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ARBEITSRECHT AKTUELL // 15/020

Kla­ge­ver­zicht in AGB-Klau­sel des Ar­beit­ge­bers

Ein vor­for­mu­lier­ter Ver­zicht auf ei­ne Kün­di­gungs­schutz­kla­ge in ei­ner Aus­gleichs­quit­tung mit der Über­schrift "Ar­beits­pa­pie­re" ist über­ra­schend und da­her un­wirk­sam: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 25.09.2014, 2 AZR 788/13
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19.01.2015. Mit ei­ner Aus­gleichs­quit­tung be­stä­tigt der Ar­beit­neh­mer den Er­halt sei­ner Ar­beits­pa­pie­re und zu­gleich auch, dass ihm kei­ne An­sprü­che mehr ge­gen den Ar­beit­ge­ber zu­ste­hen.

Manch­mal ent­hält ei­ne Aus­gleichs­quit­tung auch den Ver­zicht des Ar­beit­neh­mers auf Er­he­bung ei­ner Kla­ge, ins­be­son­de­re auf Ein­rei­chung ei­ner Kün­di­gungs­schutz­kla­ge.

Wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) vor kur­zem be­stä­tigt hat, ist ein vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­ter Ver­zicht auf ei­ne Kün­di­gungs­schutz­kla­ge, der in ei­ne Aus­gleichs­quit­tung mit der Über­schrift "Ar­beits­pa­pie­re" hin­ein­ge­mo­gelt wur­de, ei­ne über­ra­schen­de Klau­sel und au­ßer­dem ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers, wenn die­ser für den Kla­ge­ver­zicht kei­ne Ge­gen­leis­tung be­kommt: BAG, Ur­teil vom 25.09.2014, 2 AZR 788/13.

Können Aus­gleichs­quit­tun­gen Kla­ge­ver­zichts­ver­ein­ba­run­gen ent­hal­ten?

Wer als Ar­beit­neh­mer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses den Emp­fang sei­ner Ar­beits­pa­pie­re bestätigt, d.h. den Er­halt von Ar­beits­be­schei­ni­gung, so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Ab­mel­dung, Zeug­nis und/oder Ur­laubs­be­schei­ni­gung, ris­kiert da­mit nicht viel, denn ei­ne sol­che Emp­fangs­bestäti­gung ist nur ei­ne harm­lo­se Quit­tung.

Ganz an­ders sieht die Sa­che aus, wenn in ei­ner sol­chen Emp­fangs­bestäti­gung zu­gleich die Erklärung ent­hal­ten ist, dass al­le Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis erfüllt sind, denn mit ei­ner sol­che Aus­gleichs­klau­sel ver­nich­tet der Ar­beit­neh­mer of­fe­ne Ansprüche: Soll­ten ihm noch Lohn­ansprüche, Über­stun­den­be­zah­lung oder ei­ne Ur­laubs­ab­gel­tung zu­ste­hen, ge­hen die­se Zah­lungs­ansprüche in­fol­ge der Aus­gleichs­klau­sel un­ter.

Das Be­son­de­re ei­ner Aus­gleichs­quit­tung be­steht dar­in, die­se bei­den Erklärun­gen (harm­lo­se Quit­tung und weit­rei­chen­de Aus­gleichs­klau­sel) mit­ein­an­der zu kom­bi­nie­ren. Das macht die Aus­gleichs­quit­tung zu ei­nem ju­ris­ti­schen Pro­blem­kind.

Denn wenn über ei­ner vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­ten und vom Ar­beit­neh­mer ab­ge­zeich­ne­ten Erklärung "Ar­beits­pa­pie­re" oder "Emp­fangs­be­kennt­nis" oder "Quit­tung" steht, soll­te in die­ser Erklärung auch nur das ent­hal­ten sein, was der Über­schrift ent­spricht. An­dern­falls ist die in das Schriftstück hin­ein­ge­schmug­gel­te Aus­gleichs­klau­sel "über­ra­schend" im Sin­ne des Rechts der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB), und über­ra­schen­de Klau­seln wer­den nicht in den Ver­trag ein­be­zo­gen (§ 305c Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB).

In der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung zu Aus­gleichs­quit­tun­gen stand al­ler­dings we­ni­ger der über­ra­schen­de Cha­rak­ter von Klau­seln im Vor­der­grund, son­dern ihr ein­sei­tig den Ar­beit­neh­mer be­las­ten­der Cha­rak­ter.

Zum Bei­spiel wur­de ent­schie­den, dass ein Kla­ge­ver­zicht des Ar­beit­neh­mers, den er nach Er­halt ei­ner Kündi­gung in ei­ner Ab­wick­lungs­ver­ein­ba­rung erklärt, nur bei ei­ner Ge­gen­leis­tung des Ar­beit­ge­bers wirk­sam ist (BAG, Ur­teil vom 06.09.2007, 2 AZR 722/06, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 07/44 Bei Kündi­gung kein Kla­ge­ver­zicht oh­ne Ge­gen­leis­tung; Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 27.03.2014, 5 Sa 1099/13, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 14/169 Ver­zicht auf Kündi­gungs­schutz­kla­ge). Geklärt ist auch, dass ei­ne ein­sei­tig auf Ansprüche des Ar­beit­neh­mers be­zo­ge­ne Aus­gleichs­klau­sel in ei­nem Ab­wick­lungs­ver­trag ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung dar­stellt (BAG, Ur­teil vom 21.06.2011, 9 AZR 203/10, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 12/005 Auf­he­bungs­ver­trag oh­ne Ab­fin­dung, aber mit Aus­gleichs­klau­sel?).

In dem hier be­spro­che­nen Ur­teil hat das BAG klar­ge­stellt, dass ein Kla­ge­ver­zicht, der in ei­ner mit "Ar­beits­pa­pie­re" über­schrie­be­nen Aus­gleichs­quit­tung ent­hal­ten ist, über­ra­schend ist und da­her recht­lich un­wirk­sam.

Der Fall des BAG: Aus­gleichs­quit­tung mit ein­sei­ti­gem Kla­ge­ver­zicht

In dem Fall des BAG war ein Bau­wer­ker nach länge­rer, durch ei­nen Ar­beits­un­fall be­ding­ten Krank­heit or­dent­lich gekündigt wor­den. Ei­nen Kündi­gungs­grund im Sin­ne des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes (KSchG) konn­te der Ar­beit­ge­ber später nicht vor­wei­sen, ob­wohl dem gekündig­ten Bau­ar­bei­ter Kündi­gungs­schutz nach dem KSchG zu­stand.

Im­mer­hin hat­te sich Ar­beit­ge­ber die Mühe ge­macht, das Kündi­gungs­schrei­ben dem Bau­wer­ker durch ei­nen an­de­ren Mit­ar­bei­ter persönlich aushändi­gen zu las­sen, und zwar in der Woh­nung des Bau­wer­kers. An­geb­lich, so je­den­falls der Ar­beit­ge­ber, soll der gekündig­te Bau­wer­ker bei die­ser Ge­le­gen­heit auch ei­ne Aus­gleichs­quit­tung un­ter­schrie­ben ha­ben, was die­ser be­stritt.

Die Ver­ein­ba­rung trug die Über­schrift "Ar­beits­pa­pie­re" und hat­te fol­gen­den Wort­laut:

"Sehr ge­ehr­ter Herr,

an­bei über­rei­chen wir Ih­nen die un­ten auf­geführ­ten Ar­beits­pa­pie­re mit der Bit­te, uns den Emp­fang durch Ih­re Un­ter­schrift und Rück­ga­be die­ses Schrei­bens zu bestäti­gen.

Hier­mit bestäti­ge ich, fol­gen­de Pa­pie­re ord­nungs­gemäß von der Fir­ma F zurück­er­hal­ten zu ha­ben:

X Lohn­steu­er­kar­te + Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung
  So­zi­al­ver­si­che­rungs­ab­mel­dung
  Lohn­zet­tel
 

Lohn­rest­zah­lung (Scheck)

  Ur­laubs­nach­weis
  Kurzaus­wer­tung Ent­fer­nungs-km

Ich (Ar­beit­neh­mer) bestäti­ge, dass ich wei­ter­ge­hen­de Ansprüche aus und in Ver­bin­dung mit dem Ar­beits­verhält­nis und sei­ner Be­en­di­gung nicht mehr ge­gen die Fir­ma F ha­be. Ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge wer­de ich nicht er­he­ben; ei­ne be­reits er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge wer­de ich un­verzüglich zurück­neh­men. 

Die vor­ste­hen­de Aus­gleichs­quit­tung ha­be ich sorgfältig ge­le­sen und zur Kennt­nis ge­nom­men.

Mag­de­burg 26.04.2011"

Nach­dem das Ar­beits­ge­richt Mag­de­burg durch Ein­ho­lung ei­nes gra­pho­lo­gi­schen Gut­ach­tens (!) zu der Über­zeu­gung ge­kom­men war, dass der Bau­wer­ker die Aus­gleichs­quit­tung un­ter­schrie­ben hat­te, wies es sei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge ab (Ur­teil vom 29.11.2011, 9 Ca 1337/11).

Da­ge­gen gab das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Sach­sen-An­halt dem Ar­beit­neh­mer Recht, da es die Ver­zichts­klau­sel als un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers be­wer­te­te (LAG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 26.06.2013, 4 Sa 41/12). Es kam da­her aus Sicht des LAG gar nicht mehr dar­auf an, ob der Bau­wer­ker die Erklärung un­ter­zeich­net hat­te oder nicht.

BAG: Ein vor­for­mu­lier­ter Ver­zicht auf ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge oh­ne Ge­gen­leis­tung in ei­ner Aus­gleichs­quit­tung mit der Über­schrift "Ar­beits­pa­pie­re" ist über­ra­schend und un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gend

Das BAG schloss sich der Mei­nung des LAG Sach­sen-An­halt in al­len Punk­ten an, wo­bei es die Wirk­sam­keit des Kla­ge­ver­zichts aus zwei Gründen ver­nein­te:

Ers­tens war der Kla­ge­ver­zicht über­ra­schend im Sin­ne von § 305c Abs.1 BGB, weil er in AGB des Ar­beit­ge­bers ent­hal­ten war, die die­ser mit "Ar­beits­pa­pie­re" über­schrie­ben hat­te. An­ge­sichts der durch Fett­druck her­vor­ge­ho­be­nen Über­schrift und der (eben­falls fett­ge­druck­ten) An­kreuz-Lis­te mit aus­gehändig­ten Ar­beits­pa­pie­ren muss ein durch­schnitt­li­cher Ar­beit­neh­mer nicht mit ei­ner Kla­ge­ver­zichts­klau­sel rech­nen.

Zwei­tens war die Klau­sel aber auch in­halt­lich nicht in Ord­nung, d.h. sie stell­te ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers dar (§ 307 Abs.1 BGB). Denn, so das BAG un­ter Ver­weis auf sei­ne bis­he­ri­ge Recht­spre­chung:

"Ein for­mu­larmäßiger Kla­ge­ver­zicht oh­ne je­de ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge Kom­pen­sa­ti­on - et­wa in Be­zug auf den Be­en­di­gungs­zeit­punkt, die Be­en­di­gungs­art, die Zah­lung ei­ner Ent­las­sungs­entschädi­gung oder den Ver­zicht auf ei­ge­ne Er­satz­ansprüche - ist (...) idR un­zulässig."

Fa­zit: Ar­beit­ge­ber soll­ten ge­ne­rell kei­ne Aus­gleichs­quit­tun­gen mehr ver­wen­den, da Ver­zichts­erklärun­gen in ei­ner Quit­tung nichts zu su­chen ha­ben. Ar­beit­neh­mer, die sich bei Überg­a­be der Ar­beits­pa­pie­re zu sol­chen Erklärun­gen ha­ben drängen las­sen und auf Ansprüche und/oder das Kla­ge­recht ver­zich­tet ha­ben, soll­ten sich da­von nicht ab­hal­ten las­sen, mit Hil­fe ei­nes An­walts vor Ge­richt zu zie­hen. Denn Aus­gleichs­quit­tun­gen von der Art der hier im Streit­fall ver­wen­de­ten sind das Pa­pier nicht wert, auf dem sie ge­schrie­ben sind.

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Letzte Überarbeitung: 15. Juli 2020

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