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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.09.2016, 9 Sa 812/16
Schlagworte: | Weiterbeschäftigung, Freistellung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 9 Sa 812/16 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 30.09.2016 | |
Leitsätze: | Vereinbaren Parteien nach erstinstanzlichen Obsiegen eines Arbeitnehmers im Kündigungsrechtsstreit und Verurteilung des Arbeitgebers zur vorläufigen Weiterbeschäftigung eine Freistellung zur Vermeidung der Vollstreckung der Weiterbeschäftigung, so ist diese Freistellung einer tatsächlich erfolgten vorläufigen Weiterbeschäftigung gleichzusetzen. Der Arbeitnehmer ist nach rechtskräftigem Unterliegen im Kündigungsrechtsstreit nicht verpflichtet, für die Zeit der Freistellung bezogenes Entgelt zurückzuzahlen. | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Potsdam, Urteil vom 15.03.2016, 7 Ca 1525/15 | |
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet am
30. September 2016
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
9 Sa 812/16
7 Ca 1525/15
Arbeitsgericht Potsdam
H.
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 9. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2016 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. B. als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin Frau G. und den ehrenamtlichen Richter Herrn H.
für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 15. März 2016 – 7 Ca 1525/15 – teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an das klagende Land 549,18 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits haben das klagende Land zu 88/100 und der Beklagte zu 12/100 zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten über Rückzahlungsansprüche.
Der Beklagte war Arbeitnehmer des klagenden Landes. Das klagende Land erklärte die Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2013. Der Beklagte erhob Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Potsdam stellte durch Urteil vom 6. Mai 2014 zum Aktenzeichen 5 Ca 2414/13 die Unwirksamkeit der Kündigung fest und verurteilte das klagende Land zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.
Der Prozessbevollmächtigte des klagenden Landes erklärte gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit Schreiben vom 19. Juni 2014, die Voraussetzungen einer Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht lägen vor, eine Vollstreckung der Weiterbeschäftigung sei zudem aufgrund des Hausverbotes nicht möglich, und führte weiter aus:
„2.
Gleichwohl nimmt unsere Mandantin Ihr Angebot zunächst dahingehend an, dass Ihr Mandant mit dem heutigen Tag sozialversicherungsrechtlich angemeldet wird. Dies ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und vor allem unter der auflösenden Bedingung einer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses feststellenden Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, woran jedenfalls der Unterzeichner keine Zweifel hegt.
Ebenfalls wird Ihr Angebot zu dem Aspekt angenommen, dass Ihr Mandant hiermit namens in Vollmacht des beklagten Landes
jederzeit widerruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unter Anrechnung auf eventuell noch bestehenden und im Anschluss daran auf eventuell noch entstehenden Erholungsurlaub freigestellt wird.
Auch dies erfolgt ausdrücklich unter der auflösenden Bedingung einer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses feststellenden Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Ausdrücklich weise ich darauf hin, dass Ihrem Mandanten auch während der Freistellung weiterhin die in § 5 EntgeltfortzahlungsG normierten Verpflichtungen obliegen.“
Mit weiterem Schreiben vom 6. August 2014 erklärte der Prozessbevollmächtigte des klagenden Landes gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten:
„1.
Zunächst teilen wir mit, dass wir gegen den Beschluss des ArbG Potsdam vom 28.07.2014 fristwahrend sofortige Beschwerde einlegen werden.
2.
Gleichwohl wird unsere Mandantin die bereits in der Vergangenheit avisierte „bezahlte Freistellung“ vornehmen und Ihren Mandanten umgehend sozialversicherungsrechtlich anmelden.
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Die Freistellung von der Erbringung der Arbeitsleistung erfolgt jederzeit widerruflich und unter Anrechnung auf eventuell noch bestehenden und im Anschluss daran auch eventuell noch entstehenden Erholungsurlaub.
Dies jedoch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, ausschließlich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung und insbesondere unter der auflösenden Bedingung einer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses feststellenden Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg bzw. eines Erfolges der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des ArbG Potsdam.
Der Vollständigkeit halber weisen wir darauf hin, dass Ihrem Mandanten auch während der Freistellung weiterhin die Pflichten gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz obliegen.“
Das klagende Land meldete den Kläger bei der Sozialversicherung an und zahlte Entgelt für die Zeit vom 11. Juni 2014 bis 31. August 2014.
Durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Oktober 2014 wurde das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam zum Aktenzeichen 5 Ca 2414/13 abgeändert und die Klage abgewiesen (3 Sa 936/14, s. Bl. 8-16 d.A.). Dieses Urteil ist nach Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 21. November 2014 verlangte das klagende Land vom Beklagten unter Fristsetzung zum 5. Dezember 2014 die Rückzahlung der vom 11. Juni 2014 bis 31. August 2014 gezahlten Bezüge (s. i.E. Bl. 17 d.A.). Der Beklagte lehnte eine Zahlung ab.
Mit seiner Klage hat das klagende Land den Rückzahlungsanspruch, gerichtet auf den gezahlten Nettobetrag von 4.989,75 Euro abzüglich dem Kläger aufgrund eines kurzen Arbeitsverhältnisses mit dem klagenden Land zustehender 80,47 Euro netto weiterverfolgt. Die Zahlung an den Beklagten sei zur Abwendung von Zwangsmaßnahmen erfolgt.
Das klagende Land hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an das klagende Land einen Betrag in Höhe von 4.909,28 Euro netto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 06.12.2014 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Zahlung zu Unrecht erfolgt sein solle. Die Parteien hätten sich im Juni 2014 zur Erfüllung des Anspruchs auf vorläufige Weiterbeschäftigung gemäß dem erstinstanzlichen Urteil auf einen Vergleich geeinigt, wonach das klagende Land ihn bei der Sozialversicherung anmelde und bezahle, aber von der Arbeitspflicht freistelle. Das klagende Land habe ihn abredegemäß freigestellt, ab 11. Juni 2014 bezahlt und diese Zahlung ohne Grund mit Ablauf des 31. August 2014 eingestellt.
Das Arbeitsgericht Potsdam hat die Klage durch Urteil vom 15. März 2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Parteien hätten ein Prozessrechtsverhältnis vereinbart. Spätestens nach Erlass des Zwangsvollstreckungsbeschlusses im Verfahren 5 Ca 2014/13 sei es zu einer entsprechenden Vereinbarung gekommen. Dies ergebe sich aus der Mitteilung des Beklagtenvertreters, „… Bei sofortiger Aufnahme des Arbeitsverhältnisses können wir von mir aus – wie schon einmal ins Auge gefasst – auch eine bezahlte Freistellung vereinbaren. Bitte teilen Sie uns Ihre Entscheidung bis morgen, 06.08.2014, 18.00 Uhr, mit …“, der Antwort des Prozessbevollmächtigten des klagenden Landes vom 6. August 2014 und der weiteren Erklärung des Beklagtenvertreters „… bitten wir Sie, uns spätestens bis morgen, Donnerstag 07.08.2014, 14:00 Uhr, den Nachweis hierher zurück, dass Herr [d. Bekl.] von der Behörde wieder als Arbeitnehmer eingestellt und
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sozialversicherungsrechtlich angemeldet wurde. Sollten wir keine rechtsverbindliche Bestätigung erhalten, bitten wir um Verständnis, dass wir die Vollstreckung fortführen müssen …“. Auf dieser Grundlage sei spätestens mit der tatsächlichen Anmeldung des Beklagten dieses Angebot angenommen und ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden. Dies stehe der geltend gemachten Rückforderung entgegen.
Gegen dieses ihm am 29. April 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Mai 2016 eingelegte, am 27. Juni 2016 begründete Berufung des klagenden Landes. Der Tatbestand der arbeitsgerichtlichen Entscheidung sei unvollständig, weitere bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren hätten keine Berücksichtigung gefunden.
Der Beklagte habe nicht gearbeitet, sondern sei mit seinem Versuch der Durchsetzung einer tatsächlichen Beschäftigung gescheitert. Neben dem Verfahren 3 Sa 963/14 (Nichtzulassungsbeschwerde 6 AZN 45/15) habe der Beklagte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zum Aktenzeichen 2 Ga 22/14 seine Einstellung und Anmeldung zur Sozialversicherung als Arbeitsgruppenleiter waffentechnisches Gerät und Spezialtechnik zu weiter genannten näheren Bedingungen verlangt. Nach erstinstanzlichem Obsiegen und einem unter dem 9. Oktober 2014 verhängten Zwangsgeld habe der Beklagte diesen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach Hinweis auf einen unbestimmten Antragswortlaut und keine über den normalen Zwangsvollstreckungsvorgang hinausgehende Vereinbarung in der Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zurückgenommen (s. das Protokoll des Verfahrens 17 SaGa 1817/14 Bl. 108f d.A.). Damit stehe bindend fest, dass keine Vereinbarung über eine Weiterbeschäftigung zustande gekommen sei. Unabhängig hiervon sei eine solche auch nicht getroffen worden. Das Arbeitsgericht habe auf die Entscheidung 2 Ga 22/14 Bezug genommen, obwohl diese in der Berufung nicht bestätigt worden sei. Die für den rechtlichen Schluss eines Zahlungsanspruchs bestehenden Voraussetzungen seien vom Arbeitsgericht nicht festgestellt worden. Eine Arbeitsleistung sei auch im Falle eines Prozessarbeitsverhältnisses Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch. Im Übrigen liege in einem Nachgeben gegenüber einem Vollstreckungsdruck keine Willenserklärung.
Das klagende Land beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 26.04.2016 - 7 Ca 1525/15 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an das klagende Land einen Betrag in Höhe von 4.909,28 € netto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2014 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Zutreffend gehe das Arbeitsgericht von einer außergerichtlichen Vereinbarung eines vorläufig befristeten Arbeitsverhältnisses unter gleichzeitiger Freistellung aus. Die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage berühre diesen Anspruch angesichts des vereinbarten Prozessrechtsverhältnisses nicht. Er sei berechtigt gewesen, seine Weiterbeschäftigung im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, das klagende Land habe das Angebot auf Abschluss eines Prozessrechtsarbeitsverhältnisses mit Anmeldung bei der Sozialversicherung und Zahlung konkludent angenommen. Ein Zusammenhang mit dem Verfahren 2 Ga 22/14, 17 Sa Ga 1817/14 sei nicht ersichtlich, der Antrag sei in der Berufungsverhandlung aus formalen Gründen zurückgenommen worden. Bindende Feststellungen ergäben sich hieraus nicht. Auf eine tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung komme es angesichts der Freistellungsvereinbarung nicht an, das klagende Land habe keinen Zweifel daran gelassen, dass es ihn nicht am Arbeitsplatz sehen wolle. Das klagende Land versuche, die beharrliche Verweigerung der titulierten Weiterbeschäftigung zu legitimieren.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).
B. Die Berufung ist nur teilweise begründet.
Ein Anspruch des klagenden Landes auf Rückzahlung gezahlten Nettoentgelts gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB setzt voraus, dass der Beklagte diese Zahlungen ohne Rechtsgrund erlangt hat. Dies kann nur für die anteiligen Zahlungen für die Zeit vom 11. Juni 2014 bis 19. Juni 2014 festgestellt werden, was zur teilweisen Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung führt.
I. Unstreitig liegt kein fortbestehendes Arbeitsverhältnis der Parteien vor, das Rechtsgrundlage von (Annahmeverzugs-)Entgeltansprüchen des Beklagten sein könnte. Ebenso unstreitig erfolgte keine tatsächliche Beschäftigung, die Ansprüche des Beklagten auf Entgelt begründen könnte.
II. Es erfolgte jedoch eine Freistellung zur Vermeidung der geforderten vorläufigen Weiterbeschäftigung. Diese Freistellung steht, wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden hat, einer Rückforderung des für die Zeit der Freistellung gezahlten Entgelts entgegen.
1. Im Falle einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung aufgrund einer erstinstanzlichen Verurteilung zur vorläufigen Weiterbeschäftigung kann das Entgelt für die erfolgte Arbeitsleistung im Falle einer späteren Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zurückgefordert werden, soweit dieses – wie regelmäßig anzunehmen – dem Wert der Arbeitsleistung entspricht. Gegen die Rückabwicklung bereits ausgetauschter Leistungen werden die Parteien durch die im Bereicherungsrecht anerkannte Saldierung geschützt (BAG, Urteil vom 12. Februar 1992 – 5 AZR 297/90 –, BAGE 69, 324-331, Rn. 19; BAG, Urteil vom 10. März 1987 – 8 AZR 146/84 –, BAGE 54, 232-242; vgl. zur Saldotheorie MüKoBGB/Schwab BGB, 6. Aufl. 2013, § 818 Rn. 210ff.).
2. Im vorliegenden Fall erfolgte eine Freistellung, die wie eine tatsächlich erfolgte vorläufige Weiterbeschäftigung zu behandeln ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Parteien ein Prozessrechtsarbeitsverhältnis, d.h. eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Abschluss des Rechtsstreits mit Freistellung während dieser Zeit vereinbart haben. Jedenfalls haben die Parteien eine Freistellung von der vorläufigen Weiterbeschäftigung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung vereinbart. Damit haben die Parteien auch vereinbart, dass die Zeit der Freistellung einer tatsächlichen per Zwangsvollstreckung durchgesetzten Beschäftigung, d.h. einer Prozessbeschäftigung (vgl. BAG, Urteil vom 14. Juni 2016 – 9 AZR 8/15 –, juris) entsprechend zu behandeln ist.
Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 04. August 2015 – 3 AZR 137/13 –, BAGE 152, 164-193, Rn. 30; BAG, Urteil vom 24. Februar 2016 – 4 AZR 991/13 –, Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 24. September 2015 – 2 AZR 716/14 –, Rn. 35, juris).
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a) Nach dem Wortlaut der Erklärung wurde eine Freistellung anstatt der geforderten vorläufigen Weiterbeschäftigung angeboten.
Das klagende Land hat mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19. Juni 2014 erklärt, der Beklagte werde „jederzeit widerruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unter Anrechnung auf eventuell noch bestehenden und im Anschluss daran auf eventuell noch entstehenden Erholungsurlaub freigestellt“. D.h. es wird nicht erklärt, man verweigere schlicht weiterhin eine tatsächliche Beschäftigung, vielmehr erfolgt eine „Freistellung“, was gedanklich eine Beschäftigung voraussetzt, von der freigestellt werden soll. Es wird nicht lediglich angekündigt, es werde Annahmeverzugsentgelt unter dem Vorbehalt einer Rückforderung gezahlt. Hierfür bedürfte es, da der Beklagte aufgrund der Kündigung ersichtlich nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet war, keiner „Freistellung“. Auch die weiter aufgeführte Anrechnung auf Erholungsurlaub spricht für eine gewollte Freistellung von einer ansonsten erfolgenden Beschäftigung.
b) Dies entspricht auch den weiteren Umständen sowie dem Sinn und Zweck der Vereinbarung. Dem klagenden Land ging es insbesondere darum, eine Beschäftigung des Beklagten aufgrund einer Vollstreckung des Titels zur vorläufigen Weiterbeschäftigung zu vermeiden. Hierbei hat sich das klagende Land nicht dem Vollstreckungsdruck gebeugt und eine Beschäftigung ermöglicht, sondern ein anderes Angebot zur Vermeidung der unerwünschten Beschäftigung unterbreitet. Entsprechend wird ausgeführt, man sehe zwar rechtlich die Möglichkeit einer Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht als das gewünschte Ergebnis, nehme aber „gleichwohl“ diese Freistellung vor bzw. ein entsprechendes Angebot des Beklagten an. Mit der Durchsetzung der vorläufigen Weiterbeschäftigung wäre ein Anspruch des Beklagten auf Bezahlung tatsächlich geleisteter Arbeit ungeachtet des Ausgangs des Prozesses entstanden. In diesem Zusammenhang eines Angebots zur Vermeidung der tatsächlichen Beschäftigung bedeutet eine „Freistellung“ eine solche anstelle der ansonsten vom klagenden Land geschuldeten tatsächlichen Beschäftigung, deren Vollstreckung drohte. Eine bloß vorläufige Zahlung von (Annahmeverzugs-)Entgelt vorbehaltlich einer Rückforderung im Falle des Obsiegens des klagenden Landes im Kündigungsrechtsstreit entspräche für beide Seiten erkennbar nicht dem Zweck der Vereinbarung, den Beklagten das Interesse an einer Zwangsvollstreckung des Beschäftigungstitels zu nehmen. Bestätigt wird dies durch das spätere Schreiben des klagenden Landes vom 6. August 2014, in dem es heißt, es werde eine „bezahlte Freistellung“ vorgenommen. Eine bezahlte Freistellung ist kein Verzicht auf die Arbeitsleistung bei Verzicht auf Entgelt.
c) Ob hier das klagende Land mit dem Schreiben vom 19. Juni 2014 bereits ein etwaiges vorheriges Angebot des Beklagten angenommen hat oder ob der Beklagte dieses Angebot konkludent angenommen hat ohne dass es eines weiteren Zugangs der Annahmeerklärung beim klagenden Land bedürfte (§ 151 S. 1 BGB) kann dahingestellt bleiben. Selbst im Falle einer lediglich einseitigen Zusage des klagenden Landes müsste sich dieses hieran festhalten lassen.
3. Entsprechend ist die Zeit der Freistellung wie eine vorläufige tatsächliche Weiterbeschäftigung zu behandeln. Damit stand dem Beklagten das Entgelt zu, das er im Falle der tatsächlichen vorläufigen Weiterbeschäftigung erhalten hätte. Es ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass das Entgelt des Beklagten der im Falle einer tatsächlichen Beschäftigung erbrachten Arbeitsleistung entsprochen hätte.
4. Dies gilt aber nur für die Zeit ab der Freistellung. Da eine Freistellung erst mit Schriftsatz der Prozessvertreter des klagenden Landes vom 19. Juni 2016 vereinbart bzw. erklärt wurde, gilt dies erst ab diesem Zeitpunkt.
a) Soweit das Arbeitsgericht hier eine Freistellungsvereinbarung rückwirkend zum 11. Juni 2016 annimmt, ist hierfür keine Grundlage feststellbar. Die bloße Geltendmachung der Weiterbeschäftigung und eine etwaige Androhung der Zwangsvollstreckung begründen keine
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Entgeltansprüche. Allein aus der tatsächlich erfolgten Zahlung ergibt sich weder eine Freistellung noch ein Rechtsgrund für die Zahlung. Der Erlass eines Zwangsvollstreckungsbeschlusses begründet keine Freistellung. In dem Schreiben vom 19. Juni 2014 finden sich nach dem Wortlaut nach keine Anhaltspunkte für eine gewollte Rückwirkung einer Freistellung, vielmehr heißt es hier – wenn auch in Bezug auf die Sozialversicherung – „mit dem heutigen Tage“. Auch aus der erkennbaren Interessenlage ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine gewollte Rückwirkung. Das klagende Land wollte eine drohende künftige Vollstreckung der Weiterbeschäftigung verhindern. Auch aus dem weiteren Schreiben des klagenden Landes vom 6. August 2014 ergibt sich nichts anderes. Soweit in diesem die Rede von einer jetzt erfolgenden Vornahme einer in der Vergangenheit avisierten bezahlten Freistellung ist, macht dies zwar eine bereits durch das Schreiben vom 19. Juni 2014 erfolgte Freistellung nicht gegenstandlos, begründet aber auch keine darüber hinausgehende Rückwirkung.
b) Da für die Zeit vom 11. Juni 2014 bis 19. Juni 2016 eine Zahlung erfolgte, der weder eine der Arbeitsleistung gleichzusetzende Freistellung gegenüberstand noch ein Rechtsgrund hierfür vorlag, ist der Beklagte insoweit gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zur Rückzahlung verpflichtet.
Rechnerisch ergibt sich ausgehend von den klägerseitig vorgetragenen, nicht bestrittenen genannten Summen ein Betrag von 549,18 Euro (4.989,75 Euro für insgesamt 81 Kalendertage in der Zeit zwischen 11. Juni 2014 – 31. August 2014 entspricht 61,02 Euro pro Kalendertag, entsprechend 549,18 Euro für neun Kalendertage vom 11. Juni 2014 bis einschließlich 19. Juni 2014, letzteres unter der Annahme einer Freistellung erst ab dem Folgetag).
III. Dass die Freistellung unter der „auflösenden Bedingung einer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses feststellenden Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg“ erfolgte, führt zu keinem rückwirkenden Wegfall der Freistellung.
1. Gemäß § 158 Abs. 2 BGB endet ein unter einer auflösenden Bedingung vorgenommenes Rechtsgeschäft mit dem Eintritt der Bedingung. Dass mit Eintritt dieser Bedingung, d.h. der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg am 17. Oktober 2014 keine weitere Freistellung erfolgen sollte, stellt der Beklagte nicht in Abrede. Mit Eintritt dieser Bedingung entfällt die Grundlage für weitere Ansprüche aufgrund von Erklärungen unter dieser Bedingung. Um solche Ansprüche geht es vorliegend nicht, etwa nach dem 17. Oktober 2014 begründete Ansprüche sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
2. Eine rückwirkend auflösende Bedingung wurde nicht vereinbart. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein rückwirkender Wegfall einer Freistellung überhaupt vereinbart werden könnte. Es liegt jedenfalls keine solche Vereinbarung vor. Dies ergibt eine Auslegung der Erklärungen. Der Beklagte hat auf der Grundlage eines bestehenden Titels eine tatsächliche Beschäftigung verlangt, die nur zu dieser Zeit geleistet werden konnte. Das klagende Land hat für diese Zeit hieran anknüpfend eine Freistellung erklärt. Eine Möglichkeit des rückwirkenden Entzugs der Freistellung kann damit angesichts der fehlenden Möglichkeit der rückwirkenden Arbeitsleistung nicht gemeint sein. Vielmehr wäre ein Angebot einer rückwirkend wegfallenden Freistellung in sich widersprüchlich. Eine bloße Zahlung von Entgelt unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Falle des Obsiegens im Kündigungsrechtsstreit hat das klagende Land nicht angeboten, sondern ausdrücklich auf eine Freistellung verwiesen. Es wird auf die obigen Ausführungen zu Ziffer 2. Bezug genommen.
IV. Aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren zum Aktenzeichen 2 Ga 22/14, 17 SaGa 1817/14 und der Antragsrücknahme des Beklagten in diesem Verfahren ergibt sich nichts Gegenteiliges.
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Für die hier streitgegenständliche Rückforderung gezahlten Entgeltes für die Zeit vom 11. Juni 2014 bis 31. August 2014 kommt es entscheidend auf die Freistellung durch das klagende Landes in dieser Zeit an (s.o.). Dass der Beklagte in einem weiteren Verfahren eine Beschäftigung – hier dem Antrag nach mit speziellen Aufgaben – verlangt und diesen Antrag nach erstinstanzlichem Obsiegen am 18. Februar 2015 zurückgenommen hat, macht die Erklärung des klagenden Landes zur Freistellung nicht gegenstandslos. Es kann dahingestellt bleiben, welche Hinweise hier seitens des Gerichts erteilt wurden. Auch wenn man hier vom Vortrag des klagenden Landes ausgeht, beinhaltet die erfolgte Antragsrücknahme kein Angebot einer rückwirkenden einvernehmlichen Aufhebung der Freistellung.
V. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
C. Einer weiteren Frist zur Stellungnahme für das klagende Land bedurfte es nicht, da die Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht auf unstreitigen Tatsachen, hier den vom klagenden Land nicht in Abrede gestellten Schreiben vom 19. Juni 2014 und vom 6. August 2014 beruht und in rechtlicher Hinsicht die Frage der Bedeutung der hier erklärten Freistellung für die streitgegenständlichen Ansprüche bereits Kern der erstinstanzlichen Begründung war. Eine teilweise Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung erfolgte lediglich zu Gunsten des klagenden Landes.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.
E. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Dr. B. G. H.
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