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BAG, Ur­teil vom 23.05.2013, 2 AZR 54/12

   
Schlagworte: Kündigungsschutz
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 54/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 23.05.2013
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Leipzig, Urteil vom 26.01.2011 - 4 Ca 2050/10
Landesarbeitsgericht Sachsen, Urteil vom 18.11.2011 - 3 Sa 157/11
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

2 AZR 54/12
3 Sa 157/11
Säch­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
23. Mai 2013

UR­TEIL

Schmidt, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 23. Mai 2013 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Kreft, die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ar­beits­ge­richt Ber­ger und Dr. Rinck so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Be­cker­le und Fal­ke für Recht er­kannt:

 

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1. Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Säch­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 18. No­vem­ber 2011 - 3 Sa 157/11 - im Kos­ten­punkt und in­so­weit auf-ge­ho­ben, wie es der Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Leip­zig vom 26. Ja­nu­ar 2011 - 4 Ca 2050/10 - statt­ge­ge­ben hat.

2. Im Um­fang der Auf­he­bung wird die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung, auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on, an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten - noch - über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Kündi­gung.

Die Kläge­rin ist aus­ge­bil­de­te kar­to­gra­phi­sche Zeich­ne­rin und In­ge­nieu­rin für Kar­to­gra­phie und Geodäsie. Sie war bei der Be­klag­ten - un­ter An­rech­nung von Vor­beschäfti­gungs­zei­ten - seit dem 1. Sep­tem­ber 1966 als Grup­pen­lei­te­rin, Ste­reo­aus­wer­te­rin und Fach­ex­per­tin für pho­to­gram­me­tri­sche Spe­zi­al­aus­wer­tun­gen tätig. Geschäftsführer der Be­klag­ten ist seit dem 1. Fe­bru­ar 1999 D (se­ni­or).

Am 30. Ok­to­ber 2000 schlos­sen die Par­tei­en mit Wir­kung zum 31. Ok­to­ber 2000 ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag. Zu­gleich un­ter­zeich­ne­te die Kläge­rin ei­nen neu­en An­stel­lungs­ver­trag, der als Ar­beits­be­ginn den 1. No­vem­ber 2000 und als Tätig­keit die ei­ner „Fach­ex­per­tin für Pho­to­gram­me­trie“ vor­sah. Als Ar­beit­ge­be­rin war die „Fir­ma D“, ei­ne dem Sohn des Geschäftsführers der Be­klag­ten gehören­de Ein­zel­fir­ma, auf­geführt. Der neue Ver­trag wur­de auf Geschäfts­pa­pier der Be­klag­ten aus­ge­fer­tigt und von de­ren Geschäftsführer mit dem Zu­satz „i. V.“ un­ter­zeich­net. Laut Nr. 1 des Ver­trags „gilt [als Ein­stel­lungs­da­tum] der 01.09.1966“. In der Fol­ge­zeit be­ar­bei­te­te die Kläge­rin - in Zu­sam-

 

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men­ar­beit mit ih­ren bis­he­ri­gen Ar­beits­kol­le­gen - am sel­ben Ar­beits­platz und mit den­sel­ben Ar­beits­mit­teln wie zu­vor Auf­träge der Be­klag­ten. Der Geschäftsführer der Be­klag­ten war - an­ders als sein Sohn - in den Geschäftsräum­en präsent und er­teil­te so­wohl der Kläge­rin als auch den übri­gen Mit­ar­bei­tern An­wei­sun­gen.

Am 31. März 2005 wur­de das mit der „Fir­ma D“ be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis mit so­for­ti­ger Wir­kung auf­ge­ho­ben. Zu­vor hat­te die Kläge­rin ei­nen Ar­beits­ver­trag mit der g Geo­da­ten­ser­vice, In­for­ma­ti­ons­sys­te­me und Neue Me­di­en GmbH (im Fol­gen­den: g GmbH) für ei­ne Beschäfti­gung be­gin­nend ab dem 1. April 2005 un­ter­zeich­net. Ei­ner der Ge­sell­schaf­ter der g GmbH war der Geschäftsführer der Be­klag­ten; ihr Geschäftsführer war des­sen Sohn. Die Tätig­keit der Kläge­rin und die tatsächli­chen Umstände, un­ter de­nen sie ih­re Ar­beits­leis­tung zu er­brin­gen hat­te, blie­ben wei­ter­hin un­verändert. Im Zu­sam­men­hang mit der neu­er­li­chen Ver­tragsände­rung war der Kläge­rin ei­ne Wie­der­an­stel­lung bei der Be­klag­ten in Aus­sicht ge­stellt wor­den. Im Vor­griff hier­auf un­ter­zeich­ne­ten die Par­tei­en ei­nen un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag für die Zeit ab dem 1. Au­gust 2005. Im Ju­li 2005 erklärte der Geschäftsführer der Be­klag­ten dem­ge­genüber, ein Wech­sel von Mit­ar­bei­tern sei „ak­tu­ell ungüns­tig“.

Ih­re Vergütung be­zog die Kläge­rin über den Mo­nat Au­gust 2005 hin­aus von der g GmbH. Die­se kündig­te das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 25. Ok­to­ber 2005 or­dent­lich zum 30. No­vem­ber 2005. Zu­vor hat­te der Geschäftsführer der Be­klag­ten ge­genüber der Kläge­rin erklärt, die Kündi­gung sei aus „fir­men­in­ter­nen Gründen“ ge­bo­ten; er wol­le sie als Ar­beits­kraft je­doch nicht ver­lie­ren. Ent­spre­chen­de Erklärun­gen hat­te er auch mit Blick auf die zwi­schen der Kläge­rin und sei­nem Sohn bzw. der g GmbH ge­schlos­se­nen Ar­beits­verträge und da­mit ein­her­ge­hen­de Auf­he­bungs­verträge ab­ge­ge­ben. Dem­ent­spre­chend hat­ten die Par­tei­en schon vor dem 25. Ok­to­ber 2005 ei­nen auf den 1. Fe­bru­ar 2006 vor­da­tier­ten Ar­beits­ver­trag über ei­ne un­be­fris­te­te Voll­zeit­beschäfti­gung der Kläge­rin bei der Be­klag­ten mit Be­ginn ab März 2006 ge­schlos­sen. Außer­dem schlos­sen die Par­tei­en zwei be­fris­te­te Ar­beits­verträge, die ei­ne ge­ringfügi­ge Beschäfti­gung der Kläge­rin zum Ge­gen­stand hat­ten, ein­mal für die Mo­na­te De­zem­ber 2005 und Ja­nu­ar 2006, und das an­de­re Mal für den Mo­nat

 

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Fe­bru­ar 2006. Re­ge­lun­gen be­tref­fend die An­er­ken­nung von Vor­beschäfti­gungs­zei­ten sind in die­sen Verträgen - eben­so we­nig wie im Ar­beits­ver­trag mit der g GmbH - nicht ent­hal­ten.

Ge­gen die Kündi­gung vom 25. Ok­to­ber 2005 er­hob die Kläge­rin kei­ne Kla­ge. Seit dem 1. De­zem­ber 2005 ar­bei­te­te sie als „Fach­ex­per­tin für Pho­to­gram­me­trie“ wie­der für die Be­klag­te. Ei­ne Aus­nah­me bil­de­ten die Ta­ge vom 1. bis 19. März 2006. In die­ser Zeit nahm die Kläge­rin in Ab­stim­mung mit der Be­klag­ten an ei­ner von der Agen­tur für Ar­beit geförder­ten Wei­ter­bil­dungs­maßnah­me teil. Der schrift­li­che Ar­beits­ver­trag be­tref­fend die Voll­zeit­beschäfti­gung ab März 2006 wur­de ent­spre­chend an­ge­passt.

Im Au­gust 2006 und im Ja­nu­ar 2007 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis je­weils or­dent­lich. Die Kündi­gung vom Ja­nu­ar 2007 ver­band sie mit dem An­ge­bot ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung zu geänder­ten Be­din­gun­gen. Nach-dem die Kläge­rin ge­gen bei­de Kündi­gun­gen er­folg­reich Kla­ge er­ho­ben hat­te, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis am 28. No­vem­ber 2008 er­neut or­dent­lich. Am 11. März 2010 gab das Lan­des­ar­beits­ge­richt der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Kla­ge we­gen So­zi­al­wid­rig­keit der Kündi­gung statt; das vollständig ab­ge­fass­te - in­zwi­schen rechts­kräfti­ge - Ur­teil wur­de der Kläge­rin am 1. April 2010 zu­ge­stellt.

Die Kläge­rin war mitt­ler­wei­le ein Ar­beits­verhält­nis mit ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber ein­ge­gan­gen. Mit Schrei­ben vom 16. März 2010 for­der­te die Be­klag­te sie auf, die Ar­beit bei ihr am 22. März 2010 wie­der auf­zu­neh­men. Zu-gleich teil­te sie mit, der Ar­beits­ein­satz wer­de im ver­mes­sungs­tech­ni­schen Außen­dienst er­fol­gen. Am 6. April 2010 ver­lang­te sie von der Kläge­rin, ei­ne Erklärung gemäß § 12 KSchG ab­zu­ge­ben oder die für das an­de­re Ar­beits­verhält­nis maßge­ben­de Kündi­gungs­frist be­kannt zu ge­ben. Nach­dem die Kläge­rin die­se Schrei­ben und ei­ne wei­te­re Ar­beits­auf­for­de­rung vom 12. Mai 2010 un­be­ant­wor­tet ge­las­sen hat­te, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit Schrei­ben vom 17. Mai 2010 „frist­los, hilfs­wei­se or­dent­lich zum nächst zulässi­gen Ter­min“. Zu die­ser Zeit wa­ren in ih­rem Be­trieb ne­ben der Kläge­rin re­gel-

 

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mäßig wei­te­re acht Ar­beit­neh­mer beschäftigt, dar­un­ter min­des­tens drei, de­ren Ar­beits­verhält­nis be­reits vor dem 1. Ja­nu­ar 2004 be­gon­nen hat­te.

Die Kläge­rin hat mit ih­rer recht­zei­tig er­ho­be­nen Kla­ge gel­tend ge­macht, die Kündi­gun­gen vom 17. Mai 2010 sei­en un­wirk­sam. Ein wich­ti­ger Grund lie­ge nicht vor. Die or­dent­li­che Kündi­gung sei so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt. Ihr ste­he als „Alt-Ar­beit­neh­me­rin“ der all­ge­mei­ne Kündi­gungs­schutz nach dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz zu. Die Ar­beits­verhält­nis­se mit der Be­klag­ten, der Ein­zel­fir­ma „D“ und der g GmbH stell­ten ei­ne Ein­heit dar. Den Ar­beit­ge­ber­wech­seln lie­ge je­weils ein Be­triebsüber­gang iSd. § 613a BGB zu­grun­de. Dar­aus fol­ge, dass von ei­nem Ar­beits­be­ginn bei der Be­klag­ten schon vor dem 1. Ja­nu­ar 2004 aus­zu­ge­hen sei. Die Kläge­rin hat be­haup­tet, im Be­trieb der Be­klag­ten sei­en im Kündi­gungs­zeit­punkt wei­te­re fünf, ins­ge­samt al­so neun „Alt-Ar­beit­neh­mer“ beschäftigt ge­we­sen. Im Übri­gen hat sie ge­meint, selbst bei Nicht­gel­tung des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes sei die or­dent­li­che Kündi­gung un­wirk­sam; sie sei treu­wid­rig.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt 

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en we­der durch die frist­lo­se Kündi­gung vom 17. Mai 2010, noch durch die hilfs­wei­se erklärte or­dent­li­che Kündi­gung auf­gelöst wor­den ist;

2. im Fal­le ih­res Ob­sie­gens die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, sie bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen als Fach­ex­per­tin für Pho­to­gram­me­trie wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Kündi­gun­gen sei­en wirk­sam. Die Kläge­rin ha­be im An­schluss an die ge­richt­li­che Ent­schei­dung vom 11. März 2010 die ihr zu­ge­wie­se­ne Ar­beit im ver­mes­sungs­tech­ni­schen Dienst grund­los und be­harr­lich ver­wei­gert. Das stütze zu­min­dest die or­dent­li­che Kündi­gung, die kei­ner Über­prüfung auf ih­re so­zia­le Recht­fer­ti­gung un­ter­lie­ge. Bei ih­rem Be­trieb ha­be es sich im Kündi­gungs­zeit­punkt um ei­nen „Klein­be­trieb“ iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG ge­han­delt. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Maßgeb­lich­keit des Schwel­len­werts in

 

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§ 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG lägen nicht vor. Die or­dent­li­che Kündi­gung ver­s­toße nicht ge­gen Treu und Glau­ben. Sie be­ru­he auf sach­li­chen Erwägun­gen.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Kla­ge hin­sicht­lich der or­dent­li­chen Kündi­gung ab­ge­wie­sen. Im Übri­gen hat es die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on be­gehrt die Kläge­rin, die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung in vol­lem Um­fang wie­der­her­zu­stel­len.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist be­gründet. Es lässt sich noch nicht ab­sch­ließend be­ur­tei­len, ob das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die or­dent­li­che Kündi­gung vom 17. Mai 2010 auf­gelöst wor­den ist. Mit der von ihm ge­ge­be­nen Be­gründung durf­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht an­neh­men, die Kündi­gung ha­be ei­ner so­zia­len Recht­fer­ti­gung gemäß § 1 KSchG nicht be­durft. Es steht noch nicht fest, dass es sich bei dem Be­trieb der Be­klag­ten im Kündi­gungs­zeit­punkt um ei­nen Klein­be­trieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG ge­han­delt hat (I). Dies führt im Um­fang der An­fech­tung zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Lan­des­ar­beits­ge­richt (II). Auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen kann nicht be­ur­teilt wer­den, ob der Ers­te Ab­schnitt des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes An­wen­dung fin­det (1). Des­sen Gel­tung kann nicht da­hin­ste­hen (2).

I. Streit­ge­gen­stand im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ist nur­mehr die Wirk­sam­keit der hilfs­wei­se erklärten or­dent­li­chen Kündi­gung vom 17. Mai 2010. Die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die Kündi­gung ha­be ei­ner so­zia­len Recht­fer­ti­gung nicht be­durft, weil die be­trieb­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die An­wend­bar­keit des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes nicht erfüllt sei­en, ist nicht frei von Rechts­feh­lern.

 

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1. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt der Ers­te Ab­schnitt des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes bis auf we­ni­ge Re­ge­lun­gen nicht in Be­trie­ben mit in der Re­gel fünf oder we­ni­ger beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern nach der Zähl­wei­se des § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG. Dies ent­spricht der Rechts­la­ge vor dem 1. Ja­nu­ar 2004 (In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zu Re­for­men am Ar­beits­markt vom 24. De­zem­ber 2003, BGBl. I, S. 3002). Mit Über­schrei­ten des Schwel­len­werts fin­det da­ge­gen grundsätz­lich ua. § 1 KSchG An­wen­dung.

2. § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 KSchG schränkt die­se Rechts­fol­ge ein: Nur wenn der Schwel­len­wert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nach wie vor des­halb über­schrit­ten ist, weil die er­for­der­li­che An­zahl von Ar­beit­neh­mern schon vor dem 1. Ja­nu­ar 2004 beschäftigt war („Alt-Ar­beit­neh­mer”), ist der An­wen­dungs­be­reich des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes - für die­se - eröff­net. Ar­beit­neh­mer, die ih­re Beschäfti­gung erst nach dem 31. De­zem­ber 2003 auf­ge­nom­men ha­ben, können sich da­ge­gen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 KSchG auf die Be­stim­mun­gen des Ers­ten Ab­schnitts des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes nur und erst dann be­ru­fen, wenn im Be­trieb in der Re­gel mehr als zehn Ar­beit­neh­mer beschäftigt sind (BAG 23. Ok­to­ber 2008 - 2 AZR 131/07 - Rn. 21 ff.; 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 14, 15, BA­GE 119, 343).

3. Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts wa­ren im Be­trieb der Be­klag­ten zu­letzt ins­ge­samt nicht mehr als zehn Ar­beit­neh­mer beschäftigt. Die Kläge­rin kann sich auf den all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schutz des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes folg­lich nur be­ru­fen, wenn im Kündi­gungs­zeit­punkt im Be­trieb der Be­klag­ten - ein­sch­ließlich ih­rer selbst - noch mehr als fünf „Alt-Ar­beit­neh­mer“ iSv. § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 KSchG beschäftigt wa­ren.

4. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die­se Vor­aus­set­zun­gen lägen schon des­halb nicht vor, weil das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en zum 1. De­zem­ber 2005 neu be­gründet wor­den sei. Die vor­aus­ge­gan­ge­ne Kündi­gung durch die g GmbH gel­te, weil die Kläge­rin ge­gen sie nicht ge­klagt ha­be, gemäß § 7 KSchG als wirk­sam. We­gen der da­mit ein­her­ge­hen­den recht­li­chen Un­ter­bre­chung schei­de die An­rech­nung von Vor­beschäfti­gungs­zei­ten aus. Da-

 

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rauf, ob die er­folg­ten Ar­beit­ge­ber­wech­sel auf ei­nem Be­triebsüber­gang (§ 613a BGB) be­ruht hätten, kom­me es nicht an.

5. Die­se Ausführun­gen hal­ten ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nicht stand. Die Re­ge­lun­gen in § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG schließen es bei un­un­ter­bro­che­ner Ein­glie­de­rung des Ar­beit­neh­mers in den Be­trieb nicht aus, meh­re­re auf­ein­an­der­fol­gen­de Ar­beits­verhält­nis­se so­wohl zum sel­ben als auch zu ver­schie­de­nen Ar­beit­ge­bern als Ein­heit an­zu­se­hen und für den Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 KSchG auf ein vor­an­ge­gan­ge­nes Ver­trags­verhält­nis ab­zu­stel­len.

a) Mit Blick auf die War­te­zeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist von ei­nem „un­un­ter­bro­che­nen“ Ar­beits­verhält­nis auch dann aus­zu­ge­hen, wenn in­ner­halb des Sechs­mo­nats­zeit­raums zwar zwei oder mehr Ar­beits­verhält­nis­se lie­gen, die­se aber oh­ne zeit­li­che Un­ter­bre­chung un­mit­tel­bar auf­ein­an­der­fol­gen. Selbst in Fällen, in de­nen es an ei­ner naht­lo­sen Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses fehlt, kann die recht­li­che Un­ter­bre­chung unschädlich sein, wenn die Dau­er der tatsächli­chen Un­ter­bre­chung verhält­nismäßig kurz ist und zwi­schen den auf­ein­an­der­fol­gen­den Ar­beits­verhält­nis­sen ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­steht (bspw. BAG 7. Ju­li 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 19, 29; grund­le­gend: 23. Sep­tem­ber 1976 - 2 AZR 309/75 - zu I 2 der Gründe, BA­GE 28, 176).

b) Im Schrift­tum - so­weit es sich mit der Fra­ge be­fasst - wird an­ge­nom­men, die­se Grundsätze sei­en auf die Re­ge­lung des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG zu über­tra­gen (vgl. Münch­KommBGB/Her­genröder 6. Aufl. § 23 KSchG Rn. 19; KDZ-KSchR/Dei­nert 8. Aufl. § 23 Rn. 40; Ben­der/Schmidt NZA 2004, 358, 359; Ha­nau ZIP 2004, 1169, 1179; Kock MDR 2007, 1109). Dies trifft zu. Der Be­ginn des ak­tu­el­len Ar­beits­verhält­nis­ses iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG liegt in Fällen ei­ner recht­li­chen Un­ter­bre­chung am Be­ginn ei­nes vor­an­ge­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses, wenn die tatsächli­che Beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers im Be­trieb oh­ne re­le­van­te Zäsur ge­blie­ben und dort so­wohl vor als auch nach der Un­ter­bre­chung die er­for­der­li­che An­zahl von „Alt-Ar­beit­neh­mern“ beschäftigt ist. Das gilt auch dann, wenn die Un­ter­bre­chung mit ei­nem Wech­sel des Ar­beit­ge­bers ein­her­geht, so­fern die Iden­tität des „vir­tu­el­len Alt­be­triebs“ (BT-Drucks. 15/1204

 

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S. 14) und die Zu­gehörig­keit des Ar­beit­neh­mers zu die­sem Be­trieb ge­wahrt ge­blie­ben sind. Die­ses Verständ­nis ist vom Wort­laut der Vor­schrift ge­deckt und nach Sinn und Zweck des Ge­set­zes ge­bo­ten. Das Ge­setz will den zum „vir­tu­el­len Alt­be­trieb“ gehören­den Ar­beit­neh­mern den Kündi­gungs­schutz er­hal­ten, so­lan­ge der Per­so­nal­be­stand des „Alt­be­triebs“ dafür aus­rei­chend groß bleibt.

aa) § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG stellt auf das „Ar­beits­verhält­nis“ und des­sen Be­ginn ab. Der Wort­laut des Ge­set­zes lässt es zwang­los zu, bei der Be­ur­tei­lung, wann das Ar­beits­verhält­nis, das die Zu­gehörig­keit zum Be­trieb ver­mit­telt, „be­gon­nen hat“, recht­li­che Un­ter­bre­chun­gen außer Acht zu las­sen und vor­an-ge­gan­ge­ne Ver­trags­be­zie­hun­gen mit in den Blick zu neh­men. Selbst das Er­for­der­nis ei­nes „un­un­ter­bro­che­nen“ Ar­beits­verhält­nis­ses in § 1 Abs. 1 KSchG steht ei­ner sol­chen An­nah­me nicht ent­ge­gen (BAG 23. Sep­tem­ber 1976 - 2 AZR 309/75 - zu I 2 b der Gründe, BA­GE 28, 176).

bb) Die Re­ge­lun­gen in § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG sol­len für die schon am 31. De­zem­ber 2003 im Be­trieb beschäftig­ten „Alt-Ar­beit­neh­mer“ ei­nen ggf. un­be­fris­te­ten Be­stands­schutz gewähr­leis­ten. Für sie soll der Kündi­gungs­schutz nach dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz so lan­ge er­hal­ten blei­ben, wie ih­re An­zahl nicht auf fünf oder we­ni­ger ab­sinkt (BAG 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 17 ff., BA­GE 119, 343). Der vom Ge­setz be­zweck­te Be­stands­schutz wäre deut­lich ab­ge­schwächt, wenn recht­li­che Un­ter­bre­chun­gen un­abhängig von ih­rem An­lass und un­ge­ach­tet ei­ner durch­ge­hen­den Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers im Be­trieb ge­eig­net wären, des­sen Zu­gehörig­keit zum „vir­tu­el­len Alt­be­trieb“ auf­zu­he­ben. Für ei­nen ent­spre­chen­den Wil­len des Ge­setz­ge­bers gibt es kei­nen An­halts­punkt. Ei­ne sol­che In­ten­ti­on folgt ins­be­son­de­re nicht aus dem beschäfti­gungsfördern­den Zweck der Re­ge­lung des § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 KSchG. Mit der An­he­bung des Schwel­len­werts für die Gel­tung des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes soll­ten Ar­beit­ge­ber von mögli­chen Ein­stel­lungs­hemm­nis­sen bis zur Gren­ze von zehn Ar­beit­neh­mern be­freit wer­den. Der Ge­setz­ge­ber ging da­von aus, auf die­se Wei­se die Ent­schei­dung zur Schaf­fung neu­er Ar­beitsplätze zu er­leich­tern (vgl. schon BT-Drucks. 15/1204 S. 1, 2, 13). Um ei­ne in die­sem Sin­ne beschäfti­gungsfördern­de Maßnah­me

 

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han­delt es sich aber nicht, wenn ein vor dem 1. Ja­nu­ar 2004 be­gründe­tes Ar­beits­verhält­nis später zwar recht­lich auf­gelöst wird, sich ein neu­es Ar­beits­verhält­nis der­sel­ben Par­tei­en aber oh­ne (re­le­van­te) Un­ter­bre­chungs­zeit an­sch­ließt. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass Er­satz­ein­stel­lun­gen für aus­ge­schie­de­ne „Alt-Ar­beit­neh­mer“ ei­ne Wei­ter­gel­tung des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes nach § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG nicht be­wir­ken können (vgl. da­zu BAG 5. No­vem­ber 2009 - 2 AZR 383/08 - Rn. 16 mwN; grund­le­gend: BAG 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 18 ff., BA­GE 119, 343). Da nur „Alt-Ar­beit­neh­mer“ ei­nen am 31. De­zem­ber 2003 be­ste­hen­den Kündi­gungs­schutz be­hal­ten sol­len, zählen für den Schwel­len­wert in § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nur die Ar­beit­neh­mer, die die­sen eben­falls ge­nießen (BAG 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 41, aaO). Bei der Neu­be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit ei­nem Ar­beit­neh­mer, der be­reits am 31. De­zem­ber 2003 dem Be­trieb an­gehörte und in die­sem so­wohl vor als auch nach der recht­li­chen Un­ter­bre­chung kon­ti­nu­ier­lich wei­sungs­abhängig tätig war, han­delt es sich nicht um ei­ne Er­satz­ein­stel­lung. Der Ar­beit­neh­mer gehörte viel­mehr durch­weg zum Kreis der „Alt-Ar­beit­neh­mer“ des Be­triebs.

cc) Für ei­nen Rück­be­zug des Be­ginns des Ar­beits­verhält­nis­ses trotz recht­li­cher Un­ter­bre­chung spre­chen über­dies sys­te­ma­ti­sche Erwägun­gen. Der durch § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG gewähr­leis­te­te Be­stands­schutz knüpft wie § 1 Abs. 1 KSchG an das in­di­vi­du­el­le Ar­beits­verhält­nis der dem „Alt­be­trieb“ an¬gehören­den Ar­beit­neh­mer an. Ist der Ar­beit­ge­ber durch­weg der­sel­be ge­blie­ben, ist ein nach­voll­zieh­ba­rer Grund, wes­halb ein Ar­beit­neh­mer zwar die War­te­zeit des § 1 Abs. 1 KSchG durch Zu­sam­men­rech­nung sich an­ein­an­der­rei­hen­der Ar­beits­verträge soll erfüllen können, bei ei­nem for­ma­len Neu­be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses aber die Zu­gehörig­keit zum „vir­tu­el­len Alt­be­trieb“ zwin­gend zu ver­nei­nen sein soll, nicht zu er­ken­nen (so auch Ben­der/Schmidt NZA 2004, 358, 359).

 

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dd) Die Berück­sich­ti­gung ei­ner Vor­beschäfti­gung im Rah­men von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG ist nach Maßga­be der ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen auch dann möglich, wenn die recht­li­che Un­ter­bre­chung des Ar­beits­verhält­nis­ses im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Ar­beit­ge­ber­wech­sel steht.

(1) Im Rah­men von § 1 Abs. 1 KSchG sind auch sol­che Beschäfti­gungs­zei­ten zu berück­sich­ti­gen, die der Ar­beit­neh­mer vor ei­nem Be­triebsüber­gang nach § 613a BGB beim Be­triebs­veräußerer zurück­ge­legt hat. Hat der Veräußerer das Ar­beits­verhält­nis gekündigt, hat der Ar­beit­neh­mer da­ge­gen nicht ge­klagt und wur­de er gleich­wohl vom Er­wer­ber über­nom­men, hin­dert dies die An­rech­nung der be­tref­fen­den Zei­ten nicht, wenn sich die Beschäfti­gung beim Er­wer­ber naht­los an­sch­ließt oder die recht­li­che Un­ter­bre­chung we­gen ei­nes en­gen sach­li­chen Zu­sam­men­hangs der Ar­beits­verhält­nis­se un­be­acht­lich ist (BAG 27. Ju­ni 2002 - 2 AZR 270/01 - zu B der Gründe, BA­GE 102, 58).

(2) Für die Be­ur­tei­lung, wann ein Ar­beits­verhält­nis iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG „be­gon­nen“ hat, kann nichts an­de­res gel­ten. Der durch § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG gewähr­leis­te­te Be­stands­schutz ist an „das Ar­beits­verhält­nis“ als sol­ches und da­mit an die kon­ti­nu­ier­li­che Beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers im „vir­tu­el­len Alt­be­trieb“ ge­knüpft. Die Per­son des Ver­trags­ar­beit­ge­bers ist un­be­acht­lich. In Fällen ei­nes Be­triebsüber­gangs ent­spricht die Berück­sich­ti­gung von Vor­beschäfti­gungs­zei­ten im Rah­men von § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG über­dies dem Schutz­zweck von § 613a BGB und Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23/EG (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16). Der Ent­schei­dung des Ach­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 15. Fe­bru­ar 2007 (- 8 AZR 397/06 - Rn. 15 ff., BA­GE 121, 273) ist nichts Ge­gen­tei­li­ges zu ent­neh­men. Da­nach han­delt es sich bei dem durch die Ar­beit­neh­mer­zahl gemäß § 23 Abs. 1 KSchG ver­mit­tel­ten Schutz nach dem Ers­ten Ab­schnitt des Ge­set­zes zwar nicht um ein „Recht“ iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Dau­er ei­ner beim Be­triebs­veräußerer zurück­ge­leg­ten Beschäfti­gungs­zeit zählt aber zu den „Rech­ten und Pflich­ten“ iSd. § 613a Abs. 1 BGB, in die der Be­triebs­er­wer­ber ein­tritt (BAG 15. Fe­bru­ar 2007 - 8 AZR 397/06 - Rn. 18 ff., aaO).

 

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(3) Der Rück­be­zug des Be­ginns des Ar­beits­verhält­nis­ses auf ei­nen vor der recht­li­chen Un­ter­bre­chung lie­gen­den Zeit­punkt kommt im Fall ei­nes Ar­beit­ge­ber­wech­sels auch dann in Be­tracht, wenn zwar kein Be­triebsüber­gang vor­liegt, der neue und der al­te Ver­trags­ar­beit­ge­ber den frag­li­chen Be­trieb aber ge­mein­sam führen oder zu­min­dest vor der Un­ter­bre­chung ge­mein­sam geführt ha­ben. Zwar ist der Kündi­gungs­schutz nach dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz nicht un­ter­neh­mens-, dh. ar­beit­ge­berüberg­rei­fend aus­ge­stal­tet. Ei­ne Aus­nah­me hier­von bil­den aber Fälle, in de­nen zwei oder meh­re­re Un­ter­neh­men die ge­mein­sa­me Führung ei­nes Be­triebs ver­ein­bart ha­ben, so dass der Kern der Ar­beit­ge­ber­funk­tio­nen im so­zia­len und per­so­nel­len Be­reich un­ter­neh­mensüberg­rei­fend von der­sel­ben in­sti­tu­tio­nel­len Lei­tung aus­geübt wird (BAG 16. Ja­nu­ar 2003 - 2 AZR 609/01 - zu B I 2 a der Gründe). Liegt ein ge­mein­sa­mer Be­trieb vor, sind die von den be­tei­lig­ten Un­ter­neh­men beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer bei der Er­mitt­lung der nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG maßge­ben­den Ar­beit­neh­mer­zahl zu­sam­men­zu­rech­nen (vgl. BAG 9. Ok­to­ber 1997 - 2 AZR 64/97 - zu II 2 der Gründe, BA­GE 86, 374). Dies kann auch im Rah­men von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG Be­deu­tung ge­win­nen. Fin­det nach dem 31. De­zem­ber 2003 zwar ein Wech­sel des Ver­trags­ar­beit­ge­bers statt, bleibt die Beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers im Be­trieb aber un­verändert be­ste­hen, weil neu­er und al­ter Ar­beit­ge­ber die­sen ge­mein­sam führen, berührt der Ar­beit­ge­ber­wech­sel die Zu­gehörig­keit des Ar­beit­neh­mers zum „vir­tu­el­len Alt­be­trieb“ nicht. Der am Ge­mein­schafts­be­trieb be­tei­lig­te neue Ver­trags­ar­beit­ge­ber muss sich so be­han­deln las­sen, als ha­be das Ar­beits­verhält­nis schon während der Zeit der Vor­beschäfti­gung mit ihm selbst be­stan­den.

(4) Auch wenn kein Be­triebsüber­gang vor­liegt oder Ge­mein­schafts­be­trieb be­steht, kann es dem al­ten oder neu­en Ar­beit­ge­ber nach dem Rechts­ge­dan­ken des § 162 Abs. 2 BGB ver­wehrt sein, sich auf ei­ne Un­ter­bre­chung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu be­ru­fen. Das ist et­wa an­zu­neh­men, wenn die Un­ter­bre­chung mit dem Ziel her­bei­geführt wur­de, den Be­stands­schutz von „Alt-Ar­beit­neh­mern“ nach § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG zu ver­ei­teln (für die Er­satz­ein­stel­lung von Ar­beit­neh­mern vgl. BAG 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 22, BA­GE 119, 343).

 

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c) Da­nach durf­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt auf der Grund­la­ge sei­ner bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen nicht da­von aus­ge­hen, die Kläge­rin sei kei­ne „Alt-Ar­beit­neh­me­rin“ im Sin­ne des Ge­set­zes. Es hätte prüfen müssen, ob Umstände vor­lie­gen, die trotz der zum 30. No­vem­ber 2005 ein­ge­tre­te­nen recht­li­chen Un­ter­bre­chung da­zu führen, dass der Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses der Par­tei-en auf ei­nen Zeit­punkt vor dem 1. Ja­nu­ar 2004 zurück­zu­be­zie­hen ist.

aa) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist von ei­nem Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses am 1. De­zem­ber 2005 aus­ge­gan­gen. Die nach die­sem Zeit­punkt auf­grund des Aus­lau­fens von Be­fris­tun­gen ein­ge­tre­te­nen recht­li­chen Un­ter­bre­chun­gen hat es für unschädlich er­ach­tet. Letz­te­res ist re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Die Mo­da­litäten der Beschäfti­gung wur­den von der Be­klag­ten vor­ge­ge­ben. Die Ar­beits­auf­ga­ben der Kläge­rin blie­ben - auch wenn sich ihr zeit­li­cher Um­fang änder­te - die ei­ner „Fach­ex­per­tin für Pho­to­gram­me­trie“. So­weit das Ar­beits­verhält­nis An­fang März 2006 nicht nur recht­lich, son­dern für die Dau­er von 19 Ka­len­der­ta­gen auch zeit­lich un­ter­bro­chen wur­de, ist dies unschädlich. Die Par­tei­en hat­ten ursprüng­lich ei­ne naht­lo­se Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin im An­schluss an die bei­den vor­an­ge­gan­ge­nen be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­se ver­ein­bart. Sie sind hier­von le­dig­lich für die Durchführung ei­ner Wei­ter­bil­dung der Kläge­rin - ein­ver­nehm­lich - ab­gerückt. Auf den un­be­ding­ten Wil­len der Be­klag­ten, die Kläge­rin im Be­trieb zu hal­ten, hat­te die Un­ter­bre­chung kei­nen Ein­fluss. Die An­nah­me ei­nes en­gen sach­li­chen Zu­sam­men­hangs zwi­schen den Ver­trags­verhält­nis­sen ist un­ter die­sen Umständen ge­recht­fer­tigt.

bb) Den Fest­stel­lun­gen im Be­ru­fungs­ur­teil zu­fol­ge ha­ben sich we­der die äußeren Be­din­gun­gen, un­ter de­nen die Kläge­rin ih­re Ar­beits­leis­tung zu er­brin­gen hat­te, noch der In­halt ih­rer Tätig­keit durch die ver­schie­de­nen seit dem Jahr 2000 er­folg­ten Ar­beit­ge­ber­wech­sel geändert. Die Kläge­rin hat durchgängig am sel­ben Ort, un­ter Nut­zung der­sel­ben Geräte und in Zu­sam­men­ar­beit mit den­sel­ben Kol­le­gen Auf­träge der Be­klag­ten nach Wei­sung von de­ren Geschäftsführer er­le­digt. Da­mit lie­gen Umstände vor, die die An­nah­me recht­fer­ti­gen können, die Ar­beit­ge­ber­wech­sel stünden - wie von der Kläge­rin be­haup­tet - im Zu­sam­men­hang mit Be­triebsübergängen iSv. § 613a BGB. Soll­te die Be­klag­te

 

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so­gar In­ha­be­rin der Be­triebs­mit­tel ge­blie­ben sein, können die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen auch er­ge­ben, dass sie den Be­trieb mit den je­wei­li­gen Ver­trags­ar­beit­ge­bern der Kläge­rin ge­mein­sam geführt hat. Ei­ne ab­sch­ließen­de Be­wer­tung ist dem Se­nat nicht möglich. Da­zu fehlt es an den er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen.

II. Dies führt zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che - ein­sch­ließlich des An­trags auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung - an das Lan­des­ar­beits­ge­richt. We­der stellt sich die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung aus an­de­ren Gründen im Er­geb­nis als rich­tig dar (§ 561 ZPO), noch kommt ei­ne ab­sch­ließen­de Sach­ent­schei­dung nach § 563 Abs. 3 ZPO zu­guns­ten der Kläge­rin in Be­tracht.

1. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Gel­tung des Ers­ten Ab­schnitts des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes lie­gen nicht aus an­de­ren Gründen nicht vor. Die War­te-zeit des § 1 Abs. 1 KSchG hat­te die Kläge­rin im Kündi­gungs­zeit­punkt erfüllt. Mit der Fra­ge, ob im Be­trieb der Be­klag­ten ei­ne für § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG hin­rei­chend große Zahl an­de­rer „Alt-Ar­beit­neh­mer“ beschäftigt war, hat sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt - von sei­nem recht­li­chen Stand­punkt aus kon­se­quent - nicht be­fasst und den in­so­weit um­strit­te­nen Sach­ver­halt nicht auf­geklärt. Dies wird es ggf. nach­zu­ho­len ha­ben. Der Kläge­rin kann nicht ent­ge­gen-ge­hal­ten wer­den, sie sei ih­rer Dar­le­gungs­last aus § 23 Abs. 1 KSchG nicht nach­ge­kom­men (zu die­ser vgl. BAG 23. Ok­to­ber 2008 - 2 AZR 131/07 - Rn. 29; 6. Ju­ni 2008 - 2 AZR 264/07 - Rn. 20 ff., BA­GE 127, 102).

a) Will sich der Ar­beit­neh­mer auf die Maßgeb­lich­keit des ab­ge­senk­ten Schwel­len­werts des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG be­ru­fen, genügt er sei­ner Dar­le­gungs­last re­gelmäßig zunächst da­durch, dass er schlüssi­ge An­halts­punk­te für die Beschäfti­gung der er­for­der­li­chen An­zahl von „Alt-Ar­beit­neh­mern“ auf­zeigt. Auf ent­spre­chen­den Vor­trag muss sich der Ar­beit­ge­ber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Ein­zel­nen erklären und ggf. dar­tun, wel­che rechts­er­heb­li­chen Tat­sa­chen der Be­haup­tung des Ar­beit­neh­mers ent­ge­gen­ste­hen sol­len (vgl. BAG 6. Ju­ni 2008 - 2 AZR 264/07 - BA­GE 127, 102). Tut er dies, ist es er­neut Sa­che des

 

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Ar­beit­neh­mers dar­zu­le­gen und ggf. zu be­wei­sen, dass der ab­ge­senk­te Wert maßgeb­lich ist.

b) Da­nach hat die Kläge­rin ih­rer Dar­le­gungs­last auf der ers­ten Stu­fe genügt. Sie hat ne­ben den drei Per­so­nen, de­ren Ar­beits­verhält­nis un­strei­tig be­reits vor dem 1. Ja­nu­ar 2004 be­gon­nen hat, fünf wei­te­re Ar­beit­neh­mer na­ment­lich be­nannt, von de­nen sie be­haup­tet hat, sie sei­en be­reits am 31. De­zem­ber 2003 bei der Be­klag­ten beschäftigt ge­we­sen. Der Vor­trag im­pli­ziert die kon­klu­den­te Be­haup­tung, die frag­li­chen Ar­beit­neh­mer hätten nach dem Stich­tag dem „vir­tu­el­len Alt­be­trieb“ kon­ti­nu­ier­lich an­gehört. Die Be­klag­te hat dem ent­ge­gen-ge­hal­ten, die be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer sei­en bei ihr erst seit dem 1. März oder 1. April 2006 beschäftigt ge­we­sen. Ob sie da­mit gel­tend ma­chen will, die-se Per­so­nen erst­mals zu dem frag­li­chen Zeit­punkt ein­ge­stellt zu ha­ben, oder ob sie sich auf ei­ne Wie­der­ein­stel­lung nach vor­her­ge­hen­der Un­ter­bre­chung be­ru­fen will, ist nicht klar. Soll­te Letz­te­res zu­tref­fen, sind von der Be­klag­ten - so­weit ihr, nicht aber der Kläge­rin be­kannt - die Gründe für die Un­ter­bre­chung auf­zu­zei­gen, um der Kläge­rin ggf. wei­te­re Dar­le­gun­gen zur An­wend­bar­keit des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu ermögli­chen.

2. Die Gel­tung des Ers­ten Ab­schnitts des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes kann nicht da­hin­ste­hen. Dass die Kündi­gung auch bei - un­ter­stell­ter - An­wend­bar­keit von § 1 KSchG so­zi­al ge­recht­fer­tigt wäre, steht nicht fest. Um­ge­kehrt ist die Kündi­gung wirk­sam, soll­te der all­ge­mei­ne Kündi­gungs­schutz nach dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz nicht ein­grei­fen. We­der ist sie in un­zulässi­ger Wei­se be­dingt, noch fehlt es ihr an der er­for­der­li­chen Be­stimmt­heit. Sie verstößt auch nicht ge­gen den Grund­satz von Treu und Glau­ben.

a) Der Se­nat kann nicht selbst be­ur­tei­len, ob die Kläge­rin ih­re Ar­beits­leis­tung - so die Be­klag­te - be­harr­lich ver­wei­gert hat und die or­dent­li­che Kündi­gung da­durch iSd. § 1 Abs. 2 KSchG be­dingt ist.

 

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aa) Ei­ne be­harr­li­che Ar­beits­ver­wei­ge­rung setzt vor­aus, dass der Ar­beit­neh­mer die ihm über­tra­ge­ne Ar­beit be­wusst nicht er­bringt und wei­ter­hin nicht er­brin­gen will, ob­wohl er zur Ar­beits­leis­tung ver­pflich­tet ist. Ei­ne Ar­beits­pflicht be­steht grundsätz­lich nur im un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis. Der Ar­beit­neh­mer ver­letzt des­halb re­gelmäßig kei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten, wenn er nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist bis zur Rechts­kraft ei­ner Ent­schei­dung in ei­nem von ihm an­ge­streng­ten Kündi­gungs­schutz­pro­zess da­von ab­sieht, dem Ar­beit­ge­ber sei­ne Ar­beits­kraft an­zu­bie­ten.

bb) Über­dies gibt § 12 KSchG ei­nem Ar­beit­neh­mer, der im Ver­lauf ei­nes Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses ein neu­es Ar­beits­verhält­nis ein­ge­gan­gen ist, die Möglich­keit, bin­nen ei­ner Wo­che nach der Rechts­kraft des Ur­teils durch Erklärung ge­genüber dem al­ten Ar­beit­ge­ber die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bei die­sem zu ver­wei­gern. Vor Ab­lauf der Wo­chen­frist des § 12 Satz 1 KSchG ist er zu ei­ner sol­chen Erklärung nicht ver­pflich­tet. Äußert sich der Ar­beit­neh­mer - wie im Streit­fall die Kläge­rin - bin­nen der Frist nicht, ist er, auch bei ent­ge­gen­ste­hen­der in­ne­rer Wil­lens­rich­tung, zur Fort­set­zung des al­ten Ar­beits­verhält­nis­ses ver­pflich­tet (vgl. APS/Biebl 4. Aufl. § 12 KSchG Rn. 18; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 12 KSchG Rn. 12; KR/Rost 10. Aufl. § 12 KSchG Rn. 13).

cc) Im Streit­fall hat­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt durch Ur­teil vom 11. März 2010 die So­zi­al­wid­rig­keit der or­dent­li­chen Kündi­gung vom 28. No­vem­ber 2008 fest­ge­stellt. Das vollständig ab­ge­fass­te Ur­teil wur­de der Kläge­rin am 1. April 2010 zu­ge­stellt. Es ist da­mit - da An­halts­punk­te für ei­nen Rechts­mit­tel­ver­zicht nicht vor­lie­gen - frühes­tens am 3. Mai 2010, ei­nem Mon­tag, for­mell rechts­kräftig ge­wor­den. Da die Kläge­rin bei Zu­stel­lung des Ur­teils be­reits in ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber stand, war sie so­mit nicht vor Diens­tag, dem 11. Mai 2010 ge­hal­ten, ih­re Ar­beit bei der Be­klag­ten wie­der auf­zu­neh­men.

dd) Ob die Kläge­rin, weil sie auch an­sch­ließend noch der Ar­beit fern­ge­blie­ben ist, ih­re Ar­beit ver­wei­gert hat, ver­mag der Se­nat nicht ab­sch­ließend zu be­ur­tei­len. Zur Hartnäckig­keit im Wil­len der Kläge­rin hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen. Zu­dem muss berück­sich­tigt wer­den, dass die

 

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Be­klag­te der Kläge­rin ei­ne Tätig­keit im ver­mes­sungs­tech­ni­schen Außen­dienst an­ge­tra­gen hat. Ob dies ver­trags­gemäß war, ist eben­so we­nig fest­ge­stellt. Ggf. wird zu prüfen sein, ob die Be­klag­te die Kläge­rin vor ei­ner Kündi­gung hätte ab-mah­nen müssen, um sie zu ver­trags­ge­rech­tem Ver­hal­ten an­zu­hal­ten.

b) Ei­ne ab­sch­ließen­de Ent­schei­dung ist auch zu­guns­ten der Kläge­rin nicht möglich. Die or­dent­li­che Kündi­gung vom 17. Mai 2010 hat Be­stand, wenn das Kündi­gungs­schutz­ge­setz nicht an­zu­wen­den ist.

aa) Die Kündi­gung enthält kei­ne Be­din­gung, die ih­rer Wirk­sam­keit im We­ge stünde. Auch ei­ne „hilfs­wei­se“ oder „vor­sorg­lich“ erklärte Kündi­gung drückt den Wil­len des Ar­beit­ge­bers aus, das Ar­beits­verhält­nis zu be­en­den. Der Zu­satz „hilfwei­se“ oder „vor­sorg­lich“ macht le­dig­lich deut­lich, dass der Ar­beit­ge­ber sich in ers­ter Li­nie auf ei­nen an­de­ren Be­en­di­gungs­tat­be­stand be­ruft, auf des­sen Rechts­wir­kun­gen al­so nicht et­wa ver­zich­ten will (BAG 12. Ok­to­ber 1954 - 2 AZR 36/53 - zu III der Gründe, BA­GE 1, 110). Die „hilfs­wei­se“ oder „vor­sorg­lich“ erklärte Kündi­gung steht un­ter ei­ner - zulässi­gen (BAG 3. April 2008 - 2 AZR 500/06 - Rn. 22) - auflösen­den Rechts­be­din­gung iSv. § 158 Abs. 2 BGB. Ih­re Wir­kung en­digt, wenn fest­steht, dass das Ar­beits­verhält­nis be­reits zu ei­nem frühe­ren Zeit­punkt auf­gelöst wor­den ist (ähn­lich KR/Grie­be­ling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 169).

bb) Die or­dent­li­che Kündi­gung ist ent­ge­gen der An­sicht der Kläge­rin nicht des­halb un­wirk­sam, weil im Kündi­gungs­schrei­ben ein kon­kre­tes Be­en­di­gungs­da­tum nicht aus­drück­lich ge­nannt ist. Ei­ner sol­chen An­ga­be be­durf­te es nicht.

(1) Ei­ne Kündi­gung muss als emp­fangs­bedürf­ti­ge Wil­lens­erklärung so be­stimmt sein, dass der Empfänger Klar­heit über die Ab­sich­ten des Kündi­gen­den erhält. Der Kündi­gungs­adres­sat muss er­ken­nen können, zu wel­chem Zeit­punkt das Ar­beits­verhält­nis aus Sicht des Kündi­gen­den be­en­det sein soll. Des­halb muss sich aus der Erklärung oder den Umständen zu­min­dest er­ge­ben, ob ei­ne frist­gemäße oder ei­ne frist­lo­se Kündi­gung ge­wollt ist (BAG 15. De­zem­ber 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 20, BA­GE 116, 336). Ob dies hin­rei­chend deut­lich

 

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wird, rich­tet sich nach den Verhält­nis­sen bei Aus­spruch der Kündi­gung (BAG 21. Ok­to­ber 1981 - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe).

(2) Die an ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung zu stel­len­den Be­stimmt­heits­an­for­de­run­gen ver­lan­gen vom Kündi­gen­den nicht, den Kündi­gungs­ter­min als kon­kre­tes ka­len­da­ri­sches Da­tum in der Kündi­gungs­erklärung aus­drück­lich an­zu­ge­ben. Es reicht aus, wenn der ge­woll­te Be­en­di­gungs­ter­min für den Kündi­gungs­empfänger zwei­fels­frei be­stimm­bar ist (vgl. APS/Preis 4. Aufl. Grund­la­gen D Rn. 20; APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 66c; Ha­Ko-KSchR/Fie­big/Mest­werdt 4. Aufl. Einl. Rn. 18; Münch­KommBGB/Hes­se 6. Aufl. § 620 Rn. 78; Pa­landt/ Wei­den­kopf 72. Aufl. Vorb. § 620 BGB Rn. 32; Stau­din­ger/Oet­ker (2012) Vorb. zu §§ 620 ff. Rn. 125; Ei­se­mann NZA 2011, 601; Mu­thers RdA 2012, 172, 176; Fled­der­mann Ar­bRAk­tu­ell 2011, 347; Raab RdA 2004, 321, 326).

(3) Es kann da­hin­ste­hen, ob ei­ne Kündi­gung, die vom Ar­beit­ge­ber iso­liert als or­dent­li­che Kündi­gung und als sol­che „zum nächst­zulässi­gen Ter­min“ aus­ge­spro­chen wird, die­sen Be­stimmt­heits­an­for­de­run­gen in je­dem Fall genügt. Zu­min­dest ei­ne nur „hilfs­wei­se“ für den Fall der Un­wirk­sam­keit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung aus­ge­spro­che­ne or­dent­li­che Kündi­gung „zum nächst­zulässi­gen Ter­min“ ent­spricht den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen.

(a) Ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung „zum nächst­zulässi­gen Ter­min“ ist ty­pi­scher­wei­se so aus­zu­le­gen, dass der Kündi­gen­de die Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu dem Zeit­punkt er­rei­chen will, der sich bei An­wen­dung der ein­schlägi­gen ge­setz­li­chen, ta­rif­ver­trag­li­chen und/oder ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen als recht­lich frühestmögli­cher Be­en­di­gungs­ter­min er­gibt (BAG 9. Sep­tem­ber 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BA­GE 135, 278). Der ge­woll­te Be­en­di­gungs­ter­min ist da­mit je­den­falls ob­jek­tiv ein­deu­tig be­stimm­bar. Dies ist je­den­falls dann aus­rei­chend, wenn die recht­lich zu­tref­fen­de Frist für den Kündi­gungs­adres­sa­ten leicht fest­stell­bar ist und nicht um­fas­sen­de tatsächli­che Er­mitt­lun­gen oder die Be­ant­wor­tung schwie­ri­ger Rechts­fra­gen er­for­dert.

(b) Ob dies auch im an­de­ren Fal­le aus­rei­chend ist oder dem das be­rech­tig­te In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers ent­ge­gen­steht, mit Blick auf die im un­gekündig-

 

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ten Ar­beits­verhält­nis be­ste­hen­de Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung und zur Un­ter­las­sung von Wett­be­werb Aus­kunft darüber zu er­hal­ten, zu wel­chem kon­kre­ten Zeit­punkt der Ar­beit­ge­ber sub­jek­tiv das Ar­beits­verhält­nis als be­en­det an­sieht, braucht nicht ent­schie­den zu wer­den. Es kann des­halb glei­cher­maßen of­fen­blei­ben, ob sich die­ses In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers auf die Be­stimmt­heit der Kündi­gungs­erklärung aus­wirkt oder et­wa be­stimm­te Pflich­ten des Ar­beit­ge­bers aus § 241 Abs. 2 BGB be­gründet. Die Be­klag­te hat die or­dent­li­che Kündi­gung nicht iso­liert als sol­che erklärt. Sie hat viel­mehr zuvörderst „frist­los“ und nur hilfs­wei­se or­dent­lich zum „nächst zulässi­gen Ter­min“ gekündigt. Die Kläge­rin als Kündi­gungs­empfänge­rin war da­mit nicht im Un­kla­ren darüber, wann das Ar­beits­verhält­nis nach der Vor­stel­lung der Be­klag­ten tatsächlich be­en­det sein soll­te - nämlich mit Zu­gang des Schrei­bens vom 17. Mai 2010. Dar­auf muss­te und konn­te sie sich in ih­rem prak­ti­schen Han­deln ein­stel­len. Dar­auf, ob es ihr oh­ne Schwie­rig­kei­ten möglich war, auch den Ab­lauf der Frist der hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­nen or­dent­li­chen Kündi­gung zu­verlässig zu er­mit­teln, kommt es un­ter die­sen Umständen nicht an.

cc) Die or­dent­li­che Kündi­gung vom 17. Mai 2010 verstößt nicht ge­gen den Grund­satz von Treu und Glau­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die Be­klag­te ha­be den Umständen nach im Kündi­gungs­zeit­punkt zu­min­dest sub­jek­tiv da­von aus­ge­hen dürfen, die Kläge­rin ha­be an ei­ner Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bei ihr kein wirk­li­ches In­ter­es­se mehr, und hat mit die­ser Be­gründung ei­ne Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung gemäß § 242 BGB ver­neint. Dies ist re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Ei­ne Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, die Kläge­rin zu­vor ab­zu­mah­nen, be­stand außer­halb ei­ner Gel­tung des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes nicht.

III. Soll­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt er­neut zu dem Er­geb­nis ge­lan­gen, das Ar­beits­verhält­nis sei durch die or­dent­li­che Kündi­gung auf­gelöst wor­den, wird es zu er­mit­teln ha­ben, wel­che Kündi­gungs­frist ein­zu­hal­ten war. Sei­ne bis­he­ri­ge Auf­fas­sung, ob­jek­tiv maßge­bend sei ei­ne Frist von zwei Mo­na­ten, berück­sich­tigt nicht das Vor­brin­gen der Kläge­rin zum Vor­lie­gen von Be­triebsübergängen iSd. § 613a Abs. 1 BGB. Dar­aus kann sich - je nach den Umständen - das Er-

 

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for­der­nis er­ge­ben, Beschäfti­gungs­zei­ten aus ei­nem vor­an­ge­gan­ge­nen Ar­beits­verhält­nis an­zu­rech­nen (vgl. da­zu BAG 23. Ok­to­ber 2008 - 2 AZR 131/07 - Rn. 48; 18. Sep­tem­ber 2003 - 2 AZR 330/02 - zu B I der Gründe).

Kreft 

Rinck 

Ber­ger

Be­cker­le 

Tors­ten

Fal­ke

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