ta­ge zu gewähren, es sei denn, dass sich die­se Be­ur­lau­bung auf den ar­beits­ver­trag­li­chen Mehr­ur­laub be­zieht.

Auch ei­ne sol­che Vor­ge­hens­wei­se setzt aber ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Re­ge­lung vor­aus, die klar zwi­schen ge­setz­li­chem Ur­laub und ar­beits­ver­trag­li­chem Mehr­ur­laub un­ter­schei­det, und die darüber hin­aus die Möglich­keit vor­sieht, dass Ar­beit­neh­mer hal­be Mehr­ur­laubs-Ta­ge neh­men können.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 28. September 2021

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 3.5 von 5 Sternen (3 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de